Wie ein Absteiger? – Eine datenbasierte Analyse des FCSP

Wie ein Absteiger? – Eine datenbasierte Analyse des FCSP

Acht Punkte nach zwölf Spielen bedeuten Platz 17 für den FC St. Pauli. Aber ebenso auffällig wie Schwächen in der Defensive war eine enorme Ineffektivität vor dem gegnerischen Tor. Sind diese beiden Eindrücke eigentlich auch objektiv, also mit Daten zu erfassen oder ist das nur der subjektive Eindruck von den Spielen? Und an welchen Stellen im Kader sollte dringend geschraubt werden? Und was ist eigentlich das beste System für den aktuellen FCSP-Kader? All diese Fragen habe ich Mats von CREATEFOOTBALL gestellt. Und ich habe durchweg spannende Antworten bekommen. (eine FCSP-Kaderanalyse mittels Datenscouting hat übrigens bereits mit Dustin von GSN gemacht, aber auch selbst mal ein Konzept hierfür geschrieben)

Hi Mats, du bist Gründer von CREATEFOOTBALL. Was machst Du bei eurem Portal, was steckt dahinter?

Das Portal CREATEFOOTBALL habe ich, Mats Beckmann, gemeinsam mit meinem Kollegen Quirin Sterr im März 2020 gegründet – mit dem Ziel eine der größten Plattformen für den nationalen aber vor allem internationalen Fußball in Deutschland zu werden. Wir erstellen viel Content, der aufgrund unserer Datenanalysen sehr tiefgründig ist und viele Hintergründe aufdeckt. Unser Ziel ist es immer die Frage nach dem „Warum“ zu beantworten und anstatt gängiger Phrasen mit belastbaren Fakten zu glänzen. Neben unserem Instagram-Auftritt gehen wir in unserem Podcast „CREATEFOOTBALL – Der internationale Fußballpodcast“ und auf unserer Website noch ausführlicher auf bestimmte Clubs, Ligen oder Sachverhalte ein.

Zudem haben wir im September CREATEFOOTBALL Solutions gegründet. Hier arbeiten wir mit Vereinen, Berateragenturen, Spielern, Medienanstalten und Nationalmannschaften zusammen, um anhand von Datenanalysen den Workflow zu optimieren und den Erfolg zu maximieren.

Der FC St. Pauli steht nach zwölf Spielen mit acht Punkten auf Platz 17. Basierend auf Daten: Wo müsste der FCSP stehen?

Nimmt man expected Points als Grundlage würde St. Pauli mit 16 Punkten (1.33 pro Spiel; derzeit 0.67 pro Spiel) im Tabellenmittelfeld auf Platz 10 stehen. Im Vergleich zu den Tabellennachbarn sieht es also rein leistungstechnisch deutlich positiver aus – einzig Abstiegskonkurrent Karlsruhe würde nach xPoints noch besser dastehen, die Badener wären mit 24 Punkten Tabellenführer!

Und warum sind es bisher nur acht Punkte?

Einer der Hauptgründe ist die schwache Chancenverwertung, diese liegt bei nur 21%, einzig Hannover 96 ist mit 20% noch schlechter (Ligaschnitt 28.6%). Die beiden Offensivkräfte Makienok (17%) und Kyereh (20%) konnten zwei bzw. drei ihrer insgesamt 27 Torchancen nutzen – hier könnte der verletzte Guido Burgstaller Abhilfe schaffen, doch seine Chancenquote lag in der Bundesliga bei extrem schwachen 6% (19/20) und 17% (18/19).
Der xG per goal Wert belegt diese Schwäche im Abschluss, St. Pauli benötigt 1.56 xG (= erwartete Tore) pro Tor.

Ein Hauptgrund für die geringe Punktzahl: die schwache Chancenverwertung.

Auffällig ist zudem, dass man vor allem über die linke Angriffsseite quasi nicht existent ist. Mit nur 24 Angriffen/Spiel über diesen Flügel und nur 1.58  Abschlüssen/Spiel ist man quantitativ und qualitativ nach Braunschweig das schwächste Team.

Kann Guido Burgstaller nach seiner Rückkehr eine wichtige Stütze in der FCSP-Offensive werden? Wohl nur, wenn er deutlich effektiver wird, als in den vergangenen Jahren.
(c) Peter Boehmer

Welche Stärken hat der FC St. Pauli in der Offensive?

