Zu den Vorfällen vor dem Derby

Zu den Vorfällen vor dem Derby

Vor dem Spiel des FC St. Pauli gegen den Hamburger SV ist es am Millerntor zu einem massiven und basierend auf Augenzeugenberichten unverhältnismäßigen Einsatz der Polizei gekommen.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Die Fans des HSV trafen sich vier Stunden vor Spielbeginn am Altonaer Balkon und traten von dort einen Fanmarsch zum Gästeblock im Millerntor an. Der Marsch führte unter anderem über die Glacischaussee. Und nachdem die HSV-Fans dort ankamen ist es zu unfassbaren Szenen vor der Gegengerade gekommen. (Es folgt ein Augenzeugenbericht von mir persönlich)

Zu der Zeit befanden sich bereits einige Fans des FC St. Pauli vor der Gegengerade, ich schätze etwa 1.500. Bevor hier jetzt jemand denkt, dass es „schon die Richtigen getroffen hat“ (was sowieso angesichts des Vorgehens der Polizei kompletter Bullshit ist): Vor der Gegengerade sind alle möglichen Personen jeglichen Alters gewesen. Eine Band hat Musik gemacht, wie üblich war der Fanladen geöffnet und es wurden Sticker, Shirts, Kaffee, etc. verkauft. Die Stimmung war entsprechend komplett entspannt.

Als der Marsch der HSV-Fans die Glacischaussee erreichte, bewegten sich Fans des FCSP aus dem Bereich der Gegengerade und Südkurve in diese Richtung. Weit bevor sie dort ankamen folgte schon eine Bewegung zurück, da sich auf dem Heiligengeistfeld Polizeikräfte befanden. Nach dem Rückzug der FCSP-Fans hatte sich die Situation eigentlich wieder beruhigt. Doch die Hamburger Polizei setzte stattdessen auf eine völlig unverhältnismäßige Eskalation.

Die Polizei entschied nämlich mit einigen Hundertschaften in die vor der Gegengerade stehenden Fans zu rücken. Mit hohem Tempo liefen sie hinein, Rücksicht auf komplett unbeteiligte Personen wurde nicht genommen, sie wurden teilweise einfach umgerannt. Die Polizei führte mindestens ein Dutzend Personen ab und zeigte danach vielen Fans gegenüber ein äußerst aggressives Auftreten.

(CN: Schilderung von Gewalt)
Es gibt viele Videos der Szenen vor der Gegengerade, die wir hier nicht verlinken möchten. Am Boden liegende Personen wurden geschlagen, völlig unverhältnismäßig. In einem der Videos ist klar zu sehen, dass ein Polizist eine wehrlos am Boden liegenden Person mit dem Knie im Nacken fixiert, sie mit mehreren Faustschlägen gegen den Körper trifft und sich nach kurzer Orientierung und Drehung mit dem Ellbogen hart im Schulter-/Halsbereich trifft.

Die Polizei sperrte in der Folge den Weg zwischen der Südkurve und der Gegengerade ab. Dort lag eine Person, die komplett unbeteiligt war und augenscheinlich große Schmerzen hatte. Kurz vor Anpfiff äußerte sich auch der FC St. Pauli zu der Situation und schrieb von mehreren verletzten Personen. Zudem stelle sich „angesichts vorliegender Videos und Augenzeugenberichten“ die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes und der Verein fordert Aufklärung der Situation. (Twitter)

Die Polizei selbst twitterte ebenfalls zu der Situation und schrieb davon, dass „150-200 St. Pauli-Fans“ vom Vorplatz des Heiligengeistfelds zum Fanmarsch des HSV gelangen wollten. Dies sei unterbunden worden und Teile der FCSP-Fans wurden in Gewahrsam genommen. Auch zu den im Netz kursierenden Bildern äußerte sie sich: „Ein im Internet kursierendes Video zeigt eine solche Ingewahrsamnahme, bei der ein Polizist Zwang in Form von körperlicher Gewalt anwendet.“ und erklärt, dass dies „regelhaft der Fall sei, wenn sich eine Person gegen polizeiliche Maßnahmen z.B. sperrt. Ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde, gilt es zu prüfen.“ (Twitter)
Na, vielen Dank!

Es ist selten, dass ich in solche Situationen gerate, wie die erlebte. Es ist selten, dass ich das Gefühl habe, dass die Situation auch für mich, obwohl komplett unbeteiligt, gefährlich ist. Das war so eine Situation. Mir ist glücklicherweise nichts passiert, was viele andere nicht behaupten können. Den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit muss ich voll und ganz bekräftigen. In eine große Gruppe Fans zu rennen, dabei billigend in Kauf zu nehmen, dass Personen verletzt werden (und dies auch passierte) – was bitte rechtfertigt so eine Aktion der Polizei?

Bei aller Freude über den Derbysieg und bei aller Feierei, die nun aufgrund des Stadtmeistertitels folgt, darf der FC St. Pauli hier nicht nachlassen und muss auf eine komplette Aufklärung der Situation drängen. Klar, wir dürften wissen, was genau jetzt passieren wird, egal, ob der FCSP da nun was fordert oder nicht – zwischen nichts und weniger als nichts nämlich. Trotzdem ist es wichtig, dass wir als Fanszene und Verein in dieser Sache zusammenstehen.

Solidarität mit allen Betroffenen! Gute Besserung an alle Verletzten!

