Vorbericht: FC St. Pauli – FC Schalke 04 (16. Spieltag, 21/22)

Vorbericht: FC St. Pauli – FC Schalke 04 (16. Spieltag, 21/22)

Samstagabend, Flutlicht, Spitzenspiel – leider mit limitierter Anzahl an Zuschauer*innen, dachten viele von uns bis Donnerstagabend. Nun ist eine maximale Auslastung doch noch erlaubt. Die Corona-Lage ist trotzdem frustrierend und bitter. Es gibt gute Argumente dafür, nicht ins Stadion zu gehen. Ich habe aber auch Verständnis für alle, die dabei sein werden. Eine breite Unterstützung ist bei diesem Spiel auch nötig, denn Schalke 04 ist sicher keine Laufkundschaft und wohl eines der unberechenbarsten Teams der Liga.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Zur Vorbereitung hört gerne beim „Vor dem Spiel“-Gespräch von Michael mit Allesfahrerin Anne rein. Wie immer ein lohnendes Gespräch, um den kommenden Gegner besser kennenzulernen.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Sehr routiniert und sehr ausführlich beantwortete Loïc Favé auf der Presskonferenz vor dem Spiel die vielen Fragen zum Spiel und dem Drumherum. Dabei berichtete er, dass sich Afeez Aremu im Mittwochstraining verletzt hat und am Donnerstag noch Untersuchungen notwendig sind, um die Schwere der Verletzung zu bestimmen.
Besser scheint die Lage bei Philipp Ziereis zu sein. Der hat zwar ebenfalls aufgrund von Rückenproblemen das Mittwochstraining abgebrochen, aber sollte noch am Donnerstag wieder ins Training einsteigen. Eingestiegen ins Training ist am Mittwoch auch Jakov Medić. Bei ihm wird in den nächsten Tagen entschieden, ob er mit seiner Maske zurechtkommt und ob daher ein Einsatz gegen Schalke Sinn macht.
Von weiteren Ausfällen berichtete Favé nicht. Das bedeutet, dass auch der angeschlagene Leart Paqarada einsatzfähig ist. Sicher fehlen werden somit nur die vier Langzeitverletzten: Christopher Avevor, Lukas Daschner, Franz Roggow und Jannes Wieckhoff, wobei gerade Daschner und Roggow immer näher an die Mannschaft kommen.
Fehlen wird auch sicher Timo Schultz, dem es den Umständen entsprechend gut geht, der sich aber weiterhin in einer 14-tägigen Quarantäne befindet. Gestern vermeldete der FCSP dann auch noch, dass Torwart-Trainer Matze Hain positiv auf das Coronavirus getestet wurde und dem Team vorerst fehlen wird.

FC Schalke 04: Wer kann spielen, wer fehlt?

Die Pressekonferenz vor dem Spiel gegen den FC St. Pauli findet wohl erst diesen Freitag statt. Zumindest waren bis Donnerstag keine Infos verfügbar. Daher müssen wir uns mit dem begnügen, was bereits vor der PK an Personalien bekannt war:
Stürmer Simon Terodde wird den Schalkern auf St. Pauli fehlen. Er wird aufgrund einer „Muskelverletzung in der Wade“ mehrere Wochen ausfallen und dürfte damit erst wieder 2022 zum Einsatz kommen. Ebenfalls längerfristig fehlen wird Innenverteidiger Salif Sané, der an einer Oberschenkelverletzung laboriert.
Von ihren Verletzungen auf den Trainingsplatz zurückgekehrt sind Kapitän Danny Latza und Offensivspieler Darko Churnilov. Beide könnten für das Spiel am Samstag eine Option sein. Zu Wochenbeginn fehlten mit Rodrigo Zalazar (Prellung), Dominick Drexler (muskuläre Probleme) und Marius Bülter (Impf-Reaktion) gleich drei offensive Stammspieler. Es wurde aber mit einer zeitigen Rückkehr gerechnet.
Und zusätzlich muss der FC Schalke 04 auch noch auf seinen Chef-Trainer Dimitrios Grammozis verzichten. Der Klub vermeldete am späten Donnerstag erst ein unklares Ergebnis des Abstrichs auf Covid-19, am Freitag bestätigte sich aber der Verdacht. Somit fallen beide Chef-Trainer für das Spiel am Millerntor aus. Ich habe zwar nicht genauer recherchiert, aber das dürfte ein Novum im Bundeslia-Fußball darstellen, dass beide Trainer nicht an der Seitenlinie sein können. Grammozis fehlte Schalke bereits seit Wochenbeginn aufgrund von Erkältungssymptomen und dürfte entsprechend wenig oder keinen Kontakt zu den Spielern gehabt haben.

Dimitrios Grammozis fehlt dem FC Schalke 04 am Millerntor.
(Dean Mouhtaropoulos/Getty Images/via OneFootball)

Was hat Schalke zu bieten?

