Alles Gute, Igor!

Alles Gute, Igor!

Die Wege von Igor Matanović und dem FC St. Pauli trennen sich. Das 20-jährige Eigengewächs wechselt zu Eintracht Frankfurt. Wir halten Rückschau und sagen Tschüss!
(Titelbild: Peter Böhmer)

Am Saisonende verabschiedete der FC St. Pauli Jannes Wieckhoff, Franz Roggow, Christopher Avevor, Luca Zander, Dennis Smarsch, Leart Paqarada und Igor Matanović – alle Spieler werden wir in den nächsten Tagen in Blog-Form verabschieden.

Igor Matanović ist ein Sonderfall. Denn es ist selbst bei großen Talenten selten, dass sie nie das Nachwuchsleistungszentrum wechseln. Doch Matanović betrat nach seinem Start beim Harburger TB jenes des FC St. Pauli und kam als Profi wieder heraus. Sein Weg schien vorgezeichnet, doch er stockte zuletzt. Diesen kann er zwar immer noch gehen, aber eben nicht mehr beim FCSP.

Profivertrag mit 15 Jahren

Nachdem Matanović in allen Jugendteams des FC St. Pauli überzeugte, Altersklassen übersprang und trotzdem zuverlässig traf, wurde er 2019 als 15-jähriger mit einem Profivertrag bis 2023 ausgestattet. Damals hieß es, dass Matanović ab Sommer 2021 zu den Profis des FC St. Pauli stoßen solle. Er schaffte es aber, wie auch so vieles in der Jugend, wesentlich früher: Im November 2020, also mit 17 Jahren, debütierte er unter Timo Schultz bei der bitteren 0:1-Niederlage zuhause gegen den VfL Osnabrück. Nur zwei Wochen später stand er bereits das erste Mal in der Startelf.

Igor Matanović ist damit der drittjüngste jemals vom FC St. Pauli eingesetzte Spieler (wer ohne Nachschauen die beiden anderen weiß, verdient größten Respekt). Einige Wochen danach folgte das erste richtig fette Ausrufezeichen eines bis dahin bilderbuchartigen Aufstiegs: Beim Auswärtsspiel in Hannover erzielte Matanović in der Nachspielzeit seinen ersten Profitreffer. Es war das Siegtor, der FC St. Pauli beendete dadurch eine 13 Spiele andauernde Sieglosserie und feierte den jüngsten Torschützen seiner Vereinsgeschichte.

Igor Matanović mag weg sein, aber die Erinnerungen an dieses Tor in Hannover werden hier bleiben.
(c) Peter Boehmer

Angesichts dieser doch fast märchenhaften Geschichte wirkten die Worte, die Timo Schultz kurz nach dem Hannover-Spiel wählte keineswegs zu dick aufgetragen: „Dass ausgerechnet Igor das Tor macht, ist für den ganzen Verein, der in den letzten Wochen wenig zu feiern hatte, eine absolute Genugtuung“ Der FC St. Pauli hat ein großes Talent in seinem NLZ ausgebildet, welches seine ersten Schritte im Profibereich auch am Millerntor machte und zudem mit einem langfristigen Vertrag ausgestattet wurde. Das war (und ist es immer noch!) für den gesamten Verein ein riesengroßer Erfolg.

Unterschrift in Frankfurt

Von diesem Moment an schien der Weg vorgezeichnet für Igor Matanović: Im Schatten von Guido Burgstaller sollte er sich endgültig zum wertvollen Stürmer entwickeln. Doch bereits im Sommer wurde dieser Plan des FC St. Pauli zumindest ein wenig über den Haufen geworfen. Eintracht Frankfurt sicherte sich die Dienste von Matanović. Der damals immer noch erst 18-jährige Stürmer war fortan „nur“ noch Leihspieler beim FCSP, sollte dort aber noch zwei weitere Jahre spielen. Ein guter Deal?

Plan geht nicht auf

Doch nach seinem Treffer in Hannover geriet der steile Aufstieg von Igor Matanović ins Stocken. Eine Adduktorenverletzung zwang ihn ab April 2021 zu einer mehrmonatigen Pause. Erst ein halbes Jahr später sammelte er wieder Spielzeit. Der sicher von einigen erhoffte endgültige Durchbruch an der Seite von Burgstaller und Kyereh blieb aber aus. Nur am vorletzten Spieltag der Saison 21/22 auf Schalke konnte Matanović zeigen, zu was er fähig ist: Er erzielte in der ersten Halbzeit einen Doppelpack. Beide Tore waren großartig, nicht wenige würde behaupten Weltklasse.

Im Sommer 2022 tat sich viel beim FC St. Pauli: Mit Burgstaller, Kyereh, Makienok und Dittgen verließen gleich vier Offensivkräfte den Verein. Die Zeit schien reif für Igor Matanović, der in Interviews stets einen sehr klugen Eindruck hinterließ, um endgültig aus dem Schatten zu treten. Überzeugt waren viele (nicht alle) davon, inner- und außerhalb des Vereins. Doch die Erwartungen sind etwas hoch gewesen. Immerhin hat man einem jungen Fußballer (zu dem Zeitpunkt 19 Jahre alt), der zuvor in 35 Spielen in der 2. Bundesliga drei Tore erzielte, die Rolle des zentralen Angreifers zugetraut, war davon überzeugt, dass er persönlich eine zweistellige Torausbeute liefern könne. Der Plan ging nicht auf.