Dank Simon Makienok, der neun Offensivzweikämpfe pro Spiel gewinnt (bei 19 Versuchen) ist man quantitativ und qualitativ das beste Team der Liga. Zudem gewinnt der Däne 8/15 Kopfballduellen pro Spiel und ist auch hier einer der besten Angreifer. Auf Offensivzweikämpfe bezogen lassen auch Rodrigo Zalazar und Finn Ole Becker aufhorchen.

Des Weiteren gewinnt St. Pauli die meisten Dribblings der ganzen Liga (65%), auch hier sind Zalazar und Becker wieder die beiden spannendsten Namen auf der Liste. Der Frankfurter Leihspieler ist mit 3.8 erfolgreichen Dribblings (63%) der zweitbeste Spieler der Liga und das, obwohl er häufig von vielen Gegenspielern umgeben ist. Becker (2.5 erfolgreiche/83%) und Kyereh (2.5 erfolgreiche; 70%) stehen ebenso in den Top 20.

Die Qualität der beiden zentralen Spieler wird mit vier Schüssen nach Angriffen durch die Spielfeldmitte (16% Effizienz) noch weiter gestützt – der beste Wert der 2. Bundesliga.

Auch die 13.3 Schüsse pro Spiel (jedoch knapp fünf neben das Tor) und die 14.5 Flankenversuche, von denen knapp 30% ankommen sind Stärken der Braun-Weißen. Max Dittgen und Luca Zander sind mit Flankengenauigkeiten von über 30% prima geeignet um Makienok in Szene zu setzen, Neuzugang Leart Paqarada, der in der Saison 19/20 für Sandhausen mit 4.3 Flanken die meisten in ganz Europa schlug, kann seine große Qualität leider noch nicht ganz abrufen. Er schlägt im Schnitt zwei Flanken weniger pro Spiel, die Quote der erfolgreichen Versuche fiel von 40% auf 22%.

Bärenstark in der Luft, aber viel zu ineffektiv vor dem Tor: Simon Makienok
(c) Peter Boehmer

In allen zwölf Spielen hat der FCSP ein Gegentor erhalten, in zehn von zwölf sogar mindestens zwei – ist die Defensive des FCSP qualitativ nicht gut genug besetzt im Ligavergleich?

Ja, hier hat man es mit einem klassischen Qualitätsproblem zu tun. Vor allem die niedrige Erfolgsquote bei Defensivzweikämpfen ist zu kritisieren, man führt zu wenige Zweikämpfe und gewinnt nur 43 Duelle pro Spiel, nur vier Teams sind schwächer. Die in dieser Saison als Innenverteidiger eingesetzten Philipp Ziereis, Daniel Buballa und James Lawrence konnten allesamt weniger als 60% ihrer Defensivzweikämpfe gewinnen, zudem stehen alle drei bei unter 50% gewonnenen Kopfballduellen – erschreckend schwache Werte. Das Fehlen von Kapitän Christopher Avevor macht sich also nicht nur als Leitfigur bemerkbar, in den letzten drei Spielzeiten lag sein Zweikampfschnitt defensiv bei 73%.

Es fällt auf, dass Leo Østigård, bester Innenverteidiger der vergangenen Spielzeit, schlichtweg nicht ersetzt wurde (kurz vor Ende des Transferfensters erkannte man diese Problematik und verpflichtete den vorherigen Leihspieler Lawrence fest, der qualitativ jedoch deutlich abfällt). Østigård, die Leihgabe von Brighton, gewann pro Spiel neun Defensivzweikämpfe mit einer Quote von überragenden 73% und war damit der beste Zweikämpfer der Liga! Auch seine zehn Balleroberungen und 74% gewonnenen Kopfballduelle (sieben pro Spiel) stellen seine Teamkameraden in den Schatten – einzig Fröde (Karlsruhe) und Badstuber (Stuttgart) waren in der Luft besser.

