SV Werder Bremen – FC St. Pauli 1:1 – Immer weiter Spitzenreiter!

SV Werder Bremen – FC St. Pauli 1:1 – Immer weiter Spitzenreiter!

Der FC St. Pauli holt einen Punkt bei Werder Bremen. Nach schwieriger erster Hälfte kam das Team nach Rückstand noch ins Spiel und hätte am Ende sogar gewinnen können. Letztlich blieb es aber bei einer gerechten Punkteteilung. Der FCSP kommt damit ungeschlagen durch den Oktober und bleibt verdient Spitzenreiter.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Endlich mal wieder auswärts. Das war auch schon richtig lange her, dass ich mit dem FC St. Pauli auf Reisen war. Arbeit, Corona, drei Kinder zuhause – Zack, 18 Monate kein Auswärtsspiel. Nun aber auswärts in Bremen. Ich hab es vermisst. Die Anreise. Vereinzelt Vereinsfarben auf dem Weg zum Stadion sehen. Viele bekannte Gesichter vor dem Stadion sehen. Mehr als ne Stunde auf Bier warten im Stadion. Geschehnisse auf dem Feld nur erahnen, weil Fahnen die Sicht versperren. Gute Leute auf beiden Seiten im Stadion (Antifa Ultras Unite!). Stimme nach dem Spiel klingen lassen, als sei sie dreimal durch nen Aschenbecher gezogen worden. Eskalieren beim Tor, bei Fouls, die keine waren, Elfmeter, die welche hätten sein können, Tore, die nicht gegeben wurden. Simply fantastic to be fanatic!

Die Aufstellung

Timo Schultz hatte vor dem Spiel angekündigt, dass es wohl einige Wechsel geben würde im Vergleich zum kräftezehrenden Pokalspiel in Dresden. Klar war, dass Nikola Vasilj anstelle von Dennis Smarsch wieder im Tor stehen würde. Im Vorbericht gab es bereits die Überlegung, dass Finn Ole Becker wieder in die Startelf rücken könnte. Er ersetzte Jackson Irvine auf der rechten Halbposition. Sicher etwas überraschend war die dritte Veränderung: James Lawrence kam für Philipp Ziereis ins Spiel (später dann andersrum, ich hoffe James hat sich nicht verletzt).

Bei Werder Bremen gab es ebenfalls einige Veränderungen: Anthony Jung, Jean Manuel Mbom und Niclas Füllkrug kamen für Niklas Schmidt, Leonardo Bittencourt und Lars Lukas Mai in die Startelf. Zusätzlich gab es einen Wechsel im Tor: Jiri Pavlenka ersetzte den zuletzt unglücklichen Michael Zetterer.
In der Grundordnung war es dann ein klares 3-1-4-2. Der SV Werder Bremen startete also mit der erwarteten Doppelspitze. Und er startete auch in etwa so, wie Timo Schultz sie erwartete. Denn der erzählte auf der PK vor dem Spiel, dass Markus Anfang letzte Saison gegen die Mittelfeldraute von Fürth bereits sehr erfolgreich mit einer Dreierkette spielen ließ. Nun also auch gegen die Mittelfeldraute von St. Pauli der Versuch mit einer Dreierkette.

Die erste Halbzeit

…war geprägt von Pressing und Gegenpressing. Die Formation von Werder Bremen nahm das Aufbauspiel des FC St. Pauli ziemlich gut auf. Die Zuordnung war durch das Vierer-Mittelfeld klar geregelt. Sobald die Bälle aus der Innenverteidigung in das Mittelfeld oder zu den Außenverteidigern gespielt wurden, setzte Werder die Gegenspieler enorm unter Druck. Der FCSP konnte nur sehr selten den Ball kontrolliert in den Zielraum, also auf die offensive Außenbahn bringen. Und wenn, dann waren die Spieler unter höchster Bedrängnis. Werder Bremen arbeitete konsequent und mit höchsten Einsatz. Diese Disziplin zusammen mit der guten Formation gegen die Mittelfeldraute sorgten dafür, dass eine der besten Offensiven der Liga Probleme hatte, sich Torchancen zu erspielen.

