FC St. Pauli vs. Hamburger SV – Zahlen und Einzelkritik

FC St. Pauli vs. Hamburger SV – Zahlen und Einzelkritik

Der FC St. Pauli schlägt den Hamburger SV deutlich und verdient mit 3:0. Die Zahlen zum Spiel und die FCSP-Spieler in der Einzelkritik.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Besondere Spiele verlangen besondere Berichterstattung. So haben wir das „Vor dem Spiel“-Gespräch, den Vorbericht und „Die Schönheit der Chance“ bis zum Anpfiff veröffentlicht. Nach dem Spiel folgten bisher „Zu den Vorfällen vor dem Derby“, „Hamburg ist Braun-Weiß!“, „Derbymomente“, das „Nach dem Spiel“-Gespräch und ein „Kommentar zur Stellungnahme des FC St. Pauli„. Nun kommt mit der neunten(!) Veröffentlichung zum Derby vorerst der Abschluss einer sportlich gelungenen Stadtmeisterschaft. Der Blick richtet sich dabei auf Statistiken und die Einzelkritik.

Statistiken

Das Spiel selbst und entsprechend natürlich auch die Statistiken wurden massiv durch den Platzverweis von Sebastian Schonlau nach rund einer halben Stunde beeinflusst. Was sich aber nicht geändert hat, weil sich HSV-Trainer Tim Walter auch in Unterzahl für eine sehr aktive Spielweise entschied, ist der Ballbesitzanteil.

In überhaupt erst drei Spielen in dieser Saison hatte der FCSP weniger Ballbesitz als der Gegner (vorher gegen Nürnberg und Magdeburg). Nun also auch gegen ein Team, welches größtenteils in Unterzahl spielte. Interessant ist, dass dies die drei Spiele waren, die der FC St. Pauli diese Saison bisher erst gewinnen konnte. Das ist sicher kein Argument dafür, dass das Team wegkommen muss vom ansonsten hohen Ballbesitzanteil. Es zeigt viel eher, dass es anscheinend leichter geht, wenn auch der Gegner eine offensive und aktive Spielidee verfolgt. Schön, dass das bei den kommenden Gegnern zumeist der Fall ist.

FC St. PauliHamburger SV
2.04 / 2.65 / 1.7expected Goals
(Wyscout / DFL / 538)
0.52 / 0.37 / 0.9
21 (6)Torschüsse (auf’s Tor)6 (2)
15Fouls6
39.3%Ballbesitz60.7%
309 (80.9%)Pässe (erfolgreich)468 (83.3%)
42 (57.1%)…ins letzte Drittel (erfolgreich)43 (65.1%)
41 (61%)…davon lange Pässe (erfolgreich)56 (62.5%)
53 (35.9%)Offensivduelle (erfolgreich)71 (32.4%)
71 (67.6%)Defensivduelle (erfolgreich)53 (64.2%)
39 (51.3%)Kopfballduelle (erfolgreich)39 (35.9%)
8.3PPDA12.3
7.2 / 7.3whoscored / sofascore (Durchschnitt)6.2 / 6.6

Eine interessante Statistik fehlt in dieser Tabelle: Der FC St. Pauli zog 213 Sprints, der HSV nur 160. Zwar waren die auch mit einem Spieler weniger unterwegs, aber Sebastian Schonlau ist auch nicht als Sprinter bekannt, wie auch die Situation beim Platzverweis zeigte. Vielmehr zeigt dieses Statistik die Spielidee beider Teams, da der FCSP häufig umschaltete und entsprechend mehr Sprints hinlegte. So deutlich mehr Sprints zu haben, könnte aber auch ein Anzeiger dafür sein, dass das Team in defensiven Umschaltsituationen sehr schnell wieder zu seiner Formation fand, was auf dem Platz ebenfalls zu sehen war.

Ebenfalls ein spielentscheidender Faktor ist die Zweikampfbilanz. Der FCSP gewann defensiv knapp 68% seiner Duelle, der HSV 64%. Zudem gewann der HSV nur 36% seiner Kopfballduelle. Nennt es die oft zitierte „Giftigkeit“ (15 Fouls vom FCSP – nur gegen den FCN langten sie häufiger zu; der HSV foulte nur sechsmal und damit so selten wie bisher niemand gegen den FCSP in dieser Saison) oder aber auch einfach die Qualität der einzelnen Spieler in den direkten Duellen – es wird was von beidem in dieses Zahlen stecken.

