Kader-Entwicklung beim FC St. Pauli – Datenanalyse

Kader-Entwicklung beim FC St. Pauli – Datenanalyse

Zwar steht noch ein Spiel für den FC St. Pauli an, aber im Hintergrund dürfte die Planung der neuen Saison in der 2.Liga bereits auf Hochtouren laufen. Zeit also, einmal die Entwicklung einzelner Spieler, die Stärke des FCSP-Kaders im Ligavergleich und die Schwachstellen im Kader auf Datenbasis zu analysieren. Das mache natürlich nicht ich, sondern wird einmal mehr vom Global Soccer Network übernommen.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Einige von euch könnten behaupten: „Schon wieder?!“ – Ja, wir haben uns schon wieder mit Dustin vom Global Soccer Network unterhalten. Wie auch zum Ende letzten Jahres, als wir herausfinden wollten, ob Adam Dźwigała zum FC St. Pauli passt und wie auch nach Ende der Transferperiode im Winter, als wir uns fragten, ob die Neuzugänge den FCSP besser machen. Von datenbasierten Einschätzungen kann es aus meiner Sicht eigentlich nicht genug geben. Das Interview mit Dustin wird dann auch zeigen, dass auch ich persönlich mit der subjektiven Einschätzung einiger Spieler ziemlich daneben liege.

Eines der Kernthemen des Interviews sind die GSN-Indizes der Spieler des FC St. Pauli. Dieser Index wird von GSN basierend auf vier verschiedenen Säulen entwickelt und gibt die aktuelle Stärke der Spieler, aber auch die Entwicklungsprognose an.

Dustin, der FC St. Pauli hat eine ziemlich Talfahrt in der Saison hinter sich. Kurz vor Saisonende steht er aber auf einem Platz im gesichertem oberen Mittelfeld. Rechtfertigen die Performance-Daten diese Position?

Der FC St. Pauli steht sogar besser da, als er tatsächlich sein sollte. Betrachtet man die reinen Performance-Daten, gebündelt in unserem Performance-Score, dann steht St. Pauli da auf Rang 11. Zieht man einen weiteren Parameter heran, die sogenannten „Expected points“, ist man sogar nur 12. Von daher kann man als St. Pauli-Fan über die Rückrunde dann doch sehr zufrieden sein.

Wie steht der FCSP-Kader eigentlich im Ligavergleich in Sachen GSN-Index da?

Schaut man sich den durchschnittlichen GSN-Index des FC St. Pauli an, der aktuell bei 56.00 liegt und vergleicht diesen mit anderen Clubs aus der 2. Liga, steht man hier auf Rang 8. Den stärksten Kader hat der HSV mit 62.92, danach Fortuna Düsseldorf mit 62.10. Das sind im Durchschnitt dann schon 1.Liga-Mannschaften. Die hätten die Liga eigentlich dominieren müssen. Vergleicht man St. Pauli mit den momentan führenden Clubs VfL Bochum (GSN-Index von 56.11), Holstein Kiel (GSN-Index von 56.64) und Greuther Fürth (GSN-Index von 56.96), sieht man, dass man da gar nicht so weit weg ist von den Topteams der Liga.

Der Vergleich der GSN-Indexe aus dem Januar und dem Mai 2021 (zu sehen in den Grafiken, die hier im Artikel folgen) zeigt insgesamt eine leichte Verbesserung beim FC St. Pauli. Einzelne Spieler haben in ihrer Prognose einen gewaltigen Satz gemacht. Welche Spieler des FC St. Pauli sind das?

