Würzburger Kickers – FC St. Pauli 1:1 – Moral trotzt Dusseligkeit

Würzburger Kickers – FC St. Pauli 1:1 – Moral trotzt Dusseligkeit

Der FC St. Pauli holt dank einer leidenschaftlichen Performance ein Unentschieden bei den Würzburger Kickers. Doch das ist zu wenig gegen einen erschreckend schwachen Gegner. Aber nach frühem Rückstand und Unterzahl ist das fast schon als Erfolg zu bewerten. Trotzdem: Mit neun Punkten aus 14 Spielen tritt der FCSP auf einem Abstiegsplatz auf der Stelle. (Ihr merkt, ich bin hin- und hergerissen, wie dieses Spiel nun zu bewerten ist…)
(Titelbild: Beautiful Sports / Julien Christ / via Imago Images / via OneFootball)

Der FC St. Pauli begann mit satten fünf Änderungen im Vergleich zum Spiel gegen Fürth. Für Dzwigala, Makienok, Daschner, Zalazar und Lankford kamen Ziereis, Kyereh, Benatelli, Becker und Matanovic rein. Neuzugang Omar Marmoush nahm auf der Bank Platz.

Auch die Würzburger Kickers rotierten mächtig im Vergleich zur Niederlage am vergangenen Wochenende und brachten mit Feltscher und Pieringer auch gleich zwei Neuzugänge in die Startelf. Marvin Pieringer agierte als einzige Spitze, der häufig auch als Stürmer eingesetzte Baumann spielte rechts offensiv. Hägele rückte ins Team auf die Sechs, sodass Sontheimer zentral weiter vorrückte im Mittelfeld. Ein klares 4-2-3-1.

Realtaktisch war es beim FCSP defensiv ein 4-5-1 (mit hohen Außen), welches aber nur in der Anfangsviertelstunde zu sehen war, da nur Würzburg nur zu Beginn längere Ballbesitzphasen hatte.
Viel interessanter war wie sich der FCSP offensiv formierte: Denn mit Afeez Aremu stand nur ein Sechser auf dem Feld. Rico Benatelli spielte, anders als zuvor, zusammen mit Becker auf der Acht.
Im Spielaufbau wurde es dann noch interessanter: Denn bei Ballbesitz FCSP schob Finn Ole Becker häufig auf die defensive rechte Außenposition. Das löste eine Kettenreaktion aus, denn Ohlsson schob enorm weit hoch und Kyereh konnte etwas nach innen schieben.

Formation bei Ballbesitz FCSP in der ersten Hälfte. Becker fällt rechts tief, wodurch sich einige Positionsverscheibungen ergeben. War gefällig, brachte aber keinen Ertrag.

Ein anfängliches Abtasten wich doch recht schnell, nach acht Minuten, den harten Fakten, denen sich der FC St. Pauli diese Saison immer wieder stellen muss: Marvin Knoll, bereits gegen Fürth mit einer unglücklichen Aktion die zum Elfmeter führte, stellte sich auch gegen Würzburg recht ungeschickt an und verursachte wieder einen Elfmeter (allerdings machte Pieringer es auch sehr gut). Was ein denkbar schlechter Start, kannste dir nicht ausdenken. Es sollte aber noch eine weitere unglückliche Aktion folgen…

(fs/Imago Images/via OneFootball)

Trotz des Rückstandes zeigte der FC St. Pauli eine gute Spielanlage. Zwar waren Chancen deutlich seltener als Fehlpässe, selbst wenn man sie mit 10 multipliziert, doch Kyereh (14.) oder Matanovic (25.) hätten mit ihren Treffern an Pfosten und Latte durchaus für den Ausgleich sorgen können.
Auf der Gegenseite muss Hägele aber in der 19. Minute auch das zweite Tor machen, als er aus der tiefen Position einrückte (das Gegentor hätte sich Aremu dick auf die Stirn schreiben dürfen).

