Rainer Wulff: Tschüss, Stimme vom Millerntor!

Rainer Wulff: Tschüss, Stimme vom Millerntor!

In der Nacht zu Mittwoch ist mit Rainer Wulff ein großer St. Paulianer verstorben. Mach es gut, Rainer! Wir hoffen, die haben da oben für Dich stets einen schönen Wein, gute Bücher und die Möglichkeit, Deinen FC St. Pauli zu verfolgen. Unser tiefes Mitgefühl gilt Rainers Ehemann Torsten, seinen Angehörigen und Freunden.

Ich gehe seit 1994/95 regelmäßig ans Millerntor, da warst Du schon einige Jahre (seit 1986) im Amt. Bis zum Ende Deiner Stadionsprecherkarriere, etwa 23 Jahre später, kannte ich also gar keinen anderen Stadionsprecher. Viele, die nicht so häufig in anderen Stadien unterwegs waren, werden Dich und Deine hanseatisch zurückhaltende Art sicher auch geschätzt haben. Aber wer einmal den ganz normalen Wahnsinn anderer Arenen erleben musste, in denen Stadionsprecher sich selbst in den Mittelpunkt rücken und so tun, als wären die Fans ihretwegen da – die mussten Dich umso mehr ins Herz schließen. Und das ist von vielen guten Gründen sicher noch der Unerheblichste.

Im Jahr 1977 bist Du nach Hamburg gekommen. Auch mit dem anderen Hamburger Verein hast Du Dich mal kurz beschäftigt, aber das Herz wurde schnell braun-weiß. Bis zu Deinem Karriereende hast Du den Job als Berufung verstanden und ehrenamtlich dem Verein Deine so ruhige und angenehme Stimme gegeben. Die Anekdote Deines ersten Spiels im September 1986 gegen Rot-Weiß Oberhausen, als Du nach dem 4:1 sagtest: „In zwei Minuten melde ich mich mit dem 5:1 wieder!“, was Dir einen Rüffel von Trainer Willi Reimann einbrachte, dürfte prägend gewesen sein. Denn dass Gästefans am Millerntor auch stets respektvoll und als „Gäste“ im Wortsinne behandelt wurden, war maßgeblich auf Deine Person zurückzuführen.

Dank Dir gab es nie diesen „Danke! Bitte!“-Quatsch (Du hast das mal als „grenzdebil“ bezeichnet. Danke dafür!) und viele andere verbalen Unfälle, die sonst so üblich sind. Und es gibt viele weitere Beispiele. Sei es die Hymne des gegnerischen Vereins am Millerntor, die Du eingeführt hast, sei es die korrekte Aussprache der Namen der gegnerischen Spieler, für die Du später sogar eine Datenbank erstellt hast, um sie auch anderen Vertreter:innen Deines Fachs zugänglich zu machen. Oder auch mal ein kritischer Hinweis über die Stadionlautsprecher an die eigenen Fans, wenn Dir Aktionen der Heimfans nicht so ganz gefielen.

Abseits einiger Fantreffen in diversen Jahren, haben wir beide uns dann erst 2017 etwas besser kennengelernt. Zu der Zeit hatten wir Dich angefragt, ob Du Gast in unserer Monatssendung sein wollen würdest – und Du sagtest bereitwillig zu. Mehr noch, nach Deinem „Karriereende“ hast Du Dich dann gemeldet und gesagt, Du würdest gerne nochmal wieder kommen und wir blieben auch später noch lose in Kontakt.

Was für ein wunderbarer Mensch Du warst, wird in beiden Sendungen auch jeder Hörer:in klar. Wie schnell Du Teil der „Gruppe“ warst, wie Du Dich in die Gespräche eingefügt hast und mit welcher Leichtigkeit Du witzige und ernste Themen behandelt hast, war einfach toll und machte das Zusammensein mit Dir so angenehm.

Deine Hilfe für das Vereinsmuseum, die Moderation diverser Vereinsveranstaltungen, die Lesungen in der Mathilde-Bar und vieles andere mehr. Zuletzt hast Du beim Millerntalk-Podcast des Abendblatt die jeweiligen Gäste vorgestellt, in der Dir eigenen Art – und nicht selten hatte man das Gefühl, gerade die langjährigen Ex-Spieler des Vereins waren davon sehr gerührt. Zumindest ich habe allein deswegen bisher keine Folge verpasst – nicht nur dort wirst Du sehr fehlen.

Lieber Rainer, Du warst einer von uns und Du wirst es immer bleiben.
Tschüss, Rainer, Du fehlst!
// Maik

Links:
– Nachruf von Christoph Nagel (fcstpauli.com)
– Erinnerungsvideo vom FC St. Pauli-Museum (YouTube)
Datenbank Aussprache Spielernamen

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4 thoughts on “Rainer Wulff: Tschüss, Stimme vom Millerntor!

  1. Für mich war Rainer tatsächlich von meinem ersten St.Pauli Spiel an (1986) DIE Stimme des Millerntors.
    Ich durfte ihn leider nur einmal persönlich treffen, als ich mal eine dieser legendären Obstkisten gewonnen habe und nach dem Spiel in der Sprecherkabine abholen durfte.
    Bin traurig 🙁

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