Da muss man als erstes Rodrigo Zalazar nennen. Der hat schon ne richtig gute Entwicklung genommen, die selbst wir, so ehrlich muss man sein, so nicht ganz vorhergesehen haben. Er hat sich um ca. 10 Indexpunkte verbessert, das ist schon enorm.
Aber auch andere Spieler haben hier durchaus zugelegt und sich ordentlich weiterentwickelt. Ein Finn Ole Becker zum Beispiel hat sich um mehr als 7 Indexpunkte verbessert, ein Omar Marmoush hat die 2.Liga schnell angenommen und sich ebenfalls um ca. 5 Indexpunkte verbessert. Daschner und Aremu haben sich ebenfalls um ca. 5 Indexpunkte verbessert. Und natürlich muss man auch Daniel-Kofi Kyereh nennen, der ebenfalls fast 8 Indexpunkte zugelegt hat.

Datenbasierte Einschätzung des Kaders vom Global Soccer Network vom Mai 2021.

Eine bemerkenswerte Entwicklung hat aus meiner Sicht auch Rico Benatelli gemacht. Der hat sich in der Rückrunde als echte Stütze auf der Sechs erwiesen. Wie werden eigentlich Wechsel der Positionen in Euren Modellen abgedeckt.

Von seinem GSN-Index ist er relativ konstant geblieben. Generell sind wir von seinen guten Leistungen nicht überrascht, da unser System permanent analysiert, welche Position anhand der spezifischen Eigenschaften eines Spielers die jeweils beste für ihn ist. Im Beispiel von Benatelli ist die Primärposition das Zentrale Mittelfeld, seine ideale Rolle die eines tief liegenden Spielmachers. Aufgrund seiner Fähigkeiten hat er aber auch eine hohe Übereinstimmung mit der Position des Defensiven Mittelfeldspielers, wobei er hier ebenfalls die Rolle des tief liegenden Spielmachers einnimmt. Er könnte sogar im offensiven, zentralen Mittelfeld eingesetzt werden, wenn hier Not am Mann wäre. Somit ist er schon ein relativ vielseitiger Spieler, der drei zentrale Positionen abdeckt.
Jede Position und Rolle hat innerhalb unseres Systems gewisse Parameter und Kriterien, die für die jeweilige Position essenziell sind. Dazu kommt noch die Spielweise der jeweiligen Mannschaft bzw. die taktischen Vorgaben auf der jeweiligen Position. Das fließt ebenfalls mit ein. Daraufhin bewertet der Algorithmus automatisch anhand diverser Leistungsdaten die Leistung bzw. errechnet unseren Performance Score. Es ist so detailliert, dass da auch Feinheiten innerhalb einer Partie berücksichtigt werden. Wird ein „Sechser“ nach 25 Minuten zum rechten Verteidiger umfunktioniert, werden die ersten 25 Minuten als Sechser bewertet, die restliche Spielzeit dann als rechter Verteidiger. Im Nachgang wird das dann zum Gesamt-Performance Score verrechnet.

Datenbasierte Einschätzung des Kaders vom Global Soccer Network vom Januar 2021.

Auffällig ist in allen GSN-Daten, dass James Lawrence vergleichsweise schlecht eingeschätzt wird. Ich möchte behaupten, dass nahezu alle FCSP-Anhänger:innen dieser Einschätzung wiedersprechen. Überschätzen wir seine Leistung?