Schwächen in der Defensive?
Beim FCSP ein klassisches Qualitätsproblem

Klar ist, dass der Norweger nicht 1 zu 1 ersetzt werden kann, Neuzugang Adam Dzwigala dürfte hier der Versuch sein die Qualität im Abwehrverbund anzuheben. Für Desportivo Aves in der Liga NOS führte er zwar vergleichsweise wenige Zweikämpfe, doch seine Quote in der Defensive lag bei guten 67%, in der Luft gewann er sogar 69% – er dürfte gesetzt sein.

Auf den Außenverteidigerposten hat man gerade rechts mit Sebastian Ohlsson einen konstant starken Zweikämpfer. Zwar ist der offensive Einfluss des Schweden beschränkt, doch im Abwehrverhalten ist er mit 4.2 erfolgreichen Tacklings, sieben Interceptions und acht gewonnenen Defensivzweikämpfen (je pro Spiel) der beste Rechtsverteidiger der Liga. Wie in der untenstehenden Grafik deutlich wird, weist er zudem deutlich bessere Werte als Buballa, Lawrence und Ziereis auf, die hauptsächlich Innenverteidiger gespielt haben.

Nach sieben Saisonspielen hat Timo Schultz seine Formation von einer Dreierkette auf eine Viererkette umgestellt, der FCSP holte seitdem jedoch nur noch einen Punkt. Wie bewertest Du diese Maßnahme?

Die Viererkette ist für St. Paulis Kader aufgrund des vorhandenen Spielermaterials eher schwierig umzusetzen. Im Zentrum agiert man hier häufig nur mit zwei Spielern, was die oben beschriebene Problematik wieder aufgreift und ein Grund für die defensive Instabilität ist. Zudem finden sich im Kader keine gefährlichen Außenstürmer die Chancen kreieren und den Torabschluss suchen – selbiges gilt für einen Spielmacher auf der Zehn. Auch diesen Spielertypen gibt es im System nicht wirklich.

Unserer Ansicht nach bietet sich eine Dreierkette, am besten ein 3-5-2, mit dem vorhandenen Spielermaterial eher an. Man hat mit Paqarada einen offensivstarken Schienenspieler für die linke Außenbahn, Ohlsson kann man aufgrund der Zweikampfstärke als rechten Innenverteidiger aufstellen. Im Zentrum bilden Becker, Zalazar und ein neuer Sechser ein ausgeglichenes und variables Dreieck mit verschiedenen Spielertypen.

Ich meine, dem FC St. Pauli fehlt im Spiel ein Gleichgewicht in Person eines Sechsers. Sehen das InStat-Daten auch so?

Wir sehen die Hauptprobleme sowohl in der Verteidigung, als auch auf der zentralen Abräumerposition, der „Sechs“. Becker, der in der Jugend als offensiver Achter oder sogar Zehner eingesetzt wurde und Zalazar, ein klassischer Box-to-Box Mittelfeldspieler mussten in einigen Saisonspielen die Mittelfeldzentrale komplett alleine unter Kontrolle bekommen. Defensive Ballgewinne, das Leder ins Offensivdrittel tragen und Torchancen kreieren ist für zwei Spieler alleine nicht möglich – zudem fehlt aufgrund des Alters und der eher geringen Anzahl an Profispielen auf Zweitliganiveau die Erfahrung. Hier fehlt zum einen die Entlastung durch einen defensiven Mittelfeldspieler, der alleine mit Ballgewinnen betraut ist (Ball Winning / Holding Mittelfeldspieler) und durch Flügelspieler bzw. Außenverteidiger, die das Spiel aktiv mitgestalten und Angriffe über ihre Seite kreieren.

Auf der Sechs sollte mit einem erfahrenen Akteur nachgebessert werden.

Potenzielle Balljäger sind Marvin Knoll und Rico Benatelli, doch sowohl in Balleroberungen, Tackles und Interceptions rufen beide unterdurchschnittlich schwache Werte auf. Während Benatelli zumindest im Zweikampf noch 64% der Duelle gewinnt, steht Knoll hier sogar nur bei 50%.

Eine andere Option stellt der junge Afeez Aremu dar, der im August für 300.000€ von IK Start kam, bisher aber hauptsächlich in der zweiten norwegischen Liga Erfahrung sammeln konnte. Hier fiel er besonders durch die Aufnahme von vielen zweiten Bällen und viele Interceptions auf – doch das Niveau für die zweite Bundesliga hat er noch nicht.

