Vorbericht: FC St. Pauli – Erzgebirge Aue (19.Spieltag, 21/22)

Vorbericht: FC St. Pauli – Erzgebirge Aue (19.Spieltag, 21/22)

Mit einem Heimspiel gegen Erzgebirge Aue startet der FC St. Pauli ins Jahr 2022. Ein Jahr, in dem vieles möglich erscheint. Aber das ist es nur dann, wenn der FCSP auch weiterhin seine Heimstärke ausspielt und auch Spiele gewinnt, die in Vorzeiten als „ungewinnbar“ galten. So eines erwartet das Team in Braun-Weiß am Samstag.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Zur Vorbereitung empfehle ich euch gerne das VdS-Gespräch von Casche mit Tobias vom ZweiGekreuzteMikros-Podcast. Tobias gibt einen wirklich sehr tiefen und fundierten Einblick in die bisherige Saison von Erzgebirge Aue.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Erzgebirge Aue ging es vornehmlich um die kurz zuvor kommunizierte Vertragsverlängerung von Timo Schultz. Ein Personal-Update gab es aber auch:
Sicher ausfallen werden weiterhin Jannes Wieckhoff und Christopher Avevor. Zudem befindet sich Daniel-Kofi Kyereh beim Afrika-Cup, Afeez Aremu ist noch nicht wieder fit genug nach seiner im Dezember erlittenen Verletzung und auch Luca Zander wird für das Spiel ausfallen, da er nach überstandener Corona-Infektion ebenfalls noch nicht wieder ganz fit ist.
Das war es dann auch schon wieder von den Spielern, die dem FCSP fehlen. Wie wir gleich sehen werden, ist das nicht bei jedem Klub so.

Erzgebirge Aue: Wer kann spielen, wer fehlt?

Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gab Trainer Marc Hensel (offiziell ist eigentlich Pavel Dotchev Chef-Trainer, da er die entsprechende Lizenz besitzt) erst einmal die frische Verpflichtung von Mittelstürmer Prince Owusu bekannt gegeben. Dabei hob Hensel vor allem die physische Komponenten von ihm hervor und sagte, dass er nun endlich den Mittelstürmer in seinen Reihen habe, den er für sein Spiel benötige. Deutlich defensiver äußerte er sich dazu, ob Owusu bereits gegen den FCSP einsatzbereit sei. Im Kader dürfte er aber wohl bereits stehen.

Hauptsächlich drehte sich die PK aber um die krachende 0:5-Testspiel-Klatsche gegen Dynamo Dresden. Hensel betonte, dass es „intern geknallt“ habe und er hofft, dass diese Niederlage nun die Sinne soweit geschärft habe, dass alle wissen, dass es „mit nur einem Prozent weniger“ nicht klappt mit dem Klassenerhalt.
Ebenfalls interessant war die Frage, wie Erzgebirge Aue logistisch mit seinen umgeimpften Spielern umgehen würde, da diese ja nicht in Hamburger Hotels übernachten dürfen (da 2G+-Regel). Es müssen auf jeden Fall Lösungen gefunden werden und die örtliche Journalie bringt ins Spiel, dass einige Spieler vor den Toren Hamburgs übernachten müssen.

Mit Aues Neuzugang Prince Owusu hat der FC St. Pauli bei der 0:2-Heimniederlage gegen Paderborn im März 2021 bereits Erfahrungen gemacht.
(Cathrin Mueller/Getty Images/via OneFootball)