Das ist gar nicht mal so einfach zu beantworten. Schalke 04 ist für mich so ziemlich das dark horse der Liga. Nach schwachem Saisonstart, den Absteiger ja nicht selten hinlegen, hatte sich das Team mit vier Siegen in Folge bis auf den dritten Tabellenplatz hochgearbeitet. Nur ein Punkt aus den folgenden drei Spielen kam dazu. Zuletzt konnte aber deutlich gegen den SV Sandhausen gewonnen werden. Basierend auf den Ergebnissen scheint irgendwie unklar, in welcher Form Schalke 04 am Millerntor aufschlagen wird.
Auffällig ist aber, dass Schalke gegen Spitzenteams der Liga Probleme hat. Gegen den HSV, Regensburg, Darmstadt und Bremen holte das Team insgesamt nur einen Punkt, einzig Paderborn konnte geschlagen werden. Daraus eine generelle Schwäche abzuleiten, wäre sicher zu viel, aber es ist schon interessant und könnte darauf hindeuten, dass Schalke gegen Teams, die ein funktionierendes System haben, enorme Probleme bekommt.

Anhand der Statistiken wird deutlich, dass Schalke seiner Favoriten-Rolle vor der Saison zumindest ein wenig gerecht wird: Platz 3 bei den eigenen, Platz 2 bei den gegnerischen xG-Werten zeigen, dass das Team bisher sogar ein wenig unterperformed hat. Dabei ist durchaus interessant, wie Schalke 04 unter Dimitrios Grammozis spielt. Denn das Team spielt einen sehr auf die Umschaltmomente und das Pressing fokussierten Fußball. Für ein Spitzenteam hat man eher wenig Ballbesitz (durchschnittlich 51%) und spielt auffällig wenige Pässe ins letzten Drittel. Dafür aber prodziert das Team viele Troschüsse und lässt auf der anderen Seite relativ wenig zu. Daher lohnt sich ein Blick in das Pressing- und Umschaltverhalten von Schalke 04:

In der Grundordnung agiert Schalke 04 in einem 5-3-2. Dabei unterscheidet sich gerade die Position der Flügelverteidiger immer mal wieder von dieser Grundformation. Bei Ballverlust ordnet sich das Team in höherer Position zu einem 3-1-4-2, also mit den Flügelverteidigern weiter vorne. Wenn der Gegner kontrolliert aufbaut, dann presst Schalke sehr offensiv. Die gegnerischen Außenverteidiger werden von den beiden Achtern angelaufen (die Flügelverteidiger greifen zwar auch aggressiv, aber erst in tieferer Position ein). Der dadurch zentral offene Raum wird vom Sechser geschlossen (oder vom anderen Achter zugelaufen). Das führt entweder zu einer extrem offensiven oder auf der ballfernen Seite offenen Stellung der Königsblauen. Der Erfolg gibt dem Team aber recht. Es gelingt nur wenigen Teams dieses Pressing kontrolliert zu überspielen (wenn es aber gelingt, dann wird es schnell brenzlig für Schalke). Das führt dann dazu, dass Spiele mit Schalker Beteiligung äußerst hektisch werden, wenn auch der Gegner hoch presst. Und es führt dazu, dass auf beiden Seiten enorm viele Konter gefahren werden (die Anzahl an Kontern ist bei Spielen mit Schalker Beteiligung am höchsten).

Auf wen gilt es zu achten?

Auf viele, sehr viele. In Abwesenheit von Simon Terodde hat sich Marius Bülter mit vier Torbeteiligungen gegen Sandhausen in den Fokus gespielt. Neben Terodde war Bülter vor allem das „ausweichende“ und radikale Element im Schalker Offensivspiel. Er wich sehr häufig auf die Flügel aus, holte sich Bälle tiefer ab, als sein Sturm-Kollege. Neben sechs Toren und vier Assists hat Bülter so auch schon vier vorletzte Pässe gespielt und ist damit an enorm vielen Schalker Toren beteiligt.
Ebenfalls auf dem Zettel sollte der FCSP die Doppel-Acht haben. Wie genau die personell besetzt ist, ist gar nicht klar. Denn mit Dominick Drexler und Rodrigo Zalazar gibt es zwar zwei enorm gute Spieler für diese Position im Kader. Aber Danny Latza, Kapitän des Teams, ist wieder fit. Latza hatte in den Spielen zuvor den Vorzug vor Zalazar erhalten. Dabei dürfte aber klar sein, dass das Duo Drexler/Zalazar vor allem offensiv unschlagbar ist. Latza könnte dem ganzen System jedoch etwas mehr Ausgewogenheit und Stabilität geben.

