Weiter geht’s in der Plastikwoche: Der FC St. Pauli reist für die zweite Runde im DFB-Pokal nach Leipzig zum Konstrukt „Rasenballsport“.
(Titelfoto: Stuart Franklin / Getty Images via OneFootball)
Rein spielerisch ist RaBa Leipzig ein schwerer Gegner. Nach unserer letzten Begegnung wissen wir aber auch alle, dass sie nicht unschlagbar sind. Was RaBa aber ist: Ein absoluter Plastik-Club und gefährlich für den Fußball, den wir uns wünschen. Nämlich getragen von den Fans.
Ich sag‘s wie es ist: Ich find RaBa Leipzig richtig kacke, erwartet hier also keine neutrale Berichterstattung. Je mehr ich in die Materie einsteige, desto höher wird mein Puls. Ich werde versuchen so gut es geht euch den Verein vorzustellen. Gleichzeitig ist es mir aber wichtig, einen kritischen Blick auf ihn zu haben. Schauen wir zunächst auf die Entstehung von RaBa, also wie man sich bis heute entwickelte und warum man so stark in der Kritik steht.
Die Anfänge bis heute
FC Red Bull Salzburg
Bevor Red Bull in den deutschen Fußball einstieg, setzte das Unternehmen seine Pläne bereits in Salzburg um. Das österreichische Unternehmen kaufte 2005 den SV Austria Salzburg auf und änderte Stück für Stück alles, was den Verein ausmachte. Sie änderten den Vereinsnamen zu FC Red Bull Salzburg, die Vereinsfarben von lila-weiß zu rot-weiß und das Logo mit Ähnlichkeit zu den zwei Bullen aus dem Red Bull Logo. Die gesamte Tradition eines seit 1933 bestandenen Vereins war mal eben so beendet worden. Die Fans machten da natürlich nicht mit und gründeten aus eigener Hand SV Austria Salzburg neu. Austria startete in der untersten Spielklasse Österreichs und schaffte es bis 15/16 in die zweite österreichische Liga. Aufgrund von Insolvenz und Lizenzentzug spielen sie heute wieder in der Regionalliga (3. Liga). In der Saison 2023/24 trafen Austria Salzburg und Red Bull Salzburg im Pokal erstmals aufeinander, die Austria verlor mit 0:4.
Rasenballsport Leipzig
In Deutschland versuchte Red Bull auf gleichem Wege wie in Salzburg, Vereine aufzukaufen. Versuche gab es beim TSV 1860 München, Fortuna Düsseldorf und auch beim FC St. Pauli. Mit diesen Plänen scheiterten sie aber. Red Bull guckte also nach kleineren Vereinen, außerhalb von DFL-Auflagen. Im Jahre 2009 übernahm man die Spiellizenz vom SV Markranstädt und gründete RaBa Leipzig. Um den Regularien der DFL zu entsprechen, gemäß derer man keine Unternehmen im Vereinsname haben darf, nannte man sich Rasenballsport statt Red Bull. Bayer 04 Leverkusen bestätigt hier als historische Ausnahme die Regel. Der Kniff Leipzigs, sich trotzdem mit RB abzukürzen, funktioniert medial in den meisten Fällen.
Nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga, musste RaBa Leipzig nach Auflagen der DFL ihr Logo verändern, sodass es nicht wie das Unternehmenslogo aussieht. Die einzige Änderung: keine gelbe Sonne mehr. Die zwei Bullen blieben erhalten. RaBa Leipzig starteten direkt in der Oberliga Nordost, kauften sich erfahrene Spieler und schafften es innerhalb von sieben Jahren bis in die Bundesliga aufzusteigen. Das schafften sie vor allem mit ganz viel Geld so schnell und konnten sich Spieler wie Emil Forsberg oder Youssuf Poulsen, während der Zeit in der 2. Bundesliga holten. RaBa Leipzig nahm dafür also mehr Geld in die Hand, als alle Zweitligisten zusammen. Nach ihrer ersten Bundesligasaison sicherten sie sich bereits einen Platz in der Champions League.
Zentralstadion, DFB-Pokal und keine Mitbestimmung
Seit 2010/11 spielt RaBa im Zentralstadion in Leipzig, das für die Fußball WM 2006 ausgebaut wurde, danach aber kaum weitere Verwendung fand. Gleichzeitig sicherte man sich für 30 Jahre die Namensrechte und benannte es in „Red Bull Arena“ um.
