Positive Erinnerungen an Mainz

Positive Erinnerungen an Mainz

In der ersten Hälfte der Sommervorbereitung präsentierte sich der FC St. Pauli erfolgreich mit veränderter Spielidee, die an ein anderes Team der Vorsaison erinnert.
(Titelfoto: Alex Grimm/Getty Images/via OneFootball)

Die Sommervorbereitung des FC St. Pauli feierte kürzlich Bergfest: Der 28. Juli markierte genau die Mitte zwischen dem Trainingsstart am 03. Juli und dem Bundesliga-Auftakt gegen Borussia Dortmund am 23. August. Und auch wenn der FCSP die österreichischen Berge da bereits verlassen musste, so wird das Bergfest sicher eher eine positive Angelegenheit sein. „So wie es bisher gelaufen ist, habe ich wirklich ein sehr gutes Gefühl“, erklärte Alexander Blessin Mitte dieser Woche. Weil die vergangenen Wochen ziemlich gut gelaufen sind für den FC St. Pauli.

Zweite Hälfte der Vorbereitung mit Fokus auf das Offensivspiel

Dabei war zu Beginn alles andere als klar, in welche Richtung sich das entwickeln würde. Zugegeben, das ist es immer noch nicht. Denn ehe nicht einige Spiele in der Bundesliga gelaufen sind, lässt sich keine verlässliche Aussage zur Qualität von Kader und Spielidee eines Teams treffen. Doch die Anzeichen verdichten sich, dass es beim FCSP – obwohl kein einziger der neu verpflichteten Spieler Bundesligaerfahrung hat – einen kleinen Qualitätssprung gegeben haben könnte, auch weil einige Spieler einen Leistungssprung gemacht zu haben scheinen. Dieser Qualitätssprung eröffnet Trainer Alexander Blessin neue Möglichkeiten bei der Spielidee.

In den bisherigen Testspielen zeigte sich, dass vom FC St. Pauli in der kommenden Saison in Sachen Spielstil eine doch eher große Veränderung zu erwarten ist. Es wird viel intensiver und aggressiver gepresst. Zog sich das Team in der Vorsaison immer wieder in ein kompaktes Mittelfeldpressing zurück, so zeigte es nun in den Vorbereitungsspielen einen wesentlich aktiveren Pressing-Stil, setzte die Gegner viel früher unter Druck. Dazu schieben die Innenverteidiger noch aktiver und mutiger vor, sie verteidigen höher, wenn es sein muss, um den Druck aufrecht zu erhalten. Auch verschiebt das Team deutlicher auf die ballnahe Seite, um die Abstände noch enger zu halten und auch so den Druck aufrecht zu erhalten.

FC St. Pauli zeigt klare Spielidee – und ist damit in den Tests erfolgreich

Die Testspiele haben gezeigt: Die Gegner ließen sich davon beeindrucken. Der FC St. Pauli bestimmte den Rhythmus der Spiele, forcierte viele frühe Ballgewinne oder unkontrollierte lange Bälle des Gegners und ist jeweils das bessere Team gewesen. Nun dürfen Testspiele aber auch nicht zu hoch eingeschätzt werden. Im Sommer 2024 gewann der FCSP ebenfalls gegen ein starkes Team aus Frankreich (1:0 gegen Lyon), konnte im letzten Test sogar deutlich gegen Europokalsieger Atalanta Bergamo gewinnen. Die Saison startete dann mit drei Niederlagen in Serie. Die Ergebnisse der Vorbereitungsspiele sagen also eher wenig aus, Blessin erklärte, dass er viel eher auf die Leistung als auf die Ergebnisse schaut und er da „viele gute Sachen“ gesehen habe, aber eben auch noch Bereiche, in denen sich das Team verbessern kann. Was angenehm auffällt: Der Spielstil des FC St. Pauli ist viel klarer zu erkennen als zum gleichen Zeitpunkt ein Jahr zuvor. Das spricht dafür, dass das Team, nicht wie in der Vorsaison, zum Saisonstart auch in vollem Umfang bereit ist und nicht noch weitere Vorbereitung benötigt.

