Eintracht Frankfurt ist ein Team, das offensiv so stark ist, wie es defensiv schwach ist. Was am Samstag relevanter ist, entscheidet auch der FC St. Pauli.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Die Erinnerungen sind noch frisch und sie sind gut: Am 33. Spieltag der Vorsaison holte der FC St. Pauli in Frankfurt einen Punkt und sicherte sich damit den Klassenerhalt (wenngleich es damals zumindest noch rechnerisch möglich war abzusteigen). Ein Erfolgserlebnis in Frankfurt wäre auch jetzt, nach vier Niederlagen in Folge, wieder hilfreich, um dem Klassenerhalt ein Stück näher zu kommen. Doch Personalsorgen lassen dieses Unterfangen nicht einfacher werden.
FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?
David Nemeth und Ricky-Jade Jones fallen für das Spiel in Frankfurt sicher aus. Im Fall von Jones dürfte es sich aber nur noch um Wochen handeln, bis er wieder einsatzfähig ist, bei Nemeth dürfte das noch länger dauern. Bereits letzte Woche haben sich Karol Mets und Jackson Irvine aus diesem Lazarett verabschiedet und dass sie zurück sind, ist für den FC St. Pauli extrem wichtig.
Sands-Ausfall droht, Fujita wieder dabei
Es könnte allerdings jemand ausfallen, der so leicht nicht zu ersetzen scheint: James Sands hatte sich bekanntlich am vergangenen Sonntag kurz vor Schluss am Kopf verletzt und durchläuft laut Alexander Blessin das von der DFL vorgegebene Rückkehr-Protokoll. Wir haben das am Mittwoch mal dargestellt, wie das alles abläuft und können sagen: Selbst wenn Sands alle Schritte des Protokolls ohne Rückfälle durchläuft, so dürfte wohl erst am Spieltag selbst klar sein, ob er auch spielen kann. Da ein Fehlen von Sands eine größere taktische Umstellung bedeuten könnte, dürfte allein schon diese Unsicherheit alles andere als optimal für die Spielvorbereitung sein.
Alexander Blessin ist daher auch sehr skeptisch, sagte auf der Pressekonferenz, dass ein paar Tage mehr gut getan hätten und das es eine „enge Kiste“ mit einem Einsatz von Sands werde. Immerhin erlebt der FC St. Pauli nicht den Super-GAU auf der Doppelsechs. Denn einem Einsatz von Joel Fujita, der zur Wochenmitte aufgrund einer Erkältung ausgesetzt hatte, ist wieder voll dabei und wird am Samstag spielen können.

Eintracht Frankfurt: Wer kann spielen, wer fehlt?
Eintracht Frankfurt hat am Mittwoch in der Champions League gegen Liverpool eine herbe Pleite kassiert, dabei teilweise das Stamm-Personal geschont. Wer genau wie einsatzbereit am Samstag sein wird, erfahren wir am Freitag auf der Pressekonferenz. Ausfallen werden aber sicherlich Außenverteidiger Elias Baum und Mittelfeldakteur Oscar Højlund, die an Muskelverletzungen laborieren.
Was hat die Eintracht zu bieten?
Viel Spektakel, ganz sicher. Spiele der Eintracht können in dieser Saison alles sein, aber sicher nicht langweilig. Nur in der Partie gegen den FC Bayern fielen weniger als vier Treffer (drei). Tore sind also fast garantiert. Für beide Seiten, denn Frankfurt besticht mit großartiger Offensive, aber das extrem junge Team (mit 24,1 Jahren das jüngste Durchschnittsalter der eingesetzten Spieler) hat eben auch eine anfällige Defensive.
SGE erst einmal torlos…
Fangen wir mit der Offensive an: Die 0:3-Niederlage gegen die Bayern war nicht nur besonders, weil sie das bisher einzige Saisonspiel mit weniger als vier Treffern war, sondern es war auch die einzige Partie, in der die Eintracht nicht auch selbst mindestens einen Treffer erzielte. „Vorne haben sie sehr viel Speed und Abschlussstärke“, erklärte Blessin. Vor allem ist dieses Tempo und die Abschlussstärke nicht auf einzelne herausragende Spieler runterzubrechen. Frankfurt ist sowohl individuell, aber auch kollektiv stark. Can Uzun (19 Jahre!) hat bereits zehn Torbeteiligungen, Farès Chaïbi (22 Jahre) sechs, Ritsu Doan (27 Jahre alt, voll der Oldie!) acht, dazu Jean-Mattéo Bahoya (20), Ansgar Knauff (23) und sogar der aktuell nicht mehr berücksichtigte Elye Wahi (22) vier. Dazu hat das Team nach den millionenschweren Abgängen von Omar Marmoush und Hugo Ekitike mit Jonny Burkardt (bereits sieben Treffer) einen klaren offensiven Fixpunkt im Kader.