Die größten sportlichen Erfolge von RaBa sind die DFB-Pokalsiege 2022 und 2023 und der DFL-Supercup 2023. Man erinnere sich an die befremdlichen Szenen, in denen die Spieler jenen Energydrink in den Pokal kippten…
Heute zählt der Verein nur gut 20 stimmberechtigte Mitglieder, die im Großteil dem Konzern Red Bull nahestehen. RaBa Leipzig bietet noch eine Fördermitgliedschaft zwischen 100€ und 1000€ im Jahr an, um Privilegien wie Karten-Vorkaufsrecht oder Fanshop-Rabatt zu erhalten. Ein Stimmrecht im Verein erhält man damit nicht.
Die Fans

// (c) Maja Hitij/Getty Images via OneFootball
Offiziell zählt RaBa Leipzig 68 Fanclubs. Zu den ersten Fanclubs zählen „L.E. Bulls“ und der „Bulls Club“, die sich beide bereits 2009 gründeten. Auch eine aktive Fanszene ist in Leipzig zu finden, bestehend aus Gruppen wie den „Rasenballisten“ oder „Zone 147“. Die Rasenballisten gründeten sich ebenfalls 2009, seit 2015 sind sie ein eingetragener Verein, in dem man ganz normal, im Gegensatz zum Verein, den sie unterstützen, Mitglied werden kann.
Die Rasenballisten beharren sehr auf den Namen „Rasenballsport Leipzig“. Im Gegensatz zum Verein, der aufgrund der Werbewirkung sich ja lieber mit RB abkürzt. Nach ihrem „Rasenballismus“ (so nennen sie es auf ihrer Webseite, das ist kein Witz), sehen sie sich als „achter Mann“. (Versteht ihr? Weil man sich ab sieben Mitgliedern rechtlich Verein nennen darf…) Sie wollen vielmehr dem Verein durch die angestellten Mitarbeiter, ehrenamtlichen Helfer und die Stadt Leipzig ein Gesicht geben. Außerdem erhoffen sie sich irgendwann eine Unabhängigkeit von Red Bull. Auch ein eigenes alternatives Wappen haben sie entworfen. Heute verstehen sich die Rasenballisten als „Kurvenverein“ und agieren quasi als Dachverband verschiedener Gruppen in der Fanszene.
Darunter befindet sich auch Zone 147, die seit 2014 bestehen. Ihren Support gegenüber RaBa begründen sie mit der Liebe zur Stadt Leipzig und diese landesweit präsentieren und vertreten zu wollen. So suchen sie die Fußballgeschichte auch im Zentralstadion. Diese repräsentiere zwar nicht die Geschichte von RaBa, man wolle aber, dass der „Geist des alten Zentralstadions immer erhalten bleibt“.
Hier möchte ich auch nochmal betonen, dass ich den Begriff Ultras bewusst nicht verwendet habe, da der allgemeine Konsens der Ultrabewegung, gegen Kommerzialisierung zu sein, nicht zum Support eines Vereins wie Rasenballsport passt. Auch die Gruppen bei RaBa selbst haben (soweit ich gesehen habe) sich bisher nicht als Ultras betitelt. Trotzdem ist es mir wichtig dies nochmal klarzustellen und so auch einen klaren Unterschied zwischen Ultras und den aktiven Gruppen bei RaBa Leipzig aufzuzeigen, auch wenn sich die Art des Supports ähnelt.
Das Problem mit RaBa Leipzig
Nochmal und jetzt ein bisschen genauer: Nichts, was RaBa Leipzig tut, hat damit zu tun, wie der Fußball sein sollte: Getragen von den Fans. Die Fußballabteilung ist seit 2014 als GmbH ausgegliedert, deren Gesellschafter ist zu 99% der Konzern Red Bull. Es ist keine richtige Mitgliedschaft bei RaBa möglich, außer die der 23 wahlberechtigten Mitglieder. Der Konzern Red Bull greift zu einem taktischen Kniff, um 50+1 zu umgehen. Vor allem wenn die 23 wahlberechtigten Mitglieder des Vereins dem Konzern nahestehen. Es gibt faktisch keine Mitbestimmung der Mitglieder im klassischen Sinne, nichts mit 50+1. Gleichzeitig gab es die kleinen Veränderungen im Logo und Namen, um DFL-Regularien zu entsprechen, es dabei aber trotzdem zu schaffen im Logo und Namen konstant Werbung für den Konzern zu machen.