Auch im Spiel mit dem Ball haben sich ein paar Dinge verändert: Am auffälligsten ist, dass es nun noch schneller nach vorne geht, der FCSP konsequenter die Tiefe sucht. Und wenn es doch ruhigere Phasen gibt, dann ist die hohe Positionierung der Schienenspieler und das dadurch bedingte Einrücken der offensiven Außenbahnspieler interessant. Der FC St. Pauli bildet dann zwar weiter eine Art offensive Dreierkette, allerdings nicht mehr mit den offensiven Außenbahnspielern (wie noch in der Vorsaison). Diese befinden sich oft eher in den offensiven Halbräumen, die Außenpositionen werden von den Außenverteidigern besetzt, es ist dann im Ballbesitz eine Art 3-2-5-Formation. Dass mit Arkadiusz Pyrka und Louis Oppie zwei Spieler für diese Positionen hinzugekommen sind, die ihre Stärken ganz klar im Offensivbereich haben, passt wirklich ganz hervorragend in dieses veränderte Konzept.

HAMBURG, GERMANY - MAY 17: Alexander Blessin, Head Coach of FC St. Pauli 1910 looks on prior to the Bundesliga match between FC St. Pauli 1910 and VfL Bochum 1848 at Millerntor Stadium on May 17, 2025 in Hamburg, Germany. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)
Alexander Blessin arbeitet mit seinem Team aktuell daran, den Spielstil des FC St. Pauli zu verfeinern – die Testspiele haben gezeigt, dass das erfolgreich sein kann. // (Stuart Franklin/Getty Images/via OneFootball)

Bundesliga = Pressing-Liga

Diese hohe Positionierung bei Ballbesitz sorgt für mehr Präsenz im letzten Drittel und damit sicher auch für mehr Offensivgefahr. Genau das hat Alexander Blessin aber auch noch als eine große Baustelle für die zweite Hälfte der Vorbereitung ausgemacht. Es gehe nun darum „Tiefgang, Ausspielen von Torchancen im letzten Drittel, Flanken, das richtige Einlaufen, Box-Besetzung“ zu verfeinern und generell müsse man akribisch daran arbeiten, „unsere Chancen besser zu nutzen.“
Zusammen mit dem aggressiveren Pressing dürfte der FC St. Pauli in der kommenden Saison viel mehr Offensivgefahr ausstrahlen. Aber das ist natürlich nicht ohne Risiko. Die Testspiele haben gezeigt, dass der FC St. Pauli nun etwas verwundbarer bei langen Bällen ist. Auch hier müssen Abläufe noch angepasst werden.

Dieser veränderte Ansatz kann klappen, in den Testspielen klappte es sogar teilweise hervorragend.
Aber in der Bundesliga warten auf den FC St. Pauli andere Gegner als ein Zweitligist (KSC) sowie ein Europapokalteilnehmer aus Dänemark und ein Champions League-Anwärter aus Frankreich, die mit einer B-Elf antreten.
Auch Coventry City, der kommende Testspielgegner, wird in dieser Hinsicht nur bedingt als Gradmesser taugen. Denn während man diese Clubs mit intensivem Pressing noch überraschen kann, während man sie damit noch völlig entnerven kann, dürfte das gegen Bundesligisten etwas anders aussehen. Denn die Bundesliga ist eine Pressing-Liga, so sehr wie sonst wohl keine andere Liga auf der Welt. Das bedeutet: Die dort beheimateten Teams sind hohen Gegnerdruck und aggressives Anlaufen gewohnt – und haben daher Lösungen gegen solche Herangehensweisen parat.

Mainz hat gezeigt, wie es gehen kann

Aber auch gegen den FC St. Pauli? Das wird sich erst im Saisonverlauf zeigen. Die vergangene Saison hat gezeigt, dass es Teams weiterhin gelingen kann, sehr erfolgreich zu sein, wenn Konzepte radikal umgesetzt werden. Denn hohes und intensives Pressing, besonders mit vorschiebenden Sechsern, in einer Formation mit einer Dreierkette und Doppelsechs, zudem extrem weit vorschiebende Außenverteidiger und konsequente Besetzung der Halbräume und strikt vertikales Spiel nach Ballgewinnen – das ist nicht nur die Beschreibung des Spielstils des FC St. Pauli in der Sommervorbereitung auf die Saison 25/26. Es war auch der Stil des 1. FSV Mainz 05 der Vorsaison (die übrigens die drittbeste Defensive der Liga stellten).