Aufgrund dessen sollte auf dieser Position auf jeden Fall mit einem erfahrenen Akteur nachgebessert werden um Becker und Zalazar den Rücken freizuhalten.

Aus Datensicht keine Optionen für die Sechser-Position: Rico Benatelli und Marvin Knoll
(c) Peter Boehmer

Das Transferfenster öffnet in wenigen Tagen – Wenn Du dem FCSP ein paar Sechser vorschlagen könntest, welche wären das?

Wir haben in etwa 20 relevante Ligen in Europa durchforstet, von Norwegen über Kroatien bis nach Portugal und sind auf 21 spannende Spieler gestoßen. Wir haben für die Position des defensiven Mittelfeldspielers im System St. Paulis sogenannte KPI‘s festgelegt, sprich die Werte die für einen Abräumer am relevantesten sind. Einer der Trugschlüsse denen viele Sportdirektoren immer wieder aufsitzen ist, dass man einen Spieler verpflichten möchte, der in sämtlichen Performance Indikatoren gute Werte aufweist. Ein Sechser der starke Zweikampf- und Kopfballwerte hat, keine Fehlpässe spielt und noch dazu drei Chancen pro Spiel kreiert, ist aber natürlich nicht finanzierbar, wenn er überhaupt existieren sollte.

Für den FC St. Pauli sollten daher besonders die Defensivzweikampfquote, Tacklings, Interceptions sowie Balleroberungen von höchstem Interesse sein, da dies die Faktoren sind, die der potenzielle Neuzugang auf jeden Fall verkörpern sollte. Die interessantesten Namen, auf die wir in unserer Recherche gestoßen sind, werden wir euch hier vorstellen. Alle Spieler rufen in den genannten Kategorien deutlich bessere Werte auf als die bisherigen Kaderoptionen – unser Scouting hat sich auf Ligen beschränkt die in etwa deutsches Zweitliganiveau haben.

  • David Douline (27 Jahre, Rodez AF, 2. französische Liga): Konnte in der letzten, aber auch in der aktuellen Saison beim Ligue 2 Abstiegskandidaten überzeugen. Er gewann 19/20 starke 8.33 Defensivzweikämpfe pro Partie, hinzu kamen knapp acht Balleroberungen und vier Tacklings – nahezu alles Spitzenwerte! Aufgrund seiner Größe von nur 1.81m ist er im Kopfballspiel nicht ganz so resolut, aber dennoch weit über Durchschnitt. Im Sommer läuft der Vertrag des Franzosen aus, bei 500.000 Euro Marktwert kann man hier ein wahres Schnäppchen machen.
  • Romain Basque (25 Jahre, AC Le Havre, 2. französische Liga): Nach Douline der zweite Franzose – auch er ist nur 1.81m groß, aber ebenso aggressiv im Defensivzweikampf (65% gewonnene Duelle). Spannend ist, dass Basque wie Douline auch in der vergangenen Saison schon extrem gut performte, im Sommer aber dennoch kein Verein bezüglich eines Wechsels vorstellig wurde. Aufgrund eines Marktwerts von 750.000 Euro und noch 1.5 Jahre gültigem Vertrag wohl der teuerste Vorschlag.
  • Aleks Pihler (26 Jahre, NK Maribor, 1. slowenische Liga): Neben zwei Franzosen könnte auch der einmalige slowenische Nationalspieler Aleks Pihler, der seit Sommer 2016 in Maribor spielt, in Frage kommen. In der laufenden Saison eroberte er pro Spiel über acht mal den Ball und fing sechs Bälle ab. Zeitweise lief er sogar als Kapitän für den 15-maligen Meister auf und verkörpert somit viel Führungsstärke.
  • Balint Olah (26 Jahre, Budafoki MTE, 1. ungarische Liga): Diese ungarische Kante sollten wir eigentlich nicht aufzählen, da er erst im Sommer vom Budafoki MTE verpflichtet wurde, doch seine Daten, insbesondere in der laufenden Saison sind außergewöhnlich. 75% gewonnene Kopfballduelle, 72% gewonnene Defensivzweikämpfe und 8.4 Interceptions sind beeindruckend, weshalb man durchaus versuchen könnte, ihn von seinem abstiegsbedrohten Verein loszueisen
  • Rok Grudina (26 Jahre, ND Gorica, 1. slowenische Liga): 1.90m geballte Power, die gerade in Luftduellen von Vorteil ist. Hier gewinnt der Rechtsfuß überragende 70% und ist der zweitbeste Spieler unserer Auflistung. Nach über vier Saisons als Leistungsträger in Slowenien könnte man den 26-jährigen dank auslaufendem Vertrag im Sommer und einem extrem geringen Marktwert (175.000 Euro) quasi geschenkt bekommen.

