Ausweichend in eine klare Zukunft? Pressekonferenz mit Fabian Hürzeler

Ausweichend in eine klare Zukunft? Pressekonferenz mit Fabian Hürzeler

Fabian Hürzeler hat sich als neuer Cheftrainer des FC St. Pauli vorgestellt. Er ließ dabei Fragen offen, aber keinen Zweifel daran, dass er vor seiner neuen Aufgabe nicht zurückschreckt.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Nein, so wirklich in die Karten schauen lassen wollte Fabian Hürzeler sich nicht bei seiner Antritts-Pressekonferenz. Gleich mehrere Fragen behandelten die möglichen Veränderungen spielerischer Natur, die es nun unter seiner Leitung geben könnte. Alle Antworten einte, dass Hürzeler sich nicht so richtig festlegen wollte auf einen Spielstil, wenngleich er zwischendurch betonte: „Ich bin ein Trainer, der eine klare Spielidee hat“.

The times they are a-changin‘?

Wenn es dann aber darum ging, was genau diese Spielidee beinhaltet, dann wurde es etwas ausweichender (das ist nicht negativ gemeint). Auf die Frage, ob man nun häufiger eine Fünferkette mit einer Doppelsechs auf dem Platz sehen könne, nachdem dies im Test gegen Union Berlin praktiziert wurde, blieb es vage: „Ob das jetzt immer so sein wird, dass wir mit zwei Sechsern spielen und mit drei Spielern anlaufen, dass wird davon abhängen welches Personal auf dem Platz steht und was uns der Gegner anbietet“.
Ob der FC St. Pauli unter der Leitung von Trainer Hürzeler nun etwas die Abkehr vom in der Hinrunde praktizierten ballbesitz-orientierten Spiel hin zu mehr Fokus auf Umschaltmomente praktizieren wird? Ja, kann sein, sagte Hürzeler, denn „Umschalten ist ein sehr effektives Mittel“ und man wolle „in diesem Bereich Fortschritte“ machen. Aber er sei es durch seine Jahre bei den Bayern (Hürzeler durchlief als Spieler von 2008 bis 2013 das NLZ des FCB) gewohnt viel den Ball zu haben und entsprechend geprägt worden und man kann bei eigenem Ballbesitz schließlich kein Gegentor fangen.

Trotz dieses Ausweichens präsentierte sich Fabian Hürzeler sehr geordnet und äußerst motiviert, was sich nicht nur dadurch zeigte, dass er als einzige Person im Presseraum kein Mikrofon benötigt hätte, damit alle ihn verstehen. Hürzeler machte deutlich, dass es ihm weniger um große Veränderungen geht („Kleinigkeiten, die vielleicht nicht für jeden in der Öffentlichkeit zu sehen sind, können eine große Wirkung auf dem Fußballplatz haben“), sondern vielmehr darum die eigenen Aktionen im Detail zu verbessern. Die Begriffe „Intensität“, „Zielstrebigkeit“ und „Dynamik“ sind von Hürzeler vermutlich ziemlich häufig verwendet worden im Dezember.

Und dann gibt es aber doch bereits jetzt für jede*n sichtbare Veränderungen: Das Team trifft sich vor dem Training nun früher, absolviert eine Aktivierungsphase vor der Einheit. Zudem hat sich der Trainingsfokus in den ersten Wochen unter der Leitung von Hürzeler schon klar in Richtung Umschaltmomente bewegt. Mit den Neuzugängen Maurides und vor allem Elias Saad könnte eine solche Veränderung sinnvoll sein. Das auf der Pressekonferenz am häufigsten genutzte Wort dürfte aber „Balance“ gewesen sein. Und das erklärt auch, warum alles so vage geblieben ist. Hürzeler betonte, der FCSP müsse mehr Torgefahr entwickeln, dürfe aber nicht die defensive Stabilität verlieren. Es ist das wichtigste Thema für Hürzeler, jenes, welches Timo Schultz aus Sicht der Verantwortlichen nicht zu lösen vermochte.

