Erfolgsrezept des FCSP: Frühe Dribblings aus fünf Metern

Erfolgsrezept des FCSP: Frühe Dribblings aus fünf Metern

Statistik-Seiten sind ja eine herrliche Spielerei. So herrlich, dass ich einfach nicht anders kann und mir mal die ein oder andere bemerkenswerte Statistik rund um den FCSP genauer angeschaut habe.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Vorne und hinten kackt die Kuh – in der Mitte hat sie Durchfall

(Daten von WyScout)
In keiner Phase eines Spiels ist der FC St. Pauli stärker als direkt zu Beginn in den ersten 15 Minuten. Das mag einigen bereits in den letzten Spielen aufgefallen sein, da es einige frühe Tore für den FCSP gab – 5 Tore hat der FCSP in der Anfangsviertelstunde bereits erzielt.
Allerdings wird dabei verdrängt, dass auch die gegnerischen Teams gegen den FC St. Pauli recht erfolgreich zu Beginn waren: Den fünf erzielten Toren stehen sechs gefangene entgegen. Ist das also nur ein Gefühl, dass es sich beim FCSP um „Kickstarter“ handelt?

Nein, ist es nicht. In keiner Periode des Spiels sind die Netto-xG-Werte und ist auch das Torschuss-Verhältnis besser:

Period (min)own xGxG ag.ShotsShots ag.GoalsGoals ag.
1-150.320.192.11.556
16-300.260.232.12.035
31-45+0.110.371.62.744
46-600.150.271.72.046
61-750.240.282.02.645
76-90+0.580.513.23.21111

Bemerkenswert: Ein Blick allein auf die erzielten und erhaltenden Tore reicht nicht aus, um die chancenmäßig stärksten Phasen des FCSP zu erkennen. Denn sowohl in der Periode Minute 1-15, als auch 16-30 gab es mehr Gegentore. Die xG-Werte zeigen jedoch vor allem direkt zu Spielbeginn ein klares Chancenplus (auch der Blick auf die Torschüsse zeigt dies).
Und während der Beginn der ersten Halbzeit die stärkste Phase des FCSP zu sein scheint, ist das Ende der ersten Halbzeit die schwächste. Obwohl der FCSP mit je vier Toren und Gegentoren hier zahlenmäßig ganz gut aufgestellt scheint, zeigen die Verhältnisse der xG-Werte und Torschüsse richtig deutlich, dass die Gegner dort sehr viel mehr Chancen bekommen als der FCSP selbst.

Guter Start und gruseliges Ende der ersten Halbzeiten diese Saison.
Da guckste, Timo!

Bemerkenswert auch, wie sehr die Zahlen in der Schlussviertelstunde in die Höhe schnellen. Mehr als ein Drittel seiner Tore hat der FCSP in dieser Phase erzielt, aber ebenso viele Gegentore bekommen. In den xG-Werten steht ein leichtes Plus gegenüber dem gegnerischen xG, die Anzahl der Torschüsse ist aber nahezu identisch. Alle drei Werte sind enorm hoch im Vergleich zu anderen Phasen des Spiels.

#GB9 – ein „Fünfmeterraum-Stürmer“

(Daten von InStat)
Das Guido Burgstaller ein torgefährlicher Stürmer ist, haben die letzten fünf Spiele mit je einem Tor von ihm gezeigt. Ich persönlich finde, und das ist überhaupt nicht negativ gemeint, dass die Torschüsse von Burgstaller niemals einen Schönheitswettbewerb gewinnen werden. Er tut das, was ein Stürmer tun muss und steht häufig genau da wo ein Stürmer stehen muss, um mal eine Floskel zu bedienen. Ein klassischer Strafraumstürmer also?
Eine Visualisierung der bisherigen Torschüsse von Guido Burgstaller im Dress des FCSP zeigt, dass Guido lieber noch näher am Tor abschließt.

Guido Burgstaller hat nämlich ganze 10 seiner bisher 18 Torschüsse für den FC St. Pauli im Fünfmeterraum abgegeben. Er ist also kein klassischer Strafraum- sondern ein Fünfmeterraum-Stürmer.

Das wird besonders eindrucksvoll, wenn wir uns mal die Orte der Torschüsse seiner Teamkollegen anschauen:

Omar Marmoush hat nämlich keinen einzigen seiner 16 Torschüsse im Fünfmeterraum abgegeben. Von diesen 16 Schüssen gingen überhaupt nur 6 auf das Tor. Trotzdem hat er bereits zweimal getroffen.

Auch Simon Makienok hat nur 1 von 20 Torschüssen in dieser Zone abgefeuert. „Moment mal!“ werdet ihr nun sicher sagen, „warum sieht man da drei Tore?“ – in dieser Visualisierung ist das Testspiel gegen Werder Bremen mit drin (das bekomme ich da nicht raus) – und dieser eine Torschuss, den er da im Test hatte, ist zufällig genau das Tor, was er im Fünfmeterraum erzielt hat.

