…und täglich grüßt das Muskeltier?

…und täglich grüßt das Muskeltier?

Beim FC St. Pauli fallen innerhalb weniger Tage drei Spieler mit Muskelverletzungen aus. Das ist ein schwerer Rückschlag in der Vorbereitung, der zudem ein Alarmsignal sein dürfte. Sicherlich wird es dazu führen, dass der FCSP auf dem Transfermarkt noch einmal nachbessern muss.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Das Testspiel gegen Holstein Kiel ging für den FC St Pauli mit 0:2 verloren. Es war kein gutes Spiel, aber die Niederlage alleine war sicher nicht so schmerzhaft, wie die Nachrichten in den folgenden Tagen. Denn mit Etienne Amenyido und David Nemeth haben sich gleich zwei Spieler während des Spiels verletzt und werden nun länger ausfallen.

Am gestigen Montag teilte der FC St. Pauli mit, dass sich beide Spieler eine Verletzung im linken Oberschenkel zugezogen haben und nun „mehrere Wochen“ fehlen werden. In der gleichen Mitteilung wurde dann noch erwähnt, dass auch Adam Dźwigała „bis auf Weiteres“ mit dem Training aussetzen muss. Er hat sich einen Tag nach dem Kiel-Test ebenfalls am Oberschenkel verletzt.

Saisonstart ausgeschlossen

Im Fall von Dźwigała schreibt der Verein bereits in der Mitteilung, dass es sich um eine Muskelverletzung handelt. Wer die Bilder der Verletzungen von Amenyido und Nemeth gesehen hat, dürfte Ähnliches bereits erwartet haben. Im Falle von Amenyido deutet alles (Vollsprint-Bewegung, Griff an den hinteren Oberschenkel) auf einen klassichen Muskelfaserriss hin. Da die Verletzung von Nemeth quasi in einem Abwasch mitgenannt wird, ist auch hier von einer solchen Verletzung auszugehen, auch wenn die Bilder aus Kiel diese Schwere nicht vermuten ließen.

Die Aussage, dass Amenyido und Nemeth „mehrere Wochen“ ausfallen werden zeigt auch: Es ist ausgeschlossen, dass beide Spieler noch vor Start der Saison überhaupt wieder auf dem Platz stehen werden. Die durchschnittliche Ausfallzeit bei Muskelfaserrissen beträgt fast vier Wochen. Nach unseren Infos sollten wir in beiden Fällen nicht mit weniger rechnen, eher mit mehr.

Deutschland, Hamburg, 12.06.2022, Training FC St. Pauli auf den Trainingsplaetzen an der Kollaustrasse  Christian Viet (FC St. Pauli) im Zweikampf mit Adam Dzwigala (FC St. Pauli)
Auf Adam Dźwigała muss der FC St. Pauli leider vorerst verzichten.
(c) Peter Böhmer

Immer wieder Amenyido

Für die Spieler sind die Verletzungen mehr als unglücklich. Nur kurze Zeit nach Start der für den Körper so wichtigen Sommer-Vorbereitung langfristig auszufallen wirkt bei den meisten Spielern bis tief in die kommende Saison hinein.
Besonders im Fall von Etienne Amenyido muss leider hinzugefügt werden, dass so eine Verletzung nicht verwunderlich ist. „(…) es wäre sicher die wichtigste Verbesserung, wenn er es schafft endlich mal frei von Verletzungen zu bleiben.„, stand hier vor nicht einmal einer Woche geschrieben. Nun ist es also wieder so weit. Klar, Verletzungen gehören dazu, aber im Fall von Amenyido gehören sie in den letzten drei Jahren etwas mehr dazu, als bei anderen Spielern. Das tut mir sehr leid für ihn.

Dass sich dieses Mal nicht nur Amenyido, sondern auch noch zwei weitere Spieler Muskelverletzungen zugezogen haben, deutet aber noch auf etwas anderes hin: Denn natürlich könnte es Zufall sein, dass sich gleich drei Spieler an einem Wochenende Muskelverletzungen zuziehen. Es könnte aber auch, und dieser Sache muss zwingend nachgegangen werden, ein Hinweis darauf sein, dass irgendetwas nicht ganz rund läuft im Training.

Thema ist nicht neu

Rückblick: Im Frühjahr gab es beim FC St. Pauli bereits schon einmal eine ungewöhnliche Häufung an Muskelverletzungen. Gleich mehrere Spieler fielen langfristig aus (auch Amenyido war dabei) und sorgten damit für Engpässe in Innenverteidigung und Offensive. Es ist bemerkenswert, wie sehr sich diese Situationen gleichen.
Angesprochen auf die Häufung an Muskelverletzungen sagte Timo Schultz damals (in diesem Video ab Minute 23:50), dass es dies unter seiner Leitung bisher nicht gegeben habe, an Trainingsinhalten und -intensität nichts verändert worden und das Team daher noch auf Fehlersuche sei. Er schloss die Ausführungen mit den Worten:

„So richtig den Schlüssel haben wir da noch nicht gefunden. Wir haben ein paar Ansatzpunkte, wo wir glauben, dass wir nochmal nachjustieren können oder müssen, damit das nicht wieder vorkommt.“

Timo Schultz zur Häufung an Muskelverletzungen im Frühjahr 2022.