Diese Offensivstärke ist ganz schwer zu verteidigen. Und angesichts dessen wirken die Worte von Blessin: „Wir wollen den Fokus wieder mehr darauf legen, erstmal kein Gegentor zu kassieren und die Null zu halten“ sehr, sehr, sehr ambitioniert. Nochmal: Eintracht Frankfurt hat erst in einem Spiel (alle Wettbewerbe) in dieser Saison keinen eigenen Treffer erzielt. Ob der FC St. Pauli, der sich in sechs von sieben Ligaspielen mindestens einen Gegentreffer fing, da wirklich die Null halten kann? Es ist ein ambitioniertes Vorhaben. Allerdings auch eines, was so gut wie sicher mit mehr als einem Punkt belohnt werden würde.
…aber auch erst einmal zu Null!
Denn Eintracht Frankfurt hat nur in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen Fünftligist FV Engers selbst die Null halten können. Die Anzahl an Gegentreffern (18 – Ligaspitze) erscheint geradezu irrwitzig für einen Club, der in der Champions League spielt. Das 2:2 gegen Freiburg war das erste Bundesligaspiel seit dem 3:1 gegen Hoffenheim am zweiten Spieltag, in dem sich die Eintracht nicht mindestens drei Gegentreffer fing. In der Königsklasse gab es einen fetten 5:1-Erfolg gegen Galatasaray, dann setzte es erst ein 1:5 gegen Atletico Madrid und nun das gleiche Ergebnis gegen Liverpool. Nie war die Frage nach den Schwächen des kommenden Gegners so leicht zu beantworten, wie in diesem Fall. Auch wenn Eintracht Frankfurt einen Europapokal-Kader hat, so stellt Blessin offen fest: „Uns ist nicht entgangen, dass sie in den letzten Ligaspielen sehr hoch standen und eine gewisse Anfälligkeit hatten.“
Anfällig im Sechserraum und auf der Außenbahn
Schaut man sich die Spielweise der Eintracht an, dann ist schon auffällig, dass die Defensivprobleme des Teams vielfältig sind. Eine der größten Baustellen: Ihnen gelingt es nicht immer, das hohe Pressing komplett durchzusichern. Oft schafften es gegnerische Teams in dieser Saison, das Angriffspressing der Eintracht mit recht simplen Mustern derart zu umspielen, dass der Sechserraum der SGE offen war. Das ist auch eine Chance für den FC St. Pauli, dem es in diesen Fällen gelingen muss den (ballfernen) Sechserraum zu erreichen. Zudem ist die Eintracht anfällig über die Außenbahnen beziehungsweise dann, wenn dort direkte Duelle gesucht werden, wie in diesem wirklich sehr interessanten Text total anschaulich und schonungslos dargestellt wird.
So muss sich der FC St. Pauli also mit einer absoluten Mammutaufgabe namens SGE-Offensive befassen, könnte aber bei mutiger Idee und konsequenter Umsetzung auch zu einigen guten Gelegenheiten kommen. In welche Richtung das geht, ist unklar. Die Eintracht ist natürlich der Favorit, aber sicher ist nur, dass es ein Spektakel geben wird (und wenn ich hiermit ein 0:0 gejinxt habe, dann wäre ich völlig fein damit).

// (Alex Grimm/Getty Images/via OneFootball)
Mögliche Aufstellung
Ey, keine Ahnung, wie Eintracht Frankfurt spielen lassen möchte! Erst einmal ist fraglich, in welcher Formation das Team antreten wird. Nachdem Trainer Dino Toppmöller zu Saisonbeginn immer mit einer Viererkette spielen ließ, hat das Team gegen Freiburg und Liverpool auf eine Dreierkette umgestellt, was angesichts von einem Punkt und sieben Gegentreffern aus diesen beiden Spielen eher mäßig erfolgreich gewesen ist (Blessin: „Ihre Anfälligkeit haben sie damit nicht behoben“). Trotzdem gehe ich davon aus, dass die SGE auch weiterhin an der Dreierkette festhalten wird.
