Stick to the plan!

Stick to the plan!

Zwei Niederlagen in Folge und jeweils Probleme beim Toreschießen – doch Zahlen und Stimmen zeigen: Der FC St. Pauli ist auf dem richtigen Weg.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)

„Die Enttäuschung ist wahnsinnig groß.“ – Alexander Blessin war auf der Pressekonferenz nach Abpfiff der Partie des FC St. Pauli gegen Bayer Leverkusen deutlich anzumerken, wie sehr er sich über die 1:2-Niederlage ärgerte. Denn verdient habe der FCSP diese nach seinem Empfinden nicht: „Wir waren in allen Phasen des Spiels richtig gut drin.“ Wie gut der FC St. Pauli in der Partie gewesen ist und welche strittigen Situationen das Spiel vielleicht sogar hätten kippen können, lest ihr im Spielbericht: Ärger, Stolz & Zeitspiel

Defensiv weiterhin stabil

Doch nach all dem Lob für eine gute Leistung, muss auch klar festgehalten werden: Es gibt Gründe für die Niederlage. Diese sind, trotz zweier Gegentreffer, nicht in der Defensive zu suchen. Klar, die Standard-Situation vor dem 0:1 kann besser verteidigt werden, muss sie vielleicht sogar. Ganz sicher darf hingegen Saliakas Gegenspieler Poku vor dem 1:2 nicht aus den Augen lassen. Fußball ist ein Fehlersport und entsprechend lassen sich Gegentore in den meisten Fällen auch auf Fehler zurückführen. Diese gab es in der Arbeit gegen den Ball beim FC St. Pauli natürlich auch. Ist das Spiel gegen den Ball deshalb als Problemzone zu nennen, nachdem es nun im dritten von fünf Spielen der aktuellen Saison zwei oder mehr Gegentreffer gab?

Nein, auf keinen Fall. Denn natürlich machte der FC St. Pauli in der Defensivarbeit Fehler. Aber extrem wenige. Auf gerade einmal fünf Abschlüsse brachte es Bayer Leverkusen. Das ist für den Vizemeister sehr, sehr wenig (in der Vorsaison im Schnitt 13,6 Schüsse pro Spiel, im Jahr davor 17,1).
Klar, auch diese fünf Abschlüsse hätten verhindert werden können. Aber wenn etwas Realismus in die Beurteilung mit einfließt, dann wird sich schon recht schnell die Erkenntnis durchsetzen, dass man eben nicht alles verteidigen kann. Vor allem nicht gegen einen Gegner mit solchen Einzelkönnern wie Alejandro Grimaldo einer ist.

Nein, die Defensivleistung des FC St. Pauli ist nicht der Grund, warum das Team gegen Bayer Leverkusen verlor. Zwar hat sich der FCSP in den fünf Spielen bereits acht Gegentreffer gefangen, doch die tiefergehenden Zahlen deuten darauf hin, dass es bei Aufrechterhaltung dieser Leistungen auf Sicht weit weniger Gegentreffer geben wird. Letzte Saison hat der FC St. Pauli durchschnittlich 10,3 Schüsse zugelassen, diese Saison sind es nur 9 im Durchschnitt. Die Chancengüte hat dabei aber deutlich abgenommen (xG-Wert pro Partie 24/25: 1,4 – 25/26: 1,2). Auch wenn die Gegentore aktuell eine andere Geschichte erzählen, so ist der FCSP bisher eher sogar noch etwas stabiler geworden.

FC St. Pauli erzeugt mehr Offensivgefahr

Ganz anders ist die Situation in der Offensive: Dem FC St. Pauli gelingt auf viele Arten und Weisen, gefährlich vor oder in den gegnerischen Strafraum zu kommen. Mal kombiniert man sich konzentriert bis ins letzte Drittel, mal sucht man direkt den Pass in die Tiefe, nicht selten sind es hohe Ballgewinne – die Vielfalt, mit welcher der FCSP Torgefahr erzeugen kann, begeistert. Es ist ein klarer Fortschritt im Vergleich zur Vorsaison erkennbar (wenngleich sich dieser (noch) nicht so sehr in Form von Toren widerspiegelt). Das sieht auch Eric Smith so: „Wir sind offensiv viel besser geworden im Vergleich zu Vorsaison.“ Und das lässt sich auch aus den Zahlen ablesen:

In der Bundesligasaison 24/25 hat der FC St. Pauli pro Spiel 10,3 Schüsse abgegeben, in den bisher fünf Ligaspielen dieser Spielzeit sind es 12 pro Partie. Und hierbei ist die Chancengüte auch wesentlich höher: Der xG-Wert liegt bei durchschnittlich 1,7 – das ist im Ligavergleich zwar nicht überragend, aber doch weit besser als in der Vorsaison. Da betrug der xG-Wert 1,1, womit man in dieser Statistik abgeschlagen auf Platz 18 lag. Der FCSP ist also klar besser geworden, was die offensive Präsenz angeht. Und auch, was die Torgefahr angeht, denn mehr als ein Viertel der gesamten Tore der Vorsaison erzielte das Team bereits in den ersten fünf Spielen.

„Es muss sein, dass wir solche Bälle besser reinbringen“

Doch das ist eigentlich immer noch zu wenig. Zumindest wenn man sich weitere Zahlen anschaut. Nur Bayern München und Borussia Dortmund haben mehr Pässe als der FC St. Pauli ins letzte Drittel gespielt (die Erfolgsquote unterscheidet sich aber deutlich – darauf fokussieren wir uns in der Länderspielpause in Artikelform). Bei der Anzahl an Ballkontakten im gegnerischen Strafraum und den erfolgreichen Pässen dort liegt das Team jeweils auf Platz acht in der Bundesliga (nach Platz 16 bzw. 17 in der Vorsaison). Doch was fehlt, zeigte sich unter anderem bei der Anzahl an Flanken gegen Leverkusen, da kamen nämlich von 31 gerade einmal vier beim Mitspieler an.

Der FC St. Pauli hat es also geschafft, defensiv stabil zu bleiben und zeitgleich offensiv gefährlicher zu werden. Was fehlt, ist der letzte Punch, der berühmte letzte Pass. Angesprochen darauf erwähnte Alexander Blessin zwei Aktionen vom Samstag. Zum einen beschrieb er eine Flanke von Hountondji in der ersten Hälfte, die (entgegen der Ansage) hoch in den Strafraum flog, aber eigentlich laut FCSP-Coach flach zwischen Innenverteidiger und Torhüter gespielt werden sollte. „Da muss man vielleicht nochmal besonders den Finger drauflegen, es im Training nochmal thematisieren. Es muss sein, dass wir solche Bälle besser reinbringen“, so Blessin. Dann sprach er noch eine zweite Szene aus der Partie an, die Schusschance von Fujita in der 68. Minute: „Wir können in dieser Situation auch nochmal rauslegen, Martijn stand da.“ Da müsse man, so Blessin, „die Ruhe bewahren, vielleicht nochmal rausspielen. Wobei er in dieser Situation auch schießen kann, aber dann muss er das Tor treffen.“

Von solchen Szenen gab es nicht nur gegen Leverkusen, sondern auch in den anderen vier Ligaspielen eine ganze Menge. Dem FC St. Pauli gelingt es sehr gut, sich bis in gefährliche Zonen auf dem Platz hineinzuspielen, doch dann sitzt noch nicht alles sattelfest. Blessin: „So wie wir in die Box reingegangen sind, das war überragend teilweise. Der richtige letzte Pass, der hat ein bisschen gefehlt. Wir müssen uns immer wieder Dinge anschauen, die wir verbessern können, das ist eine Sache.“

Hamburg, Deutschland, 27.09.2025, Millerntor-Stadion, FC St. Pauli - Bayer 04 Leverkusen Joel Chima Fujita (FC St. Pauli) ärgert sich über eine vergebene Chance im Spiel gegen Bayer Leverkusen. Copyright: Stefan Groenveld
Joel Chima Fujita ärgert sich über seine vergebene Chance gegen Bayer Leverkusen. Er kann, wie auch alle anderen Spieler des FC St. Pauli (Hauke Wahl natürlich ausgenommen) noch kaltschnäuziger vor dem gegnerischen Tor werden.
// (c) Stefan Groenveld

Bitte genau so weitermachen!