Hamburg, Deutschland, 29.12.2022 - Fabian Hürzeler stellt sich als Cheftrainer des FC St. Pauli vor - Copyright: Peter Boehmer
29.12.2022 – Fabian Hürzeler stellt sich als Cheftrainer des FC St. Pauli vor. // (c) Peter Böhmer

Kein weiterer Co-Trainer

Sichtbare Veränderungen sind eventuell noch auf personeller Ebene zu erwarten. Die Entscheidungen über die Torwartposition und das Kapitänsamt schob Fabian Hürzeler aber erst einmal auf, denn es gehe vorerst darum die inhaltlichen Themen auf dem Platz zu bearbeiten. Weitere Veränderungen im Trainerteam sind aber nun nicht mehr zu erwarten, einen weiteren Co-Trainer wird es nicht geben. Hürzeler berichtete von sehr positiven Gesprächen, ehe die Entscheidung fiel Peter Németh ins Boot zu holen. Er betonte die „unheimliche Akribie, großartige Arbeitsethik, sowie den Fokus und das Auge für das Detail“ des neuen Co-Trainers und erklärte, dass Németh im Bereich des technischen Trainings intensiv arbeiten werde, während er sich um taktische Einheiten und große Spielformen kümmert.

Doch nicht nur im Bereich der Spielidee und in den organisatorischen Abläufen gibt es Veränderungen. Hürzeler sagte: „Ich glaube, dass ich mit meiner Art neue Reize setzen kann“ und hob auch gleich hervor, dass er auch in die Köpfe der Spieler hineinkommen wolle, um ihnen Vertrauen entgegen zu bringen („Meine Aufgabe ist es auch, den Spielern den Glauben zurückzugeben, dass sie die Erwartungen des Vereins und die sie selbst an sich haben, aber auch die der Fans und der Medien, erfüllen können.“).

Testspiel gegen Werder Bremen abgesagt

Mit dieser Art neue Reize zu setzen hat Hürzeler auch Sportchef Andreas Bornemann überzeugt in den zwei Wochen Trainingsarbeit („Er hat diese 14 Tage genutzt, wie sie ein Cheftrainer nutzen würde“), wenngleich dieser auch erzählte, dass er sich sehr wohl auch mit anderen Kandidaten getroffen habe.

Einen ganz anderen Reizpunkt hat Hürzeler bei Werder Bremen getroffen: Denn der FC St. Pauli hat das für den 4. Januar geplante Testspiel gegen die Bremer auf seinen Wunsch hin abgesagt, sehr zur Verärgerung an der Weser. Der neue Cheftrainer erklärte dazu, dass er lieber mit dem Team einige Trainingseinheiten mehr haben wolle, als mitten im Trainingslager eine Regenerationsphase einbauen zu müssen.

Hamburg, Deutschland, 29.12.2022 - Cheftrainer Fabian Hürzeler und Sportchef Andreas Bornemann (FC St. Pauli) - Copyright: Peter Boehmer
Der sportliche Leiter und sein höchster Angestellter: Andreas Bornemann und Fabian Hürzeler // (c) Peter Böhmer

Ja, es ist sicher noch vieles unklar in der Frage, nach drei Wochen Trainingsarbeit, einem Testspiel und einer ausführlichen Pressekonferenz, was sich beim FC St. Pauli mit Fabian Hürzeler als Cheftrainer alles verändern wird. Dass es aber schon ein paar andere Ansätze gibt, als sie das nun ehemalige Trainerteam gemeinsam verfolgt hat, daran dürfte es keinen Zweifel geben. Hürzeler betonte, dass er zwar auch als Co-Trainer von Timo Schultz seine Ideen einbringen konnte, aber dass die Entscheidungsgewalt letztlich dann doch beim Cheftrainer lag. Übrigens stimmt das sehr gut mit dem überein, was Timo Schultz mal bei uns im Podcast über sein Co-Trainer-Dasein erzählte („Being Timo Schultz – Episode 1“): Eine vertrauensvolle und auch loyale Zusammenarbeit ist möglich, selbst wenn man eigene Ideen als Co-Trainer hat.