Das Trainer-Team des FC St. Pauli hatte mit der Umstellung auf ein 5-3-2 die richtige Antwort auf den „Walter-Ball“ parat.
(c) Stefan Groenveld

Einzelkritik

Nikola Vasilj – ziemlich cool
(whoscored: 7.3; sofascore: 7.3)

Der Blick in die Statistik zeigt Ungewöhnliches: Nikola Vasilj hat einen Schnittstellenpass gespielt. Das hat er in der letzten Saison insgesamt zweimal getan, einer davon erfolgreich. Solche Pässe sind also ziemlich selten von ihm (und von Torhütern allgemein). Genaugenommen sind Schnittstellenpässe von Torhütern zumeist auch eher lange Abschläge, die erfolgreich hinter die letzte Kette gespielt werden. Und jetzt kann man auch schon erahnen, um welchen Pass es sich handelt. Denn es war ein langer Abstoß aus der Hand von Vasilj, der letztlich zum Platzverweis führte.

Zwei Torschüsse hatte Nikola Vasilj zu parieren. Beide stellten ihn vor nicht allzu große Probleme (xG: 0.27). Viel eher hatte Vasilj das ein oder andere Mal Anlaufversuche des HSV zu parieren, wenn er den Ball am Fuß hatte. Das machte er schon ziemlich cool. Nur ein einziges Mal wurde es etwas brenzlig. Nach nun sechs Spielen in der neuen Saison habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich Nikola Vasilj in diesem Bereich verbessert hat. Seinen letzten und bisher einzigen Gegentreffer am Millerntor in dieser Saison hat er sich gegen den SV Sandhausen gefangen. Auch in diesem Bereich scheint er seinen Teil beizutragen.

Leart Paqarada – unerwartet gut
(whoscored: 7.1; sofascore: 6.9)

Immer wenn ich mich mal darüber unterhalten habe, ob der FC St. Pauli nicht auch mit einer Dreierkette spielen könnte, habe ich Bedenken geäußert. Denn die Position des Schienenspielers (der Begriff setzt sich irgendwie mehr durch, als der Begriff Flügelverteidiger) liegt Leart Paqarada aus meiner Sicht eigentlich nicht. Und wieso sollte der FC St. Pauli einen seiner technisch und spielerisch versiertesten Kicker auf einer Position einsetzen, die eigentlich nicht zu ihm passt? So dachte ich darüber. Bis Freitag.

Überzeugend anders

Da zeigte Leart Paqarada nämlich, dass ihm diese Position sehr wohl ganz gut passt. Offensiv wie defensiv zeigte er einmal mehr eine richtig gute Leistung, wenngleich er aufgrund der Darbietungen seiner Teammitglieder sicher nicht am hellsten an diesem Abend leuchtete. Aber acht von neun Bodenduellen in der Defensive gewonnen, nicht selten gegen Bakery Jatta oder Ludovit Reis, sind ein echtes Pfund.

Hinzu kommen acht direkte Beteiligungen an Torabschlüssen (vier Schüsse, vier Torschussvorlagen), niemand auf dem Platz kann mehr vorweisen. Zudem kamen alle seine langen Pässe beim Mitspieler an (6/6). Die meisten Ballkontakte und Pässe auf Seiten des FCSP gehören ja schon zu seiner Grundausstattung. Ganz bestimmt gibt es eine Art Gewöhnung an das Top-Level, welches Leart Paqarada beim FC St. Pauli liefert. Geringer einschätzen sollte man seine Leistung allerdings nicht.

„Ja, der war schnell. Aber weißt Du, dann hab die Zweikämpfe einfach immer gewonnen!“
(Martin Rose/Getty Images/via OneFootball)

Jakov Medić – fehlerlos stark
(whoscored: 7.2; sofascore: 7.5)

Es gibt ja viele Erwartungen an Fußballspiele, von denen oft genug einige überhaupt nicht so laufen, wie geplant. Dass Jakov Medić sehr gut im Raum arbeitete, aber in direkten Duellen für seine Verhältnisse fast beschäftigungslos blieb, habe ich zum Beispiel nicht kommen sehen. Nur sieben Defensivduelle führte er (vier gewonnen). Allein die Anzahl ist ein Zeichen dafür, dass defensiv beim FC St. Pauli wirklich nur ganz wenig Gefahr aufkam.

