Groundhopping in Dänemark zu Corona-Zeiten

Groundhopping in Dänemark zu Corona-Zeiten

Am Vorabend die Vorfreude und die Frage, ob man an alles gedacht hat. Dann am eigentlich freien Tag früh aufstehen, Proviant einpacken, Leute treffen und ab auf die Autobahn – zum Fußball!
Boah… es klingt ja echt furchtbar banal, aber wie viel Spaß es macht, merkt man erst, wenn man ewig drauf verzichten musste.

Und so zuckte ich dann überrascht zusammen, als am letzten Wochenende die Groundhopper-App („Futbology“) endlich wieder Check-Ins vermeldete, in Dänemark war offensichtlich der Besuch von Fußballspielen (unter Auflagen) wieder erlaubt.
Die „Spiele in der Nähe“-Funktion von Futbology wurde also bemüht und nach kurzem Blick auf die Landkarte erwies sich folgende Kombination als am sinnvollsten:

  • 13.00h, 2.Division (3.Liga), Middelfart BK – Brønshøj BK
  • 18.00h, Superliga (1.Liga) SønderjyskE – Odense BK

Bevor jetzt ganz Deutschland die Autoschlüssel sucht: Aktuell ist die Einreise nach Dänemark nur für Menschen mit Wohnsitz in Schleswig-Holstein erlaubt (irgendwelche Vorteile muss das hier ja haben) – oder wenn man einen Übernachtungsnachweis für eine Woche vorlegen kann.
Wir machten uns zu viert auf die Reise.

Die Eintrittskarten

Middelfart Stadion

Tickets für das Spiel bei Middelfart konnte (und brauchte) man vorher ja eh nicht zu kaufen, das war dann eher wie bei uns in der Verbandsliga. Der Eintritt wurde an der Holzhütte am Eingang bezahlt und kostete 50DKK (knapp 7€).

Für das Spiel in Haderslev (SønderjyskE) sah das schon schwieriger aus.
Dänemark hatte zwar Zuschauer*innen wieder zugelassen, aber natürlich nur unter Auflagen, die von den Vereinen unterschiedlich gelöst wurden. SønderjyskE öffnete im Sydbank Park (Fassungsvermögen: 10.000) die beiden Geraden (nur Sitzplatz), die beiden Stehplatzkurven blieben geschlossen. Auf den Sitzplätzen hatten Helfer*innen blaue Aufkleber angebracht, jeder zweite Sitz durfte belegt werden. In der Reihe dahinter waren die Aufkleber dann entsprechend versetzt.
Dadurch gab es etwa 1.500 Tickets, die bei einem Schnitt von ca. 3.000 natürlich normalerweise nicht ausreichten und daher nur (kostenlos?) an Mitglieder vergeben wurden. Da SønderjyskE nur wenige Tage vorher den Pokal gewonnen hatte und diesen nach Abpfiff auch den Fans präsentieren wollte, war also starke Nachfrage zu erwarten.
Nachdem diverse Nachfragen an den Verein erfolglos blieben, führte dann ein Facebook-Kommentar am Spieltag doch noch zu zwei Tickets, die uns ein Fan formlos per e-mail schickte. Großartig, vielen Dank!
Fehlten also noch zwei Tickets – und diese bekamen wir tatsächlich vor Ort problemlos in der Geschäftsstelle, wo ein Mitarbeiter sich offensichtlich freute, dass Fans aus Deutschland angereist waren. Schlussendlich war auch noch nicht mal jeder zweite Sitz belegt.

Das Hygienekonzept

Okay, bei Middelfart gab es keins, zumindest für die Zuschauer*innen. Das war bei geschätzten 150 Personen aber auch nicht nötig, das „Middelfart Stadion“ ist sehr weitläufig und mit vielen Bäumen bewachsen. man konnte sich gut verteilen.
Das hätten wir sicher auch gerne in Anspruch genommen, allerdings schüttete es dermaßen, dass man dann doch größtenteils versuchte, den Abstand in einem aufgebauten Zelt einzuhalten. Die Dänen sind da generell viel wetterfester, die meisten hatten komplette Regenkleidung an und konnten sich so außerhalb des Zeltes aufhalten.
Die Teams hingegen hielten sich auf der anderen Seite des Platzes in zwei aufgebauten Zelten auf.

Bei SønderjyskE hingegen gab es wohl in etwa das, was uns auch in den Deutschen Profiligen begegnen könnte, wenn das Leipziger Konzept Anwendung findet.

