Vorbericht: 1. FC Union Berlin – FC St. Pauli (DFB-Pokal, 21/22)

Vorbericht: 1. FC Union Berlin – FC St. Pauli (DFB-Pokal, 21/22)

Am Dienstagabend tritt der FC St. Pauli zum Viertelfinale des DFB-Pokals bei Union Berlin an. Das Team ist geplagt von vielen Verletzungen und als Zweitligist sowieso Außenseiter. Aber was bedeutet das schon im Pokal?
(Titelbild: Peter Böhmer)

Große Spiele erfordern ausreichend Vorbereitung, daher habe ich gleich mehrere in-house Empfehlungen für euch:
Sehr empfehlen kann ich das „Vor dem Spiel„-Gespräch von Yannick mit Steffi vom textilvergehen. Da wird auch Rückschau auf die letzten drei Jahre gehalten. Sehr angenehm.
Zudem könnt ihr unseren Artikel zur Historie dieses Duells lesen und auch gleich noch fünf Gründe mitnehmen, warum der FC St. Pauli heute Abend nur gewinnen kann.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Was waren das für schöne Zeiten, als ich unter diesem Absatz eine Reihe von Füllwörtern unterbrachte, damit das „Nichts zu vermelden“ nicht so verwaist steht. Inzwischen gibt es aber viele, sehr viele Spieler, die entweder für das Spiel mit einem Fragezeichen versehen werden müssen oder aber schon sicher ausfallen. Und da sind noch nicht einmal die Spieler drin, die nach der intensiven Belastung gegen Ingolstadt nach längerer Auszeit (Kyereh, Aremu) vielleicht eine Pause benötigen könnten und auch nicht solche, die zeitweilig mit dem Training aussetzen mussten (Dittgen, Zander).

Da sind zum einen die Spieler, die bereits länger ausfallen bzw. noch einige Zeit ausfallen werden: Christopher Avevor, Jannes Wieckhoff und seit Neuestem leider auch Sebastian Ohlsson.
Zudem machte Timo Schultz auf der Pressekonferenz auch keine Hoffnungen, dass von jenen Spielern, die am Wochenende verletzungsbedingt fehlten, welche zurückkehren werden. Das bedeutet, dass James Lawrence, Etienne Amenyido, Eric Smith und wohl auch Rico Benatelli mindestens noch für das Union-Spiel ausfallen werden.

Deutschland, Ingolstadt, 26.02.2022, Fussball 2. Bundesliga 24. Spieltag, FC Ingolstadt 04 - FC St. Pauli im Audi-Sportpark Leart Paqarada (FC St. Pauli) muss verletzt aus dem Spiel - mit Mannschaftsarzt Dr. Volker Carrero (FC St. Pauli) und James Morgan (Leiter Physiotherapie, Rehabilitation und Praevention FC St. Pauli)
Leart Paqarad wird von Betreuern nach seiner Verletzung im Ingolstadt-Spiel gestützt. ein Einsatz gegen Union Berlin ist unwahrscheinlich.
(c) Peter Böhmer

Auch einige Spieler, die am Wochenende auf dem Platz standen, dürften fraglich sein für das Pokalspiel. Allen voran Leart Paqarada, der spät im Spiel verletzt ausgewechselt werden musste. Zwar konnte Timo Schultz bereits kurz nach dem Spiel leichte Entwarnung geben und meinte auf der PK, dass es wesentlich besser aussähe als anfangs angenommen. Aber ein fettes Fragezeichen gibt es bei Paqarada, mindestens. Ebenfalls verletzt ausgewechselt wurde Philipp Ziereis, der weiterhin Probleme am Oberschenkel hat, die sich zwar nicht im Training, aber bei der Belastung während des Spiels zeigten. Zudem hat Adam Dźwigała Adduktoren-Beschwerden. Er konnte am Samstag zwar durchspielen, aber ein Einsatz gegen Union dürfte ebenfalls auf der Kippe stehen.
Meine Güte, drei Absätze zum Lazarett beim FC St. Pauli. Schnell weiter zu Union Berlin. Mal schauen, wie es da aussieht.