Ob und wie diese Ideen von Fabian Hürzeler beim FC St. Pauli aufgehen werden, kann man dann mit Sicherheit erst nach einigen Spielen der Rückrunde sagen. Sicher ist aber bereits jetzt, dass er in den letzten Tagen und Wochen einige Pluspunkte sammeln konnte, auch bei den Spielern, wenngleich er von diesen viel abverlangt, wie er selbst betonte. Auch da gilt es nun die richtige Balance zu finden.
Eine einzige Sache bleibt dann aber doch übrig bei der Hürzeler noch keine so klare Idee zu haben scheint: Er pendelte auf der Pressekonferenz fürchterlich unrhythmisch zwischen dem „Du“ und „Sie“ hin und her. Eine Veränderung an dieser Stelle ist sicher nur eine Kleinigkeit – aber eine, welche die Öffentlichkeit mitbekommen würde.
// Tim

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8 thoughts on “Ausweichend in eine klare Zukunft? Pressekonferenz mit Fabian Hürzeler

  1. Danke !

    Soviel triefender Sarkasmus macht Spaß zu lesen.

    Wünsche dem Millernton weiterhin so eine hochwertige Begleitung der Arbeit und Geschehnisse im FCSP

  2. Interessanter Artikel von Tim „Autor ohne jedweden Nachnamen“ (den meinigen geb‘ ich, entgegen meiner sonstigen Gepflogenheit, auch erst preis, wenn ich den von „Tim“ kenne …) – allerdings rätsle ich noch, wie ich den Text verstehen soll!?
    Die beiden Kommentare von Arne und Jens unterstreichen meine (unentschiedene) Sicht ja offensichtlich . . .
    . . . ganz abgesehen von einer außergewöhnlichen Satzzeichen-Verwendung (bzw. deren Verzicht)!

  3. Puh. Ich musste mich wirklich quälen die PK durchzuhalten. Stanzen, Allgemeinplätze, begonnene, im Nichts endende Platitüdensätze, mithin Nichts was einen erahnen ließe, warum nun ausgerechnet Hürzeler der Cheftrainer sein sollte.

    Im Übrigen kommen beide extrem unsympathisch rüber. Die holprigen Schachtelsätze erklären eigentlich nichts,

    Die Erklärungen warum die Entscheidungen so getroffen wurden, klingen für mich überhaupt nicht überzeugend. Nicht mal die Sprecher selbst wirken überzeugt. Für mich hört sich allerdings an, als hätte es hinter den Kulissen richtig Ärger gegeben.

    Dann hat sich kein adäquater Ersatz als Trainer gefunden, weil Bornemanns Notizbuch eben nur ein paar Namen hat und man hat sich aus der Not heraus so entschieden.

    Überzeugende Argumente bleiben Mangelware.

    Weder lässt sich bis auf übliches Geschwafel erkennen, was Hürzeler jetzt anders machen will, noch erkenne ich über die Hoffnung, dass der für mich schwache Kader durch Handauflegen besser wird hinaus, einen sinnvollen überzeugenden Plan.

    Der Sportwasauchimmer glaubt immer noch, er hat alles richtig gemacht.

    1. ich stimme Dir zu 101% zu! Ich empfinde beide als unsympatisch und ja, es muss richtig gekracht haben. Mich interessiert das warum sehr.
      Hoffentlich kommt mal eine Stellungnahme oder Interview von unserem eigentlichen Trainer Schulle.

      1. Hallo Tom,

        so wie ich Timo kenne, wird er nichts sagen und keine schmutzige Wäsche waschen.
        Es würde mich jedenfalls sehr wundern, wenn er die Entlassung öffentlich kommentieren würde.

        1. Ich muss gestehen, dass ich mir fast wünsche, dass St. Pauli absteigt. Denn nur so kann man Bornemann und Göttlich los werden. Seit der Causa Trainerentlassung hat der FC St. Pauli für mich massiv an Glanz verloren.

          1. Ich wünsche dem FCSP nicht den Abstieg in die 3.Liga, befürchte aber, dass das durch den Trainerwechsel hinbekommen wird. Als „Triumph“ empfände ich das allerdings nicht, sondern fühle nur große Trauer über eine verpasste Chance, mit einem großartigen Trainerteam etwas Langfristiges und Nachhaltiges aufzubauen.

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