Länger als beim FC St. Pauli ist die Liste an verletzten Spielern bei Erzgebirge Aue. Das betrifft vor allem die defensive Zentrale: Die Innenverteidiger Florian Ballas und Ramzi Ferjani (beide Knie) fallen sicher aus. Auch Gaëtan Bussmann (Bandscheibenvorfall) kann nicht spielen. Ausfallen wird auch Anthony Barylla, womit schonmal eine komplette Viererkette fehlt. Immerhin sind Sören Gonther und Malcom Cacutalua zurück. Beide fielen jedoch vor Jahreswechsel längerfristig aus (Gonther mit Corona-Virus, Cacutalua aufgrund von Knieproblemen), sodass ein Einsatz, gerade bei Cacutalua, nicht unbedingt gesichert ist. Umso wichtiger erscheint eine zweite Transfermeldung vom Donnerstag: Erzgebirge Aue hat Innenverteidiger Jannis Lang vom VfL Wolfsburg verpflichtet. Mit dem habe ich mich tatsächlich schonmal intensiver beschäftigt, da ich letzten Sommer davon hörte, dass ein „junger Innenverteidiger aus Wolfsburg“ zum FCSP wechseln würde. Jannis Lang und Marcel Beifus waren nach kurzer Recherche dann die Spieler, mit denen ich mich befasst habe, um einen möglichen Vorstellungs-Artikel vorzubereiten. Meine Aufzeichnungen zu Jannis Lang sagen: Robust, vor allem kopfballstark (nur 1,88m!), gute Technik, solides Passspiel (auch bei langen Bällen), wenn das Tempo hoch wird mit Problemen, Beifus kann mehr – ich hätte niemals gedacht, dass ich diese Infos irgendwann nochmal benötige, aber nun habt ihr sie gelesen.

Ebenfalls ziemlich dünn ist Erzgebirge Aue auf der Sechser-Position besetzt. Ognjen Gnjatic fällt mit einer Bänderverletzung aus und der starke Soufiane Messeguem hat sich kürzlich einen Muskelbündelriss zugezogen und fällt ebenfalls wochenlang aus. Damit ist Clemens Fandrich gesetzt, der allerdings die letzten sieben Spiele vor der Winterpause aufgrund einer Sperre verpasste.
Zudem muss Aue auch auf den ehemaligen FCSP-Jugendspieler Sam Schreck verzichten und Omar Sijaric fehlt ebenfalls (beide krank).
Der Kader ist also durchaus an der einen oder anderen Stelle ziemlich ausgedünnt. Das haben sich die Verantwortlichen sicher anders vorgestellt.

Was hat Aue zu bieten?

Puuh, nicht so richtig viel. Also wirklich wenig. Die untenstehende Pizza-Grafik zeigt, dass Aue nicht zu Unrecht aktuell auf einem Abstiegsplatz steht. Sowohl bei den eigenen, als auch bei den gegnerischen xG-Werten ist das Team fast ganz unten dabei. Dazu hat das Team sehr wenige Ballkontakte im gegnerischen 16er und ohnehin den drittwenigsten Ballbesitz der Liga. Das ist aber alles nicht wirklich bemerkenswert, sondern schon so etwas, wie das Bild, was Aue seit Jahren abgibt. Unter anderem die Effektivität vorne und hinten (gute Stürmer (Krüger, Testroet) und ein starker Rückhalt (Männel)) sorgten immer dafür, dass das Team deutlich besser da stand, als die xG-Werte vermuten ließen. Hauptgrund ist aber, dass das Team in genau den Komponenten schwach ist, die in vorherigen Jahren zu so etwas wie den größten Stärken zählten: Erzgebirge Aue ist das kopfballschwächste Team der Liga (da habe ich echt dreimal genau hingeschaut, als ich das gesehen habe) und auch in Sachen Zweikämpfen im unteren Drittel anzusiedeln (nur Platz 13). Timo Schultz erklärt das wie folgt: „Durch das neue Trainer-Team rücken diese Tugenden wieder mehr in den Fokus rücken sollen. Sie haben vor der Saison mit Testroet einen sehr kopfballstarken Spieler abgegeben. Dazu sind Ballas und Gnjatic verletzt. Die fehlen einer Mannschaft wie Aue in der Luft.

