Was Halbes = Nix Ganzes?

Was Halbes = Nix Ganzes?

„Beim FC St. Pauli wird entweder die Hin- oder die Rückrunde in den Sand gesetzt.“ Ist das so? Schauen wir mal. Zeit für einen Blick in die jüngere Vergangenheit des FCSP mit einer gewagten Behauptung.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Seit der Saison 2011/12 spielt der FC St. Pauli durchgehend in der 2. Bundesliga. Einige Male kratzte das Team dabei äußerst knapp am Abstieg vorbei. Noch seltener konnte man sich berechtigte Hoffnungen auf den Aufstieg machen. Liegt das womöglich daran, dass es seit Jahren nicht geschafft wird zwei gleichwertige Spielrunden aufs Parkett zu zaubern?

…und täglich grüßt das Murmeltier?

Die wohl größten Chancen auf den Aufstieg hatte der FCSP direkt in der ersten Saison nach dem Abstieg aus der 1. Liga, also 2011/2012. Unter der Leitung von Andre Schubert spielte das Team eine herausragende Hinrunde und holte 36 Punkte aus 17 Spielen. Das reichte aber bereits im Winter nur zu Platz vier in der Tabelle, anders als diese Saison, in der der FCSP mit 36 Punkten Herbstmeister wurde.
Die Rückrunde war dann tatsächlich etwas schwächer: Das Team holte „nur“ 26 Punkte (Platz sieben in der Rückrundentabelle), schaffte es aber nur aufgrund des schlechteren Torverhältnisses nicht auf den dritten Tabellenplatz. Ja, in diesem Fall kann schon davon gesprochen werden, dass die Rückrunde deutlich schwächer war, wenngleich 26 Punkte immer noch eine gute Ausbeute sind.

Fast ausgeglichen waren Hin- und Rückrunde in der Saison 2012/2013: Auf 21 Punkte in der Hinrunde folgten 22 Punkte in der Rückrunde. Das ist beides nicht so richtig berauschend und das Team konnte sich erst kurz vor Saisonende dank eines 5:1 zuhause gegen Braunschweig aller Abstiegssorgen entledigen.
Die These, dass es das Team nicht schafft eine identische Hin- und Rückrunde zu spielen, bekommt durch diese Saison leichte Risse – oder ist es die Ausnahme, die die Regel bestätigt? Und natürlich sind zwei „mäßige“ Serien jetzt auch nicht das, was man sich erhofft.

Andre Schubert war Trainer beim FC St. Pauli, dem SC Paderborn, Borussia Mönchengladbach, Holstein Kiel und dem FC Ingolstadt
Andre Schubert wäre fast mit dem FC St. Pauli aufgestiegen.
((c) Andy Buchanan / AFP via Getty Images / via OneFootball)

Auf Platz 4 folgt 13, auf Platz 18 folgt 6

In der Saison 2013/2014 spielte das Team eine Hinrunde mit Kontakt zu den Aufstiegsplätzen. Nach 17 Spielen waren es 28 Punkte und Platz vier in der Liga. Nach dem ersten Spieltag der Rückrunde stand das Team sogar auf dem dritten Tabellenplatz.
Die leichten Aufstiegshoffnungen wurden jedoch ziemlich jäh beendet, weil der FC St. Pauli unter der Leitung von Roland Vrabec vor allem am Saisonende nicht mehr punkten konnte. Aus den letzten neun Saisonspielen holte das Team nur noch einen Sieg. Die geholten 20 Punkte in der Rückrunde bedeuten Platz 13 in der Tabelle der zweiten Saisonhälfte. Da konnte die gute Leistung aus der Hinrunde nicht ganz bestätigt werden.

Viel extremer, aber anders herum, war dann die Saison 2014/2015. Das Team startete richtig schlecht, Vrabec und danach Meggle wurden als Trainer entlassen. Ewald Lienen übernahm das Team auf dem 18. Tabellenplatz (kümmerliche 13 Punkte waren es nach der Hinrunde). Nur dank einer kämpferischen Rückrunde mit 24 Punkten (Platz sechs in der Tabelle) konnte sich das Team am letzten Spieltag in Darmstadt retten, trotz einer Niederlage.