1. FC Union Berlin: Wer kann spielen, wer fehlt?

András Schäfer, Keita Endo und Laurenz Dehl – das ist die Liste mit den Spielern, die Union Berlin beim Pokalspiel fehlen werden. FCU-Trainer Urs Fischer berichtete auf der Pressekonferenz davon, dass ein Einsatz für alle zu früh kommt und die Spieler erst im Verlauf der Woche teilweise ins Training einsteigen werden.

Ansonsten wurden Fischer auch gleich die typischen Fragen gestellt, die halt so kommen, wenn ein Erst- gegen einen Zweitligisten spielt: „Wird es Rotation geben?“ – Fischer hat nicht vergessen darauf hinzuweisen, in welch guter Form er den FC St. Pauli sieht, aber sagte eben auch, dass so ein Spiel auch immer die Möglichkeit biete „dem einen oder anderen ein paar Minuten zu geben„. Wie bereits bei den fünf Gründen erwähnt nutzen wir jede Gelegenheit und jeden Strohhalm, um etwas größere Chancen zu haben. Daher nutzen wir dieses komplett aus dem Zusammenhang gerissene Zitat und schreiben: Die nehmen den FC St. Pauli nicht ernst!

Ansonsten drehte sich die PK hauptsächlich darum, wie das Spiel vom Wochenende, der erste Sieg nach zuletzt drei Niederlagen, bewertet wird. Besonders auf die beiden Stürmer, Sheraldo Becker und Taiwo Awoniyi (auch deren Torjubel), wurde dabei eingegangen.
Zudem sagte Fischer, dass für das Pokalspiel ein Torwartwechsel „eine Option“ sei. Durchaus möglich also, dass nicht nur auf Seiten des FC St. Pauli ein anderer Keeper im Kasten steht als in der Liga.

BERLIN, GERMANY - JANUARY 19: Head coach Urs Fischer of Union Berlin smiles prior to the DFB Cup round of sixteen match between Hertha BSC and 1. FC Union Berlin at Olympiastadion on January 19, 2022 in Berlin, Germany.
Urs Fischer, ein etwas kauziger Typ, hat die Dinge bei Union Berlin seit nun fast vier Jahren fest im Griff.
(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Was hat Union zu bieten?

Das ist wirklich ganz schwer einzuschätzen. Der Fußball von Union Berlin ist ein defensiver, so viel ist klar. Nach einer wirklich sehr guten Hinrunde und einem guten Start ins Jahr 2022 lag das Team von Urs Fischer Ende Januar sogar auf dem 4. Tabellenplatz, der zur Teilnahme an der Champions League berechtigt. Es folgten aber drei Niederlagen in Serie und erst am letzten Woche konnte das Team beim 3:1 zuhause gegen Mainz wieder punkten.

Pizza-Grafik der Kern-Statistiken vom 1. FC Union Berlin nach 24 Spieltagen der Saison 21/22

Der Blick in die Daten zeigt, dass Union Berlin offensiv aus sehr wenig (drittwenigste Torschüsse, wenigste Dribblings, eher wenig Ballkontakte im gegnerischen Strafraum) sehr viel macht. Ein guter Hinweis auf die Spielweise von Union ist der niedrige Ballbesitz (nur zwei Teams, Augsburg und Bielefeld, haben eine niedrigere Quote).
Denn das Team definiert sich wirklich sehr stark über eine defensive Grundordnung und alle Aktionen auf dem Platz hängen direkt oder indirekt damit zusammen. Daher ist es auch ein Kernproblem von Union gegen tiefstehende Gegner erfolgreich zu sein.

