Vorbericht: FC St. Pauli – SV Darmstadt 98 (22.Spieltag, 20/21)

Vorbericht: FC St. Pauli – SV Darmstadt 98 (22.Spieltag, 20/21)

Am Samstag kommt Darmstadt 98 ans Millerntor. Das war in den letzten Jahren immer das Heimspiel auf das ich am allerwenigsten Bock hatte. Drei 0:1-Niederlagen aus vier Spielen und eine von Darmstadt längst nicht mehr vorhandene Spielweise haben mich dieses Gefühl entwickeln lassen. Aber nun würde ich mich zu gerne mal wieder samstags im Stadion über destruktiven Fußball aufregen und enttäuscht nach dem Spiel vor dem Stadion rumlungern. Geht aber nicht. Wohl noch länger nicht. Allein damit ich mich nicht zu sehr danach sehne, wäre zur Abwechslung mal ein Sieg gegen Darmstadt klasse.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Das VdS-Gespräch von Bobby mit Daniel vom Hoch-und-Weit-Podcast findet ihr hier.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Fast alle Spieler sind einsatzfähig“ – eine sehr erfreuliche Nachricht, die Timo Schultz auf der PK verkündete. Das ist schon fast so etwas wie der Normalzustand. Allerdings schränkte Schultz auch direkt ein wenig ein und berichtete, dass Afeez Armeu muskuläre Probleme hat und erst weitere Untersuchungen zeigen, ob er am Samstag einsatzfähig ist.
Wir schließen dieses Kapitel ganz schnell, damit es aus dem Lazarett doch nicht noch mehr zu berichten gibt.

SV Darmstadt 98: Wer kann spielen, wer fehlt?

SVD-Trainer Markus Anfang sagte auf der Pressekonferenz vor dem Spiel, dass Matthias Bader weiterhin Probleme mit der Wade hat und ausfallen wird. Auch der üblicherweise auf der rechten Abwehrseite gesetzte Patrick Herrmann musste mit dem Training aussetzen. Und Winter-Neuzugang Christian „Crille“ Clemens musste das Training aufgrund von Oberschenkelproblemen abbrechen.

Bereits länger fehlen den Lilien die beiden Abwehrspieler Thomas Isherwood und Mathias Wittek. Gar nicht mehr im Trikot von Darmstadt wird wohl Seung-ho Paik auflaufen. Markus Anfang vermeldete, dass Paik den Verein gen Südkorea verlassen wird (dort ist das Transferfenster noch bis Ende März geöffnet). Bemerkenswert offen berichtet Anfang vom bevorstehenden Wechsel, obwohl dieser noch nicht in trockenen Tüchern ist. Aber trotz des Wechsels sieht Anfang den Kader im zentralen Mittelfeld gut genug aufgestellt.

Seit Saisonbeginn Trainer in Darmstadt: Markus Anfang
(c) Peter Boehmer

Grundsätzlich sind die Verletzungssorgen ein großes Thema in Darmstadt. Danach gefragt, machte Anfang deutlich, dass er und sein Team sich das anders vorgestellt hatten, aber es eben auch ein Effekt der nicht vorhandenen Winterpause ist (der jedoch aktuell nicht beim FCSP zu erkennen ist).

Was hat Darmstadt 98 zu bieten?

(Alle Statistiken von wyscout)
Der SV Darmstadt 98 ist ein spielfreudiges Team. Das zeigt sich auch am Ballbesitz, der ja für die Qualität eines Teams keinerlei Aussagekraft besitzt, aber eben etwas zur Spielweise aussagt.
Es gibt in den Ballbesitz-Stats der 2.Bundesliga ein ziemlich klares Break: Sechs Teams haben mehr als 54% Ballbesitz, das Team auf Platz sieben hat bereits weniger als 50% Ballbesitz. Darmstadt 98 zählt zu den Top6.

Aus diesem vielen Ballbesitz leitet sich dann auch fast automatisch ab, dass die Lilien die viertmeisten Pässe der Liga spielen. Das können sie, da der Gegnerdruck häufig eher gering ist (dritthöchster gegnerischer PPDA (Passes allowed Per Defensive Action) der Liga). Diese vielen Pässe wird ihnen der FCSP wohl nicht erlauben. Zuletzt hat der FCSP PPDA-Werte deutlich unter der Marke, die Darmstadt im Schnitt gegen sich hatte, präsentiert.

Darmstadt 98 war für mich jahrelang immer das Team, das nichts anderes als Destruktivität ausstrahlt. Das hat sich geändert (ich darf dann wieder beim Schuster-Ball von Aue abkotzen). Unter Trainer Markus Anfang, aber auch schon zuvor unter Dimitrios Grammozis hat Darmstadt 98 grundsätzliche Ideen bei Ballbesitz entwickelt.
Das äußert sich auch in den Abschlüssen: Die Lilien stellen nach xG-Werten das offensiv sechstbeste Team der Liga (drittmeiste Torschüsse). Allerdings lässt Darmstadt auch viel zu: Die viertmeisten gegnerischen Torschüsse und auch diesen Platz bei den xG-Werten. Basierend auf den xPoints könnte der SVD etwas besser dastehen (25 Punkte, nach xP sind es 28.9).