Umso mehr konnte er sich in die Offensive einschalten. Vier progressive Läufe stehen in seinen Statistiken, ein recht hoher Wert, der direkt mit der Umstellung auf eine Fünferkette zusammenhängt (weil er dadurch eine bessere Absicherung bei seinen Ausflügen hatte). Eine Passquote von 89% ist sehr ordentlich, vor allem da Medić einige Bälle nach vorne spielte (fünf von acht ins letzte Drittel erfolgreich – die Hälfte seiner Pässe waren vorwärts).
Insgesamt irgendwie fast schon ein blasser Auftritt. Aber genau das ist gut, denn es zeigt, dass Medić fehlerlos spielte. Gerne mehr davon.

Eric Smith – ein neuer Innenverteidiger?
(whoscored: 8.1; sofascore: 7.8)

„Es ist nicht so schön zu wissen, dass man direkt gegen Robert Glatzel spielen muss, wenn man sein erstes Spiel als Innenverteidiger absolviert“

Eric Smith nach dem Derbysieg

Wenn die Leistung von Eric Smith gegen den bis dahin besten Torschützen der Liga so etwas wie eine Blaupause ist für weitere Auftritte in der Innenverteidigung, dann, ja dann haben wir einen neuen Innenverteidiger. Denn Smith gelang es den Top-Stürmer des HSV fast komplett aus dem Spiel zu nehmen, zeigte defensiv eine überragende Partie.

Pass-Monster und Glatzels Albtraum

Das zeigen auch die Statistiken, die überlicherweise nicht die besten Freunde von Smith sind: Neun von elf Duellen gewann er am Boden (2/5 in der Luft), fing dazu vier Pässe ab. Ein gutes Raum- und Entscheidungsverhalten hat er sowieso.
Neben der defensiven Stabilität, die Smith dem Team als zentraler Verteidiger in der Dreierkette brachte, setzte er auch offensiv Akzente, war vor allem im Passspiel und besonders bei Diagonalbällen sehr gut dabei (3/4 lange Pässe erfolgreich, 1/1 Schnittstellenpässe, 1/1 in den gegnerischen Strafraum, 3/4 ins gegnerische Drittel).

Dazu hatte Eric Smith einen Ballkontakt im Strafraum, gewann ein Offensivduell, hatte einen Abschluss auf das Tor – und es war alles in der gleichen Situation: Smith köpfte das erlösende 1:0 und legte damit den Grundstein für den Derbysieg. Ein guter Zeitpunkt, um sein erstes Ligator für den FC St. Pauli zu erzielen.

Eric Smith, seit Freitag Innenverteidiger?
(c) Peter Boehmer

Adam Dźwigała – stiller Arbeiter
(whoscored: 7.4; sofascore: 7.3)

Ebenso, wie sein Kollege auf der linken Abwehrseite, zeigte auch Adam Dźwigała ein blasses Derby. Aber genau das war ungemein wichtig. Und in Sachen direkter Duelle, war er auch wesentlich aktiver: Sechs von neun Duellen am Boden konnte er gewinnen, in der Luft jedoch nur zwei von sechs. Enorm wichtig waren seine sieben abgefangenen Pässe – die meisten aller FCSP-Spieler. Insgesamt war er ebenfalls Teil einer sehr stabilen Defensive.

Es herrscht noch einige Unklarheit über die Schwere der Verletzung von David Nemeth. Und da auch Jakov Medić Probleme an der Schulter hatte, dürfte auf Dźwigała in den nächsten Spielen weitere Spielzeit zukommen. Dabei muss er dann im Passspiel aktiver bzw. offensiver werden. Insgesamt spielte er deutlich weniger Pässe als seine Kollegen in der Innenverteidigung und die wenigen nach vorne müssen präziser werden (0/3 lange Bälle, 2/4 ins letzte Drittel).

Manolis Saliakas – doppelter Derbysieger
(whoscored: 7.7; sofascore: 7.6)

Nein, Manolis Saliakas war nicht nur einfach wieder richtig gut. Er war fantastisch. Einmal mehr sind ihm aufgrund seiner Spielweise viele Herzen zugeflogen. Ich habe den Eindruck, dass er noch ein bisschen besser spielt, wenn er auf der Seite der Gegengerade unterwegs ist. Stand jetzt hat der FC St. Pauli einen Rechtsverteidiger gefunden, der mit viel Herz und viel Qualität das Level auf dieser Position nochmal angehoben hat.