Der Fußball von Union Berlin ist so erfolgreich, weil er enorm diszipliniert gespielt wird. Das Team ordnet sich in einem 5-3-2 an, erwartet die Gegner nicht selten sehr tief (da bin ich mal gespannt, ob sie das gegen den FCSP auch so spielen). Bevor hier jetzt aber alle, die es mit dem FC St. Pauli halten bereits resignieren, weil es wieder gegen eine Dreierkette geht, möchte ich erwähnen, dass diese Formation von Union Berlin ganz anders ausgespielt wird, als es zum Beispiel Hannover 96 am Millerntor machte.
Denn es ist eher selten, dass hoch gepresst wird. Union Berlin ist ein Team, welches ziemlich konsequent für sie uninteressante Räume herschenkt. Der FCSP könnte also im Spielaufbau Zeit bekommen, die er gegen andere Teams mit einer Dreierkette nicht bekam. Entscheidend ist, wie so oft bei dieser Formation, das Verhalten der Flügelverteidiger. Diese sind, anders als bei den letzten Gegnern des FCSP, sehr viel häufiger in der letzten Kette zu finden. Während also die Fünferkette bei gegnerischen Teams meist nur theoretisch vorhanden ist, weil der ballnahe Flügelverteidiger diese nach vorne verlässt, ist sie bei Union Berlin sehr häufig auch auf dem Platz zu sehen, da beide Flügelverteidiger meist konsequent in diese reinfallen.

In dieser Grundordnung hat das Team zwar immer viele Spieler hinter dem Ball, aber ist eigentlich in Umschaltmomenten nicht gut positioniert. Es sind meist schlicht zu wenige Spieler, die sich in die Angriffe einschalten und aufgrund von ihrer Positionierung einschalten können. Daher kommt es bei Unions Spielweise wirklich sehr stark auf die individuellen Qualitäten der Spieler an. Umso mehr erklärt sich, warum der Weggang von Max Kruse so ein enormer Verlust für das Spiel von Union Berlin ist. Denn mit ihm hatte Union Berlin einen sehr kreativen Offensivspieler, der Situationen trotz Unterzahl immer wieder enorm gefährlich machen konnte. Nach seinem Wechsel verlor Union Berlin erst einmal drei Spiele in Serie.

BERLIN, GERMANY - DECEMBER 03: Taiwo Awoniyi of 1.FC Union Berlin celebrates scoring the opening goal during the Bundesliga match between 1. FC Union Berlin and RB Leipzig at Stadion An der Alten Foersterei on December 03, 2021 in Berlin, Germany.
Taiwo Awoniyi (Mitte) und Sheraldo Becker (links) sind wichtige Säulen im spärlichen, aber effizienten Offensivspiel von Union Berlin.
(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Doch mit Sven Michel hat Union einen Nachfolger geholt, der ebenfalls diese kreativen Ansprüche erfüllt. Timo Schultz hob das auf der PK auch noch einmal hervor: „Ich glaube, dass sie mit Sven Michel einen Spieler geholt haben, der Max in seiner Art und Weise sehr nahe kommt. So ein Schleicher, der aus wenig viel machen kann.„. Trotzdem betont Schultz, dass Union Berlin der „Typ“ Max Kruse nun sicher fehlen wird.
In der Offensive ist es aber nicht nur Kruse, der für erfolgreichen Fußball verantwortlich war. Das Team hat mit Taiwo Awoniyi einen enorm robusten und schnellen Stürmer, der bereits zehn Saisontore erzielt hat und die Abwehr des FC St. Pauli allein aufgrund seiner Geschwindigkeit vor Aufgaben stellen könnte (wenn er denn spielt, was er zuletzt nur als Einwechselspieler tat). Zudem sind offensiv noch Grischa Prömel, der nach der Saison zusammen mit Finn Ole Becker zu Hoffenheim wechselt, und Sheraldo Becker hervorzuheben.

Hinten enorm diszipliniert, vorne individuell stark und allgemein mit einer starken physischen Präsenz – damit ist Union Berlin nun schon im dritten Jahr in der 1. Liga erfolgreich. Während es im ersten Jahr vor allem die Defensivarbeit war, hat sich das Team im letzten Jahr auch spielerisch weiterentwickelt. Allerdings wiegt der Abgang von Robert Andrich (vor der Saison zu Bayer Leverkusen) schwer. Was der Winter-Verlust von Max Kruse (Wolfsburg) und Innenverteidiger Marvin Friedrich (Gladbach) für das Spiel von Union Berlin bedeutet, ist noch nicht abzuschätzen. Die ersten Ergebnisse waren aber nicht wirklich vielversprechend.