Bereits im September trennte sich das Team von Aleksey Shpilevski, der erst im Sommer als neuer Trainer vorgestellt wurde. Mit Shpilevski versuchte der Klub mal etwas anderes als in den Vorjahren, presste hoch und intensiv, stellte den Kader auch in dieser Hinsicht zusammen und versuchte ganz anderen Fußball spielen zu lassen. Das Projekt darf als gescheitert betrachtet werden (Shpilevski hatte auch wenig Zeit es umzusetzen). Das neue Trainer-Team besteht aus Marc Hensel und Pavel Dotchev. Nun versucht Aue wieder die alten Tugenden heraus zu kehren, was aber angesichts des Kaders gar nicht so einfach ist. Timo Schultz fand diesen Plan „äußerst spannend“ und betonte, dass das Team es im Hinspiel gegen den FCSP „sehr gut gemacht“ habe. Nun findet also die Rückkehr zu den alten Tugenden statt. Die beinhalten, dass das Team versucht defensiv kompakt zu stehen und den Gegner so vor Probleme stellen will und wie Schultz betonte „auch kicken will„.

Tobias erklärte im VdS-Gespräch die Probleme von Erzgebirge Aue auch mit den Abgängen von Testroet, Krüger und Breitkreuz im Sommer und damit, dass das Team vom letzten Jahr „überaltert“ gewesen sei. Entsprechend habe im Sommer eine Verjüngungskur stattgefunden, auch auf der Trainer-Position. Das neue System mit hohem Pressing und ganz anderem Fußball als vorher, habe jedoch mit den Spielern nicht funktioniert („Entweder sie wollten oder sie konnten nicht mitziehen“). So entstand dann ein ziemlicher Scherbenhaufen, den die Verantwortlichen nun wieder zusammen zu setzen versuchen. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob das klappt. Die Aussichten im Erzgebirge sind trüb wie lange nicht mehr.

Schon über 300-mal für Erzgebirge Aue im Einsatz und jedes Mal gegen den FC St. Pauli in Bestform: Torwart Martin Männel.
(Matthias Kern/Getty Images/via OneFootball)

Mit der Umstellung auf die „alten Tugenden“ dürfen wir uns dann also wieder auf ein zähes Stück Fußball gefasst machen. Timo Schultz sagte auf der Pressekonferenz, dass vermutlich Jan Hochscheidt und Martin Männel „komischerweise immer gegen den FC St. Pauli ihre besten Leistungen“ abrufen werden. Zudem hob er die Doppel-Sechs mit Riese und Fandrich hervor und betonte, dass es für den FC St. Pauli vor allem in der Arbeit gegen den Ball und sogar im Ballbesitz auf eine gute Absicherung ankommen werde.
So richtig erfolgreich war diese Umstellung auf der Trainerbank mitten in der Saison für Aue auch nur zeitweise: Nach zwischendurch drei Siegen aus vier Spielen (am 11. Spieltag konnte das Team mit 1:0 gegen Ingolstadt gewinnen und damit den ersten Saisonsieg holen), gab es zum Ende des Jahres vier Niederlagen in Folge. Platz 17 ist es momentan, mit bereits sechs Punkten Rückstand auf Platz 15.

Mögliche Aufstellung

Vor der Winterpause hat Erzgebirge Aue mehrfach sein System umgestellt. Timo Schultz wies darauf hin, dass dies auch während der Spiele passiert und sich das Team da eine gewisse taktische Flexibilität erarbeitet hat, auf die ein Gegner auch reagieren muss. Er betonte aber auch, dass der FCSP das Spiel gegen Fünferketten im Trainingslager explizit trainiert habe und er sein Team darauf gut vorbereitet sieht. Tobias erwartet Aue jedoch in einem 4-4-2 mit zwei Sechsern, was meist eine sehr defensive und destruktive Formation ist, vor allem, da Aue es zuletzt eher mit einem Zehner und einer Spitze, also im 4-5-1 gespielt hat.