Schlecht will ich gar nicht sagen. Mit Indexwerten von über 55 bist du absolut in der Lage, regulär in der 2.Liga zu spielen. Sein Performance score in der aktuellen 2.Liga-Saison liegt bei 56.00, was Rang 22 auf seiner Position bedeutet. Im Vorjahr lag sein Performance score bei 56.67, was damals Rang 29 bedeutete.
Hier nun was Grundsätzliches zur Spielerbewertung/-einschätzung. Wir dürfen bei der Spielerbewertung nicht den Fehler machen, uns NUR auf Performance-Daten zu fokussieren. Wenn ich mir viele Sportberichterstattungen anschaue bzw. auch, was mittlerweile so alles auf Social-Media angeboten wird, dann liegt der Fokus wirklich sehr auf Daten wie angekommene Pässe, Anzahl an Torschüssen, gewonnene Zweikämpfe, mittlerweile auch xG und xA Werte, bei euch sogar die xG +/- Statistik. Ich will das überhaupt gar nicht kleinreden oder als unwichtig deklarieren, weil es das auch nicht ist. Es hat schon seine Relevanz. Wir vergessen aber bei all den Performance-Daten den Kontext. Wie ist das Skillset eines Spielers? Was bringt er an fussballspezifischen Fähigkeiten mit? Ist Lionel Messi kein Weltklassespieler mehr, nur weil er vielleicht mal ein halbes Jahr unterdurchschnittlich performt bzw das Tor nicht trifft? Oder ist er immer noch ein Weltklassespieler, nur mit Ladehemmung? Ich tendiere da zu letzterem. Die Performance auf dem Feld ist oft schwankend, die Eigenschaften, die ein Spieler mitbringt, sind es nicht. Deshalb muss man genau das auch berücksichtigen.
Schaut man sich James Lawrence als Spieler an, so haben wir festgestellt, dass seine reine Performance in der oberen Hälfte der 2.Liga liegt. Schauen wir uns seine fussballspezifischen Eigenschaften/Fähigkeiten an, so fällt auf, dass er dort im Vergleich zu anderen Innenverteidigern abfällt. Sein erster Kontakt ist Durchschnitt, sein Spiel ohne Ball auch. Dazu kommen physische Eigenschaften wie der Antritt und das Tempo, was ebenfalls nur Durchschnitt ist für einen Spieler mit seiner Position und seiner Rolle. Ebenso seine Beweglichkeit. Und genau das drückt den Gesamt-Index dann nach unten. Wobei wir hier, wie oben schon erwähnt, von einem Spieler sprechen, der voll in der 2.Liga bestehen kann.

Du zählst bei Lawrence vor allem technische Punkte auf als Grund warum es nicht für mehr als zu guten Leistungen in der 2.Liga reicht. Ich würde behaupten, dass seine Stärke auch dadurch kommt, dass er ein richtig guter Führungsspieler ist. Berücksichtigt ihr auch solche „soft skills“?

Ja, wir berücksichtigen auch „soft skills“ wie beispielsweise die Führungsqualität. Man sagt immer, mentale Attribute oder auch Charaktereigenschaften wären schwierig zu scouten. Es ist auch schwieriger als technische oder taktische Eigenschaften einzuschätzen, aber es ist durchaus möglich. Wir haben uns damit intensiv mit Sportpsychologen auseinandergesetzt, unter anderem gibt es von Marc-Oliver Löw auch ein wunderbares Buch zum Thema Behavioral scouting. Kann ich sehr empfehlen. Um deine Frage final zu beantworten. Lawrence hat hohe Werte bei Führungsqualität, Professionalität, Zielstrebigkeit oder auch Teamwork/Mitspielercoaching. Da stimmen die Werte voll mit deiner Einschätzung überein. Lässt man aber alle ca. 130 relevante Eigenschaften einfließen, liegt sein Wert hier trotz allem niedriger als bei anderen Innenverteidigern.

Hier als Beispiel die Einschätzung der fussballspezifischen Eigenschaften (1.Säule des GSN Index)
Philipp Ziereis – 71.70
Adam Dzwigala – 69.70
Christopher Avevor – 69.00
James Lawrence – 68.00

Die Daten sagen, dass James Lawrence nicht der beste Innenverteidiger der Welt ist? Blasphemie!
(c) Peter Böhmer

Burgstaller, Kyereh, Marmoush und Zalazar sind sicher die auffälligsten Akteure auf dem Platz. Etwas unterm Radar lief diese Saison Finn Ole Becker. Wie schätzt ihr seine Leistung ein?