Und gerade als ich in meine Notizen „Würzburg passiv, Aremu sorgt für Passsicherheit“ schrieb, spielte eben jener Aremu einen Katastrophen-Fehlpass. Dieser sorgte dafür, dass Knoll entscheidet in einen Zweikampf zu gehen, der nur in seltensten Fällen nicht mit einem taktischen Foul endet. Da hätte er gerne wegbleiben dürfen, eher sogar müssen, zumal noch reichlich Weg zum eigenen Tor vorhanden war. Und vor allem deshalb, da er bereits gelb-vorbelastet war. Die zweite unglückliche Aktion von Knoll war dann auch das Ende seines Spiels.

(HMB Media/Heiko Becker/Imago Images/via OneFootball)

Es folgte die sofortige Einwechslung von Dzwigala für den ohnehin blassen Dittgen. Hinterher ist man immer schlauer, aber der hätte auch schon von Beginn an anstelle von Knoll spielen dürfen. Mit der Einwechslung stellte der FCSP auf ein 4-3-2 um.

0-1 zur Halbzeit gegen den Tabellenletzten, dazu in Unterzahl. Es gab leider bereits viele Tiefpunkte in der bisherigen Saison des FCSP. Die Halbzeitpause war sicher einer der tiefsten. Man ey, da hat man das Gefühl, dass es nicht mehr tiefer geht und dann haut der FCSP solche Pleiten, Pech und Pannen in der ersten Halbzeit am Dallenberg raus.

Doch: So richtig merklich war der zahlenmäßige Unterschied an Spielern nicht zu Beginn der zweiten Halbzeit. Der FC St. Pauli zog sich zwar etwas weiter zurück, aber blieb richtig griffig und aggressiv in den Zweikämpfen.
So konnte Würzburg seine Überzahl nicht wirklich ausspielen, aber die Aggressivität erwiderten sie. Es wurde ein ziemliches Kampfspiel mit vielen Fouls und gelben Karten (wobei Schiedsrichter Michael Bacher viele Situationen auch ziemlich kleinlich bewertete).

Und diese aggressive Herangehensweise führte dann zum Ausgleich, als erst Paqarada, dann Benatelli und dann Becker nachsetzten und urplötzlich Benatelli frei am Fünfer auftauchte und sicher einnetzte. Hatte ich ja bereits im Vorbericht erwähnt, dass er der drittbeste Zweitligatorschütze im aktuellen FCSP-Kader ist, wa?! Wären wir ein Schmierblatt, es würde morgen BenaTORli auf der Titelseite stehen…

Was 1 Goalgetter!
(HMB Media/Heiko Becker/Imago Images/via OneFootball)

In der Folge blieb es bei vielen Fouls und wenig Spielfluss, was sicher auch im Sinne des FCSP war, da die hohe Intensität mit einem Spieler weniger entsprechend auf die Pumpe geht. So ab Minute 70 wurde langsam die Luft merklich dünner was Fouls anging, da gefühlt die gesamte Defensive gelb-vorbelastet war. Leider werden wir neben Knoll am Wochenende auch sicher Sebastian Ohlsson nicht im Kader sehen, da er seine fünfte gelbe Karte sah.

Entsprechend der erneuten Gelb-Rot-Gefahr durfte Omar Marmoush sein eher blasses Debüt im FCSP-Trikot feiern (eher blass auch deswegen, da von seinen Mitspielern auch nicht mehr viel ausging). Zusammen mit Zalazar wurde er für Becker und Kyereh eingewechselt. Und Zalazar fügte sich gleich mit einem grenzwertigen Zweikampf im eigenen Strafraum ein. Hätte auch da ein Elfmeterpfiff ertönt, vom VAR wäre es sicher nicht zurückgenommen worden.