Deutlicher wird es also nicht: RaBa Leipzig ist ein Konzern im Fußball, mit dem einfachen Ziel so viele Werbewirkung wie möglich für den Brausekonzern zu erwirtschaften. Zusätzlich aber auch mit dem Vorteil, sich mit dem Geld des Konzerns bis in die Champions League hochzuspielen, teure Spieler zu kaufen oder zwischen Salzburg und Leipzig (und den weiteren zum Konzern zugehörigen Vereinen in New York, Bragantino (Brasilien), Ōmiya (Japan) und demnächst vielleicht auch noch Paris) hin und herzuschieben. Der Verein kann auch so viel Geld ausgeben wie man will, wenn der Konzern dahinter ihnen auch noch 100-Millionen Euro Schulden erlässt. Das Thema „Multic-Club Ownership“ ist zweifelsohne eines der größten Probleme im Weltfußball und Red Bull ist dabei ein großer Player (Sportschau / Deutschlandfunk).
Red Bull war schon in der Vergangenheit in der Lage, rechtliche Schlupflöcher zu finden um 50+1 zu umgehen und so viel Geld wie möglich in den Verein zu pumpen, Regeln zu dehnen und sich so nach oben zu spielen. In meinen Augen ist das klare Wettbewerbsverzerrung. RaBa wird auch juristisch kritisch betrachtet und vom Bundeskartellamt überprüft, vor allem im Bezug auf die 50+1 Regel. Bis es hier aber zu rechtlichen Konsequenzen kommt, wird es wohl noch dauern (wenn überhaupt) und es würde mich nicht wundern, wenn man auch hier durchkommt oder die DFL dabei gerne behilflich ist.
All dies macht RaBa Leipzig gefährlich für den Fußball. Es ist und bleibt ein Konstrukt, und wie USP beim letzten Heimspiel gegen RaBa so schön sagte ist dieses Konstrukt ein Feind des Fußballs.
Schlussworte
Ihr habt es gemerkt: Das war alles andere als neutrale Berichterstattung. Das wollen wir ja aber auch nicht immer machen, schon gar nicht bei Fanthemen. RaBa Leipzig ist kritisch zu sehen und es ist unglaublich, wie es überhaupt möglich war, dass sie so weit kommen konnten. Dies ist auch die Schuld von DFB und DFL, trotz der RaBa auferlegten Regularien. Kompletter Quatsch, dass man RaBa damals zwang das Logo zu ändern und mit der dann vollzogenen Änderung zufrieden war. Für mich ist es auch schwer zu begreifen, wie bei RaBa Leipzig eine Fanszene entstehen konnte, die irgendwie versucht Kritik an einem Verein zu äußern, der von Beginn an ein Konstrukt war, und sich nun an dem Namen „Rasenballsport“ festhängt, als hätte es eine Art Tradition. Sehr merkwürdig und alles in allem einfaches Schönreden.
Auf der anderen Seite gibt es in Leipzig nur diesen Profiverein im höherklassigen Fußball, den es vorher zum Beispiel mit Chemie oder Lok auf dem sportlich Niveau nicht gegeben hat. Jugendliche wachsen in Leipzig auf und kennen keinen Fußball ohne RaBa. Das wären die einzigen Gründe, die ich sehe, um einen Verein wie RaBa zu supporten. Insgesamt herrscht bei mir aber ein generelles Unverständnis darüber, einen von Beginn an vom Konzern getragenen Verein zu unterstützen und gleichzeitig irgendeine Art von Geschichte zu suchen, die es nicht gibt.
Wie dem auch sei, auch gegen einen Verein wie RaBa müssen wir wohl oder übel antreten. Umso besser wäre es, wenn wir sie aus dem Pokal hauen. Die Bilder mit Red Bull im Pokal muss ich nicht nochmal sehen.
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// Nina
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Du hast grundsätzlich in allem Recht, was du schreibst Es ist zwar nicht unbedingt meine Meinung, aber viele Leipziger / Sachsen wollen nicht nur erfolgreichen Fußball sehen (statt Viertligakicks), sondern gern auch einen entspannten Stadionbesuch ohne „Randale“ erleben. Lok oder Chemie sind ja nicht gerade Kinder von Traurigkeit. Und bei Lok laufen zudem noch Haufenweise Rechte herum. Das sind durchaus Gründe, warum das Stadion einigermaßen voll ist, obwohl die Leute damit ein Werbespielzeug unterstützen und sich damit zu nützlichen Idioten machen.
Wer zu RB geht, dem ist halt alles egal. Das ist wie mit der Masse der Fans in England, gut zu sehen in einer Sportschau-Reportage. Die bejubeln den Scheich. Egal, ob das ein paar pakistanische Sklaven verrecken, ob Frauen unterdrückt werden, ob Menschenrechte mit Füßen getreten werden: Der Schein ist ein total cooler Typ, weil er ManCity zu Weltruhm verhilft.
Hi Nina,
ich gehe zu 100% mit dir. Was die Fans betrifft allerdings 2 Anmerkungen. Bei der Ehrenrunde der großartigen Blindenfußballer/innen gab es lauten und ehrlichen Applaus dem RA BA Gästeblock. Und der Schriftzug : So eine homophobe Scheiße tolerieren wir nicht. Behrens ins Abseits stellen, war bei ihrem Heimspiel übergroß zu lesen. Das war nicht in allen Stadions am Wochenende so.Ich denke, Raphael hat da schon den richtigen Erklärungsversuch für das RA BA Fan-Dasein gefunden.
Immer weiter voran,Nina. Du bist ein Gewinn für das Millernton -Team!
In der Liste von Red Bulls Fußball-Unternehmen (Clubs sind sie nicht) fehlt Leeds United. Red Bull hat im Mai einen Minoritätsanteil davon gekauft und diese Saison sind sie dessen Hauptsponsor.
Bei jedem anderen Los würde ich jetzt im Fanladenbus Richtung Spielort sitzen. Der Getränkehersteller aus Fuschl am See bekommt von mir aber keinen Cent, weder für Getränke noch für Fußball.
Schwieriges Thema, ich persönlich mag eine schwarz weiß Sicht auf die Dinge weil sie klar herausstellt was schräg bzw. nicht rechtens läuft.
Aber was macht man mit dieser Sichtweise bezogen auf z.B. unseren Trainer der bekanntlich beim Brauseklub ausgebildet wurde? Oder auch unseren Ex-Trainer, der zu einem Verein wechselte der Teil eines „Multic-Club Ownership“ ist.
Oder der BvB der eine ebenso fragwürdige Konstruktion gebaut hat um mit Aktien zu dealen?
Von der Geldversorgung von all den Schalkes, Herthas, HSVs (beide) usw. ganz zu schweigen.
Wie gesagt, schwieriges Thema und letztlich auch schwierig mit dieser Brille überhaupt Fußballfan im Profisport zu sein.
Haben sich diese Leute wohl auch gesagt:
https://www.arte.tv/de/videos/115490-004-A/re-kult-kicker-unterste-liga/
Es ist doch ganz einfach: „St. Pauli ist die einzige Möglichkeit“ 🙂
Ein wenig ermüdend ist es schon, immer und immer wieder davon zu lesen, wie sehr das RaBa-Konstrukt der Feind desjenigen Fussballs sind, den wir uns alle wünschen!
RB ist nicht Ursache, sondern Folge einer Entwicklung im Profifussball!
Gleichzeitig wünschen sich wahrscheinlich nicht wenige hier, dass man länger dazugehört, zu Deutschlands höchster Liga dieser Art Fussball!
Diese Liga bzw. die DFL gibt sich zwar momentan noch Regeln wie 50+1, winkt dann aber RB-Werbebanner im Vereinslogo durch?!
Letztlich ist Red Bull Leipzig sehr transparent und ehrlich darin, „Plastik“ zu sein, erfüllt halt alles das, was nötig, um in der Bundesliga dabeisein sein zu dürfen…
Wenn schon Ärgern, dann doch bitte über die DFL und all‘ die Vereine, die z.b. Nähe zum Bergmann im Ruhrpott suggerieren, aber Aktiengesellschaft sind und komischerweise nicht wirklich was gegen RB-Welten haben, weil eventuell dieselben Interessen?!
Und der eigene Wunsch, „dabei zu sein“, wenn es um eben diese DFL-Liga-Welt mit den üppigen Fernsehgeldern geht, hält dem Stand?
Blessin würde als RB-Gewächs auf den Schultern getragen, wenn nicht nur Klassenerhalt, sondern nächstes Jahr DFB-Pokal oder so?
Und vorher wird sich beschwert, dass Bornemann zu inaktiv beim Thema „DFL-Liga-Konstrukt-Klassenerhalt“ getan hat?
Passt alles irgendwie nicht zum „Plastik-Woche“-Geschreibe, weiß ich! Und ich weiß auch, dass es viel an Wert hat, dass unser Verein vieles und überzeugend dafür tut, weniger Plastik zu sein, als andere!
„RB-Fans sind Feinde des Fussballs“ ist in meinen Augen dann eben doch eher übliche „narzistische“ statt „fussball-welt-verbessernde“ Transpi-Kunst, oder?
Forza!
RaBa ist sicherlich beides: Ursache _und_ Folge von Entwicklungen im Profifussball. Er wirkt als Brandbeschleuniger für eine Fehlentwicklung.
Und sicherlich wirst Du mitbekommen haben, dass sich bei uns nicht nur über RaBa, sondern auch über den DFB und die DFL aufgeregt werden.
du schreibst es ja selbst: deine sicht auf die dinge ist (sehr) subjektiv. deine frage, wie es so weit kommen konnte, hast du dir allerdings auch sehr undifferenziert beantwortet. um zu verstehen, wie es in leipzig so weit kommen konnte, sollte der blick schon etwas weiter zurück gehen.
und zwar sehr weit (stichwort: tradition): in leipzig wurde der dfb gegründet und leipzig ist die stadt des ersten deutschen fußballmeisters (vfb leipzig). lok leipzig und chemie sind, wie im übrigen alle „traditionsvereine“ östlich der ehemaligen innerdeutschen grenze (mit ausnahme hertha berlin), in ihrer entstehung sämtlichst konstrukte. alle nach dem krieg gegründet (welch tradition) und mehr oder weniger werksmannschaften. hansa rostock ist gar entstanden, weil man dort im norden eine konkurrenzfähige truppe wollte und kurzerhand die mannschaft von empor lauter (erzgebirge) in den norden „deligierte“ und in empor rostock umbenannte. so viel zur tradition im ost-fußball. mein heimatverein stahl riesa (bei denen ich in den 80ern selbst im nachwuchs spielte) hatte das stahlwerk riesa als trägerbetrieb. kleiner gimmik: an den damaligen vereinsnamen ließ sich meist erkennen, wer/was der trägerbetrieb so tut. dynamo dresden: polizei.
aber zurück zu „wie konnte es in leipzig so weit kommen“?: die stadt leipzig und seine einwohner sehen sich selbst in der großen fußballtradition (wie ich sie eingangs geschildert habe) und lok leipzig hat diese große geschichte als europapokalfinalist weitergeschrieben (chemie war zwar einmal ddr meister, aber sonst eher ne fahrstuhlmannschaft). ich war damals selbst im stadion im halbfinale gegen bordeaux mit noch weiteren mehr als 120.000 zuschauern. und das zentralstadion war nicht nur einmal so voll, obwohl es offiziell „nur“ 100.000 kapazität hatte. du siehst also, die leute in leipzig wollen großen fußball sehen.
aber zurück zu lok und den ddr-fußball. der hörte 1989 auf zu existieren. über nacht machten sich heerscharen von „fußballmanagern“ aus dem goldenen westen auf in den osten, um den „schwachmaten“ (mein ausdruck) dort mal zu zeigen, wie das geht mit dem profifußball. und so wurde erst ein spieler nach dem nächsten weggekauft und schließlich die vereine übernommen und ausgepreßt wie zitronen. davon hat sich der ost-fußball bis heute nicht wieder erholt. lok leipzig, europapokalfinalist, fristet sein dasein in der regionalliga, nach insolvenz ganz unten angefangen. chemie ebenso. mein verein stahl riesa spielt 6. liga, war auch insolvent und wurde neu gegründet.
rb ist in diese lücke gestoßen und ich finde es absolut ok. ich habe nichts übrig, für rb, aber für meine landleute in leipzig habe ich etwas übrig. das große geld der sponsoren sitzt heute wie schon 1989/90 jenseits der ehemaligen innerdeutschen grenze. vw hat ein riesenwerk bei zwickau. das logo trägt der vfl wolfsburg auf dem trikot. verstehst du, was ich sagen möchte. wer sich darüber aufregt, daß sich rb in leipzig eingenistet hat und sich fragt, wie es soweit kommen konnte, der sollte auch mal etwas weiter in die geschichte recherchieren.
das wäre doch mal ne spannende aufgabe, den ddr fußball und vor allem die wende- und nachwendezeit aus „westdeutscher“ sicht zu analysieren. das wäre auch ein fabelhafter beitrag zur verständigung und annäherung von ost und west… aber ich schweife ab…
rb leipzig hat den menschen (zumindest in leipzig) wieder mehr selbstvertrauen und auch selbstachtung gegeben. daß man eben in leipzig auch (wieder) guten und erfolgreichen fußball sieht, man mit den großen mannschaften von jenseits der ehemaligen innerdeutschen grenze mithalten kann und nicht nur von dort müde belächelt wird. und da stehe ich zu 100% hinter meinen landsleuten. ich habe mit lok große stunden der ddr fußballtradition (von etwas anderem kann man ja sonst nicht sprechen, wenn es um die ost vereine geht) selbst im zentralstadion erlebt und wünsche dieser stadt, daß dort weiter großer fußball zu sehen sein wird, und nicht eben nur vierte liga.
und zum abschluß nochmal stichwort tradition: jeder verein, auch der älteste, hat mit tag 1 begonnen und die tradition wuchs über die jahre. rb leipzig hat genau denselben weg eingeschlagen, wie der älteste fußballverein der welt. übrigens nur fünf magere jährchen nach dem fc ingolstadt 04, der auch schon bundesligaluft geschnuppert hat….
sport frei
p.s. wer wissen möchte, wie das damals so abgelaufen ist, mit vereine wie zitronen auspressen, der/die sollte sich mal näher mit der nachwendegeschichte von dynamo dresden, insbesondere mit der ära rolf-jürgen otto, einem frankfurter (gemeint ist natürlich frankfurt am main) bauunternehmer näher auseinander setzen…
Vielen, vielen Dank für deinen Kommentar. Ich finde da wurde hier doch einiges zu schwarz-weiß abgehandelt. Ich kann zu dem ganzen sehr komplexen Thema auch den Podcast Rasenball empfehlen. https://www.ardaudiothek.de/sendung/rasenball-red-bull-und-der-moderne-fussball/13007345/
Es wird dort nicht mit Kritik an RaBa gespart, aber halt auch die vielen Widersprüchlichkeiten der „Traditionsvereine“ aufgezeigt.
Den weg die Fans zu beschimpfen gehe ich jedenfalls ausdrücklich nicht mit.
ein gutes, aktuelles thema ist ja der sponsorendeal von borussia dortmund mit rheinmetall. dazu möchte ich kurz herrn watzke zitieren: „Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen. (…) Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt werden muss. Mit dieser neuen Normalität sollten wir uns auseinandersetzen.“
er meint wahrscheinlich, waffen nach saud-arabien zu verkaufen, die diese dann umgehend zum bleistift im jemen einsetzen, verteidigt unsre demokratie. die wurde ja auch schon am hindukush verteidigt… mit „überwältigendem erfolg“.
nun, ich lehne mich, glaube ich, nicht zu weit aus dem fenster, wenn ich behaupte, mit dem gut 20 stimmberechtigten mitglieder zählenden verein rb leipzig, in der stadt der sogenannten friedlichen revolution, ist solch ein deal schlicht unmöglich. anders beim ca. 200.000 mitglieder zählenden verein borussia dortmund. deren mitglieder beschweren sich, in diese entscheidung nicht einbezogen worden zu sein. aber sie sind es doch, welche die entscheidungsträger auf ordentlichen mitgliederversammlungen wählen, die wiederum dann entscheidungen im namen des vereins und seiner mitglieder treffen. ein vollkommen normaler und in jeder form demokratischer vorgang.
wenn ich mir dann anschaue, wie normale und friedliche rb leipzig anhänger vor allem in dortmund angefeindet werden, unter dem vorwand von tradition und was weiß ich noch alles, dann ploppt bei mir sofort ein gefühl von gelebter doppelmoral, seitens des mitgliedergeführten traditionsvereins borussia dortmund von 1909, auf.
Chemie war 2xMeister und 2x Pokalsieger , und Selbstbewusstsein oder – vertrauen ,da brauche ich nicht RB zu .
ui, das ändert natürlich alles…
du brauchst rb nicht, aber du wirst dir doch nicht anmaßen, für alle leipziger zu sprechen, so du überhaupt leipziger bist…. ich tue das natürlich auch nicht, halte mich aber an das, was ich zu diesem thema aus leipzig höre und lese.
wen es interessiert, hier ein interview aus 2018 mit dem damaligen und aktuellen leipziger oberbürgermeister burkhard jung: https://www.stadtvonmorgen.de/news/stadtgesellschaft/rb-leipzig-als-mentale-genugtuung-fuer-den-osten-141282/
daraus habe ich ausdrücklich nicht abgeschrieben, weil ich, wie bereits erwähnt, die befindlichkeiten meiner landsleute ganz gut kenne und einschätzen kann…
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