Er hat sich wunderbar entwickelt, seine mehr als 7 Pluspunkte beim GSN-Index machen das ja sehr deutlich.
Ich will hier mal auf eine Metrik eingehen, die verdeutlichen soll, wie wichtig Spieler für ihr jeweiliges Team sind, unabhängig von allen Leistungs- und Performancedaten. Wir hier bei GSN waren wirklich hocherfreut, als wir deinen Ansatz, Tim, mit der +/- Statistik, basierend auf den Expected goals, auf eurer Website gesehen haben (Anm. Danke! Hier der Artikel dazu).
Man kennt diese Metrik aus dem Eishockey bzw. Basketball, wir führen diese für den Fussball auch schon länger und es war, wie gesagt, toll zu sehen, dass jemand auf die gleiche Idee kam, den Einfluss einzelner Spieler auf die Teamleistung berechnen zu wollen.
Die Metrik an sich ist ganz einfach. Man schaut, was eine Mannschaft für einen xG Wert zustande bringt, wenn ein bestimmter Spieler auf dem Feld ist. Umgekehrt schaut man auch, welchen xG Wert die eigene Mannschaft für gegnerische Teams zulässt, wenn der bestimmte Spieler auf dem Feld steht. Anschließend werden diese beiden Werte miteinander verrechnet. Umso größer das Plus, umso positiver ist der jeweilige Spieler für das Team.
Finn Ole Becker ist hier herausragend! Während seiner 2137 Spielminuten konnte sich St. Pauli einen eigenen xG Wert von 41.28 erspielen und musste zeitgleich nur einen gegnerischen xG Wert von 30.68 zulassen. Das heißt, mit Becker hat man sich ein Plus von 10.60 herausgespielt.
Auf den Plätzen 2. und 3. liegen Ziereis mit +6.17 und Kyereh mit +4.65. Auch das macht deutlich, wie wichtig Becker für das Spiel von St. Pauli ist.

xG Plus-Minus – Statistik des FCSP-Kaders (nach 32 Spieltagen)

Im Januar stellte der FC St. Pauli seine Formation auf ein 4-4-2 mit Raute um und hatte damit großen Erfolg. Ist diese Formation eigentlich die bestmögliche, wenn man den Kader des FC St. Pauli anschaut?

Da ist dem Trainerteam um Timo Schultz tatsächlich ein Volltreffer gelungen. Wir sind ja mittlerweile so weit, dass wir anhand künstlicher Intelligenz optimale taktische Formationen, basierend auf dem vorhandenen Spielermaterial, ausgeben können. Und das 4-4-2 mit Raute ist tatsächlich die ideale taktische Formation. Da hat man richtig gut im taktischen Bereich gearbeitet bei St. Pauli.

Mit Daniel Buballa und Marvin Knoll gibt es zwei Spieler im Kader, die im Laufe der Saison ihre Stammplätze verloren haben. Eine Entscheidung über ihre Zukunft ist noch nicht gefallen. Was würdest Du den Spielern empfehlen?

Beides Spieler, die absolut noch in der 2.Liga bestehen und performen können. Die Frage ist, wie sie mit der weniger werdenden Spielzeit bei St. Pauli umgehen würden. Zudem hieß es aus dem St. Pauli Umfeld, wenn ich richtig informiert bin, dass man bei Backup Spielern wohl eher auf jüngere, entwicklungsfähige Spieler setzen will. Das würde natürlich gegen beide sprechen. Stand jetzt würde ich also davon ausgehen, dass sowohl Buballa als auch Knoll den Verein verlassen werden. Beide werden aber wohl neue Arbeitgeber finden, sei es in der 2.Liga oder auch eventuell bei einem ambitionierten 3.Ligisten.

Im Sommer werden den FC St. Pauli mit Omar Marmoush und Rodrigo Zalazar zwei Stammspieler verlassen. Gibt es perspektivisch Spieler im Kader, die diese Positionen ausfüllen können?