Aktuell schlägt kein Rechtsverteidiger der Liga mehr Flanken als Manos Saliakas (4,5 pro Spiel). Gegen den HSV war er aufgrund der Fünferkette wesentlich höher positioniert und nutzte das für fünf Flanken, zwei Schüsse und drei Kontakte im HSV-Strafraum. Saliakas war in der zweiten Halbzeit eher ein offensiver Außenspieler, als ein Außenverteidiger. Wie gut er dabei seine Mitspieler in Szene setzte, zeigt die Pass-Efiizienz (hier erklärt), die bei ihm unter allen FCSP-Spielern mit +2,1 am höchsten war (Wert von Bundesliga.de).

Auch defensiv decken sich die Statistiken ziemlich gut mit dem subjektiven Eindruck von seinem Spiel: Saliakas gewann defensiv starke neun von 13 Duellen (zudem 3/3 in der Luft). Ein verlorenes Duell dürfte sich für viele wie ein großer Sieg angefühlt haben: Für eine liebevolle und kräftige Umklammerung von Gegenspieler Jean-Luc Dompé sah er die Gelbe Karte. Es war die letzte Aktion in einem starken Spiel von Manolis Saliakas. Und ich hoffe sehr, dass noch ganz viele von ihm für den FC St. Pauli folgen werden.

Marcel Hartel – Highscore
(whoscored: 9.5; sofascore: 9.1)

Das 1:0 per Ecke vorbereitet, das 2:0 selbst erzielt – es gibt gute Gründe Marcel Hartel als besten Spieler des FC St. Pauli in dieser Partie zu bezeichnen (die Ratings sind jedenfalls schier explodiert). Ich möchte ihn da gar nicht so sehr von den anderen Spielern abheben, aber besonders in der Offensive ist Hartel einfach bärenstark gewesen: Zwei eigene Torabschlüsse, sieben (!) Torschussvorlagen, alle Dribblings erfolgreich, vier Ballkontakte im gegnerischen Strafraum. Die Statistiken zeigen klar, wie gut und wichtig Hartel in diesem Derby gewesen ist.

Fast schon wie üblich ist er mit 11.9km am meisten gelaufen (Bundesliga.de) und das ist dann vielleicht einer der wichtigsten Werte. Denn das 3-5-2 des FC St. Pauli hätte vor allem dann Schwächen gehabt, wenn die eigenen Spieler nicht richtig mitgehen, sowohl defensiv als auch offensiv. Das Umschalten ist bei dieser Formation noch wichtiger, als bei einer Viererkette. Hartel tat das mit schier unermüdlicher Energie. Nicht erst seit letztem Freitag, sondern schon die gesamte Saison. Kein Spieler in der Liga hat bisher mehr Kilometer zurückgelegt als Hartel. Er ist die Lunge des FCSP-Spiels.

Hamburg, Deutschland, 14.10.2022 - Afeez Aremu (FC St. Pauli) Copyright: Stefan Groenveld
Ist das wirklich der gleiche Afeez Aremu, den der FCSP vor zwei Jahren verpflichtet hat?!
(c) Stefan Groenveld

Afeez Aremu – who is this guy?!
(whoscored: 7.3; sofascore: 7.0)

Ich kopiere mir die alten Überschriften der Einzelkritiken immer in den neuen Artikel-Entwurf. Dann trage ich die Noten ein und nachdem ich die Statistiken gecheckt und den Text geschrieben habe überlege ich mir einen Zusatz zum Namen. Doch schon beim Kopieren war mir klar, dass ich das „who is this guy?“ einfach stehen lassen kann. Aber ein ! habe ich noch ergänzt.

Noch vor wenigen Wochen, eigentlich bis zum Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim, hatte ich gedacht, dass das irgendwie nichts mehr werden wird zwischen Aremu und dem FC St. Pauli. Nach starkem Saisonbeginn wurde er im Vorjahr immer unsicherer, viele Fehler im defensiven Umschaltverhalten, aber vor allem im Aufbauspiel durchzogen sein Spiel. Es schien als könne Aremu den Ansprüchen an die Sechser-Position nicht genügen.