Trotz 50 Minuten Unterzahl war der FCSP auch in der zweiten Halbzeit das aktivere Team. Die Würzburger Kickers boten wirklich nichts an. Schon bemerkenswert, wie wenig die in Überzahl auf die Kette brachten. Der FCSP hingegen versuchte alles um auch noch das zweite Tor zu erzielen (mir gefiel Paqarada hierbei besonders gut). Nur ganz am Ende war ihnen anzumerken, dass die Kräfte langsam schwanden (das sich aber Simon Makienok, erst in Minute 70 eingewechselt, in guten Kontersituationen nur schleppend nach vorne bewegte, war ziemlich erschütternd…).

Ein Punkt beim Tabellenletzten ist zu wenig, ganz klar. Aber wenn Du bereits nach weniger als zehn Minuten hinten liegst und dann auch noch 50 Minuten in Unterzahl spielen musst, ist so ein Punkt schon anders zu bewerten. Allerdings: Die Würzburger Kickers wirkten nicht konkurrenzfähig in der 2.Liga, das muss man wohl ganz klar so sagen. Und entsprechend muss der FCSP so ein Spiel eigentlich gewinnen.

Es war also mal wieder die Moral, die den FC St. Pauli überhaupt noch zum Punktgewinn nach Rückstand verhalf. Wie gegen Bochum, Nürnberg, Darmstadt, den HSV und Aue. Warum die Spieler nicht von Beginn an solche Leistungen abrufen können, bleibt wohl das größte Rätsel (und das seit Jahren). Denn das 14. Saisonspiel war das elfte bei dem der FC St. Pauli in Rückstand geriet. Und es war das 14. Saisonspiel bei dem der FCSP einen Gegentreffer hinnehmen musste…

Neun Punkte nach 14 Spielen. Diese Quote wird nicht reichen, um die Klasse zu halten. Es bleiben noch 20 Spiele und wenn man die 40 Punkte anvisiert, dann sollte gut die Hälfte dieser Spiele gewonnen werden. Wenn der FC St. Pauli sich auch weiterhin so verlässlich die Dinger selbst ins Tor legt, dann ist es völlig utopisch das zu schaffen. Wenn er es jedoch endlich mal schaffen würde, konstant so leidenschaftlich aufzutreten wie in der zweiten Halbzeit, dann ist alles möglich. Fangt damit gegen Kiel an, verdammt nochmal!

// Tim

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5 thoughts on “Würzburger Kickers – FC St. Pauli 1:1 – Moral trotzt Dusseligkeit

    1. Das ist eine gute Frage, da überlege ich seit gestern Abend schon.
      Entweder Leon Flach kann das spielen (wenn überhaupt dann hat er als LV gespielt) oder niemand. Und mit niemand meine ich, dass das gesamte System wieder auf ein 3-5-2 umgestellt wird.

      1. Ich glaube nicht, dass Schulle in der jetzigen Situation wieder von der Viererkette abrückt und erwarte, dass Ziereis RV spielt.
        Schwierig wirds nur, wenn Buballa nicht rechtzeitig fit wird. Dann müsste Ziereis zwingend (mit Dzwigala) in der IV spielen. Eine Dreierkette wäre dann allerdings auch kaum umsetzbar.

  1. Ich wundere mich fast, dass Makienoks Leistung hier nur mit einem Halbsatz gewürdigt wird. bei seinen ersten zwei „Sprints“ dachte ich, mein Stream würde ruckeln. Aber dann wurde mir klar, dass er ja wirklich nur trabt und nicht rennt. Wenn das nicht ein völlig irres taktisches Konzept war („Simon, renn ma‘ nicht so, da rechnet keiner mit!“), dann hatte er ganz offensichtlich keinen Bock. Und das wiederum würde mich in der aktuellen Situation richtig, richtig ankotzen. Nicht können ist ja nun was ganz anderes als nicht wollen.

    (von Kyerehs kläglichst(!) vergebenem 1vs1-Konter Mitte/Ende 2. HZ fang ich gar nicht erst an.)

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