Am wahrscheinlichsten aus meiner Sicht wäre eine Variante mit Kyereh und Daschner. Basierend auf unseren Daten ist Kyerehs Primärposition die Stürmerposition (Stoßstürmer). Daschners Primärposition liegt im zentralen, offensiven Mittelfeld, in der Rolle des Spielmachers. Von daher würden beide zusammen auf dem Platz wirklich passen.
Aremu und Benatelli sind definitiv in der Zentrale besser aufgehoben, für die Halbpositionen geht beiden das Tempo etwas ab. Daher sind sie nicht der ideale Ersatz für Zalazar.
Dittgen, der Marmoush zuletzt ersetzte, sehen wir nicht unbedingt als Stammspieler, sondern eher als einen Spieler, der nah an der ersten 11 dran ist und immer eine Einwechseloption ist. Basierend auf dem GSN-Index trauen wir ihm den Sprung zum Stammspieler dauerhaft nicht zu. Matanovic ist das größte Talent, dass St. Pauli aktuell hat. Bewegt sich schon jetzt auf dem Niveau eines durchschnittlichen Zweitligaspielers und kann sich zu einem Spieler internationaler Klasse entwickeln. Zum Weiterentwickeln braucht er Spielminuten. Allerdings ist er aktuell noch nicht stark genug, die Offensive von St. Pauli zu tragen. Auf der anderen Seite helfen ihm 10, 15, 20 Minuten pro Partie in seiner Entwicklung auch nicht wirklich. Hier könnte man über eine eventuelle Leihe innerhalb der 2.Liga bzw. auch in die 3.Liga nachdenken.

Und gibt es woanders Spieler, die vom Spielstil her diese beiden Abgänge ersetzen könnten?

Als Alternativen zu Zalazar haben wir mal vier mögliche Kandidaten gefunden:

  • Dennis Dressel / TSV 1860 München – 3.Liga / Indexwerte: (62.59/69.42)
  • Adam Gnezda Čerin / HNK Rijeka – 1.Liga Kroatien / (61.36/68.63)
  • Pavel Bucha / Viktoria Plzen – 1.Liga Tschechien / (64.92/68.73)
  • Iver Fossum / Aalborg BK – 1.Liga Dänemark / (65.41/69.56)

Kandidaten als Marmoush-Ersatz:

  • Amine Bassi / AS Nancy-Lorraine – 2.Liga Frankreich / (64.59/70.89)
  • Rasmus Wiedesheim-Paul / Rosenborg BK – 1.Liga Norwegen / (61.19/66.72)
  • Nicolas Kühn / FC Bayern München II  – 3.Liga / (62.01/68.81)
  • Valentín Castellanos / New York City FC – 1.Liga USA / (61.83/67.71)
Ein möglicher Ersatz für Rodrigo Zalazar? Die Daten sagen, dass Dennis Dressel, aktuell in Diensten von 1860 München, passen würde.
(imago images/via OneFootball)

Auf welchen Positionen seht ihr Bedarf, damit der FC St. Pauli in der nächsten Saison vielleicht etwas überdurchschnittlich im Vergleich zum Rest der 2.Liga performen kann?

Definitiv in der Offensive. Burgstaller ist zwar weiterhin Teil des Kaders, wird aber nicht jünger. Dazu die Abgänge von Zalazar und Marmoush. Hier muss St. Pauli auf jeden Fall reagieren, selbst wenn die genannte Umstellung mit Kyereh und Daschner kommen sollte. Makienok ist hier mehr oder weniger außen vor.
Auch auf der Torhüterposition müsste man aus unserer Sicht etwas machen. Der Verbleib von Stojanovic ist aus meiner Sicht womöglich nicht realisierbar, dann bräuchte man eine neue Nummer 1. Sollte Stojanovic doch bleiben, bräuchte man einen soliden Zweitliga-Torhüter als Backup. Dennis Smarsch wird wohl bei St. Pauli bleiben, er ist momentan aber noch nicht auf dem Level, um wirklich für St. Pauli in der 2.Liga im Tor zu stehen. Das dauert noch einige Jahre und Entwicklungsschritte.
Aktuell im Gespräch soll auf der Torhüterposition ja Nikola Vasilj von Zorya Lugansk aus der Ukraine sein. Vergleichen wir seine Index-Werte (63.30/65.91) mit denen von Stojanovic (64.00/65.90), würde dieser Transfer absolut Sinn machen, da beide fast exakt auf dem gleichen Level sind.
Zusätzlich sollte man über einen weiteren, für die 2.Liga überdurchschnittlichen Innenverteidiger nachdenken. Mit Ziereis hat man hier nur einen. Avevor, Lawrence und Dzwigala sind absolut solide für die zweite Liga (Dzwigala auch noch mit Potential nach oben), will man aber vorne mit angreifen in der kommenden Saison, geht das wohl nur mit einem zweiten Top-Innenverteidiger.

