Ohlsson verletzt – und jetzt?

Ohlsson verletzt – und jetzt?

Sebastian Ohlsson hat eine „Muskelverletzung im Adduktorenbereich“ wie der Verein eher im Nebensatz kurz nach dem Testspiel in Bielefeld verkündete. Das passte ziemlich gut zusammen mit dem, was viele von uns bereits per Ferndiagnose bei seiner Auswechslung in Osnabrück mutmaßten. Somit wird Ohlsson vorerst ausfallen. Wer kann ihn ersetzen?
(Titelbild: Peter Böhmer)

Klar, so richtig ersetzbar wird Sebastian Ohlsson nicht sein. Zu stark hat er im Saisonverlauf in der Defensive gespielt. Es wirkt vermutlich nicht so, aber Ohlsson führt eine Menge, eine große Menge an Defensiv-Zweikämpfen und ist mit 10.6 Defensiv-Zweikämpfen pro 90 Minuten auf Platz 4 der Liga zu finden (mit insgesamt 250 Duellen hat er die meisten der gesamten Liga geführt). Von dieser Vielzahl an Duellen hat er mehr als zwei Drittel gewonnen (über 68%), eine richtig starke Quote. Dadurch wird klar, welche Bedeutung ein Ausfall von Ohlsson für das Spiel des FCSP haben kann.
Schauen wir uns mal an, wie der FC St. Pauli diesen Ausfall, der evtl auch noch länger als nur das Spiel in Braunschweig andauern wird, kompensieren kann.

Zunge raus, das Zweikampf-Monster kommt!
(c) Peter Böhmer

Adam Dźwigała

Als Ohlsson gegen Kiel und Bochum ausgefallen ist, hat der FCSP mit Adam Dźwigała auf der Position des Rechtsverteidigers gespielt. Das mag auf den ersten Blick etwas komisch wirken, dass anstelle von Ohlsson ein nomineller Innenverteidiger ins Team rückt, ist aber aufgrund der erwähnten Stärke in den Zweikämpfen auch ein wenig die logische Konsequenz. Nachdem Dźwigała gegen Kiel einen sehr überzeugenden Job gemacht hat (Ohlsson fehlte gelbgesperrt), war er im Spiel gegen Bochum in der ersten Halbzeit mit dem Tempo seines Gegenspielers Holtmann schlicht überfordert (aber wer wäre es nicht bei dem Tempo).

Trotzdem ist Dźwigała ein Spieler, der diese Position spielen könnte, vor allem dann, wenn der Gegner nicht das höchste Tempo auf der Seite ins Spiel bringt. Allerdings müsste der FCSP dann damit leben, dass in der Offensive eher weniger über die rechte Seite gehen würde. Denn während Ohlsson im Schnitt zwei Flanken schlägt und knapp fünf offensive Duelle pro Spiel bestreitet, hat Dźwigała in beiden Statistiken noch eine Null auf der Haben-Seite stehen.

Luca Zander

Der logische Ersatz für einen Rechtsverteidiger ist natürlicher ein anderer Rechtsverteidiger. Luca Zander dürfte auch die offensiven Ansprüche an die Position erfüllen: Er schlägt durchschnittlich sogar mehr Flanken und bestreitet mehr Offensiv-Duelle als Ohlsson, wenn er auf der Rechtsverteidiger-Position spielt.

Aber die Stärke von Ohlsson liegt vor allem in der Defensive (ohne seine Stärken im Offensiv-Spiel zu schmälern). Kann Zander da mithalten? Die Daten sagen ja. Luca Zander gewinnt nur marginal weniger Duelle als Ohlsson, ist bei Kopfbällen sogar stärker und weist eine ähnlich hohe Anzahl an abgefangenen Bällen (6.5 Interceptions pro Spiel) wie Ohlsson auf. Zudem verfügt Zander noch über erheblich mehr Geschwindigkeit und könnte dem eigentlich linkslastigen Aufbauspiel des FCSP so noch etwas mehr Gleichgewicht geben. Eine perfekte Alternative also? Nicht ganz…

Stark in direkten Duellen offensiv und defensiv – Luca Zander
(c) Peter Böhmer

Denn Sebastian Ohlsson ist nicht nur im physischen Bereich enorm stark, er ist auch ein sehr zuverlässiger Passspieler. Knapp 80% seiner Pässe finden einen Mitspieler. 70% seiner Pässe nach vorne sind erfolgreich und die gleiche Quote weist er bei Pässen ins finale Drittel auf. Zander hingegen hat generell auf der RV-Position eine Passquote von 65% und nur jeweils knapp mehr als die Hälfte aller Zuspiele vorwärts und ins finale Drittel finden einen Mitspieler. Das ist ein gewaltiger Unterschied.
Übrigens ist die Datenlage zwar etwas dünn, aber Adam Dźwigała hat tatsächlich alle seine Pässe ins finale Drittel an den Mitspieler gebracht, wenn er als Rechtsverteidiger gespielt hat.