Auch wenn der Vergleich aufgrund der unterschiedlichen individuellen Qualitäten in beiden Kadern natürlich etwas hinkt: Die Mainzer haben es mit einem vergleichsweise mittelmäßigem Kader bis in den Europapokal geschafft und damit gezeigt, was ein Team mit einer klaren Identität erreichen kann. Ähnliches, mit einem eher schwachem Kader die Klasse halten, ist in der Vorsaison auch dem FC St. Pauli gelungen. Einfach direkt abgeschaut hat sich der FCSP die Mainzer Spielidee sicher nicht, dafür waren auch in der Vorsaison schon zu viele Elemente davon im FCSP-Spiel zu erkennen. Trotzdem dürften die Mainzer, die unter der Leitung von Bo Henriksen extrem viel Energie versprühen, für den FC St. Pauli ein positives Beispiel sein, was mit der radikalen Umsetzung des eigenen Vorhabens zu schaffen ist.

Also ist das Erreichen des Europapokals das Ziel der kommenden Saison? Mindestens, sowieso. Im Ernst: Es ist sehr schön zu sehen, dass der FC St. Pauli in Sachen Transfers und Spielidee offenbar ganz klare Vorstellungen umsetzt. Das ist aber auch notwendig, um überhaupt eine Chance auf den Klassenerhalt zu haben. Die Prognose, ob dieses Ziel auch erreicht wird, ist aktuell nicht seriös abzugeben. Aber man kann sich sicher sein, dass es bei den Spielen mit FCSP-Beteiligung nun (noch) intensiver zur Sachen gehen wird – und es werden auch mehr Treffer fallen, vermutlich auf beiden Seiten.

// Tim

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10 thoughts on “Positive Erinnerungen an Mainz

  1. Moin Tim,

    danke erst mal für den Überblick – das klingt interessant, vor allem die Einordnung im Bundesligavergleich mit den Parallelen zu Mainz 05.

    Falls sich nicht noch wer verletzt und/oder jemand sehr gutes Neues dazukommt, zeichnet sich die Startelf damit ja schon relativ klar ab:

    Vasily

    Wahl, Smith, Nemeth

    Fujita, Sands

    Saliakas (Pyrka), Pereira Lage, Afolayan, Oppie

    Hountondji (Sinani, der eher als falsche 9)

    Eine Hoffnung und ein Wunsch meinerseits:

    Ich traue einem motivierten Afolayan eine richtig gute Saison zu – vor allem wenn er endlich mehr über seine bevorzugte und starke linke Seite kommen darf. Ein Platz, der ihm ja selten vergönnt war, weil dort ja Saad spielen „musste“, der auf rechts offenbar nicht verwendbar gewesen wäre.

    Mein Wunsch: Viele wollen ja unbedingt noch einen zentralen Stürmer (was natürlich auch nicht schlecht wäre), ich würde mich fast noch mehr über einen starken und vor allem schnellen linken Innenverteidiger freuen (vor allem, wenn wir höher pressen wollen) – mit dem Langzeit-Rekonvaleszenten Mets (der ja auch nicht mehr der Jüngste ist) und dem noch sehr jungen Robatsch ist mir das auf der Position zu wackelig. Denn siehe: Defense wins für uns Klassenerhalt! Quod erat demonstrandum auch 2025/26!

    1. He! Jetzt schreib doch nicht schon die Startelf auf, die ich in meinem nächsten Artikel ausführlich beleuchten wollte 😉

  2. Das Ziel ist und bleibt Platz 15.
    Aaaaaber… es gibt immer wieder eine Mannschaft, die unerwartet oben mitspielt. Letztes Jahr Mainz, davor Heidenheim. Und warum sollten das nicht auch mal wir sein?
    1. Wir hatten letztes Jahr die zweitbeste Defensive und die ist im Kern (Vasilj, Nemeth, Wahl, Smith) zusammengeblieben.
    2. mit Fujita/Sands statt Boukhalfa/Irvine hat unsere Doppelsechs einen echten Quantensprung gemacht.
    3. Die Offensive wurde fast komplett getauscht und dabei jetzt komplett auf die Spielphilosophie des Trainers ausgerichtet.
    4. Die Teamchemie und Teamgeist scheint wirklich hervorragend zu sein.

    hervorragende Teamdynamik, mutige/radikale Spielidee, stabile Defensive, gutes Zusammenarbeiten von Trainer/Sportchef,.. das sind die Zutaten aus denen eine Überraschungsmannschaft gemacht wird. Wenn jetzt die Chancenverwertung noch besser wird…

    Man wird ja noch träumen dürfen..