2015 – Ein gutes Jahr

In der Folgesaison startete der FCSP viel besser, konnte in der Hinrunde satte 29 Punkte holen und lag nach 17 Spielen punktgleich mit dem drittplatzierten Klub (Sandhausen!) auf dem 4. Platz. Auch die Rückrunde war alles andere als schlecht. Aber sie war dann doch etwas schwächer als die Hinrunde. 24 Punkte holte das Team (Platz 7). Die zarten Aufstiegshoffnungen erlebten zwischen dem 25. und 33. Spieltag mehrere Dämpfer, als das Team nur zwei von acht Spielen gewinnen konnte.
Nur fünf Punkte Unterschied zwischen Hin- und Rückrunde sprechen aber eher für eine ausgeglichene Hin- und Rückrunde.

Ewald Lienen ging in seine dritte Saison beim FC St. Pauli. Anders als im Vorjahr spielte das Team eine der schlechtesten Hinrunden der Vereinsgeschichte. Nur elf Punkte nach 17 Partien holte das Team und lag abgeschlagen auf Platz 18.
Nur dank einer wahnsinnig starken Rückrunde, bei der Olaf Janßen als Co-Trainer an die Seitenlinie geholt wurde, konnte sich das Team dann noch deutlich vor Saisonende aller Abstiegssorgen entledigen. 34 Punkte bedeuteten Platz drei in der Rückrundentabelle. Der FCSP wurde am Saisonende tatsächlich noch Siebter.
Wenn es eine Geburtsstunde der These „Der FC St. Pauli kann keine gleichmäßige Hin- und Rückrunde spielen“ gibt, dann ist es sicher diese Saison.

Olaf Janßen war Trainer beim FC St. Pauli und ist nun für Viktoria Köln aktiv.
Olaf Janßen war einer der Gründe für eine fantastische Rückrunde, aber leider auch für eine verkorkste Hinrunde beim FC St. Pauli. Inzwischen ist er bei Viktoria Köln an der Seitenlinie.
(Daniel Kopatsch / Getty Images / via OneFootball)

Auf Ausgeglichenheit folgt ein krasser Unterschied

Nicht nur ein Hoch und ein Tief erlebte der FC St. Pauli in der Saison 2017/2018. Auf einen guten Start (Platz fünf nach 13 Spielen) folgten krachenden Niederlagen in Fürth (0:4) und Bielefeld (0:5). Markus Kauczinski ersetzte Olaf Janßen, der im Sommer Chef-Trainer wurde, noch vor Weihnachten. Er führte das Team bis zum Frühjahr aus der gefährlichen Zone hinaus, nur um sich drei Spieltage vor Schluss auf Platz 16 wiederzufinden. Zwei Siege am Saisonende retteten die Saison.
Hin- und Rückrunde waren letztlich ausgeglichen. Auf 21 Punkte aus den ersten 17 Spielen folgten 22 Punkte. Beides nicht berauschend, aber dafür konstant nicht berauschend.

In der Saison 2018/2019 holte das Team starke 31 Punkte in der Hinrunde und überwinterte nach einem 4:1 zum Rückrundenstart gegen die Sympathen aus Magdeburg vor Weihnachten sogar auf Platz drei, was natürlich Aufstiegshoffnungen nährte.
Die Rückrunde war dann aber mehr oder minder ein Desaster. Nur 18 Punkte, Platz 17. Schlimmer noch: Es gab eine einschneidende Derby-Niederlage im März, gefolgt von einer 0:4-Niederlage in Sandhausen. Kauczinski wurde kurze Zeit später seinen Job los. Jos Luhukay übernahm noch vor Saisonende.

SaisonHinrundeRückrundeGesamt
2011/201236 Pkt (Platz 4)26 Pkt (Platz 7)62 Punkte (Platz 4)
2012/201321 Pkt (Platz 12)22 Pkt (Platz 10)43 Punkte (Platz 10)
2013/201428 Pkt (Platz 4)20 Pkt (Platz 13)48 Punkte (Platz 8)
2014/201513 Pkt (Platz 18)24 Pkt (Platz 6)37 Punkte (Platz 15)
2015/201629 Pkt (Platz 4)24 Pkt (Platz 7)53 Punkte (Platz 4)
2016/201711 Pkt (Platz 18)34 Pkt (Platz 3)45 Punkte (Platz 7)
2017/201821 Pkt (Platz 15)22 Pkt (Platz 11)43 Punkte (Platz 12)
2018/201931 Pkt (Platz 4)18 Pkt (Platz 17)49 Punkte (Platz 9)
2019/202018 Pkt (Platz 15)21 Pkt (Platz 11)39 Punkte (Platz 14)
2020/202116 Pkt (Platz 15)31 Pkt (Platz 4)47 Punkte (Platz 10)
2021/202236 Pkt (Platz 1)? (Kurs: 23 Pkt)???
Punkteausbeute des FC St. Pauli in der 2. Bundesliga, aufgeteilt nach Hin- und Rückrunde.