„Feuert aus allen Lagen“ trifft es bei Daniel-Kofi Kyereh ziemlich gut. Aufgrund des Fernschusses in Hannover musste ich sogar das Textfeld etwas verschieben. Bei nur 18 von 52 Schüssen, die dann letztlich auch tatsächlich auf das Tor gehen, muss sicher noch etwas an der Feinjustierung gearbeitet werden.
Aber das ist Meckern auf ganz hohem Niveau, denn Kyereh hat ja auch bereits einige Tore vorbereitet und noch ganz andere Vorzüge:

Was ne Fummelei!

(Daten von WyScout)
Das Spiel des FC St. Pauli ist schon irgendwie besonders und scheint nun in den letzten Wochen ein ungeahntes Gleichgewicht bekommen zu haben. Der Schlüssel für dieses Gleichgewicht liegt klar in der Rückverteidigung (Eric Smith könnte das Puzzle hierbei komplettieren), denn nur dadurch kann in der Offensive die größte Stärke des FCSP weiter ausgespielt werden: Dribblings.

Der FC St. Pauli erzeugt in gegnerischen Defensivreihen vorrangig nicht durch erfolgreiche Pass-Stafetten Chaos. Es ist die Fummelei, die für Chaos und dadurch für Erfolg sorgt. Nur ein Team in der Liga fummelt mehr als der FC St. Pauli: Greuther Fürth. Dort ist es meist Jamie Leweling auf der Außenbahn, der das direkte Duell sucht (er ist der Spieler mit den meisten Dribblings pro Spiel in der gesamten Liga). Beim FC St. Pauli sind die Dribblings jedoch nicht vorrangig die Sprint-Duelle auf der Außenbahn, es geht mehr um die Halbräume und das Zentrum.
Denn Omar Marmosuh (8.6 Dribblings pro Spiel, Platz 4 der Liga), Rodrigo Zalazar (5.9, Platz 14), Daniel-Kofi Kyereh (5.3, Platz 20) und Finn-Ole Becker (78% gewonnene Dribblings, beste Quote der Liga) sind allesamt in zentralen Spielfeldbereichen unterwegs.
Und das sind sie sehr erfolgreich: Der FC St. Pauli ist mit einer Quote von 56.4% gewonnener Dribblings Spitzenreiter der 2.Liga.

Wenn ihr also beim nächsten Spiel auf ein Tor des FCSP in den ersten 15 Minuten durch Guido Burgstaller aus weniger als 5 Metern nach erfolgreichem Dribbling von Finn-Ole Becker wettet, könntet ihr erfolgreich sein…

// Tim

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8 thoughts on “Erfolgsrezept des FCSP: Frühe Dribblings aus fünf Metern

  1. Und morgen in Bild:
    „Die Fummel-Experten vom Kiez“
    in Kombination mit irgendeinem Fremdscham auslösenden Wortspiel, in dem „reinmachen“ vorkommt, und angereichert mit „überraschenden“ Aussagen darüber, aus welchen Positionen Guido Burgstaller seine Tore macht.

    Vielen Dank, Tim, für die wieder mal interessanten Ausführungen (kann man ja ruhig immer wieder mal sagen)!

    Nur eine sprachliche Klugscheißerei:
    Du schreibst, GB9 habe „ganze 10 seiner bisher 18 Torschüsse (…) im Fünfmeterraum abgegeben“. Das Wort „ganze“ heißt in dem Zusammenhang aber, dass das besonders wenige waren (im Sinne von „gerade mal“ oder „nicht mehr als“, wie es der Duden beschreibt. Ich denke, „volle 10 seiner bisher 18 Torschüsse“ würde besser deutlich machen, was gemeint ist.

    1. Danke!
      Ich bin gespannt, ob und was daraus an anderer Stelle nun passiert…
      Hehe, da habe ich doch glatt jahrelang das Wort „ganze“ völlig falsch genutzt. Ich habe das nämlich ganze 2798mal falsch genutzt 😉 Werde ich zukünftig drauf achten. Danke für den Hinweis!

  2. Danke Tim!
    Ich finde es absolut phantastisch, dass Du Deine Berichte jetzt mit Statistiken unterfütterst und bin totaler Fan davon. Die dadurch entstehende Vermehrung an echtem Wissen ist für mich enorm und ich möchte nicht mehr darauf verzichten müssen.
    Daher: weiter, immer weiter…

    1. Danke für die Rückmeldung!
      Ich bin ja selbst auch ein totaler Fan von tiefergehenden Statistiken, daher macht mir das unglaublich viel Spaß. Und ja, ich hoffe sehr, dass wir den MillernTon allgemein so weit treiben können, dass Du nie mehr drauf verzichten musst, da ich die Arbeit beim MillernTon als „Job“ und nicht mehr als „Hobby“ bezeichnen kann. Zumindest können wir uns jetzt bereits diese Statistik-Accounts finanzieren, was ja anscheinend nicht nur für mich ein riesiger Zugewinn ist 😉

  3. Da ich nicht auf diesen Service und Deine „Arbeit“ bestimmt nicht verzichten möchte, erhöhe ich auf 3 Stadionbier für den Millernton 😉

  4. Danke für die wiedermal glänzend aufbereiteten Zahlen.
    Interessant fände ich hinsichtlich der Analyse der Zeiten von Toren und Gegentoren noch die Berücksichtigung der Formation und den Saisonverlauf. Also eine Unterscheidung von zB Saisondritteln oder eben unterschiedlichen Formationen ?
    LG snief

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