Und nun spielte er den größten Teil des Spiels alleine auf der Sechs, führte sagenhafte 24 direkte Duelle, fing starke sechs Pässe ab und gewann so insgesamt 17 Bälle für den FCSP. Am auffälligsten waren sicher seine Diagonalpässe, die er in der zweiten Halbzeit spielte. Einer davon führte zum 2:0. Insgesamt waren fünf von sieben Pässen ins letzte Drittel erfolgreich und eine Auswahl seiner besten Szenen im Derby findet ihr bei Twitter.

Der Freitag hat einmal mehr gezeigt, wie gut der FC St. Pauli aktuell auf der Sechs besetzt ist. Vor kurzer Zeit hielt ich Eric Smith noch für unverzichtbar. Nun stellt sich die Frage, ob er auf anderer Position vielleicht ab und an noch besser aufgehoben ist. Denn Afeez Aremu hat gezeigt, dass er die Sechs alleine spielen kann und dabei auch wichtige Impulse in die Offensive gibt. Ich persönlich freue mich riesig über diese Entwicklung und es ist ihm von ganzem Herzen zu gönnen.

Jackson Irvine – Physis, die
(whoscored: 7.0; sofascore: 7.1)

Völlig zurecht haben sich viele über die Vertragsverlängerung von Jackson Irvine gefreut. Denn er hat sich zu einer festen Säule im zentralen (rechten) Mittelfeld des FC St. Pauli entwickelt. Wie wichtig er dabei ist, zeigte er einmal mehr am vergangenen Freitag, obwohl er durch seine Verletzung an der Schläfe gehandicaped war.

Denn die physische Präsenz, die Irvine mitbringt ist unbezahlbar. In der Defensive gewann er elf von 15 Duellen, fing fünf Pässe ab. Zumeist führte er diese Duelle in den offensiven Halbräumen, also dort, wo auch Timo Schultz den besten Spieler des HSV verortet („Ludovit Reis hat ein überragendes Spiel gemacht, hat immer wieder 1-gegen-1 oder 1-gegen-2 – Situationen aufgelöst“ sagte er nach dem Spiel auf der Pressekonferenz).

Hamburg, Deutschland, 14.10.2022 - Jackson Irvine (FC St. Pauli) im Zweikampf mit Jonas Meffert (Hambiurger SV) - Copyright: Peter Boehmer
Und schon wieder ein Duell gewonnen von Jackson Irvine…
(c) Peter Boehmer

In den Aufstellungen von sofascore und whoscored wird Irvine übrigens auf einer Höhe mit Etienne Amenyido geführt. Die Formation wird da mit 3-4-2-1 angegeben (ist ja auch fast ein Tannenbaum). So weit würde ich nicht gehen, aber auch offensiv schaltete sich Irvine immer wieder ein, führte acht Offensivduelle (Hälfte gewonnen) und legte das 2:0 durch Hartel auf. Erneut ein richtig guter Arbeitsnachweis vom Kapitän.

Etienne Amenyido – das personifizierte Tempo des FCSP
(whoscored: 6.5; sofascore: 6.4)

Und schon wieder lasse ich einen Namenszusatz in der Überschrift einfach stehen. Denn die für viele spielentscheidende Aktion ist auf das Tempo von Etienne Amenydio zurückzuführen. Der lange Abschlag von Vasilj wurde nämlich nur dadurch gefährlich, dass Amenyido zum Vollsprint ansetzte. Wohlwissend, dass die meisten solcher Situationen nichts einbringen und Energie rauben.

Aber Energie ist sowieso das Stichwort für Amenyido. Ja, er hat abermals nicht getroffen trotz einer guten Chance. Ja, er verliert viele Bälle. Aber ihm gelingt es immer wieder an den Ball in vorderer Position zu kommen und sorgt mit seiner steten Bewegung für reichlich Konfusion in den gegnerischen Abwehrreihen. Gegen den HSV war sein Defensivverhalten fast noch etwas wichtiger und darauf wollte ich auch hinaus mit dem Stichwort. Denn Amenyido lief scheinbar unermüdlich die Gegenspieler an, sorgte dafür, dass sich der HSV eigentlich nicht so richtig einspielen konnte in der Partie und viele Situationen für die Gäste wurden dadurch im Keim erstickt. Der Wert dieser Lauf- und Sprintarbeit ist kaum aufzuwiegen mit der Frage, ob er getroffen hat oder nicht.