Und auf welchen Positionen ist der FC St. Pauli bereits ausreichend gut besetzt?

Ich denke, gerade im zentralen und im zentral defensiven Bereich ist St. Pauli wirklich ausreichend gut besetzt. Eric Smith war hier ein Toptransfer! Gut, dass man ihn langfristig gebunden hat. Zusätzlich hat man dann hier auch noch Becker, Aremu, Benatelli und den verletzten Buchtmann, bei dem wir gespannt sind, was St. Pauli macht.

Nach Saisonende werden gleich sieben Leihspieler wieder zum FC St. Pauli zurückkehren. Welchen dieser Spieler ist es am ehesten zuzutrauen, dass sie sich beim FCSP durchsetzen?

Auch hier muss man den FC St. Pauli loben. Viele der Leihspieler konnten sich weiterentwickeln und stellen richtig gute Optionen für die kommende Saison dar.
Fangen wir mit Florian Carstens an. Innenverteidiger, aktuell an den SV Wehen Wiesbaden in die 3.Liga verliehen. Sein aktueller GSN-Index liegt bei 59.72, sein möglicher Index bei 71.99. Werte über 70 stehen für Spieler internationaler Klasse, St. Pauli sollte ihn unbedingt halten.
Zweiter Leihspieler, der unbedingt dem Kader der neuen Saison angehören muss, ist Rechtsverteidiger Yi-Young Park, aktuell an Türkgücü München in der 3.Liga verliehen. Sein aktueller GSN-Index liegt bei 61.30, sein möglicher GSN-Index geht auf 65.08. Werte eines soliden 1.Liga Spielers.
Dritter Akteur, der sich bei St. Pauli durchsetzen kann und auch sollte, ist Ersin Zehir, der aktuell für den VfL Lübeck im offensiven Mittelfeld in der 3.Liga aufläuft. Momentan auf dem Level eines absolut soliden Zweitligaspielers mit einem Index von 57.59, hat auch er das Potential, sich zu einem soliden Bundesligaspieler zu entwickeln. Sein möglicher GSN-Index liegt bei 64.17.
Ähnlich ist es bei Maximillian Franzke, derzeit als Rechtsaußen für den 1.FC Magdeburg in der 3.Liga aktiv. Seine Werte liegen bei 56.67 und 63.52, auch er bringt das Zeug für einen soliden Bundesligaspieler mit.
Die verliehenen Lankford (53.60/60.06), Bednarczyk (49.38/55.89) und Senger (43.71/55.79) werden eher keine Zukunft am Millerntor haben.

Auf dem Weg in die internationale Klasse? – Die GSN-Prognose zu Florian Carstens ist bemerkenswert.
(imago images/via OneFootball)

Das Global Soccer Network gibt es nun seit knapp 8 Jahren. Wie bewertest Du denn die eigene Entwicklung?