Welche Positionen sind im Ligavergleich unterbesetzt? Wie würde aus Deiner Sicht ein optimales Szenario im Transferwinter für den FCSP aussehen?

Neben dem Sturm, der deutlich zu ungefährlich ist (hier hängt vieles davon ab, wann Burgstaller wieder fit ist und ob er nach zwei schwachen Spielzeiten und der langwierigen Verletzung nochmal auf sein Level kommt) und dem zentralen defensiven Mittelfeld sollte man auch in der Innenverteidigung über einen Neuzugang neben Dzwigala nachdenken. Avevor wird für einen Großteil der restlichen Saison ausfallen, die Defensivschwächen von Ziereis, Buballa (Vertrag läuft aus), Lawrence und Aushilfsverteidiger Knoll haben wir dargestellt.

Falls man auf das oben beschriebene 3-5-2 System baut und Ohlsson als rechten Innenverteidiger einsetzt, hat man mit Luca Zander und Jannes Wieckhoff zwei junge und recht unerfahrene Schienenspieler für die rechte Außenbahn. Besonders Zander mit seiner hohen Flankengenauigkeit (40%), 0,75 kreierten Chancen/Spiel und 56% gewonnenen Zweikämpfen sollte man hier aufbauen – andernfalls könnte man nachbessern.

Die Viererkette ist mit dem vorhandenen Kader schwierig umzustzen. Ein 3-5-2 passt besser.

Sollte Trainer Timo Schultz weiter auf die Viererkette bauen, wird man nicht umhin kommen in mindestens einen guten Flügelspieler zu investieren (am besten pro Seite ein Spieler), der Torgefahr ausstrahlt. Das vorhandene Spielermaterial reicht hier nicht aus. Wichtig ist hier, genau abzuwägen welchen Spielertyp man braucht, im Normalfall sollte ein sogenannter Inside Forward kommen, der mit dem starken Fuß zur Mitte ziehen und abschließen kann. Seine Stärken liegen im Dribbling, Abschluss und der Kreativität den Stürmer oder hinterlaufenden Außenverteidiger einzusetzen.

Prekär ist die Situation im Tor. Stammtorhüter Robin Himmelmann saß zuletzt zweimal auf der Bank (gegen Aue und Düsseldorf) – zurecht. Auch hier haben wir die Daten im Ligavergleich überprüft und sind auf niedrige Werte gestoßen. Der 31-jährige hält nur 63% aller Torschüsse, nur zwei Stammtorhüter in der Liga sind schwächer. Hinzu kommen 0.9 Glanzparaden und 54% gehaltene Schüsse aus kurzer Distanz, zwei maximal mittelmäßige Werte. Auch bei Aufsetzern und Fernschüssen sehen seine Werte nicht gut aus. Die Daten von Backup Svend Brodersen sind aufgrund seiner erst zwei Ligaspiele noch nicht belastbar, im Zweifel kann man aber drüber nachdenken sich auf der Torhüterposition zu verstärken.

Aus Datensicht war der Wechsel im Tor nachvollziehbar.
(c) Peter Boehmer

Hat der Kader denn auf längere Sicht das Potenzial, um eine führendere Rolle in der 2.Liga zu spielen?