Das wäre dann tatsächlich vermutlich das fehlende letzte Puzzle-Teil, damit der FC St. Pauli in dieser Saison auch Gegner wie Bayer Leverkusen dominiert. Letzte Saison gehörte zu solchen Spielen auch immer ein Gegner, der nicht in Bestform antrat, bei dem es nicht so richtig lief. In dieser Spielzeit ist das anders, der FC St. Pauli kann den Spielen viel deutlicher seinen eigenen Stempel aufdrücken, gegner-unabhängig. Damit das gelingt, damit alle Facetten des FCSP-Spiels passen, muss aber zum Beispiel das Energielevel oben bleiben. Das Spiel gegen Leverkusen, da waren sich alle Beteiligten einig, war eine gute und wichtige Reaktion auf die (in der ersten Halbzeit) energiearme Vorstellung gegen Stuttgart. Umso mehr schmerzte Alexander Blessin die Niederlage, „weil es eine richtig gute Leistung von den Jungs war.“

Wie kann die Effizienz vor dem gegnerischen Tor also gesteigert werden? Zum einen natürlich mit steigender Erfahrung. Es darf nicht vergessen werden, dass auch am Samstag wieder vier Spieler in der Startelf standen, die in der Vorsaison noch nicht in der Bundesliga spielten, teilweise in deutlich niedrigeren Ligen aktiv waren. Angesprochen auf die noch nicht ganz ausgereifte Gedankenschnelligkeit von zum Beispiel Louis Oppie und Andreas Hountondji wurde Blessin deutlich: „Guck doch mal, wo die herkommen. Andreas ist 22, Louis 23 Jahre alt. Louis kommt aus der dritten Liga, Andreas hat Spiele in Lüttich gemacht. Natürlich ist das (die Bundesliga) nochmal ne andere Hausnummer. Wenn sie die Leistung schon adaptiert hätten, dann würden sie woanders spielen.“

Somit gibt es also immer Themen beim FC St. Pauli, die behandelt werden müssen, der Prozess ist nie abgeschlossen, Zufriedenheit gibt es nicht. Für Blessin ist der vorhandene Schmerz über die Niederlage sogar ganz gut: „Es muss wehtun. Ich glaube nur so kommt ein schneller Lerneffekt zustande.“
Was aber sicher nicht passieren darf, ist die Erwartungen zu schnell zu hoch zu schrauben und deshalb nach einer ärgerlichen Niederlage gegen Leverkusen krampfhaft Dinge verändern zu wollen. Denn auch wenn zwei Niederlagen in Folge einen kleinen Dämpfer darstellen: Die Richtung stimmt, der Entwicklungsschritt des FC St. Pauli im Vergleich zur Vorsaison ist klar ersichtlich. Bitte genau so weitermachen, nicht vom Weg abbringen lassen. Stick to the plan!

// Tim

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3 thoughts on “Stick to the plan!

  1. Mal ganz nüchtern betrachtet. Wir hatten Ligaspiele in den wir gegen den Vizemeister, den Pokalsieger und den Tabellen Vierten gespielt haben und nur in einem Spiel sahen wir schlecht aus.
    Die Spiele die wir gewinnen müssen um in der Liga zu bleiben haben wir gewonnen. Alles weitere ist Bonus.
    So wie die Mannschaft spielt bin ich überzeugt wir schaffen den Klassenerhalt.

  2. Wir haben zudem mit Dortmund, Leverkusen und Stuttgart bereits 3 Schwergewichte als Gegner gehabt. Da sind 7 Punkte und auch die von dir erwähnten Statistiken einfach richtig stark. Mit Bremen, Hoffenheim, (Frankfurt), Gladbach und Freiburg kommen jetzt Gegner, wo die Chance was zu holen wesentlich höher ist und wenn wir die bislang gezeigten Leistungen bestätigen, dann können wir da hoffentlich ein fettes Polster auf Platz 16 aufbauen.

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