Hamburg, Deutschland, 14.10.2022 - Igor Matanovic (FC St. Pauli) im Kopfballduell mit Mario Vuskovic (Hamburger SV). Copyright: Stefan Groenveld
Arbeit gegen den Ball > eigener Torerfolg
(c) Stefan Groenveld

Igor Matanović – Es wird, ganz sicher
(whoscored: 7.3; sofascore: 7.8)

Ich käme mir etwas blöd vor, wenn ich nun das gleiche noch einmal schreibe, daher nur kurz: Wie auch Amenyido war der Wert von Igor Matanović für die Defensive des FC St. Pauli fast unermesslich. Im Gegensatz zu Amenyido gelang es Matanović etwas häufiger in Abschlussposition zu kommen. Sein Pfostentreffer in der ersten Halbzeit war denkbar knapp, fast hätte man einen platzenden Knoten hören können. Dass er dann vor dem 2:0 den Schuss nur antäuscht und für Hartel durchlässt, ist dann schon großes Kino (im Ernst: shit happens und es wurde ja alles gut).

Nach dem Auftritt von Igor Matanović im Derby glaube ich wieder fest daran, dass er sehr gut in das System des FCSP passt und dass es ganz bald klingeln wird. So schnell bin ich zu überzeugen und dann bin ich natürlich der erste, der schreit: „Ich habe immer an dich geglaubt, Igor!“ (was vielleicht etwas übertrieben ist). Gegen den HSV hatte Matanović sechs Ballkontakte im gegnerischen Strafraum, gegen Braunschweig waren es sieben. Pro Spiel produziert er einen eigenen xG-Wert von durchschnittlich 0.5. Es ist fast unmöglich, dass sich diese Werte nicht bald in Form von Toren zeigen werden. Vielleicht bereits gegen Freiburg, vielleicht in Bielefeld, vielleicht danach – aber es wird passieren.

Fazit

Die wichtigste Frage haben wir bisher eigentlich nur so halb behandelt: Wieso stellte der FC St. Pauli eigentlich um? Ich habe die Vorteile dieses 3-5-2 bereits in der Analyse etwas dargestellt, aber Timo Schultz hat sich dazu auch auf der PK geäußert:

„Für uns ging es darum die Tiefe zu sichern. Der HSV hat auf den Flügeln extrem viel Tempo. Das wollten wir mit einem zusätzlichen Spieler in der letzten Kette auffangen. Klar wussten wir, dass wir da an anderer Stelle auf dem Platz nicht ganz so viel Druck auf den Ball bekommen, aber das haben wir in Kauf genommen. Wir haben es zwei-drei Tage bestmöglich einstudiert. Die Jungs hatten, und das ist auch entscheidend, ein gutes Gefühl. Alle waren nach dem Training optimistisch und dann haben wir es durchgezogen. Ich muss aber ehrlich sein: Dass es so gut klappt, damit habe ich auch nicht gerechnet.“

Timo Schultz erklärt, warum er sein Team für das Derby umstellte.

Fassen wir zusammen: Es war eine großartige Leistung, auf allen Ebenen, die dem FC St. Pauli den Stadtmeister-Titel beschert hat. Das Team zeigte in großen Teilen, zu welchen Leistungen sie fähig sind, zeigten, dass sie auch taktisch sehr flexibel agieren können und sind damit womöglich in einer sehr kritischen Situation (denkt mal daran wie „positiv“ ihr vorher auf das Derby geschaut habt) einen großen Schritt vorangekommen.

// Tim

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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.

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One thought on “FC St. Pauli vs. Hamburger SV – Zahlen und Einzelkritik

  1. Moin Tim,
    einmal mehr ein Danke für deine fundierten Einzelkritiken!
    Bei Aremu habe ich mir im Stadion die Augen gerieben, dass er Bälle abfangen kann war klar aber wieso weiß er auf einmal auch wohin mit dem gewonnenen Leder (Kunststoff)? Große Klasse!!!
    Einzig bei Matanović bin ich mir nicht so sicher wie du. Wir hatten leider schon öfter Stürmer in unseren Teams die anschließend überall trafen nur nicht bei uns (Ducksch, Budimir, Verhoek…) Ich fand ihn auch gegen die Rauten seltsam zaghaft und blockiert aber was soll’s, hoffentlich hast du recht!!!

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