Der FC St. Pauli arbeitete ebenfalls konzentriert gegen den Ball, tat es aber ein wenig anders. Während Werder Bremen den beiden FCSP-Innenverteidigern Raum im Aufbau ließ und erst später Zugriff erschaffte, wurde die defensive Dreierkette von Werder Bremen durchgehend angelaufen. Denn das 3-1-4-2 von Werder sorgte nicht nur dafür, dass es die Formation des FC St. Pauli gut aufnahm. Es war andersrum ganz genauso. Durch Hochschieben von Afeez Aremu auf Bremens Sechser Ilia Gruev konnte der FCSP viele kleine Pärchen auf dem Platz bilden und so gut ins Pressing kommen.
Zwar überzeugte Werder in der ersten Halbzeit mit guter Defensivarbeit, aber es war auch spürbar, dass sie mit dem hohen Pressing des FC St. Pauli nicht klarkamen. Am Spielende waren es 20% der Pässe von Werder, die lang gespielt wurden. Ein Zeichen für das hohe Pressing des FCSP (übrigens auch der enorm niedrige PPDA von knapp 6) und die Befreiung daraus, die Werder wählte. Der FC St. Pauli spielte sehr viel weniger lange Bälle (nur knapp 10%). Das lag daran, dass die Innenverteidiger nicht angelaufen, sondern nur im Raum gestellt wurden und natürlich an den famosen letzten 30 Minuten, die der FCSP in den Rasen des Weserstadions brannte.

Und was passiert, wenn zwei Teams so konsequent pressen? Es reihte sich Ballverlust an Ballverlust und Umschaltmoment an Umschaltmoment. Dadurch war die Intensität des Spiels enorm hoch. „Ruhe“ gab es eigentlich nur, wenn die FCSP-Innenverteidiger im Ballbesitz waren. Alle anderen Spieler wurden immer sofort unter Druck gesetzt. Die Folge aus Pressing, Ballverlust und Gegenpressing war nicht nur hohes Spieltempo, sondern auch eine unverhältnismäßig hohe Anzahl an Fouls. Insgesamt 15 Fouls in den ersten 45 Minuten – Höchstwert diese Saison für Spiele mit Beteiligung des FC St. Pauli oder Werder Bremen (abgesehen von der vogelwilden Halbzeit im Weserstadion gegen den HSV). Ähnlich viele Torschüsse gab es in Halbzeit eins. Allerdings muss weder Jiri Pavlenka, noch Nikola Vasilj eingreifen, da keiner dieser Schüsse auch auf das Tor ging.

Auch wenn der FC St. Pauli gute 65% Ballbesitz in der ersten Hälfte hatte: Werder Bremen kam zu deutlich mehr Torchancen. Bemerkenswert und bezeichnend für das Spiel dabei, dass kein einziger Torschuss über einen Positionsangriff zustande kam. Werder Bremen hatte satte 13 Torschüsse in Halbzeit eins abgefeuert. Vier davon waren aus Umschaltmomenten, neun in Folge eines Standards. Die von uns beschriebene Stärke des FC St. Pauli bei gegnerischen Standards, sie wurde also in der ersten Halbzeit in Bremen mächtig auf die Probe gestellt.

Gegen Ende der ersten Halbzeit schaffte es der FC St. Pauli dann häufiger im Mittelfeld Überzahl-Situationen zu erschaffen. Der Weg dahin war simpel und effektiv. Marcel Hartel oder Finn Ole Becker gesellten sich zueinander, fertig war die Überzahl. Das 3-1-4-2 von Werder Bremen war in diesen Momenten sehr unflexibel bzw. zu raumorientiert und konnte so auf die Überladungen eines Halbraums nicht so richtig reagieren. Das war für die Werder-Spieler ein Vorgeschmack auf das, was sie in der 2.Halbzeit erwarten würde.

SVW-Coach Markus Anfang hatte zu Beginn eine gute Antwort auf die Mittelfeldraute des FC St. Pauli.
(c) Peter Böhmer

Umstellung auf 4-3-3 – Kein Auftrag für Gruev

Zur zweiten Halbzeit wechselte Timo Schultz Simon Makienok für Maximilian Dittgen ein. Das brachte auch eine kleine, aber feine Umstellung in der Formation mit sich. In der ersten Halbzeit orientierten sich beide FCSP-Stürmer eher auf die Außenbahn, während Kyereh im Zehner-Raum agierte und dort von Gruev bewacht wurde. In der zweiten Halbzeit war meist Makienok vorne zentral drin, auf beiden Seiten flankiert von Burgstaller und Kyereh. Zwar war Kyereh auch häufig im Zehner-Raum, aber doch erheblich häufiger auf den offensiven Seiten, sodass ich die Formation als 4-3-3 bezeichnen würde. Damit wurde der Druck auf die Dreierkette von Werder Bremen stark erhöht. Ilia Gruev verlor mit Kyereh seinen direkten Gegenspieler und war ein wenig verloren im Raum.
Zusammen mit den immer häufiger werdenden Überladungen der Halbräume und vor allem damit, dass auch einfach mal der lange Ball gen Makienok auspackt wurde und auf die zweiten Bälle gepresst wurde, konnte der FC St. Pauli nun wesentlich besser die Bremer Ketten überspielen und das Blatt wendete sich: Während Werder Bremen durch Standards und Umschaltmomente ein deutliches Chancenplus in Halbzeit eins hatte, war es nun der FC St. Pauli, der sich mehr Chancen erspielte.

