Vorbericht: FC St. Pauli – SC Paderborn (21.Spieltag, 21/22)

Vorbericht: FC St. Pauli – SC Paderborn (21.Spieltag, 21/22)

Samstag, 20:30 Uhr, das Topspiel der 2. Bundesliga steht an: Der FC St. Pauli empfängt den SC Paderborn. Es trifft das heimstärkste auf das auswärtsstärkste Team. Sicher ist, dass dieses Spiel richtungsweisend für den FCSP sein wird. Sicher ist auch, dass es sich beim SCP um die vielleicht denkbar schwerste Aufgabe für das Team von Timo Schultz handelt.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Zur Vorbereitung auf das Spiel könnt ihr euch gerne das „Vor dem Spiel“-Gespräch mit Eduard Schmidt anhören. Der ist Spiel-Analyst beim SC Paderborn und gibt einen Einblick in seine Arbeit, aber auch seinen Werdegang vom Blogger zum Analysten.
Lest auch gerne den Artikel „Drei Fragen vor Paderborn„, wo wir schonmal einen Ausblick auf die drängendsten Themen des Spiels geben.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Neben den langzeitverletzten Christopher Avevor und Jannes Wieckhoff, werden dem FC St. Pauli beim Spiel gegen den SC Paderborn Daniel-Kofi Kyereh und Afeez Aremu sicher fehlen. Timo Schultz sagte auf der Pressekonferenz vor dem Spiel, dass beide noch nicht wieder ins Team-Training eingestiegen sind, dies aber wohl in den nächsten Tagen passieren werde.
Ebenfalls fehlen wird Christopher Buchtmann, der positiv auf das Corona-Virus getestet wurde. Zudem steht ein Fragezeichen hinter einem Einsatz von Sebastian Ohlsson, der über Probleme am Hüftbeuger klagt. Hier wird man abwarten müssen, wie es am Donnerstag und Freitag im Training laufe, berichtete Schultz.

SC Paderborn: Wer kann spielen, wer fehlt?

Die Pressekonferenz vor dem Spiel ist noch nicht verfügbar, wird aber im Laufe des Freitags stattfinden und dann könnte es hier an dieser Stelle noch ein kurzes personelles Update geben.
Zu Beginn Spielpause kommunizierte der Klub gleich fünf Corona-Fälle. Aber es ist weiterhin unklar, um welche Spieler es sich dabei handelt und ob diese auch gegen den FC St. Pauli ausfallen werden.

Wer aber sicher nicht mehr für den SC Paderborn diese Saison auflaufen wird, ist Sven Michel. Der ist bekanntlich zu Union Berlin gewechselt. Im Vergleich zum Hinspiel, als der FCSP bereits nach wenigen Minuten in Unterzahl war, hat sich einiges am Kader getan. Denn das Wintertransferfenster hat Paderborn dazu genutzt einen alten Bekannten leihweise wieder zurückzuholen: Philipp Klement trug vor wenigen Jahren bereits schon einmal das Trikot von Paderborn, wechselte dann aber zum VfB Stuttgart. Dort konnte er sich aber nicht so richtig durchsetzen, sodass er nun wieder auf Leihbasis zurückgekehrt ist. Ein Hammer-Transfer. Um zu verstehen, welche Rolle Klement spielen könnte, reicht ein Blick in seine letzte Zweitliga-Saison: Klement war mit 24 Torbeteiligungen (16 Tore, acht Vorlagen) einer der Garanten für den Aufstieg Paderborns in die erste Liga.

Philipp Klement im Duell mit Kerem Demirbay
Philipp Klement (hier noch in Diensten des VfB Stuttgart), ist eine enorme Verstärkung für den SC Paderborn.
(Sebastian Widmann/Getty Images/via OneFootball)

Zudem hat sich der Klub noch mit Florent Muslija verstärkt. Der kam bei Hannover 96 meist auf der Außenbahn zum Zug und konnte eher wenig überzeugen (wie so viele in Hannover). In Paderborn spielt er auf der 10 und erzielte zuletzt prompt einen Doppelpack bei der vogelwilden 3:4-Niederlage gegen Werder Bremen.
Als Reaktion auf den Abgang von Sven Michel hat sich der Klub kurzfristig noch mit Kemal Ademi verstärkt. Der Schweizer war bereits sehr erfolgreich beim FC Basel und wechselte dann erst in die Türkei und dann nach Russland, wo der große Erfolg aber ausblieb. Mit einem Gardemaß von 1,95m ist er aber in jedem Fall eine Herausforderung für Abwehrreihen, auch wenn er allein aufgrund seiner Spielweise sicher kein direkter Ersatz für Michel sein dürfte.

Was hat der SC Paderborn zu bieten?