    1. Sorry, aber die Europapokal-Plätze sind alle für die Fußball-Kapitalgesellschaft aus der Vorstadt reserviert. 🤷‍♂️

  3. Klingt extrem danach, dass wir quasi mit einem Jahr Verspätung den Fußball sehen werden, den Blessin vermutlich schon bei Amtsantritt gerne gehabt hätte. Darauf freue ich mich sehr. Übrigens eine große Qualität des Trainers, dass er seine Idee in der abgelaufenen Saison so reduziert hat, dass sie zum damaligen Kader passte und jetzt mit den passenden Spielern einen neuen Anlauf nimmt. Forza!

  4. Im Spiel gegen Coventry heute konnte man schön sehen, was die Idee Blessins gegen spielbestimmende Mannschaften im 3-4-2-1 ist, aber auch, welche Schwächen es hat:
    a) Nach Ballgewinn sollen entweder direkt steil oder, wie im eigenen Spielaufbau, übers Zentrum per Steil-Klatsch auf die schnellen Außen; in der Regel die Schienenspieler, inszeniert werden. In Halbzeit 1 hat sich unsere Mannschaft einige vielsprechende Angriffe, mehrmals sogar mit Überzahlsituationen, nach diesem Muster erspielt. Freilich scheint das Problem der ungenauen vorletzten und letzten Zuspiele indes auch mit neuem Personal weiterhin zu bestehen. Da hätte man zwingend mehr als einen Pfostenschuss rausholen müssen. Nachdem Coventry mit einer etwas veränderten Positionierung darauf eingestellt hatte, funktionierte das schnelle Weiterleiten generell nicht mehr besonders gut.
    b) Gegen den Ball: Sobald wir nicht konsequent hoch pressen wie gegen die Dänen, ist es in dieser Formation doch relativ einfach, unsere erste Pressingreihe zu überspielen. Dazu muss man nur dafür sorgen, dass man ein Mann mehr in der letzten Reihe hat – schon fehlt es am Zugriff. Dafür hatten wir natürlich einen Mann mehr in der Zentrale, der ohne direkten Gegenspieler war. Nur nützt das eben nicht, wenn überhaupt nicht über das Zentrum aufgebaut wird, wie es Coventry auch gemacht hat, die entweder über die Außen oder gleich mit einem langen Ball den Weg in die Spitze gesucht haben. Zumeist war es Fujita, der Räume sicherte, die für Coventry völlig irrelevant waren. Im Grunde genommen haben die Engländer immer einen der beiden auf diese Weise elegant aus dem Spiel genommen. Hätte Coventry nun noch einen TW gehabt, der etwas mit dem Ball anfangen kann… Hier muss Blessin taktisch defenitiv noch nachbessern!
    c) Im eigenen Spielaufbau: Vor allem bin ich jedoch deshalb nicht so richtig glücklich mit dieser Variante, weil wir eben nicht mit zwei schwimmenden Zehnern spielen, sondern mit drei versetzt agierenden Stoßstürmern: Will sagen, die technische Qualität, die Übersicht und die Kreativität unserer drei Jungs, die heute vorne drin gespielt haben, reicht nicht aus, um auf andere Weise Chancen zu erspielen als über schnell ausgespielte Umschaltsituationen. Dem spielerischen Defizit konnten weder Sands noch Fujita abhelfen. Ich denke, das lag indes weniger an ihnen oder dem starken Gegner, sondern es ist vielmehr ein generelles Problem, wenn man in 3-4-3-Varianten mit zwei zwei defensiv orientierten ZMs agiert und vorne primär wert auf Antrittsschnelligkeit gelegt wird. Sinani mag zwar nicht das Tempo unserer anderen Offensivkräfte haben, aber seine Qualitäten als Spielmacher hätten dem Team heute von Beginn an gut getan. Er war nach der Wechselorgie nicht nur wegen seines Tores ein klarer Aktivposten (Ceesay gegen den Ball übrigens ebenfalls).
    Mein Fazit: Bisher gefällt mir das 3-4-1-2 besser.

  5. Ich war letztes Jahr in Scheffau und dieses Jahr in Flachau und ganz ehrlich: Ich habe ja überhaupt keine Ahnung von dem Bumms, aber das sah für mich dieses Jahr so viel besser aus, als letztes Jahr um diese Zeit.

    Alleine das Tempo!! Alter Vatter!!

    Ich habe richtig Bock.

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