Ein Beispiel für einen Club, bei dem es ähnliche und sogar schwerwiegendere Probleme im Bereich Muskelverletzungen gab, ist Borussia Dortmund. Dort gab es in der Vorsaison eine ziemlich bemerkenswerte Serie, die den Club zum „Verletzungsmeister“ machten. Zwar dementierte BVB-Trainer Rose im Saisonverlauf immer wieder, dass das Training, die Belastung oder die Physiotherapie ein Problem sei, aber die Fehleranalyse führte anscheinend dazu, dass das Team inzwischen einen neuen Chef-Physiotherapeuten hat (und einen neuen Trainer auch).

Natürlich ist es denkbar, dass da am letzten Wochenende einfach eine ganze Menge Pech für den FC St. Pauli dabei war und sich alle drei Spieler unabhängig von Belastungen, etc. einfach nur unglücklich verletzt haben. Trotzdem muss das Funktionsteam genau an dieser Stelle ansetzen und auf die Suche nach möglichen Fehlern gehen, da es sich erneut um eine ungewöhnliche Häufung an Muskelverletzungen handelt.

Deutschland, Kiel, 25.06.2022, Fussball Testspiel, Holstein Kiel - FC St. Pauli im CITTI Fussball Park David Nemeth (FC St. Pauli) im Zweikampf mit Benedikt Pichler (Kiel)
David Nemeth hinterließ einen guten Eindruck in den ersten beiden Wochen, muss nun aber längerfristig aussetzen.
(c) Peter Böhmer

Mehr denn je: Neuzugänge benötigt

Der FC St. Pauli hat mit Dittgen, Makienok, Burgstaller und Kyereh vier Offensivspieler weniger im Kader und mit Eggestein bisher nur einen neuen geholt. Entsprechend war davon auszugehen, dass noch weitere Spieler folgen würden.
Gleiches gilt für die Innenverteidigung, wo mit Ziereis und Lawrence zwei Spieler den Verein verließen und mit Nemeth ein neuer Spieler hinzukam.

Nun hat die personelle Situation in beiden Bereichen eine neue Dringlichkeit bekommen. Denn plötzlich gibt es weder vorne noch hinten Spieler, die sich auf die Bank setzen können. Mit Daschner, Eggestein und Matanović stellt sich die Offensive nach heutigem Stand von alleine auf. In der Innenverteidigung stünde aktuell nur Medić zur Verfügung, da Beifus den Auftakt rot-gesperrt verpassen wird.
Daher ist ganz klar: Bis zum Saisonstart, am besten so zeitnah wie möglich, muss was auf diesen Positionen geschehen. Hatte Andreas Bornemann auf der Presserunde kurz nach der Saison noch angedeutet, dass einige Spieler erst nach Saisonstart den Weg zum FC St. Pauli finden könnten, dürfte hier nun, gezwungenermaßen, ein Umdenken stattfinden.

So gesehen ist es fast schon gut, dass die Problematik mit den Muskelverletzungen bereits jetzt auftritt und nicht erst, wenn das Transferfenster geschlossen ist. Das ist aber auch wirklich die einzig positive Nachricht, die es in dieser Sache zu vermelden gibt.

Get well soon, Eti, Adam und David!
// Tim

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5 thoughts on “…und täglich grüßt das Muskeltier?

  1. Ist es denn im heutigen Profifußball überhaupt denkbar, dass die Verletzungen durch falsche Belastungen kommen?
    Ich geh davon aus die Teams trainieren grundsätzlich nach aktuellen sport- und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen.
    Unser Chefphysiotherapeut James Morgan arbeitet seit 16 Jahren im Profifußball. Da müsste er doch eigentlich genug Erfahrung mitbringen.

    1. Einen ähnlichen Gedanken hatte ich auch. Vielleicht fehlt nur die Erfahrung zur verkürzten Sommerpause?
      Letztes Jahr ging es schon etwas früher los und dieses Jahr nochmal eine Woche weniger Regeneration.

      1. Das finde ich auch interessant, inwiefern das eine Rolle spielt. Sollte das eines der maßgeblichen Probleme sein, dann dürfte das nun auch Stück für Stück bei den anderen Zweitligisten sichtbar werden (beim KSC z.B. sind fitte Innenverteidiger auch Mangelware)

    2. Ich hätte auch gedacht, dass das eher ein untergeordnetes Thema ist, da genug Fachwissen unterwegs ist. Allerdings hat das Beispiel BVB aus der Vorsaison sehr deutlich gezeigt, dass es anscheinend selbst bei solchen Top-Teams zu falscher Belastung kommen kann. Da gehört ja auch mehr als „nur“ das Training dazu. Ich denke da an Beschaffenheit von Fußballplätzen, Ernährung, Schlaf, etc.

  2. Das ist ein Thema, das hier seit einem Jahrzehnt permanent aufläuft. In Dauerschleife. Und kein Trainer, und kein Stab bekommt das in den Griff. Da ist eine tiefgehende Analyse aus meiner Sicht unumgänglich.

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