Flexibilität – das ist das erste, was mir zum SC Paderborn einfällt. Denn das Team von Lukas Kwasniok kann sehr viele verschiedene Formationen spielen. Wichtig dürften für den FC St. Pauli in der Vorbereitung auf das Spiel zwei davon sein: Die Dreierkette aus dem Hinspiel und das zuletzt praktizierte 4-4-2 mit Raute.
Der SC Paderborn ist auffällig effizient, sowohl defensiv als auch offensiv. 36 Tore hat das Team erzielt, bei einem eigenen xG von knapp 28. Auch defensiv sieht das ähnlich aus: 26 Gegentore gab es bei einem gegnerischen xG-Wert von etwa 30.

Wie bereits geschrieben, ist das Team sehr flexibel, daher sind die vorhandenen Statistiken noch mehr mit Vorsicht zu genießen, als sie es ohnehin sein sollten. Auffällig sind aber vor allem zwei Dinge, wenn man sich die obere Pizza-Grafik anschaut: Der SC Paderborn ist in der Hinrunde ein sehr dribbelfreudiges Team gewesen (kein Team dribbelt häufiger). Zudem lässt das Team enorm viele gegnerische Torschüsse zu, die zweitmeisten der Liga. Vieles in der Defensive hängt also auch direkt mit Torwart Jannik Huth zusammen, der aufgrund guter Leistungen kurz vor Jahreswechsel seinen Vertrag verlängerte. Aber die wenigen Gegentore trotz vieler gegnerischer Torschüsse sind auch auf die Art und Weise der Torschüsse zurückzuführen. Denn der xG-Wert ist zwar höher als die Anzahl der Gegentore, aber eben auch nicht so hoch, wie es die Anzahl der Torschüsse vermuten lässt. Das bedeutet, dass gegnerische Teams nicht selten Schüsse aus schlechten Positionen nehmen, was dann natürlich weniger erfolgversprechend ist.

Eine Statistik, die die Spielweise vom SC Paderborn sehr gut beschreibt und die ich euch auf jeden Fall mitgeben möchte, ist die Anzahl an abgefangenen Pässe, also Interceptions. Die ist nämlich brutal hoch (Platz 2 in der Liga), obwohl auch der eigene Ballbesitz hoch ist (Platz 5). Die Kombination dieser Statistiken ist enorm auffällig. Denn eigentlich sind es Teams mit dem wenigsten Ballbesitz, die auch die meisten Pässe abfangen (Sandhausen, Ingolstadt und Aue haben den geringsten Ballbesitzanteil und liegen bei den Interceptions in den Top5).

Ich würde diese Statistik nicht so sehr hervorheben, wenn ich sie nicht als enorm wichtig erachten würde. Denn abgefangene Pässe könnten so etwas wie die größte Waffe des Paderborner Spiels gegen den FC St. Pauli sein. Auffällig ist, dass neben Sechser Ron Schallenberg (gleich mehr zu ihm) auch auf offensiven Positionen viele Bälle abgefangen werden (Spieler wie Srbeny, Pröger und Michel liegen da relativ weit vorne in den Statistiken). Der SC Paderborn spielt allgemein ein relativ hohes Pressing (Platz 3 bei PPDA) und ist bei Ballgewinnen in der gegnerischen Hälfte das gefährlichste Team der Liga. Das haben leidvoll die Klubs aus Bremen, Aue, Dresden und Karlsruhe erfahren, die jeweils in der ersten Halbzeit wahrlich überrollt wurden und nach 45 Minuten mindestens 0:3 hinten lagen.

Der SC Paderborn feiert beim 4:1-Sieg gegen Werder Bremen
Das Team des SC Paderbon feiert beim 4:1 in Bremen.
(Martin Rose/Getty Images/via OneFootball)

Ich packe hier noch extra einen Absatz zu diesem Thema rein, denn es ist wirklich wichtig. Das offensive Umschaltspiel vom SC Paderborn ist stark. Und es passt richtig gut (oder schlecht aus FCSP-Sicht) zum zuletzt schlaffen defensiven Umschaltverhalten des FC St. Pauli. Zwar könnte durch die Änderung der Formation auf ein 4-4-2 mit Raute das Pressing etwas anders aussehen, aber die größte Gefahr für den FC St. Pauli geht ganz sicher von diesen Umschaltmomenten aus. Wenn der FC St. Pauli so drömelig ins Spiel startet wie gegen den HSV (oder so schlecht defensiv umschaltet, wie gegen Kiel), dann könnte das ein sehr unangenehmer Abend werden.

Auf wen gilt es zu achten?

