Wer ist Jakov Medić? – Ein Spielerprofil

Wer ist Jakov Medić? – Ein Spielerprofil

Der FC St. Pauli hat Jakov Medić verpflichtet. Der 22-Jährige Kroate wechselt vom SV Wehen Wiesbaden aus der 3.Liga ans Millerntor. Wie schon bei allen Vertragsverlängerungen und Neuverpflichtungen in diesem Jahr wurde auch hier die Vertragslaufzeit nicht kommuniziert. Medić ist damit nach Nikola Vasilj und Lars Ritzka die dritte Neuverpflichtung des Sommers und wird die Defensive des FCSP verstärken.
(Titelbild: imago images/via OneFootball)

The story so far

Jakov Medić lernte das Fußballspielen in Kroatien in der Jugend von NK Hrvatski Dragovoljac. Von dort ging es 2015 in die U19 vom kroatischen Spitzenklub Dinamo Zagreb. Nur eine Saison später wechselte Medić zur U19 von NK Istra 1961 und hier sammelte er auch seine ersten Minuten im Herrenbereich: Im Mai 2017 wurde er in der Liga zweimal eingewechselt. Im Sommer 2017 folgte ein Transfer zum NK Lućko in die zweite kroatische Liga, nach nur einem Spiel und einer Einwechslung in der 91.Minute ging es aber noch im August direkt weiter zum Amateurverein NK Vinogradar – und hier wird die Datenlage dann (nicht nur auf den einschlägigen Portalen) sehr dürftig. Viel Spaß auf der Suche nach der offiziellen Vereinswebsite und den entsprechenden Ligazugehörigkeiten der letzten Jahre.

Offenbar muss er aber in der Saison doch einiges richtig gemacht haben, denn im Sommer 2018 folgte der Schritt ins Ausland: Jakov Medić wechselte in die Regionalliga Bayern. Und einmal mehr schließt sich der Kreis an dieser Stelle. Denn es war der 1. FC Nürnberg, der ihn unter Vertrag nahm. Sportchef damals: Andreas Bornemann.
In der Saison 18/19 war Medić Stammspieler bei der U21 des FCN. Anscheinend machte er seine Sache dort so gut, dass Medić in der Folge mit einem Profivertrag ausgestattet wurde. Allerdings sollte er seine ersten Schritte in der zweiten Liga nicht bei Nürnberg gehen sondern bei Wehen Wiesbaden. Dorthin wechselte er im Sommer 2019 leihweise für zwei Spielzeiten. Während er in seiner ersten Saison nur zeitweise Stammspieler war, konnte sich Medić in der vergangenen Saison endgültig beim SVWW durchsetzen. Dies jedoch nicht einzig auf der Position des Innenverteidigers sondern vornehmlich auf der Sechs und teilweise sogar noch offensiver. Bemerkenswert ist seine Anzahl an Torbeteiligungen: Fünf Tore und sechs Vorlagen hat Jakov Medić dort stehen. Für einen Defensivspieler eine mehr als ordentliche Quote. Die vereinbarte zweijährige Leihe wurde dann im Januar 2021 beendet bzw. in eine feste Verpflichtung abgeändert.

Spätestens in der letzten Saison bei Wehen Wiesbaden ist dem 22-jährigen Jakov Medić der endgültige Durchbruch im Profibereich gelungen
(imago images/via OneFootball)

Scoutingbericht aus Nürnberg

Schon wieder sind es die Kontakte nach Nürnberg, die nicht nur Andreas Bornemann nutzen kann sondern auch der MillernTon. Florian Zenger hat uns einmal mehr einen Einblick in seine persönlichen Scoutingprofile ermöglicht. Flo betont vor allem die Kopfballstärke von Medić, hebt die „herausragende Antizipation“ und das „starke Ballabfangen“ hervor. Dazu, und das finde ich persönlich eine sehr gute und spannende Einschätzung, spiele Medić „immer wieder kreative Pässe aus der Tiefe„. Leicht negativ hebt Flo hervor, dass Medić eine Neigung haben zu früh in den Zweikampf zu gehen.
Auch die Rolle als Sechser passe zu ihm und seiner Spielweise, meint Flo. Timo Schultz betonte hingegen, dass sie ihn vornehmlich als Innenverteidiger verpflichtet haben. Da darf man sicher gespannt sein, in welcher Rolle Medić Spielzeit bekommen wird.