Trotz dieser guten Spielanlage, trotz der guten Reaktion auf die Formation und den Plan von Werder Bremen, war es nicht der FC St. Pauli, der in Führung ging. Aufgrund der Anzahl an Torschüssen erscheint es zwar unwirklich, aber mit dem tatsächlich ersten Torschuss der Partie, der auch wirklich auf das Tor kam, ging Werder Bremen in Führung. Nach einer, wie sollte es anders sein, Umschaltsituation. Eine, die Werder Bremen sehr, sehr gut ausgespielt hat, bei der aber auch Aremu, Lawrence und Medić (und vielleicht auch Vasilj) jeweils falsche Entscheidungen getroffen haben. Ein Gegentor direkt in die bis dahin beste Phase des FC St. Pauli. Ein echter Nackenschlag. Aber ein Genickbruch keineswegs.

Denn trotz bereits enorm intensiver 60 Minuten im Weserstadion und intensiver 120 Minuten drei Tage zuvor in Dresden: Der FC St. Pauli drehte jetzt erst richtig auf. Der schnelle Ausgleich war die Folge (natürlich ein Umschaltmoment), aber sollte noch nicht das Ende sein. Mit welcher Selbstverständlichkeit der FC St. Pauli sein Spiel immer weiter durchgezogen hat, war schlicht fantastisch. Gefühlt wurde mit jeder Minute die Ballsicherheit größer, die Pässe genauer, die Schultern breiter. Auch wenn Werder Bremen ebenfalls noch zu Chancen kam, hätte sich wohl niemand darüber beschweren dürfen, wenn der FCSP in der zweiten Halbzeit mindestens noch ein Tor mehr gemacht hätte. In dieser zweiten Halbzeit wurde deutlich, dass der FC St. Pauli ein echtes Spitzenteam ist. Ein Team, dem sich nicht einmal der bis dahin defensivstarke SV Werder Bremen entgegenstellen konnte.

Die Stärke von Finn Ole Becker im Passspiel hat dem FC St. Pauli in Bremen gut getan. Sein Tor natürlich auch.
(c) Peter Böhmer

Dieser Auftritt des FC St. Pauli in Bremen, er macht mich stolz. Klar, ein 1-1 ist leistungsgerecht. Werder Bremen war in der ersten Hälfte das bessere Team, hat seine Konter besser ausgespielt und defensiv ziemlich sicher gestanden. Aber der FC St. Pauli hat gezeigt, dass er auch solche Nüsse knacken kann. Mit ein, zwei Umstellungen und einer Reihe gelungener Aktionen kippte plötzlich das gesamte Spiel. Die zweite Halbzeit wurde vom FC St. Pauli dominiert. Das ist für mich einfach alles sehr ungewohnt. Es ist ungewohnt, dass der FC St. Pauli das dominierende Team bei einem Auswärtsspiel in Bremen ist. Es ist ungewohnt, dass die Bremer nach Spielende davon reden, dass sie gegen den FC St. Pauli „ganz gut mitgehalten haben“ und dass ein Punktgewinn ein Erfolg für sie ist. Wir müssen unsere Denkweise anscheinend anpassen. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass der FCSP mit allen Teams der Liga mehr als mithalten kann. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass diese Saison eine zum Träumen ist.

Durch den Punkt in Bremen bleibt der FC St. Pauli auch nach dem 12. Spieltag Spitzenreiter der 2.Liga. Nach einer nervenaufreibenden Woche mit zwei Siegen und einem Punkt in Bremen steht also bereits am Samstag fest, dass die Tabellenführung verteidigt werden kann. Nun darf einmal tief durchgeatmet und Blessuren gepflegt werden (ich hoffe, dass Afeez Aremu sich nicht schwerer verletzt hat, der hat schon wieder nen Rekord im Bälle abfangen aufgestellt). Nächstes Wochenende kommt der SV Sandhausen ans Millerntor. Auch danach soll der FC St. Pauli Tabellenführer sein.

Immer weiter vor!

//Tim

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