Neben dem Umschaltspiel ist es die starke Raute des SC Paderborn, die heraussticht. Klement und Muslija wurden bereits erwähnt. Zuletzt spielte Denis Srbeny auf der Halbposition. Das ist sicher nicht so richtig seine beste Position, aber da Julian Justvan die letzten beiden Spiele als Linksverteidiger agierte, war da eine Planstelle offen. Justvan könnte auf der Halbposition sicher noch einmal mehr Kreativität reinbringen.
Elementar für das Paderborner Spiel ist Sechser Ron Schallenberg. Der ist inzwischen Kapitän des Teams und ein richtiges Eigengewächs. Er wurde in der Jugend von Paderborn ausgebildet und nach einer Leihe zu Verl kam er ziemlich gestärkt zurück und ist nun unagefochten und einer der wenigen Feldspieler der Liga, die noch keine einzige Minute verpasst haben. Schallenberg ist der Spieler, der (hinter einem gewissen Afeez Aremu) die meisten Pässe der Liga abfängt und allgemein die drittmeisten erfolgreichen Defensivaktionen aller zentralen Mittelfeldspieler vorweisen kann. Zudem ist Schallenberg auch offensiv wichtig, hat u.a. schon vier Tore aufgelegt und ist auch vergleichsweise kopfballstark. Kurzum: Ein toller Spieler.

Klar, der Abgang von Sven Michel wiegt schwer, aber es gibt da auch noch einen anderen Angreifer, den es zu beachten gilt. Felix Platte hat in dieser Saison nur in rund der Hälfte aller Spiele in der Startelf gestanden, aber bereits zwölf Torbeteiligungen vorzuweisen (acht Tore, vier Vorlagen). Am Montag haben wir mal einen Blick auf die Effizienz von Angreifern geworfen. Da wurde schnell deutlich, dass Platte brandgefährlich ist und das sicher auch ohne Michel sein wird.

Mögliche Aufstellung

Wie bereits erwähnt, ist mir völlig unklar, mit welcher Formation der SC Paderborn am Millerntor antreten wird. Gute Argumente gibt es für beides: Ein 4-4-2 mit Raute oder aber eine Dreierkette, die dann vermutlich auch eine Raute beinhalten dürfte. Ich tippe einfach mal auf das an den ersten beiden Spieltagen 2022 praktizierte 4-4-2 und erwarte Neuzugang Ademi direkt in der Startelf (vielelicht nicht über 90 Minuten), sowie Justvan weiterhin auf der linken Abwehrseite.

Der FC St. Pauli muss auf den weiterhin fehlenden Daniel-Kofi Kyereh reagieren. Erstmal tippe ich aber darauf, dass das Team weiterhin im 4-4-2 auflaufen wird, wenngleich im Test gegen Kiel eine Formation mit einer Dreierkette ganz gut geklappt hat. Das 4-4-2 dürfte aber besser gegen beide Varianten von Paderborn klappen und da das Team genug mit eigenen Umschaltmomenten zu tun haben wird (und der Zuordnung dabei), dürfte eine System-Umstellung nur kommen, wenn es zwingend notwendig ist. Das sehe ich nicht (zumindest nicht gegen Paderborn).

Ganz schwer ist die Antwort darauf, wer Kyereh ersetzen wird. Denn diese Entscheidung sorgt dann gleich an einigen anderen Stellen für Veränderungen. Ich tippe darauf, dass es Etienne Amenyido sein wird, der im Zehner-Raum agiert. Denn vorne sehe ich Simon Makienok in der Startelf. Denn er hat gegen die SCP-Innenverteidiger und auch Schallenberg klare Größenvorteile (Hünemeier, Correia und Schallenberg sind alle 1,86m und allgemein ist niemand in der Defensive größer als 1,89m). Hier muss Paderborn erstmal eine Lösung finden. Die dürfte sein, dass Makienok gedoppelt wird (= Punktsieg FCSP).
In der Innenverteidigung gehe ich davon aus, dass Philipp Ziereis wieder zurückkommen wird, da er Tempo-Vorteile gegenüber James Lawrence hat und dies evtl. ein wenig wichtiger als zuletzt ist. Aber da bin ich wirklich unsicher. Sicherer bin ich da schon, dass Luca Zander auf der rechten Abwehrseite starten wird. Denn Sebastian Ohlsson hatte unter Woche Probleme und ein Ausfall stand bereits im Raum. Es wäre untypisch, wenn angeschlagene spieler starten, gerade wenn solch hochwertiger Ersatz wie Zander bereitstünde. Zudem braucht der FC St. Pauli die offensive Power von Zander.

Als objektiver Beobachter wäre ich komplett angefixt, denn ich sehe Vorteile in beiden Offensivreihen, also ein Spiel mit vielen Offensivaktionen. Aus FCSP-Sicht bin ich aber in höchstem Maße alarmiert, ob der Umschaltstärke, aber auch der starken Raute von Paderborn. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass der FC St. Pauli bei diesem richtungsweisenden Spiel chancenlos ist. Denn auch Paderborn dürfte Kopfzerbrechen ob der gegnerischen Offensive haben. Sicher ist: Dieses Spiel wird wild und offensivlastig. Ich freue mich drauf.

Forza!
//Tim

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