Interview aus Wiesbaden

Die Kontakte von Andreas Bornemann nach Nürnberg sind also ganz gut. Die nach Wiesbaden anscheinend auch. Zur letzten Saison wechselten Daniel-Kofi Kyereh und Maximilian Dittgen aus Wiesbaden zum FC St. Pauli. In die andere Richtung bewegten sich Kevin Lankford und Florian Carstens. Und auch wir haben einen guten Draht nach Wiesbaden: Gunnar vom stehblog hat die Kunde vom Medić-Wechsel mit Fassung, aber doch mit einigem Ärger aufgenommen (wissen wir, da wir ihm die Kunde persönlich überbrachten). Er hat uns trotzdem einige Fragen zu Jakov Medić beantwortet:

Moin Gunnar, Jakov Medić wechselt zum FC St. Pauli. Passt der Wechsel aus Deiner Sicht?
Für Medić bestimmt, für St. Pauli höchstwahrscheinlich auch. Für den SVWW ist das sportlich ein großer Verlust, hoffentlich stimmt wenigstens der Preis. 

Was ist Medić für ein Spieler auf dem Feld? Was sind sein Stärken?
Zunächst mal hat er alles, was ein guter Defensivspieler braucht, also Zweikampf, Kopfball, ordentliches Passspiel. Gepaart mit einer passenden Statur (Anm. Körpergröße 1,93m, >90Kg) und großer Einsatzfreude ergibt das schon ein ziemlich gutes Paket. 

Und in welchen Bereichen kann er sich verbessern?
Vermutlich in allen, er ist ja noch jung. Vor allem will er sich verbessern. 

Er war nun zwei Jahre bei Wehen Wiesbaden. Wie hat er sich entwickelt?
Sehr gut. Er kam ja vor zwei Jahren zunächst auf Leihbasis von der zweiten Mannschaft des 1. FC Nürnberg aus der Regionalliga und hatte in der 2. Liga anfangs schon etwas Mühe. Defensiv war er zwar gleich präsent, aber nach einer Balleroberung folgte oft genug ein Fehlpass. Das hat er aber schnell abgestellt und seit dieser Saison war er unumstrittener Stammspieler. Durch seine Vielseitigkeit war er quasi die Entdeckung der Saison. 

Jakov Medić ist eigentlich Innenverteidiger, hat aber in der letzten Saison auch viel im defensiven Mittelfeld gespielt. Welche Position passt besser zu ihm?
Zuerst dachte ich, dass er auf der Sechs eher eine Notlösung sei, aber das hat er auch ziemlich souverän gemacht. Außerdem kann er sich dann natürlich eher ins Angriffsspiel einschalten, wo er ebenfalls ungeahnte Qualitäten zeigte. 

Teilweise ist Medić sogar als Mittelstürmer aufgelaufen. Was war da los?
Anfangs kam das auf die klassische Weise zustande: Rückstand kurz vor Schluss, also schickt man noch einen großen Kerl mit nach vorne. Als zwischenzeitlich wegen Verletzungen aber keine Stürmer mehr übrig waren, stellte Rehm (Anm. SVWW-Trainer) ihn sogar von Beginn an in den Angriff – und siehe da, er machte auch das richtig klasse. Sein Bewegungsablauf sieht zwar schon etwas eckig aus, aber er hängte sich wahnsinnig rein, lief die Gegner an und kam auch zu guten Chancen. Damit wurde er endgültig zur Allzweckwaffe. Glücklicherweise ergab sich nicht die Notwendigkeit, dass er ins Tor musste, aber auch da hätte er vermutlich überzeugt. 

Er hat erst im Januar seinen Vertrag in Wiesbaden bis 2024 verlängert. War mit diesem Wechsel zu rechnen?
Für mich nicht, eben weil man ihn erst vor ein paar Monaten fest verpflichten konnte. Von einer Ausstiegsklausel war mir nichts bekannt, aber offenbar musste man sich darauf einlassen. Immerhin gibt es so eine Ablöse. Dazu sollte man erwähnen, dass es noch gar nicht so oft vorgekommen ist, dass der SVWW Geld für Spieler bekommen hat. Dass sich hier mittlerweile regelmäßig Spieler für höhere Ligen empfehlen (ob mit oder ohne Ablöse), ist eine erfreuliche Entwicklung, auch wenn es für die eigenen sportlichen Ambitionen natürlich ein kleiner Rückschlag ist. 

Mit 22 Jahren ist Jakov Medić sicher noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung angelangt. Was traust du ihm zu? Kann er eine tragende Rolle beim FC St. Pauli übernehmen?
Normalerweise hätte ich mit „ja, klar“ geantwortet, aber da es sich St. Pauli leisten kann, auf Flo Carstens zu verzichten, muss zumindest Eure Innenverteidigung gut besetzt sein. Aber „Medo“ kann ja alles spielen, wie wir mittlerweile wissen, er wird sich schon durchsetzen. 

Vielen Dank für Deine ausführliche Einschätzung, Gunnar!
Gerne. Der nächste Transfer zwischen unseren Vereinen geht dann bitte wieder in die andere Richtung, okay? Wen habt Ihr denn für uns im Angebot?

Ein gar nicht mal so ungewohntes Bild: Jakov Medić erzielte letzte Saison fünf Treffer für Wehen Wiesbaden
(imago images/via OneFootball)

Einmal mehr: Überzeugende Statistiken

Ich überbringe Euch gerne noch die Info, dass Jakov Medić basierend auf dem Wyscout-Index als zweitbester Innenverteidiger der 3.Liga geführt wird. Das liegt zum einen an seiner Zweikampfstärke sowohl am Boden als auch in der Luft, aber auch an den Pässen die er spielt und natürlich auch seiner Torgefahr. Hervorzuheben ist auch seine Fähigkeit Bälle abzufangen. Dort steht er ligaweit in den Top10 (zweitbester auf seiner Position) und das passt recht gut zur der von Flo genannten „herausragenden Antizipation“. Ein Vergleich zu Marvin Senger und Florian Carstens ist allerdings nur bedingt möglich, da Jakov Medić auch viel im defensiven Mittelfeld spielte.

Es wird interessant sein, welche Rolle Jakov Medić im Team einnehmen wird. Für die Innenverteidigung dürfte er sicher eine Option sein. Aber er hat eben auch gezeigt, dass er weiter vorne auf der Sechs spielen kann. Eigetnlich ist der FC St. Pauli auf dieser Position bereits ausrechend gut besetzt. Allerdings ist er es nicht auf den Halbpositionen davor. Dort herrscht ja (mindestens) durch den Weggang von Rodrigo Zalazar starker Bedarf. Es ist denkbar, dass diese Positionen auch von Rico Benatelli und Afeez Aremu besetzt werden. Sollte die Personallage auf diesen Positionen etwas dünn sein, so dürfte „Allzweckwaffe“ Jakov Medić durchaus auch auf der Sechs eine Option sein (was den Transfer noch einmal ein wenig aufwertet).