Jannes Wieckhoff

Auf Datenbasis ganz schwer einzuschätzen ist Jannes Wieckhoff, der überhaupt erst viermal für den FCSP in dieser Spielzeit auf dem Platz stand. Hierbei zeigte er aber, dass er gerade offensiv eine echte Bereicherung sein kann (und ist entsprechend im Bereich der offensiven Duelle sehr viel aktiver als Ohlsson). In seinen Spielen als rechter Flügelverteidiger hat er jedoch auch weniger als jedes vierte Defensiv-Duell gewonnen. Ein direkter Ersatz für Ohlsson ist Wieckhoff sicher nicht. Zu unterschiedlich ist die Spielweise. Aber die Daten sind auch etwas schwer miteinander zu vergleichen, da Wieckhoff seine Spiele vornehmlich als rechter Flügelverteidiger bestritten hat und die Ansprüche an diese Position etwas anders sind.

Die Formation

Vielleicht braucht es aber auch keinen direkten Ersatz. Vielleicht bietet sich durch den Ausfall von Ohlsson auch eine tiefgreifende Umstellung der Formation an. Zugegeben, in diesem Spiel, das für das Thema Klassenerhalt so etwas wie die endgültige Vorentscheidung sein könnte, vom funktionierenden 4-4-2 auf ein 3-5-2 umzustellen, ist sicher nicht die erste Idee, auf die man kommen könnte. Eine Umstellung würde aber wieder eher für einen Einsatz von Jannes Wieckhoff sprechen. Aber es würde wohl bedeuten, dass entweder Finn Ole Becker oder aber Rodrigo Zalazar nicht in der Startelf stehen würden. Könnt ihr euch das vorstellen? Ich auch nicht.

Offensiv eine Wucht, defensiv eine Wundertüte – Jannes Wieckhoff
(c) Peter Böhmer

Beenden wir dieses Gedankenspiel mit der Formation also schnell wieder. Sollte der FCSP den Klassenerhalt vorzeitig dingfest machen, wird das sicher wieder ein Thema werden, vor allem dann, wenn es im Mittelfeld mal verletzungsbedingt zu Änderungen kommen muss.

Für die Rechtsverteidiger-Position bieten sich dem Trainer-Team mehrere Optionen:
Mit Adam Dźwigała dürfte der FCSP etwas mehr in die Variante „Sicherheit“ gehen, da er, wenn der Gegenspieler nicht Gerrit Holtmann heißt, seine Zweikampfstärke ausspielen kann. Zusätzlich ist Dźwigała enorm passsicher, was, zwar nicht in der gleichen Frequenz wie bei Ohlsson, durchaus der Offensive des FCSP weiterhelfen kann.
Mit Luca Zander würde der FCSP etwas mehr in die Variante „Offensive“ gehen. Zander ist offensiv sogar etwas besser als Ohlsson einzuschätzen und ist auch defensiv in direkten Duellen überraschend stark (in der Luft sogar etwas stärker als Ohlsson). Allerdings ist sein Passspiel ausbaufähig bzw. spielt er immer mit relativ viel Risiko, sodass er deutlich mehr Bälle verlieren dürfte als Dźwigała und Ohlsson.
Die Variante „Risiko“ heißt Jannes Wieckhoff. Der hat bisher erst sehr wenig gespielt, und das auch meist nicht auf der Position des Rechtsverteidgers, hat dabei aber durchaus nachgewiesen, dass er ein richtig wichtiger Impuls für die Offensive sein kann. Allerdings dürfte er, aufgrund seiner Quote in den Defensiv-Duellen, wohl nur auflaufen, wenn der FCSP das offensive Spiel der Braunschweiger auf dieser Seite qualitativ etwas schwächer einschätzt als den Liga-Durchschnitt.

Mein Tipp: Der Mittelweg namens Luca Zander wird es werden.

// Tim

(sämtliche Statistiken, sofern nicht anderweitig markiert, kommen von Wyscout)

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

Print Friendly, PDF & Email

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert