Von Göttern und zweiten Bällen

Von Göttern und zweiten Bällen

Fußball ist ungerecht. Is‘ so. Frag mal bei Union nach. Da spielen die wirklich gut am Millerntor. Klar, die ganz dicken Chancen fehlen. Aber defensiv brannte eigentlich wenig bis gar nichts an. Gut, der FCSP hat auch nicht sonderlich viel dafür getan, damit es bei Union im Strafraum mal lichterloh brennt. Trotzdem musst Du auswärts beim Tabellenfünften erstmal so spielen. Und dann, nach Abpfiff, stellst Du fest, dass Du drei Gegentore bekommen hast, eines davon in der Nachspielzeit. Wie konnte es soweit kommen? Rationale Erklärungen dafür werdet ihr diesem Text nicht entnehmen können. Leicht verkatert und verschlafen wandelt mein Hirn etwas in Zwischenwelten, in denen Götter eine Rolle spielen. Vielleicht ist das aber auch ganz nah an der Wahrheit.

Der FCSP startet mit satten fünf Veränderungen im Vergleich zum Darmstadt-Spiel. Während Flum und Meier verletzungsbedingt reingespült wurden, hatte es bei Allagui, Sobota und Kalla taktische Gründe (wobei gerade die Aufstellung von Kalla ein ziemlich klares Signal an Zander gewesen sein dürfte). Auf der Gegenseite stand ein Team mit einem wahnsinnig starken Kader. Allein schon, dass der Ausfall von Polter mit Andersson aufgefangen werden kann, zeigt die nötige Kaderbreite für den Aufstiegskampf an. Die Aufstellung von Mane sorgte dann für Angsteschweiß auf meiner Stirn. Was für ein Transfer! Glücklicherweise merkte man gestern seine noch fehlende Bindung zum Spiel der Unioner an. Noch mehr war Union aber das Fehlen der beiden Außenverteidiger (Trimmel und Reichel, beide gesperrt) anzumerken.

Vermutlich hat der FCSP eben jenes Fehlen zum Anlass genommen, partiell ein sehr hohes Pressing zu probieren. Meier und Allagui liefen dabei durch bis Gikiewicz. Davon ließ Union sich teilweise beeindrucken. Wenn der FCSP auch in den hinteren Reihen sauber nachschob, musste Union viel mit langen Bällen auf Andersson arbeiten. Wurde tatsächlich mal flach aufgebaut, so vornehmlich über die linke Abwehrseite von Union. Ich bin mir inzwischen sicher, dass ein System dahintersteckt, dass der FCSP die linke Abwehrseite gewähren lässt, während der rechte Außenverteidiger konsequent angelaufen wird. Das zeigt sich eigentlich in allen Spielen in denen gegen eine Vierkette agiert wird. Gegen Union hatte der Linksverteidiger Lenz 76, Rechtsverteidiger Ryerson nur 43 Ballkontakte (vs. Darmstadt 82-65; vs. Fürth 93-56; vs. Dresden (3-5-2) 89-46). Warum ist das so? Der FCSP „leitet“ das Spiel des Gegners damit in die Wunschpressingzone. Es wird eine Art Pressingfalle aufgebaut, indem Passwege abgeschnitten werden (siehe Tor gegen Bochum). Daniel Roßbach von Eiserne Ketten (Union-Blog) hat diese Art von Pressingfalle übrigens nicht erkannt. Dieses Leiten auf eine Seite funktioniert natürlich mal besser, mal schlechter. Gestern funktionierte es eher schlechter, da Union sich häufig aus dem Pressing befreien konnte. Grundsätzlich bin ich aber beeindruckt, dass dieses Muster immer wiederkehrt und im Großen und Ganzen funktioniert.

Das eigene Spiel lässt sich recht einfach beschreiben. Lange Bälle, zweite Bälle. Das war es. Die beiden Stürmer zogen sich mit den offensiven Außen auf einer Linie im Zentrum zusammen. Dann wurde ein langer Ball gespielt und nachgeschaut wohin die Reise geht. Grausig. Dabei hatte Union nicht einmal sonderlich viel Druck auf unsere Viererkette ausgeübt. Ein geordneter Spielaufbau kam trotzdem nicht zustande, vermutlich weil er nicht gewollt war. Und dann machen wir tatsächlich aus so einem zweiten Ball das 1-0. Einzig die Schönheit mit der Allagui den Ball zum 1-0 in den Giebel zimmerte, sorgt dafür, dass ich mich nicht ganz so doll für die Art und Weise der Torentstehung schäme.

Eine Statistik beschreibt das Spiel vollkommen ausreichend: Der FCSP hat sagenhafte 62-mal den Ball aus der Gefahrenzone gebolzt, Union deren zehn. Union schaffte es häufig, sich trotz eines aggressiven Pressings in die Halbräume zu kombinieren. Das lag vor allem an Prömel und Kroos, die immer wieder Räume klug besetzten und so Überzahl erschufen. Selbst das dicht gestaffelte 4-4-2 des FCSP konnte so immer wieder auseinandergerissen werden. Doch statt des verdienten Ausgleichs, stellt der FCSP per Ecke auf 2-0. Am Spiel änderte das jedoch wenig. Union spielte den Stiefel recht unbeirrt weiter. Na klar, zwei Gegentore in so kurzer Zeit und so kurz vor Schluss sorgten auch bei mir für Kopfschütteln. Doch unverdient war es nicht. Im Gegenteil. Der Elfmeter ist dann ein Geschenk. Und zwar von Abdullahi, nicht von Winkmann.

Aber Geschenke müssen eben auch angenommen werden, wenn sie einem gemacht werden. Der FCSP gewinnt damit ein Spiel, in das er fußballerisch am wenigsten diese Saison investiert hatte.

Ja, die Sache mit Alex Meier, zwei Tore beim Heimdebüt, ist einfach ne gute Story. Der Typ ist echt ein Phänomen: Beim ersten Tor kann er sich eigentlich gar nicht richtig gegen den Kopfball wehren. Der Elfmeter in der Nachspielzeit zu verwandeln verlangt sicher Nerven aus Stahl, aber es ist eben auch „nur“ ein Elfmeter. Ansonsten war nicht viel von ihm zu sehen gestern. Muss es aber auch nicht unbedingt, da er allein mit seiner Anwesenheit für einige Unruhe beim Gegner sorgt. In seinem Schatten konnte Sami Allagui ein Riesenspiel machen und viele 2.Bälle gewinnen und gut verarbeiten. Hatte ich nach dem Darmstadt-Spiel gedacht, dass wir unser Glück für diese Saison bereits aufgebraucht hätten, so ist es nun definitiv zurückgekehrt. Wer solche Spiele in Serie gewinnt, der… naja, schauen wir erstmal wie es in Köln läuft. Vermutlich werden wir am Freitag ähnlich agieren, mit vielen langen Bällen und vielleicht ja auch wieder dem Glück auf unserer Seite. Wenn dem so ist, dann kann es sich so langsam nicht mehr um Glück handeln. Es riecht eher nach Schicksal. Die letzten beiden Aufstiege in die erste Liga haben wir übrigens im Frankenland klar gemacht. Wer den Spielplan im Kopf hat, der weiß, worauf ich hinauswill. Riecht ein bisschen nach Vodoo-Zauber. Vielleicht haben wir aber auch einfach Fußballgötter auf dem Platz. Das ist schon ein Unterschied, da die meisten Teams ja eigentlich immer nur einen Fußballgott in ihren Reihen verehren. Wir scheinen nun zwei Spieler dieser Sorte in unseren Reihen zu haben. Riecht nach einem klaren Vorteil für uns. Und zusätzlich haben wir auch noch ein paar gute Fußballer.

Beim Blick auf die xG-Daten zeigt sich auch, dass uns das Glück momentan hold ist (nach der Summe der eigenen und gegnerischen xG-Werte belegen wir den 8.Platz). Köln, Union und ein weiterer Verein belegen da die ersten drei Plätze. Diese Überperformance ist an der eher mittelmäßigen Qualität und Menge der erspielten Chancen zu erkennen. Im Umkehrschluss könnte es Glück sein, dass wir aus wenigen Chancen viel machen oder es ist einfach Können, da wir weniger Chancen brauchen als die anderen Teams. Die xG-Tabelle zeigt aber auch, dass es gegen Union nicht sonderlich einfach ist, sich Torgelegenheiten mit hohen xG-Werten zu erspielen. Gegen Köln wird es nur bedingt einfacher sich gute Torgelegenheiten zu erspielen. Den Kölnern keine guten Gelegenheiten zu ermöglichen ist nahezu unmöglich. Da können nur Fußballgötter helfen…

// Tim

Links:
– Bilder Stefan Groenveld: „Ein Spiel in drei Sätzen
– Bericht Textilvergehen: „Kurz vor Schluß verloren…
– Bericht & Bilder Beebleblox: „Leider geil
– Bericht Yorkshire St.Pauli: „FTWLF…“ (Five things we learned from…) [English]
– MillernTon Podcast: „Vor dem Spiel-Gespräch

– Eiserne Ketten: „Ein unerwartetes Spiel mit unerwarteten Toren“ (Union-Blog)

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11 thoughts on “Von Göttern und zweiten Bällen

  1. Vergessen wurde das Stellungsspiel von AM, der weiss ggü. Veerman wo man hinstehen und anlaufen muss (vom Timing her nicht die Rede)? und die verlängerten und abgelegte Kopfbälle kommen meist dorthin wo sie ein Fussballer erwartet! Das sind vermisste Qualitäten die sehr erfreulich sind!
    Das Schwimmfestival hinten sollte dann gegen Köln noch ein bisschen weniger sein… Da kriegt man live vor Ort jeweils den Herzkaspar??
    Also ab nach Köln??⚽️⚽️⚽️

    1. Ja, die Erfahrung im Stellungsspiel ist AM anzumerken. Der ist quasi Profi darin so wenige Meter wie möglich zu machen, ohne seinen Job nicht zu vernachlässigen 😉
      Wobei Veerman allein anhand fehlender Dynamik auf den ersten Metern Probleme bei eigenem Pressing hatte.

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