// Tim

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10 thoughts on “Zu den Vorfällen vor dem Derby

  1. Danke für Dein Statement, Tim.
    Ich bin mega angep…, dass ich nicht ins Stadion konnte, da ich mir letzten Samstag aus Braunschweig Corona mitgebracht habe (ich hoffe, dass nicht mehr das Mitbringsel mitgebracht haben … allen, die es haben gute Besserung). Nach dem Derbysieg umso mehr. Bei den ganzen Berichten, Bildern usw., die ich von außerhalb des Stadions sehen muss, bin ich irgendwie auch froh auf dem Sofa zu liegen.
    Ich hoffe, dass der Verein endlich mal etwas in Richtung willkürlicher Behördengewalt unternimmt. Und vor allem, dass es allen Beteiligten soweit gut geht, alle fröhlich den Derbysieg feiern und gesund und munter nach Hause kommen.
    Forza FCSP 🤎 🤍 ❤

  2. Das war ein völlig unverhältnismäßiges Vorgehen gegen unsere Fans und man sollte alle möglichen rechtlichen Schritte unternehmen. Ich wünsche allen eine baldige und gute Genesung.

  3. Ehrlich gesagt greift mir dein Kommentar zu kurz, was wäre den gerechtfertigte und verhältnismäßige Polizeigewalt?
    Diese Gewalt sind weder Fehler noch das überziehen von einzelnen Leuten. Sie sind gewollt, sie werden gefordert und sie haben genau dieses Ziel. Insbesondere mit all den anderen Vorfällen rund um die Spiele in letzter Zeit. Es geht um Einschüchterung und um Machterhalt.
    Alles in allem ist sie systemimmanent und genauso muss sie meiner Meinung nach auch kritisiert werden.
    Nur weil ihre Ungerechtigkeit vor dem Spiel so ersichtlich war, ist diese Gewalt ja viel grausamer wenn die Gewalt versteckter wirkt.

  4. Jeden Spieltag gehe ich an der Süd vorbei und gehe in meine Gegengerade. Gestern stand ich zufällig auf der Nord. Ich hab Freunde mit roten Bandanas. Ich trage oft einen roten Schal. Und wenn ich ins Stadion gehe, dann trage ich auch einen Pulli. Oft verabschieden wir uns vor dem Spiel genau an dieser Ecke. Ich habe keine Angst vor HSV Hools. Die tun mir nichts. Ich habe Angst vor der Hamburger Polizei. Und das seit Jahren zunehmend.

  5. Mir reicht das Twitter-Video völlig aus: Ein Polizist, der auf einen sich absolut nicht wehrenden, am Boden liegenden Menschen derartig einschlägt, kann sich vermutlich erfolgreich im Iran, in China oder Russland bewerben, HIER hat er nichts verloren, denn es gilt das Grundgesetz, Art.1: Die Würde des Menschen ist unanTASTbar! Unser FC sollte an dieser Stelle nicht nachlassen und Konsequenzen fordern. Falls da nichts passiert, sollte der Oberpimxxx Grote aus dem Verein ausgeschlossen werden.

  6. Ich kam wohl erst nach dem Polizeieinsatz dort vorbei, aber nicht viel später. Als ich das Video sah, war meine erste Frage, gegen welche HSV-Anhänger sa unsere Fans denn aktiv werden wollten?
    HSV-Fans an dieser Stelle? Noch dazu in größerer Zahl?
    Unfassbar was sich die Polizei(führung) wieder mal ausgedacht hat, um provozieren zu wollen. Gut dass aus unserer Anhängerschaft niemand drauf eingestiegen ist. Jetzt fehlen der Staatsgewalt einige Argumente und sie steht ziemlich blank da.
    Es wird höchste Zeit, dass dieser Laden ausgemistet wird. Auch im Interesse von Polizeibeamten, die sich ordnungsgemäß verhalten. Und die dann gerne als Nestbeschmutzer behandelt werden, so bald sie sich über solche prügelnden Kollegen beschweren.

  7. Die Kollegen des prügelnden „Freund-und-Helfers“ wissen scheinbar genau, dass ihr Kollege da vollkommen illegal agiert. Oder warum sehe ich auf dem Video deutlich, dass ein Beamter die Szene zu verdecken sucht, indem er sich vor das Opfer stellt, damit man nicht so sieht, was sein Kollege da treibt? … Ich hoffe von ganzem Herzen, das der Schläger bestraft und aus dem Polizeidienst entfernt wird! Dem Opfer alles Gute und beste Genesung! ynwa!

  8. Zu den Vorkommnissen vor dem Spiel gehört allerdings auch (und ausdrücklich als auch und in keinster Weise entschuldigend für den unfassbaren Übergriff des Polizisten), dass der versuchte Angriff der knapp 200 Leute auf den Fanmarsch des HSV von *unserer Seite* zu verurteilen ist. Insbesondere wenn sich diese quasi Hooligans anschließend feige unter den „normalen Fans“ verstecken …

    1. Danke für diesen Kommentar. Dem stimm ich ausdrücklich zu. Es ist ja nicht das erste Mal, daß das passiert. Erst auf dicke Hose machen, Polizei provozieren, Gästefans angreifen und dann in der Menge verstecken. Ich möchte da nicht mit reingezogen werden. Ich kann auch nicht verstehen, wieso man andere Menschen überhaupt angreift.

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