Personell stellt sich die defensive Zentrale von Erzgebirge Aue fast von selbst auf. Es ist aber unklar, wie einsatzfähig Sören Gonther und Malcom Cacutalua bereits sind. Sollten sie spielen können, dürften sie das Innenverteidiger-Duo stellen. Ansonsten stünde nur der junge Erik Majetschak als ernsthafter Ersatz zur Verfügung oder aber der frisch verpflichtete Jannis Lang rückt sofort in die Startelf. Auf der Doppel-Sechs sind nur Philipp Riese und Clemens Fandrich einsatzbereit.
Etwas mehr Auswahl bietet sich auf den Außenpositionen in der Offensive, wenngleich Sam Schreck und Omar Sijaric ausfallen, da sich das Team in der Winterpause noch mit Jann George aus Regensburg verstärkt hat. Ganz vorne könnte Antonio Jonjic starten, wenn Prince Owusu nicht direkt ins kalte Wasser geworfen wird. Das würde bedeuten, dass entweder der höchstleistungswillige Jan Hochscheidt oder aber der wirklich unangenehme Dmitri Nazarov auf der Bank Platz nehmen müssten (ich persönlich wäre dafür, dass einfach beide das ganze Spiel auf der Bank bleiben).

Beim FC St. Pauli rechne ich mit Simon Makienok neben Guido Burgstaller im Angriff. Das Spiel bietet die Möglichkeit aus einer eher mittelprächtigen Komponente im FCSP-Spiel, den Kopfbällen, eine Stärke zu machen. Außerdem dürfte Makienok die Box zusammen mit Burgstaller gut ausfüllen. Gerade da Christopher Buchtmann auf der Zehn spielen dürfte, der zwar auch viel, aber doch weniger Zug zum Tor hat als Kyereh, erscheint das sinnvoll.
Ansonsten dürfte es kaum Überraschungen im Team geben. Jackson Irvine dürfte den Vorzug vor Finn Ole Becker erhalten (auch wenn ein Wechsel bei diesem Spiel eher infrage kommt als gegen andere Teams). Zudem rechne ich mit einer Rückkehr von Jakov Medić in die Startelf. Er dürfte James Lawrence verdrängen. Oder Philipp Ziereis, da dieser vor lauter Vaterfreuden vielleicht etwas weniger einsatzbereit ist. Ich weiß es nicht. Ist auch einfach sehr eng da auf der Innenverteidiger-Position beim FC St. Pauli.

Die Rollen sind klar verteilt: Der FC St. Pauli ist Spitzenreiter, zuhause ohne Punktverlust, eingespielt und größtenteils fit. Auf der anderen Seite ist der Tabellen-17., der auswärts erst einmal gewonnen hat, sein System sucht und viele Ausfälle zu beklagen hat. So ist es wenig verwunderlich, dass es für Marc Hensel eine „riesengroße Überraschung“ wäre, wenn Aue etwas Zählbares vom Millerntor mitnimmt. Da bin ich mal langweilig und sage: Ich mag keine Überraschungen.

Forza!
//Tim

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2 thoughts on “Vorbericht: FC St. Pauli – Erzgebirge Aue (19.Spieltag, 21/22)

  1. Deine Aufstellung gefällt mir für diesen Gegner nicht so gut. Das würde ähnlich wie gegen Kiel auf viele lange, hohe Bälle hinauslaufen und unsere spielerischen Stärken würden wenig zum Tragen kommen. Ich würde Becker auf der 8 und Irvine auf der 10 spielen lassen. Becker bewegt sich gut zwischen den Ketten und hat auch unter Druck eine hohe Passqualität. Irvine bringt einen guten Zug zum Strafraum mit. Ganz vorne würde ich mit Matanovic und Burgstaller beginnen.

    1. Ja, MAtanovic habe ich auch auf der Liste und ich habe lange überlegt, ob er oder Makienok beginnen könnten. Argumente gibt es für beides.

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