Vorbericht: FC St. Pauli – Hamburger SV (3.Spieltag, 21/22)

Vorbericht: FC St. Pauli – Hamburger SV (3.Spieltag, 21/22)

Am Freitag, den 13. August, steht sie also wieder an, die Stadtmeisterschaft. Am Millerntor empfängt der FC St. Pauli den Hamburger SV. Damit der FCSP zum fünften Mal in Folge den Titel des Stadtmeisters verteidigen kann, muss das Team sich, wieder einmal, auf einen neuen Trainer beim Gegner einstellen.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

FC St. Pauli – Wer kann spielen, wer fehlt?

Zum ersten Mal in dieser Saison schreibe ich einen Vorbericht und muss feststellen, dass diese Rubrik viel zu üppig gefüllt ist. Dem FC St. Pauli fehlt aktuell eine ganze Reihe von Spielern, die in fittem Zustand durchaus Startelf-Potenzial besitzen.
Immerhin gibt es einige gute Nachrichten aus dem Lazarett: Sebastian Ohlsson und Christopher Avevor waren unter der Woche wieder auf dem Platz und spulten individuelle Programme ab. Das tun Lukas Daschner, Etienne Amenyido und Igor Matanović noch nicht und es scheint aktuell auch noch nicht absehbar, wann dies der Fall ist. Vor über einem Monat wechselte Jackson Irvine ans Millerntor. Mit dem Team hat er bisher noch nicht trainiert. Auf der Pressekonferenz vermeldete Timo Schultz, dass Wadenprobleme zu der doch recht langen Pause führten, er aber zeitnah voll mit dem Team trainieren kann. Zudem fehlen Jannes Wieckhoff und Franz Roggow.
Eine Option für Spielzeit im Derby ist wohl direkt Neuzugang Marcel Hartel (hier findet ihr sein Spielerprofil). Der stehe „voll im Saft“ und hat in Bielefeld in der Vorbereitung viel gespielt. Er sei daher eine „weitere Alternative„.

Ist direkt eine Option für das Stadtderby: Marcel Hartel (also der rechts im Bild…)
(c) FC St. Pauli

Hamburger SV – Wer kann spielen, wer fehlt?

Nachdem er gegen Dresden verletzt ausgewechselt werden musste und im Pokal gegen Braunschweig nicht zum Einsatz kam, dürfte Jonas Meffert wieder in die Startelf rücken. Auch Aaron Opoku und Jeremy Dudziak trainieren wieder mit dem Team. HSV-Trainer Tim Walter äußerte sich zu Dudziaks Einsatzchancen auf der PK vor dem Spiel ziemlich kryptisch, aber in jedem Fall verhalten.
Sicher fehlen wird Robin Meißner, der zum Ende der vergangenen Saison Eindruck hinterließ (3 Tore, 2 Vorlagen bei seinen drei Startelfeinsätzen 20/21), nun aber aufgrund eines Innenbandanrisses fehlt. Ebenfalls fehlen wird Stephan Ambrosius, der sich das Kreuzband gerissen hat. Auch Ersatztorhüter Tom Mickel fehlt verletzt mit einer Schultereckgelenkssprengung. Trotzdem dürfte kurz vor dem Derby noch eine Person mehr am Torwart-Training teilnehmen: Gestern vermeldete der Klub die Verpflichtung von Marko Johanson, der allerdings noch nicht spielen wird beim Derby, wie Tim Walter auf der PK sagte. Klaus Gjasula hingegen wird den HSV verlassen, soviel ist bereits sicher. Aktuell ist er für Verhandlungen (steht wohl kurz vor der Einigung mit Darmstadt) vom Training freigestellt.

Was hat der HSV zu bieten?

Einiges. Aber das ist für uns ja nichts Neues, sondern bereits wohl gepflegte Tradition, dass der Hamburger SV mit breit geschwellter Brust gegen den FC St. Pauli antritt und dann nicht sonderlich viel auf die Kette bekommt. 3., 2., 1., 2., 1., 1. – das sind die Platzierungen mit denen der HSV in die letzten sechs Stadtmeisterschaften gegangen ist. Gehalten wurden diese Plätze bekanntlich nicht.