Immer noch ein ungewohnter Anblick: Rodrigo Zalazar im Schalke-Trikot.
(Dean Mouhtaropoulos/Getty Images/via OneFootball)

Wen es auf jeden Fall zu beachten gilt, ist Thomas Ouwejan. Die Leihgabe aus Alkmaar überzeugt so dermaßen auf der linken Seite, dass gerüchteweise schon Interesse aus der ersten Liga vorhanden ist. Loic Favé hob auf der PK zusätzlich noch die enorme Standardstärke von Ouwejan hervor, der bereits fünf Tore nach Standards vorbereitet hat. Das wird eine enorm schwere Aufgabe werden.
Das klingt bereits alles richtig hochklassig und das ist es auch. Das Herzstück von Schalke 04 sehe ich aber noch weiter hinten. Die Dreierkette mit dem Erstliga-erfahrenen Marcin Kaminski, ManCity-Leihgabe Ko Itakura und dem hochtalentierten U20-Nationalspieler Malick Thiaw wird aufgrund der Schalker Spielweise häufig krass gefordert (Verteidigung in der Rückwärtsbewegung ist wohl die schwerste Aufgabe), steht dafür aber sehr stabil (fünftwenigste Torschüsse zugelassen, zweitniedrigster gegnerischer xG-Wert). Üblicherweise heben Trainer hervor, dass es notwendig ist die gegnerische Verteidigung „in Bewegung“ zu bringen, damit sie Räume bieten. Die Schalker Verteidigung ist genau das gewohnt und daher noch stärker einzuschätzen.

Mögliche Aufstellung

Personell hat Schalke 04 viele Möglichkeiten, da auch auf der Bank richtig viel Qualität vorhanden ist. Viel sicherer ist hingegen, in welcher Formation Schalke 04 auf das Feld kommen wird. Dimitrios Grammozis lässt sein Team eigentlich immer in einem 3-1-4-2 auflaufen. Das ist eine ganz ähnliche Aufstellung wie die von Werder Bremen im Spiel gegen den FCSP. Das Anlaufverhalten ist aber schon ein wenig anders.
Personell rechne ich damit, dass Latza, Pálsson und Aydin auf der Bank sitzen werden. Das ist schon fast vermessen solche Spieler auf der Bank zu lassen, aber der Kader von Schalke lässt das zu (und wir kennen das beim FCSP aktuell ja auch ganz gut).

Sollte Ziereis noch leichte Probleme haben. dürfte Jakov Medić für ihn in die Startelf rücken. Denkbar ist aber auch, dass James Lawrence Platz machen muss. Oder sogar auch, dass weiterhin Ziereis und Lawrence verteidigen. Ich habe keine Ahnung.
Auf der rechten Außenbahn tippe ich auf Luca Zander, wenn er wieder fit ist. Mit seinem Tempo dürfte er die beste Wahl für das eigene Offensivspiel und gegen Ouwejan sein. Auf der Halbposition tue ich mich schwer mit der Entscheidung. Jackson Irvine könnte besonders defensiv gegen Zalazar und Drexler wichtig werden und offensiv ein ums andere Mal einrücken. Ein pass- und pressingresistenter Finn Ole Becker würde dem eigenen Aufbau- und Umschaltspiel aber auch gut tun. Auch hier: Ich habe keine Ahnung.
Im Angriff überzeugte Igor Matanović zuletzt an der Seite von Burgstaller. Aber gerade gegen das hohe Pressing der Schalker scheint auch das Überspielen mit dem langen Ball eine gute Option zu sein (vor allem da Schalke mit einer Dreierkette spielt). Das würde dann ganz klar für Simon Makienok sprechen. Weiterhin: Keine Ahnung. Ich bin froh, dass ich diese Entscheidungen nicht treffen muss, sondern im Nachgang analysieren kann, wie gut sie funktioniert haben.

In den letzten Spielen ist nochmal deutlich geworden, wie der FC St. Pauli, wenn überhaupt, zu schlagen ist: Ein hohes, ein aggressives Pressing ist notwendig, um das Aufbauspiel und die damit automatisch anrollende Offensiv-Maschinerie zu stoppen. Genau das bietet Schalke 04. Allerdings bedeutet das nicht zwangsläufig, dass der FCSP so wie gegen Darmstadt untergehen wird. Denn die Spiele gegen Heidenheim, Bremen und Nürnberg haben gezeigt, dass der FC St. Pauli zwar Probleme bei hohem Pressing bekommt, aber darauf trotzdem Antworten hat. Die Favoritenfrage kann also nicht beantwortet werden. Sicher ist aber, dass wir wieder mal ein hektisches und intensives Spiel erleben werden. Da hab ich richtig Bock drauf!

Forza!
//Tim

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One thought on “Vorbericht: FC St. Pauli – FC Schalke 04 (16. Spieltag, 21/22)

  1. Bei aller Freude über ein -halbwegs- volles Stadion-, Christian Hinzpeter is dot! Oh Mann, alle sterben natürlich IMMER zu früh, schon klar, aber das is nu wirklich zu früh…Digger (wer weiss das schon..), sollte Du das doch noch lesen: THANX!!

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