Ein enorm wichtiger Faktor im Offensivspiel des SVD sind Standards: Mit bereits 11 Toren haben sie zusammen mit anderen Teams die meisten Tore nach ruhenden Bällen erzielt (allerdings sind da auch einige Elfmetertore dabei). Das macht bei insgesamt 32 Toren gut ein Drittel aller Tore, was nach Osnabrück (10 von 21!!!) der zweitgrößte Anteil der Liga ist.

Die Freiheit mit der Serdar Dursun im Hinspiel einen Standard per Kopf verwerten durfte, davon träumt er immer noch, sag ich euch.
(imago images/via OneFootball)

Wie auch der FCSP dribbelt Darmstadt 98 relativ viel. Allerdings auf ganz anderen Positionen als der FCSP: Die häufigsten Dribbler der Lilien sind Honsak und Skarke – beide sind auf den offensiven Außenpositionen beheimatet.
Im Zentrum ist „Ketten-KnackerMarvin Mehlem das Herz des Darmstädter Spiels (sein Partner im Zentrum, Tobias Kempe spielt als Standard-Schütze eine wichtige Rolle). Mehlem liegt in den Kategorien Through Passes und Smart Passes jeweils in den Top10 der Liga, versucht häufig die gegnerischen Ketten auszuhebeln und spielt entsprechend viele und auch recht erfolgreich Schnittstellenpässe (bei beiden Kategorien in den Top30 der Liga in Sachen Quote). Ich geb’s zu: Ich mag den gern.
In der Kategorie „central midfielders“ werden Kempe und Mehlem übrigens auf den Plätzen 1 und 3 geführt. Zwischen ihnen liegt ein gewisser R. Zalazar.

In der Defensive ist man bei Darmstadt 98 sicher froh, dass Victor Pálsson nach langer Verletzung wieder fit ist. Eigentlich im defensiven Mittelfeld beheimatet, hat Pálsson zuletzt in der Innenverteidigung für Stabilität gesorgt. Dabei besticht er nicht nur durch – für einen defensiven Mittelfeldspieler – gute Skills im Spielaufbau sondern auch mit einer bemerkenswerten Kopfballstärke (zählt ligaweit zu den Top10 in der Anzahl an bestrittenen Duellen und gewinnt davon starke 2/3). Am Boden zählt Lars Lukas Mai mit über 70% gewonnenen Duellen zu den Top15 der Liga.

Mögliche Aufstellung

Durch die möglichen Ausfälle von Clemens und Herrmann ist die rechte Seite, besonders die rechte Abwehrseite, relativ blank beim SV Darmstadt 98. Zwar ist ein Einsatz beider Spieler nicht ausgeschlossen, aber ein Ausfall klang zumindest auf der PK sehr wahrscheinlich.

Und was machste, wenn kein rechter Außenverteidiger zur Verfügung steht? Richtig, Du spielst ganz ohne. Ich gehe davon aus, dass Darmstadt 98 mit einer Dreierkette gegen den FCSP antreten wird. Diese Formation hat Anfang im Saisonverlauf bereits häufiger spielen lassen. Das passt auch tatsächlich ganz gut gegen die Raute des FCSP mit ner Dreierkette.
Das finde ich auch deswegen schade, da wir das doch sehr interessante Aufbauspiel aus dem Hinspiel wohl nicht sehen werden. Da hat Darmstadt 98 nämlich mit einrückenden Außenverteidigern aufgebaut, was ich so bisher nirgendwo anders gesehen habe.

Eine Startelf zu benennen ist mehr als schwierig für mich, da Markus Anfang im Saisonverlauf (gezwungenermaßen) relativ viel probiert hat. Als rechter Innenverteidiger könnte Patric Pfeiffer starten, der diese Position bereits häufiger gespielt hat und allgemein ein sehr progressiver Spieler ist, der relativ viel entwickeln kann auf seiner Seite. Für die beiden anderen Positionen dürften Höhn, Pálsson und Mai infrage kommen. Da ich ein Fan vom spielstarken Fabian Schnellhardt bin, gebe ich ihm den Vorzug vor Tim Skarke rechts im Mittelfeld. Skarke wiederum könnte Tobias Kempe vorne rechts ersetzen.

Zentral wird kein Weg an Rapp und Mehlem vorbeiführen. Auch Honsak links vorne dürfte gesetzt sein und dahinter Holland. Aber ob es wirklich dieses 3-4-3 werden wird, da bin ich mir absolut nicht sicher.

Ich bin gespannt, ob der FC St. Pauli auf eine Dreierkette von Darmstadt 98 reagieren wird. Zumindest dürfte die Formation der SVD den FCSP zu Umstellungen im Anlaufverhalten zwingen.

Personelle Veränderungen im Vergleich zum überzeugenden Auftritt in Nürnberg erwarte ich nicht. Wobei ich natürlich immer damit rechne, dass Tore Reginiussen als zweikampfstarker Innenverteidiger es mit den gegnerischen Top-Stürmern aufnehmen könnte.

Eines ist sicher: Langweilig werden Spiele des FC St. Pauli diese Saison nicht. In 20 von 21 Spielen hat es mindestens ein Gegentor gegeben. Das ist eigentlich eine unterirdische Quote. Aber inzwischen haben wir es oft genug erlebt, sodass ich mit Gewissheit sagen kann: Der FC St. Pauli wird auch in der Offensive zu seinen Chancen kommen (ist zuletzt siebenmal in Folge in Führung gegangen).
Zeit für ein langweiliges 0-0 also…

Forza!

// Tim

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