Als ich das Ganze 2013 ins Leben gerufen habe, hätte ich nicht ansatzweise damit gerechnet, dass GSN mal Clubs in allen fünf europäischen Top-Ligen plus diverse weitere Clubs in unterschiedlichen Ligen weltweit in ihren Scoutingprozessen und Transferentscheidungen berät. Von daher bin ich mehr als nur dankbar, dass es sich dahin entwickelt hat. Wie amateurhaft alles angefangen hat, da kann ich rückwirkend eigentlich nur drüber lachen. Wir haben es uns immer zum Ziel gemacht, Top-Arbeit abzuliefern, verlässlich und zuverlässig zu sein, dazu offen für Neues. Dabei waren wir nie die Lautsprecher der Szene, sind eigentlich immer bescheiden geblieben und weiterhin offen für die großen und kleinen Interessenten an unseren Daten. Zumindest nach meinem Empfinden.
Ich denke, wir haben ganz Vieles entwickelt, was Fussballclubs in ihrer täglichen Arbeit tatsächlich weiterhilft, einiges auf den Weg gebracht, was das Scouting auch wirklich verändert hat. Trotzdem wollen wir aber weiterhin innovativ sein und uns selbst und auch unsere Systeme, Algorithmen, Produkte weiterentwickeln. Genau das machen wir auch, zukünftig kann man auch weiterhin mit viel Spannendem von unserer Seite aus rechnen.
Kurz gefasst. Wir sind noch lange nicht am Ende!

Durch die Corona-Pandemie mit all ihren Geisterspielen ist das Thema Datenscouting medial etwas mehr in den Fokus gerückt, da visuelles Scouting meist nicht mehr möglich war. Habt ihr das auch gemerkt, dass die Klubs nun vermehrt mit Daten arbeiten?

Es mag hart klingen, aber wir haben die Auswirkungen der Pandemie auf das Scouting tatsächlich gemerkt, und zwar für uns als GSN fast ausschließlich positiv. Der Fokus auf Daten hat extrem zugenommen, man muss hier allerdings leider etwas differenzieren: In Deutschland leider nicht! Da ist mehr oder weniger alles beim alten geblieben. Zumindest soweit wir das beurteilen können. Ansonsten hatten wir vermehrt Anfragen aus der ganzen Welt. Von England über Frankreich, Italien, Spanien, Portugal hin zu Clubs aus Japan, den USA, Brasilien oder Argentinien. Wir können uns also tatsächlich nicht beschweren, freuen uns über neuen Klienten, hoffen aber trotz allem, dass die Pandemie dann doch irgendwann ein Ende nimmt.

Danke für Deine ausführliche Einschätzung, Dustin!

Der Blick in die Daten zeigt, dass es für den FC St. Pauli auf einigen Positionen viel zu tun gibt. Er zeigt aber auch, dass der Kader eine sehr positive Entwicklung genommen hat und durchaus gehobenes Zweitliga-Niveau darstellt. Besonders die Entscheidung, wie es mit einigen Leihspielern weitergehen wird, wird sicher interessant. Die Daten zeigen hier, dass einige Spieler eine gute bis sher gute Entwicklung genommen haben und weiter nehmen könnten.
Die Daten zeigen aber auch, dass in der Offensive durch den Weggang von Marmoush und Zalazar ein ziemlich großer Bedarf besteht, um das Niveau halten zu können. Ich bin sehr gespannt, was da in den nächsten Tagen und Wochen passieren wird.

// Tim

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12 thoughts on “Kader-Entwicklung beim FC St. Pauli – Datenanalyse

  1. Wieder mal ne super Analyse, die zu teils doch überraschenden Ergebnissen kommt. 😉
    Danke dafür!
    Ein Kommentar zur xG Plus-Minus – Statistik:
    Hier sollte m.E. noch berücksichtigt werden, in welchen Phasen Spieler zum Einsatz kommen, wenn sie z.B. weniger als x Minuten auf dem Platz sind. So ist z.B. das negative Ergebnis bei Tore Reginiussen m.E. durchaus auch dadurch bedingt, dass er öfter gegen Ende eines Spiels gekommen ist, wo es primär um Absicherung eines Ergebnisses ging. Da gibt es nicht mehr soviel xG+ abzuräumen. 😉