Nun ist aber wieder alles neu: Mit Tim Walter hat der HSV zur Saison 21/22 wieder einmal einen neuen Trainer an der Seitenlinie. Der hat mit Holstein Kiel und dem VfB Stuttgart bereits einige Erfahrung in der 2.Liga sammeln können. Nun ist er, nachdem er kurz vor Weihnachten 2019 in Stuttgart aufgrund diverser Probleme in allen Instanzen entlassen wurde, nach längerer Abstinenz wieder zurück. Und gleich die ersten Spiele unter seiner Leitung ließen erahnen, das er auch beim Hamburger SV den Fokus klar auf die Offensive legt. Das zeigen auch einige Statistiken, wenngleich diese nach nur zwei Spieltagen noch eine sehr begrenzte Aussagekraft besitzen.

Immer leicht angefressen, weil nie ganz zufrieden mit dem eigenen Spiel: Tim Walter.
(imago images/via OneFootball)

Unfassbare 70% Ballbesitz hatte der HSV in den ersten beiden Spielen (Schalke nur 33%). Und die beiden bisherigen Saisonspiele (auf Schalke gewonnen und Unentschieden gegen Dresden) entsprachen auch in etwa dem, was man bei der hohen Ballbesitzquote vermutet: Der Hamburger SV zeigte sich enorm dominant und ballsicher.
Das noch größere Markenzeichen von Tim Walter ist aber das Spiel ohne Ball: In den Kategorien „Challenge Intensity (Defensivaktionen pro Minute bei gegnerischem Ballbesitz)“ und „PPDA (erlaubte Pässe bis Defensivaktion)“ liegt der HSV klar vorne. Das tat auch schon der VfB Stuttgart, als er von Walter trainiert wurde. Der FC St. Pauli muss sich also auf hohes Pressing und gnadenloses Gegenpressing gefasst machen. In gewisser Art und Weise stellte das Pokalspiel in Magdeburg also eine gute Vorbereitung auf die Stadtmeisterschaft dar.

Diese hohe Intensität in der Defensive bedeutet aber nicht, dass der HSV auch das beste Defensiv-Team der Liga ist. Die beiden gezeigten Kategorien geben Hinweise darauf, wie intensiv der HSV im Pressing agiert. Aber nur weil das Pressing, wie in diesem Fall, sehr hoch und sehr intensiv gespielt wird, ist ein Team noch lange nicht stark in der Defensive. Denn gerade die Zeit von Walter in Stuttgart hat gezeigt: Wenn es Teams gelingt die erste Welle im Pressing zu überspielen, dann bieten sich ihnen nahezu paradiesische Räume. Wie der FC St. Pauli auf das hohe Pressing reagieren wird haben wir daher auf der PK gefragt, aber da lässt Timo Schultz sich noch nicht in die Karten blicken. Er deutete aber an, dass das Überspielen der Pressingbereiche mit einem langen Ball auf Simon Makienok (ich nenne es „Exit-Strategie“) durchaus eine Option ist, der FCSP aber bisher auch einen „guten Mix aus spielerischen Lösungen und gezielten (langen) Bällen“ gefunden habe.

Wie auch in der letzten Saison, gibt es auch dieses Jahr wieder einen klaren Zielspieler: Robert Glatzel wechselte von Mainz 05 zum HSV und kehrt damit in die 2.Liga zurück. Von den 30 Torschüssen, die der HSV abgegeben hat, gehen zwar „nur“ sieben auf sein Konto, aber ein persönlicher xG-Wert von 2.3 bedeutet, dass er diese sieben Schüsse aus sehr guten Positionen abfeuert (die restlichen 23 Torschüsse haben einen xG-Wert von 1.9).
Ebenfalls neu im Team, aber bereits eine wichtige Größe ist Ludovit Reis, der in der vergangenen Saison einer der wenigen Lichtblicke beim VfL Osnabrück war. Im Mittelfeld bekleidete er bisher die Achter-Position. Der Königstransfer dürfte aber Sebastian Schonlau sein. Der Innenverteidiger kam vom SC Paderborn und ist zusammen mit Hauke Wahl (Holstein Kiel) vermutlich der beste der Liga, wenn es um den Spielaufbau geht. Schonlau ist auch deshalb von zentraler Bedeutung, da Tim Walter im Spielaufbau besonders die Innenverteidiger in die Pflicht nimmt.