Wenn man die Worte von Flo und Gunnar liest, dann kann man den Eindruck gewinnen, dass der FC St. Pauli einmal mehr einen guten Transfer getätigt hat. Laut SV Wehen Wiesbaden gab es im Vertrag von Medić eine Ausstiegsklausel, die genutzt wurde. Eine Art „Verrechnung“ mit den Transfers von Lankford und Carstens zum SV Wehen Wiesbaden scheint da auch irgendwie möglich.
Wie auch immer dieser Transfer nun finanziell zustande gekommen ist, es scheint als habe der FC St. Pauli seine Transferstrategie nun ein wenig in Richtung „gute Spieler aus der 3.Liga“ hin entwickelt zu haben. Das ergibt durchaus Sinn, da Transfers vom Spielermarkt der 2.Liga durch die dort vorhandenen Schwergewichte wohl finanziell stark verändert sein dürften. Es kommt nun vielmehr auf smarte Transfers an, bei denen ein gutes Scouting gefragt ist. Die Rückmeldungen, die auch uns nach den Transfers von Nikola Vasilj und Lars Ritzka erreichten, deuten zumindest darauf hin, dass es sich bei allen drei Spielern um echte Verstärkungen handeln könnte. Wir sind sehr gespannt.

Herzlich Willkommen am Millerntor, Jakov Medić!

// Tim

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8 thoughts on “Wer ist Jakov Medić? – Ein Spielerprofil

  1. Vom ersten Eindruck bin ich dieses Jahr ziemlich begeistert von den Transfers. Ich habe mich sowieso schon sehr lange gefragt, warum man nicht mal bei den Topteams (bzw. Topspielern) der 3.Liga schaut.

    Medić scheint nach deinen Ausführungen in diesem Artikel der erste IV im Kader zu sein, der von der Spielweise wirklich in das System von TS passt. Mir gefällt die herangehensweise System vor individueller Qualität zu stellen (wenn beides vorhanden ist natürlich umso besser). Bin gespannt, wie er sich eingliedern wird, man scheint aber durchaus von ihm überzeugt zu sein, wenn man während Corona einen mittleren sechsstelligen Betrag ausgibt. Traue ihm daher den Platz neben James Lawrence durchaus zu.

    1. Ich gehe davon aus, dass die Summe mehr oder minder mit den Transfers von Lankford und Carstens „verrechnet“ wurde.
      Aber ja, ich habe auch den Eindruck, dass er gut ins das System Schultz passen würde. Einige andere Klubs (Heidenheim, Paderborn) zeigen ja seit Jahren, dass das mit Transfers aus Liga 3 funktionieren kann.

  2. Vielen Dank für die schnelle Vorstellung von Jakov Medić, auch wenn es diesmal länger dauerte als ich von den letzten Transfers gewohnt war 😉
    Ich hatte mich ehrlich gesagt auch gewundert warum wir den „Tausch“ mit Carstens vollzogen haben. Dachte mir auch, daß es an seiner Variabilität liegen kann. Ich habe mich aber auch gefragt, ob er vielleicht mehr „über die Mentalität“ (ich will nicht gleich was von Führungsspieler schreiben) kommt als Carstens.
    Nochmals Dank für eure tolle Arbeit, macht weiter so!

    1. Danke!
      Ja, das mit der Mentalität hoben sowohl Bornemann als auch der SVWW-Sportchef (bei der Vertragsverl@ngerung) hervor. Und dazu noch etwas variabler als Carstens. Ich bin gespannt.

  3. Ich möchte hier auch nochmal kurz ein großes Lob und ein vielleicht noch etwas dickeres Danke loswerden an Tim. Ich bin immer sehr gespannt auf deine Einschätzung und die Daten die du hier zum Besten gibst. Das war es dann auch schon 🙂

  4. Hm, „Einsatzmöglichkeit als Sechser“ und „kreative Pässe aus der Tiefe“ klingt mir ein bischen zu sehr nach einer Lösung für den Fall, dass Finn Ole nicht mehr zur Verfügung steht. Wie soll ich’s sagen: Ich hätte lieber Unrecht.

    1. Nee, ein Ersatz für Becker wird das sicher nicht sein. Was aber nicht ebdeutet, dass es womöglich nicht Ersatz für Becker braucht 🙁

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