Im Kader finden sich zwar einige junge Spieler, die jedoch in den nächsten Monaten wohl nicht zu Leistungsträgern aufsteigen werden. Der Kern der Mannschaft befindet sich bereits im Peak ihrer Karriere oder ist schon drüber hinaus. Schlüsselspieler Rodrigo Zalazar wird im Sommer zur Frankfurter Eintracht zurückkehren und Finn Ole Becker wohl den nächsten Karriereschritt anpeilen, nachdem er bereits vor Monaten von Bundesligisten umworben wurde. Aufgrund dessen sollte man jetzt frühzeitig handeln, um im Sommer nicht das komplette zentrale Mittelfeld neu aufbauen zu müssen – andernfalls wird man sich auch in der nächsten Saison mit dem vorhandenen Spielermaterial im Abstiegskampf wiederfinden. Dennoch sind wir der Ansicht, dass sich das Vertrauen in Trainer Schultz und die Philosophie, auf offensiven Fußball zu setzen, auszeichnen wird.

Stehen euch mit dem Thema „datenbasiertes Scouting“ Türen offen bei den Klubs oder reagieren die meisten reserviert?

Noch ist das Thema Datenscouting in Deutschland nicht wirklich angekommen. Im Vergleich zu den Vorreitern in diesem Sektor – besonders Dänemark, die Niederlande und England sind hier zu nennen – arbeitet man in Deutschland ineffizient und recht altmodisch. Dies hängt beispielweise mit Sportdirektoren oder Kaderplanern zusammen, die eher verschlossen gegenüber Neuerungen sind, da hiermit ihr eigenes Know-How womöglich an Wert verlieren könnte. Hier können wir wärmstens den Baseball-Film „Moneyball“ mit Brad Pitt empfehlen, in dem das Aufeinanderprallen von datenbasiertem und traditionellen Scouting große Probleme auslöst.

Herauszuheben sind die häufig verschrienen „Investorenclubs“ RB Leipzig oder die TSG 1899 Hoffenheim, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und sowohl in der Spielanalyse als auch beim Scouting auf Daten zurückgreifen. Da wir jedoch international arbeiten und sowohl in Deutschland als auch im Ausland immer mehr Funktionäre die Wichtigkeit von Daten erkennen, stehen uns trotz alledem einige Türen offen.

Mit welchen Anfragen kommen Klubs auf euch zu?

Das sind Anfragen unterschiedlichster Art. Häufig brauchen Vereine eine Verstärkung auf einer bestimmten Position – wir erarbeiten dann aus Daten eine Shortlist aus 5-10 Spielern, mit der die Scoutingabteilung dann gezielt an Vereine herantreten kann. Zudem werden wir immer wieder damit beauftragt die Schwachstellen im Kader eines Clubs zu identifizieren – hier schließt sich dann die eben dargestellte Spielersuche an. Ein recht neues Feld ist das des Trainers, immer wieder stellt sich die Frage: „Ist XY der richtige Coach für unsere Truppe?“. Auch dies lässt sich anhand von Daten herausfinden.

Mats, danke für den ausführlichen Einblick in Eure Arbeit und die Einschätzung des FCSP-Kaders!

Fazit: Der FC St. Pauli steht also schlechter da, als er müsste, wenn er denn effektiver in der Offensive wäre. Hierfür fehlt vielleicht nur das Quäntchen Glück. Oder aber die Qualität.
Weiterhin fehlt dem Kader aus Datensicht die nötige Stärke in den Zweikämpfen in der Defensive. Und, wie ich es seit Monaten predige, fehlt dem Kader ein physisch starker Sechser.
Fangen wir im neuen Jahr also erst einmal mit der Effektivität an und hoffen, dass sich mindestens auf der Sechser-Position schnellstmöglich etwas tut.

// Tim

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9 thoughts on “Wie ein Absteiger? – Eine datenbasierte Analyse des FCSP

  1. Sehr erfrischende Einblicke! Freut mich auch, dass hier moderne Methoden vorgestellt werden, die andernorts noch wenig Beachtung finden. Außerdem toll, dass Mats so detailliert auf den FCSP eingegangen ist, sieht man in der Form selten. Ein rundum gelungenes Interview.

  2. Danke für den Artikel. Spannend. Und frustrierend…

    Es macht irgendwie mich traurig, dass Miyaichi gar keine Erwähnung im Artikel findet. Ich hoffe ja immer noch, dass er mal fit wird und diese Saison (vor Ablauf seines Vertrages im Sommer) vielleicht doch noch eine wichtige Rolle spielt. Seine Geschwindigkeit und die ein oder andere Vorlage könnten uns vorne rechts ganz gut tun.

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