  • penibel getrennte Eingänge
  • keine Gästetickets
  • Händedesinfektion nach der Kartenkontrolle
  • Stehplätze nicht erlaubt
  • nur jeder 2.Sitzplatz belegt
  • kein Aufenthalt im Umlauf erlaubt, außer um direkt auf Klo zu kommen
  • Catering zwar vorhanden, aber keine langen Schlangen erlaubt, sonst wurde man weggeschickt

Das führte dann auch zu teilweise obskuren Szenen, als beispielsweise ein älteres Ehepaar aufgefordert wurde sich gefälligst auseinanderzusetzen und den Mittelplatz frei zu lassen, ebenso ein Vater mit ca. 10jähriger Tochter.
Nun ja, die Ordner*innen befolgten halt auch nur Anweisungen.
Masken waren hingegen nicht vorgeschrieben und wurden daher auch nicht getragen.

Ist das alles sinnvoll und kann funktionieren?
Keine Ahnung, die viel beschworenen 1,5 Meter waren es jedenfalls nicht ständig und überall.

Ist das etwas, was ich mir für Deutschland wünschen würde?
Puh, schwierige Frage, hier muss man wohl für sich entscheiden ob man zur „Alle oder keiner“-Fraktion gehört, oder eben auch (zum Wohl der Vereine und auch für die Einzelnen, die gerne mal wieder ins Stadion wollen) mit Kompromissen leben kann.
Atmosphäre kam so natürlich überhaupt nicht auf, 2-3mal wurde rhythmisch geklatscht, ansonsten hörte man von den heimischen Ultras weiter links auf der Tribüne nur ab und an das Megaphon und die Trommeln. Allerdings hab ich auch keine Ahnung, was bei SønderjyskE sonst so los ist.
(Und falls sich jemand fragt: Der Ort Die Region (Danke für die Kommentare) heisst Sønderjysk (Südjütland), das angehängte E steht für „Elitesport“ und wurde in den Vereinsnamen eingefügt als sich 2004 einige lokale Vereine zusammenschlossen, um Leistungsfußball in der Region zu bündeln.)

Der Sport
Über Middelfart müssen wir da nicht groß sprechen, das war ein besserer Amateurkick der am Ende 5:0 ausging und auch deutlich höher hätte ausgehen können.

Bei SønderjyskE muss ich etwas ausholen:
In der 1.Dänischen Liga hingegen kann ich etwas ausholen, denn man hat ein ähnlich „faszinierendes“ Ligasystem wie in Belgien entwickelt. Die „Superliga“ teilt ihre 14 Teams nach Hin- und Rückspiel in eine Finalrunde (Top 6) und zwei 4er Relegationsrunden, die Punkte werden komplett mit übernommen.
In dieser zweiten Saisonrunde gibt es jetzt erneut Hin- und Rückspiel. Von den sechs Teams der Finalrunde geht der Meister in die CL-Quali, der Zweite in die Europa League – und der Dritte… wartet kurz.
Aus den Relegationsgruppen steigt jeweils der Tabellenletzte direkt ab, die beiden Dritten gehen in eine Relegationsrunde mit dem 2. und 3. der 2.Liga. (Irgendwie fehlt mir da jetzt bei zwei direkten Absteigern und nur einem direkten Aufsteiger noch ein Team, aber im Zweifel bleibt dann aus dieser Abstiegs-Relegationsrunde ja der Sieger der Fair-Play-Wertung noch drin oder was weiß denn ich.)
Fehlen also noch die ersten beiden: Die bestreiten jetzt Überkreuz-Spiele – und der Sieger aus diesen Spielen darf dann gegen den Dritten aus der Finalrunde (Ihr erinnert Euch…) um den letzten Europa League Platz spielen. Fantastisch.

Für SønderjyskE war dieser 2.Platz eigentlich gar nicht mehr so wichtig, denn man hatte ja den Pokal gewonnen und war daher eh (zum zweiten Mal in der jungen Vereinsgeschichte) bereits für Europa qualifiziert… aber wenn man nur Dritter wird, kann man halt auch noch absteigen, will ja auch niemand

