Buchrezension: 30 Jahre Fanladen

Buchrezension: 30 Jahre Fanladen

„Keine Atempause – Geschichte wird gemacht! – 30 Jahre Fanladen St.Pauli“ Es gibt viele wirklich schlimme Folgen der Pandemie und einige „first world problems“. Zu Letzteren gehört, dass der Fanladen seinen 30. Geburtstag im Jahre 2020 nicht feiern konnte. Immerhin: Zum 31. Geburtstag erscheint jetzt ein Buch zum 30. Geburtstag. Ja, den Satz kann man ruhig zwei Mal lesen, macht nichts.

Die Anschaffung

Was bei Buchrezensionen eher selten erwähnt wird, ist der Beschaffungsweg. Interessiert meist niemanden und könnt Ihr ja alle machen wie Ihr wollt. Hier ist das aber etwas anders, denn im Buchladen Eurer Wahl wird es das Buch aller Voraussicht nach erst mal nicht geben, von Online-Großhändlern ganz zu schweigen.
Aktuell empfiehlt der Fanladen daher zwei Möglichkeiten, nämlich „Click & Collect“ über das Museum und Versand über den Fanladen-Shop selbst. Beim Museum habt Ihr (Stand: 07.März) die Möglichkeit, das Buch donnerstags und samstags abzuholen. Beim Fanladen kommen noch 4,90€ Versand zu den 19,90€ für das Buch.
Moment… 19,90€? Sind die denn doof? Warum nicht 19,10€?!? Weil es eben nicht das Buch zum Geburtstag des Vereins ist und der Fanladen wurde wann gegründet? Genau.
Ich habe mich aus Zeitgründen für den Fanladen-Shop entschieden, die Bestellung lief problemlos und das Buch war am nächsten Tag hier.

Die Grundlage und Vorgeschichte

Evtl. erinnern sich einige von Euch noch an das Buch zum 15. Geburtstag, welches 2005 erschien und inzwischen überall vergriffen ist. Dieses war eher eine klassische Chronik und bis heute bei mir ein beliebtes Nachschlagewerk für allerlei Gegebenheiten der Fanszene aus diesen frühen Jahren.
Für das neue Buch wurde eine andere Herangehensweise gewählt, es ist eher ein Sammlung einzelner Geschichten – die natürlich trotzdem zusammen eine gewisse Chronik ergeben.
Herausgekommen sind 180 Seiten „Paperback“ im DIN A4-Format, komplett in bunt und reich bebildert, wie oben erwähnt für 19,90€ zu erwerben.

Die Kapitel

Neben vielen kleineren Geschichten gibt es vorab einen separaten Bereich, der sich mit dem Stadionbau beschäftigt. Was das mit dem Fanladen oder der Fanszene zu tun hat? Alles, absolut alles.
Im Jahre 2005 war der Fanladen schließlich noch in der Brigittenstraße (der dritte Standort nach Grünem Jäger und Thadenstraße), inzwischen ist man natürlich längst im Stadion, im Bauch der Gegengeraden angelangt. Auf dem Weg dort hin gibt es aber natürlich mit dem Vereinsmuseum (statt „Goliathwache“) und den Fanräumen jede Menge zu berichten – alles was heute selbstverständlich ist, musste ja erst mal finanziert und teilweise erstritten werden. Insbesondere für alle, die erst in den letzten paar Jahren dazugekommen sind, sicherlich eine lesenswerte Aufarbeitung. Und für alle, die das eng verfolgt haben – ich hatte vieles davon schon wieder verdrängt.

Danach geht es um Fanaktionen und Prägende Momente, wobei die Grenzen hier durchaus fließend sind.
Bei den Fanaktionen nimmt die Chronik der Antira-Turniere einen großen Teil ein, die einfach auch wunderbare Erinnerungen an die Turniere seit 2004 an der Kollaustraße und im Millerntor hervorruft.
Anschließend stellen sich verschiedene Gruppen wie der Fanclub-Sprecherrat, Nord-Support, der Supportblock, Netzwerk Gegengerade vor oder es wird auf den Umzug der Ultras in den Süden oder den 15. Geburtstag von USP zurückgeschaut. Auch Giovanile, die U18, Kiezkick und die Braun-Weiße Hilfe stellen sich vor, ehe der Bereich mit dem „Bielefelder Kessel“ ein eher unschönes Ende findet, welches durch den Rückblick zwei Jahre später auf die erlebte breite Solidarität aber eben doch etwas Positives hat.

Bei den Prägenden Momenten wird an das durchaus nicht ungefährliche Einschreiten von drei Einzelpersonen gegen Chemnitzer „Hakenkreuzfahnen“ erinnert, ebenso werden der Konflikt mit Corny Littmann, der Beschluss zum Behalten des Stadionnamens durch die Mitgliederversammlung, der Angriff auf das Jolly durch die Polizei und die Blockade der Süd beim Heimspiel gegen Hansa Rostock aufgearbeitet. Allesamt Konflikte, die man sich größtenteils aus heutiger Sicht so nicht mehr vorstellen könnte, die aber dann eben vielleicht doch immer nur ein paar personelle Wechsel an entscheidenden Positionen entfernt sind.
Der Aufstieg 2010, die Derbys (1. & 2. Liga) und der Eklat beim Schweinske-Cup 2012 sind weitere Themen der Fanszene mit (im weitesten Sinne) Fußballbezug.
Politischer wird es dann bei „Refugees Welcome“ und der Vorstellung des FC Lampedusa, sowie bei den Berichten von den organisierten Fahrten des Fanladen zu den Gedenkstätten in Auschwitz-Birkenau und Theresienstadt oder der U18-Fahrt nach Israel. Auch die chronologische Auflistung und Beschreibung des seit 2010 jährlich durch den Fanladen begangenen Holocaust-Gedenktag passt gut in diesen Bereich.
Abschluss dieses Themas ist dann der Bericht von einem „ganz normalen Arbeitstag“ beim Testspiel im Sommer 2019 beim SC Heerenveen – schon bei der vom Fanladen durchgeführten Lesung ein Highlight, dabei war das fantastische Ende dieser Geschichte uns dort noch vorenthalten worden. „Alle bekloppt!“, um auch hier mal Justus zu zitieren.

Fazit

Naja, das kann nun niemanden überraschen: Als Fan des FC St.Pauli solltet Ihr die Anschaffung dieses Buches nicht nur in Erwägung ziehen, sondern schnellstmöglich hinter Euch bringen, spätestens wenn der Fanladen wieder regulär seine Türen öffnen darf. Für Fans anderer Vereine dürfte es ebenso lesenswert sein, was in einer Fanszene mit entsprechendem Organisationsgrad und Willen zu erreichen ist.
Vielen Dank an Maleen und Julian, die maßgeblich das Projekt dieses Buches vorangetrieben haben.
180 Seiten Erinnerungen an die Jahre 16-30 des Fanladens – ich bin schon jetzt sehr gespannt, ob 2035 zum 45. Geburtstag dann auch endlich über den Arbeitsablauf bei europäischen Pflichtspielen geschrieben werden kann.

Bleibt gesund!
// Maik

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