Mögliche Aufstellung

Ich bin wirklich sehr gespannt auf Union Berlin. Bei den wenigen Spielen, die ich in den letzten Jahren von ihnen gesehen habe, ist mir diese taktische Disziplin immer wieder aufgefallen. Das führt dann womöglich auch dazu, dass die Spiele selbst ein wenig statisch werden, da Union zwar die wichtigen Räume für sich kontrollieren kann und dort die Bälle gewinnt, daraus aber nicht so viel generiert.
Wir werden also einen Gegner in einem 5-3-2 sehen, der diese Formation aber etwas anders spielt. Ein wirklich untypisches Element im Defensivspiel ist das Verhalten der Innenverteidiger, die ihren Gegenspielern auch dann noch folgen, wenn diese sich sehr viel weiter weg vom Tor anbieten.

Erwartete Aufstellung im Spiel 1. FC Union Berlin gegen FC St. Pauli

Ich gehe da jetzt mal vom worst-case aus und rechne mit keinem der Spieler hinter denen ein Fragezeichen steht, in der Startelf. Das würde automatisch Marcel Beifus und Lars Ritzka in die erste Elf spülen. Sicher ist, dass Dennis Smarsch wieder das Tor hüten wird, wie er es auch in den letzten Pokalspielen tat.
Möglichkeiten, um taktisch einzugreifen, sehe ich beim FC St. Pauli aktuell nur in der Offensive. Die Viererkette und die Sechser-Position besetzt sich fast automatisch mit den wenigen fitten Spielern. Weiter vorne stellt sich mal wieder die Frage, ob Jackson Irvine oder Finn Ole Becker starten. Ich finde mal wieder eine Menge Argumente pro Becker, aber allzu oft steht dann doch Irvine in der ersten Elf, sodass ich das jetzt mal so lasse. Ganz vorne dürfte sich nichts ändern, da Simon Makienok die Rolle als Fixpunkt im Sturmzentrum gut ausgefüllt hat. Auf seine Dienste dürfte das Team auch heute Abend wieder zurückgreifen.

Da das Spiel von Union Berlin womöglich sehr tief sein könnte (es gibt in den Spielen aber immer wieder Momente, in denen sie aggressiver anlaufen), fragt sich, ob der FC St. Pauli sein „neues“ Verhalten im Aufbauspiel, mit einem fallenden Sechser, wieder durchziehen wird. Auffällig war bisher bei Spielen von Union immer, dass die Gegner große Probleme hatten, die hintere Fünferkette überhaupt in Bewegung zu bekommen. Wenn der FC St. Pauli sein Spiel wieder in eine vorsichtigere Haltung bringt, wie gegen Ingolstadt, dann könnte es dazu führen, dass Union Berlin gar nicht wirklich zu knacken ist. Viel dürfte auch auf dieser Seite von den individuellen Qualitäten abhängig sein. Davon ist ja zum Beispiel mit Kofi Kyereh und Marcel Hartel einiges vorhanden.

Das alles ist aber nur der Denkansatz, wie gespielt werden könnte, wenn Union Berlin wirklich so abwartend agiert, wie in den Spielen der 1. Liga. Es könnte auch ganz anders kommen. Denn so eine abwartende Spielweise ist selbst mit einer Fünferkette gegen den FC St. Pauli nicht ratsam. Vor allem dann, wenn sich in Umschaltmomenten nur wenige Spieler in die Offensive einschalten. Ich tue mich sehr schwer da eine Vorhersage zu treffen, denn Union Berlin dürfte in der Analyse auch darauf kommen, dass der FCSP weniger Probleme mit tiefstehenden Gegnern hat, als mit Teams, die hoch pressten.
Sollte Union aber nicht von seinem Stil abrücken, dann werden sich viele verwundert die Augen reiben und fragen, wer hier eigentlich auf dem Platz der Erstligist ist.

Dienstagabend, Flutlicht, Stadion an der Alten Försterei, Pokal-Viertelfinale – muss hier überhaupt noch irgendwer motiviert werden? Probiert es einfach, seid mutig, legt alles rein!

Forza!
//Tim

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