Nun gut, zum Spiel – versuchen wir es positiv zu formulieren:
Wenn ein Verein wie SønderjyskE sich über den Pokal für Europa qualifizieren kann, dann muss uns das auch irgendwann mal gelingen können. Und notfalls, wie auf der Autofahrt besprochen, erreichen wir das halt über einen Wechsel in den dänischen Verband. Wäre Auswärtsfahrttechnisch auch gar nicht so verkehrt.
Wir witzelten schon, dass in Dänemark jedes Tor 10 Kronen kostet und daher nach dem 5:0 in Middelfart bei 50 Kronen Eintritt hier gar nicht mehr als ein 0:0 herausspringen könne, als SønderjyskE dann irgendwann doch noch ein Tor hineinstolperte. Torjubel in Corona-Zeiten war dann auch nur ein höfliches Aufstehen und kurzer Beifall – und als man sich gerade wieder hingesetzt hatte, ermöglichte der bis dahin sehr souveräne SønderjyskE-Keeper Sebastian Mielitz (Ja, Ex-Werder) dann die gerechte Punkteteilung zum 1:1.

Da wir natürlich auch unseren Scouting-Verpflichtungen nachkommen müssen: Moses Opondo von Odense BK. Körperlich robuster Außenspieler. Kaufen.
(Ein Blick auf eine einschlägige Seite zu Transferwerten offenbart einen übersichtlichen Marktwert und eine noch übersichtlichere Torgefahr… vielleicht lassen wir das doch lieber.)

Fazit
Auswärtsfahren fehlt.
Vielen Dank an meine drei Mitfahrer, es war mir ein Fest.

Ansonsten ist Dänemark natürlich immer eine Reise wert, aus Groundhoppersicht hat man (vielleicht mal ab von den Kopenhagener Arenen) auch noch Stadien, die diesen Namen deutlich mehr verdienen als der Einheitsbrei in Deutschland.
Und trotzdem wäre es natürlich schön, wenn es auch in Deutschland bald wieder möglich wäre, Spiele zu verfolgen. Allerdings hat Fußball hier einen anderen Stellenwert und bewegt ganz andere Massen, dass dies aufgrund von Corona und eben natürlich auch aufgrund ganz anderer Zuschauer*innenzahlen nochmal ganz andere Probleme beinhaltet, versteht sich von selbst.

// Maik

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6 thoughts on “Groundhopping in Dänemark zu Corona-Zeiten

  1. Danke für den Bericht.
    Kleine Anmerkung: Einen Ort namens Sønderjysk gibt es meines Wissens nach nicht, Sønderjysk heißt schlicht südjütisch (also ist der Südens Jütlands, Dänemarks Hauptfestland gemeint), so ähnlich wie beim FC Midtjylland….

  2. Durch die Minimierung der Superliga (1.Liga) zurück von 14 auf 12 Mannschaften in der nächsten Saison ergibt es sich, dass es 3 Absteiger diese Saison gibt. Das bedeutet, dass die beiden Letzten der Abstiegsrunde (Esbjerg & Silkeborg) fest absteigen und die beiden Vorletzten (Lyngby & Hobro) den 3. Absteiger ausspielen. Zudem gibt es dieses Jahr nur einen festen Aufsteiger (Vejle) aus der 1. Division (2. Liga).
    Dadurch das SønderjyskE bereits als Teilnehmer im europäischen Wettbewerb feststeht, treten sie übrigens bei den Play offs zur den europäischen Plätzen garnicht erst an und der potentielle Gegner (Horsens oder Randers) somit kampflos bereits eine Runde weiter ist.

  3. Ich war grade und trotz Wohnsitz Hamburg dank dänisch sprechendem Mitreißendem beim immerhin Europaleague-Quali-Quali-Spiel in Horsens gegen Odense. Wenn ich den Modus verstanden habe, qualifizierte sich das siegreiche Team zum Play-off gegen Aarhus, wo dann das teilnehmende Team für die Europaleague-Quali ermittelt wird. Alles in allem also ein eventuell entscheidendes und spannendes Spiel.
    Dennoch gab es am Vorabend ohne Probleme online Karten für ca. 15,-€.
    Vor Ort ein ähnliches Konzept wie von Maik oben beschrieben, allerdings maximal entspannt. Von den 8.000 Plätzen hätten laut Martin, SLO von Horsens, 3.000 belegt werden dürfen. Es kamen grade mal 2.200 – lag eventuell auch am 3:1 für Odense im Hinspiel.
    Trotz Gästefarbenverbot etwa 60 Odense Fans und bestimmt 30 Hopper*innen, darunter einige mit FCSP Bezug.
    Sportlich unteres 2. Liga Niveau, Support nur kurz zwischen 1:0 Führung und Ausgleich.
    Fazit: Fußball ist immer noch geil aber so ist es eben doch auch nur wie auf jedem beliebigen Bezirksligaplatz…

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