    1. Hi Snief,
      ja, genau am Beispiel Tore Reginiussen habe ich das im Original-Artikel auch diskutiert und darauf hingewiesen, dass die Aussagekraft einzelner Spieler nur in Kombination mit den spielphasen betrachtet werden sollte. An der offensichtlichen Stärke von Finn Ole Becker ändert das nichts. Der ist sogar in den letzten Spielen anscheinend noch wertvoller geworden (zeigt zumindet der Vergleich der GSN-Daten mit meinen, die einige Spiele vorher aufgenommen wurden)

  2. Wow! Was ein interessanter Artikel. Danke für dieses tolle Interview.
    Da wurden doch glatt die Fifa-Kindheitserinnerungen geweckt, wenn es um die Bewertung des zukünftigen Potenzials von Spielern geht.
    Mich würd ein Einblick in das St. Pauli Scouting sehr interessieren. Welche Daten & Software man hier primär nutzt.
    Generell den Ablauf eines Transfers beim FCSP.
    Beauftragt Schulle Bornemann mit einem klaren Arbeitsauftrag wie „Kauf mir den Daschner“, oder geht es in die Richtung „Kauf mir einen wendigen Zehner mit Zug zum Tor“. -> und wie geht es dann weiter?
    Eventuell lässt sich einer der Herren ja mal zeitnah interviewen.

    Grüße und super!!

  3. Wieder ein sehr schöner Artikel!

    Leider ist es in Deutschland ja eh recht schwer solch Neuerungen zu platzieren. Da sind viele andere EU Länder schon digitaler unterwegs. Daher wohl leider nicht verwunderlich, dass es auch hier ein Nachholbedarf gibt. Aber damit ja auch eigentlich die Chance Vorreiter zu sein.

    Das Beispiel James ist echt interessant. Hätte ihn fussballerisch besser eingeschätzt. Da wenn dann er häufiger mal ein Vorstoß wagt, der auch ankommt.

    Ich habe zwar berufsbedingt bei solch Buzzwords wie KI immer Probleme und auch bezogen auf die Taktik wird es wohl eher eine Klassifikation und keine wirkliche Intelligenz sein, aber es zeigt mal wieder (auch die +- Statistik), dass man sogar schon mit recht simplen Mitteln ein Mehrwert generieren kann.

  4. Danke für das Interview.
    Wie unterschiedlich Carstens und Senger eingeschätzt werden, fand ich beispielsweise super interessant.

  5. Danke, Tim für den wirklich sehr interessanten Artikel.
    Hast Du einen Lesetipp für mich, wo ich erfahren kann, wie diese Mengen an Daten überhaupt technisch ermittelt werden? Sitzen da pro Spiel 5 Leute und machen Strichlisten, werden die Laufwege der Spieler (und des Balls) automatisch grafisch verfolgt oder haben die Spieler schon alle irgendwelche GPS-Tracker ins Trikot eingenäht ?
    Und wie analysiert man objektiv in dieser Masse z.B. die Skills „erster Kontakt“ oder „Führungsqualität“ ?

    1. Moin Olli,
      im Stadion werden die Spieler immer fast automatisch getracked (zumindest definitiv in den ersten beiden Ligen und teils auch darunter). Diese Positionsdaten können für viele Auswertungen genutzt werden Die Analyse der Skills „erster Kontakt“ oder „Führungsqualität“ funktioniert nur über visuelles Scouting (bei GSN gibt es z.B. eine ganze von Scouts).
      Wenn Du mal mehr dazu lesen möchtest, dann schau mal in diesen Artikel hier: https://millernton.de/2020/07/03/konzeptarbeit-datengetriebenes-scouting-im-fussball/ – Da befindet sich am Ende auch eine Liste mit interessanten Artikeln.

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