Hannover, Deutschland, 22.07.22 - Igor Matanovic (FC St. Pauli) ärgert sich über eine verpasste Chance - copyright: Peter Boehmer
Igor Matanović gelang in der Hinrunde 22/23 immer weniger auf dem Platz.
(c) Peter Boehmer

Abwärtsspirale

In der Hinrunde 22/23 konnte man dabei zuschauen, wie ein hochveranlagter Spieler mit jeder unglücklichen Aktion unsicherer wurde. Gestartet als Stammspieler, gelang Igor Matanović am Ende der Hinrunde auf dem Platz kaum noch etwas. Die Leader-Rolle vorne im Angriff hatte er längst verloren, in seinen 15 Einsätzen konnte er trotz großer Möglichkeiten keinen Treffer erzielen und wurde so zum Sinnbild einer stotternden Offensive des FC St. Pauli.

So gab es bereits in der Winterpause sehr deutliche Signale, dass man ein vorzeitiges Ende der Leihe anstrebt. Allerdings sollte der Weg für Matanović nicht zur direkten Konkurrenz führen, dafür gab es vom FCSP ein Veto-Recht. Doch andere Klubs fanden sich nicht, Matanović blieb – und verletzte sich kurz nach Rückrundenstart schwer an der Schulter. Ein ziemlich bitteres Ende seiner Zeit beim FCSP. Immerhin kam er am letzten Spieltag am Millerntor zum Einsatz. Das war zumindest zum Abschluss ein angemessenes Ende für den Weg, den Matanović und der FC St. Pauli zusammen gegangen sind.

Wechsel wohl notwendig

Die Sichtweise, dass Matanović als Sinnbild für die schwache Offensive der Hinrunde 22/23 dient, ist nicht fair. Denn er ist immer noch erst 20 Jahre alt und auch weiterhin ein riesengroßes Talent. Ein endgültiger Durchbruch zum Bundesliga-Profi ist alles andere als ausgeschlossen. Ich persönlich halte ihn sogar für sehr wahrscheinlich. Und so müssen sich viele beim FC St. Pauli, Igor Matanović selbst und sein Umfeld hinterfragen, wie es so weit kommen konnte, dass ein Spieler nahezu alle seine Fähigkeiten auf dem Platz verliert und zuletzt nur noch ein Schatten seiner selbst war. Es ist ihm zu wünschen, dass er bei seinem neuen Klub wieder das Zutrauen bekommt, welches er offensichtlich für sein Spiel dringend benötigt. Ein Tapetenwechsel könnte für Matanović jetzt gerade genau richtig sein, so scheint es.

Lieber Igor, das gesamte Team des MillernTon wünscht Dir persönlich und sportlich alles Gute. Es ist richtig schade, dass Deine Zeit beim FC St. Pauli nun so zu Ende gegangen ist. Wir hoffen sehr, dass Du den Verein in bester Erinnerung behältst und den Weg gehen wirst, den Du dir selber erträumst. Wir werden Deine weitere Karriere natürlich eng verfolgen.
You’ll never walk alone!
// Tim

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7 thoughts on “Alles Gute, Igor!

  1. Jüngste Debut-Spieler des FCSP? Wenn ich mal raten darf dann sage ich Volker Ippig und Ivan Klasnic. Wenn ich Igor mit den Top-Stürmern Tietz und Kleindienst vergleiche, glaube ich daß er sein Kriegergen noch nicht ausreichend entwickelt hat. Er ist einfach noch zu sehr Jugendspieler. Wenn er einen Mentor findet, der ihm hilft in diesem Bereich zu reifen, kann ich mir eine Karriere im Topbereich nach wie vor vorstellen.

  2. Super Artikel! Seine Entwicklung ist für alle bitter. Dass so ein Jugendlicher es nicht geschafft hat, ist tragisch. Seine Auftritte waren zuletzt grausam, ohne Bindung zum Spiel. Aber es hätte auch ganz anders kommen können. Sturmführer des fcsp, 12 Tore in der Saison. Viel Glück, Igor!

  3. It’s always difficult for players from a club’s youth academy to suceed in the same club first team, because you have to overcome being regarded as a child instead of a valuable player, but in the case of Matanovic, the circonstances and pressure of the unfoding season made it just unbearable for him. That’s the reason why I wish him success all the more

  4. Zufällig weiß ich, dass der jüngste jemals eingesetzte Spieler Michel Klagholz in der damaligen Regionalliga war.
    Den zweiten weiß ich nicht. Klasnic war schon 18 bei seinem ersten Einsatz. Ich tippe auf Jonathan Bourgault oder Christian Rahn. Beide spielten definitiv schon mit 17.

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