Sicher einer der besten Fußballer beim HSV: Sebastian Schonlau.
(imago images/via OneFootball)

Mögliche Aufstellung

Der Hamburger SV hat in dieser Saison bereits mit einer Mittelfeldraute und einem 4-3-3 agiert. Und da ich die Frage nicht kompetent beantworten kann, welche Formation gegen den FC St. Pauli gewählt wird, fragten wir Timo Schultz. Der hat zwar auch keine Ahnung (*Zwinkersmiley), verweist aber darauf, dass der HSV offensiv ziemlich flexibel agiert und eine richtige Formation nur schwer zu definieren ist („Ich glaube gerade bei Ballbesitz ist es schwer da eine feste Formation beim HSV auszumachen, da viele Spieler Positionswechsel vollziehen„). Richtig ist aber, dass sie gegen den Ball sowohl im 4-3-3, aber auch mit einer Raute angelaufen sind diese Saison.
Die angesprochenen Positionswechsel beziehen sich unter anderem auf David Kinsombi, der von seiner Achter-Position gerne ganz nach Außen fällt. Interessant wird die Reaktion des FC St. Pauli auf die Aktionen der beiden Innenverteidiger. Denn das Spielsystem von Tim Walter bietet für die Innenverteidiger immer die Freiheit durch Andribbeln nach vorne zu kommen.

In der Offensive dürfte der HSV entweder mit einem Stürmer und zwei offensiven Außen oder mit zwei Stürmern und einem Zehner dahinter agieren. Für beide Formationen bieten sich aktuell fünf Spieler an, da Opoku erst wieder zurück im Training ist und Meißner noch verletzt fehlt. Aber mit Robert Glatzel, Bakery Jatta, Manuel Wintzheimer, Mikkel Kaufmann und Sonny Kittel bieten sich qualitativ hochwertige Optionen. Es ist eigentlich nur sicher, dass Jatta nicht zentral und Kittel nicht als einzige Spitze agieren wird, alles andere wurde bereits personell in den ersten Spielen probiert oder ist theoretisch denkbar.

Ich habe die Aufstellung jetzt mal hingeklatscht. Auf Seiten des HSV fehlt eigentlich Sonny Kittel. Allerdings habe ich keine Position für ihn in dem 4-3-3. Ja, ich tippe auf ein 4-3-3. Denn ich vermute, dass der HSV sich das Pokalspiel des FCSP gegen Magdeburg angeschaut hat und sich sagte „Das machen wir auch“ – ob sie das können und ob der FCSP damit noch ein weiteres Mal so große Probleme bekommt, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Ganz sicher steht beim HSV eigentlich aktuell nur die Viererkette, mit dem starken Gyamerah auf rechts, sowie David und Schonlau zentral (David wirkte bei seinen bisherigen Auftritten noch etwas Grün hinter den Ohren) und dem erfahrenen Leibold auf links. Auf der Sechs wird Meffert wieder zurückkehren und ich vermute das Duo Kinsombi/Reis auf den Achter-Positionen.

Auf Seiten des FC St. Pauli stellt sich die Frage, ob Simon Makienok oder Maximilian Dittgen im Angriff neben Guido Burgstaller beginnt. Die Frage stellt sich mir so penetrant, dass ich sogar einen eigenen Artikel dazu verfasst habe. Daher haben wir Timo Schultz auf der PK danach gefragt. Das hätten wir uns aber auch sparen können, denn das möchte er natürlich noch nicht kommunizieren ( „Das werden wir dann Freitagabend sehen„). Ich persönlich habe da sogar eine weitere Option im Kopf (man, ich mache mir zu viele Gedanken um sowas!). Grundsätzlich benötigt der FC St. Pauli Tempo auf allen Positionen, um das Spiel des HSV gut aufnehmen zu können. Das spricht offensiv natürlich für Maximilian Dittgen, aber die langen Bälle auf Simon Makienok muss man auch erst einmal wegverteidigen können.

Wenn wir uns aber mit der Tempo-Frage befassen, dann müssen wir eigentlich auch überlegen, ob woanders Anpassungen notwendig sind. Mir kommt da sofort in den Sinn, dass Rico Benatelli eine Pause bekommen könnte. Allerdings ist Irvine noch nicht fit und Hartel hat erst zweimal mit dem Team trainiert. Erfüllt Christian Viet die Ansprüche? Und ist Christopher Buchtmann eher was für die Zehn oder kann er auch auf der Acht spielen und die laufintensive Pressingarbeit erledigen? Auch hier raucht mein Kopf…

Es wird also Zeit, dass es losgeht, damit meine Fragen endlich beantwortet werden. Formationen, aktuelle Form, taktische Ausrichtung – es spielt bei solchen Spielen eine etwas unwichtigere Rolle.
Freitagabend, Flutlicht, immerhin ein zu einem Drittel gefülltes Stadion, manche feiern zusätzlich die Lichter vom Dom, andere hoffen auf Bengalo-Lichter – motivieren muss ich sicher niemanden mehr:
Hamburg ist und bleibt Braun-Weiß!

Forza!

//Tim

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