Die Saison 2019/2020 war dann wieder etwas unrhythmischer. Nach unrundem Saisonstart gab es zwölf Punkte aus sechs Spielen, gefolgt von acht sieglosen Spielen in Serie, dann aber wieder 18 Punkte aus zehn Spielen. Die dann folgende Corona-Unterbrechung tat alles andere als gut: Der FC St. Pauli holte nur einen Sieg aus den letzten acht Saisonspielen. Ein großer Unterschied zwischen Hin- und Rückrunde ist aber nicht auszumachen (18 Punkte vs. 21 Punkte). Einigen wir uns einfach darauf, dass vieles an dieser Saison Scheiße war.

Auch unter Timo Schultz bleibt der Eindruck

Denn bis Spieltag 15 der Saison 2020/2021 holte das Team äußerst dürftige zehn Punkte. Erst durch zwei Siege in den letzten beiden Hinrundenspielen konnte das Team die Abstiegsränge verlassen (Platz 15 nach 17 Spielen).
Diese beiden Siege waren der Startschuss für eine bemerkenswerte Rückrunde. Der FC St. Pauli holte starke 31 Punkte, ließ aber ganz zum Ende der Saison mit drei Niederlagen am Stück stark nach. Trotzdem: Platz vier in der Rückrundentabelle und Platz 15 in der Hinrundentabelle sind ein ziemlicher Unterschied.

Deutschland, Hamburg, 24.01.2021, Fussball 2. Bundesliga 17. Spieltag, FC St. Pauli - Jahn Regensburg im Millerntor-Stadion  Trainer Timo Schultz (FC St. Pauli) - Daumen hoch / positiv
Timo Schultz gibt die Richtung vor.
(c) Peter Böhmer

So kommen wir also zur jetzigen Saison 2021/2022. Die 36 Punkte aus der Hinserie sind schon einmal richtig gut. Die Rückrunde mit 16 Punkten aus zwölf Spielen bedeuten Platz elf. Das wären hochgerechnet etwa 23 Punkte aus 17 Spielen, was dann eher eine mittelmäßige Bilanz bedeuten würde.
Übrigens: Selbst wenn es nur diese 23 Punkte aus 17 Spielen werden würden, könnte es zumindest für die Relegation reichen, denn in den letzten vier Jahren hätten 59 Punkte dreimal für die Relegation gereicht und zweimal sogar für den direkten Aufstieg. Die bisherige Punkteausbeute und der kommende Spielplan deuten aber darauf hin, dass diese Saison ein paar Punkte mehr nötig sein werden.

Ich hoffe aber sowieso, dass an der These „Der FC St. Pauli kann keine gleichmäßige Hin- und Rückrunde spielen“ nichts dran ist und wir die nächsten fünf Spiele einfach gewinnen. Damit würde dann ab nächster Saison eine neue Zeitrechnung am Millerntor beginnen.

// Tim

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2 thoughts on “Was Halbes = Nix Ganzes?

  1. Kleine Anmerkung/Ergänzung. Olaf Janßen wurde in der Saison 16/17 „nur“ als Co-Trainer verpflichtet, Ewald war weiterhin der Chef. Das kommt im Artikel leider nicht so klar heraus.
    Die Zusammenarbeit der beiden war dann womöglich der Schlüssel für die gute Rückrunde. Als Chef-Trainer in der Folgesaison – ohne Ewald – war Olaf dann leider glücklos.

    1. Nee, stimmt, das stand da so gar nicht drin, auch wenn es natürlich so gemeint war und intern ja durchaus auch gesagt wurde, dass Janßen auch schon in der Rückrunde eher ein zweiter Chef-Trainer war). Habe es nun ergänzt. Danke für den Hinweis!

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