Burkardt und Uzun werden wohl starten
In die Startelf dürften Uzun und Burkardt zurückkehren, die beide gegen Liverpool nur eingewechselt wurden (muss man auch erstmal machen, die beiden Top-Scorer draußen lassen…). Im Tor gab es nach dem Freiburg-Spiel einen Wechsel: Michael Zetterer hat Kaua Santos abgelöst, der sehr unsicher wirkte. Fraglich ist, ob auf der linken Seite Ansgar Knauff oder Jean-Mattéo Bahoya starten wird. Am generellen Spiel ändert das wenig, denn sauschnell sind beide. Zudem könnte Mario Götze vom in dieser Saison starken Farès Chaïbi auf die Bank verdrängt werden. Dass Götze in dem Fall zusammen mit Spielern wie Ellyes Skhiri, Nnandi Collins und Bayoha/Knauff auf der Bank sitzen würde, wow!, ist ein Ausdruck der enormen individuellen Qualität im Kader der Eintracht.
Sands-Ersatz sorgt für Kopfzerbrechen
Während die Eintracht für fast jede Position im Kader einen hochwertigen Ersatz hat, frage ich mich, ob der FC St. Pauli irgendwo noch eine „holding six“ in petto hat. Denn James Sands hat in dieser Saison mit großer Zweikampfstärke überzeugen können. Alle Spieler, die als Ersatz in Frage kommen, können da möglicherweise nicht mithalten. Connor Metcalfe verkörpert eher einen offensiveren Typ, ähnlich wie Fujita. Auch Danel Sinani (den Blessin auf der PK selbst für diese Position ins Spiel brachte) ist eher der offensive Sechser-Typ. Eric Smith ist in vielen Bereichen extrem begabt, aber ausgerechnet Zweikämpfe sind nicht dazuzuzählen. Bliebe noch Jackson Irvine. Der hat in der vergangenen Saison weniger als „holding six“ gespielt, sondern hat sich sehr gerne nach vorne bewegt – aber er kann von seinen Fähigkeiten her schon am ehesten die Aufgaben von Sands übernehmen. Das Problem: Er wird nicht von Beginn an starten können, erklärte Alexander Blessin.
Und so kommt es, dass mir, je länger ich darüber nachdenke, auffällt, dass dem FC St. Pauli hier ein Spieler fehlt. Ein Duo aus Fujita und Sinani oder Fujita und Metcalfe wäre sicher offensiv durchaus interessant, gegen eine offensivstarke Eintracht aber auch sehr, sehr mutig. Was also tun? Ich weiß es nicht! Mit der Rückkehr von Mets könnte auch Ritzka auf die linke Schienenposition. Oppie hat nämlich früher auch auf der Sechs gespielt. Aber in der Bundesliga? Puuh. Edit: Ebenfalls Erfahrung auf der Sechs hat Adam Dźwigała. Er würde auch sehr gut ins Profil einer „holding six“ passen. Same here with Oppie: Aber in der Bundesliga? Hauke Wahl hat früher auch auf der Sechs gespielt und der abgezockte Hund würde das sicher gut machen. Aber willst Du die Innenverteidigung Wahl-Smith-Mets wirklich dafür opfern? Von den vielen Varianten, die ich mir vorstellen kann, ist das die unwahrscheinlichste.
Mismatch mit Dapo? Viererkette und zwei Achter? Wahl auf die Sechs?
In meinem Kopf geistert sogar schon eine Formation mit drei zentralen Mittelfeldspielern (Sinani-Fujita-Metcalfe) herum, damit die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden können. Das würde bedeuten, dass der FC St. Pauli nur zwei statt drei Offensivspieler auf den Platz bringt. Und noch viel mehr: Ich denke, dass man gegen SGE-Linksverteidiger Nathaniel Brown den dribbelstarken Dapo Afolayan aufstellen könnte, um dort dann ein für Frankfurt brutales Mismatch zu kreieren. Und/oder der FC St. Pauli spielt mit einer Viererkette, einem 4-3-3, was aber gegen die offensive Dreierreihe der SGE und die nachrückenden Uzun und Chaïbi extrem anfällig sein könnte.
Alter, was in meinem Kopf los ist! Die Frage nach der Aufstellung überfordert mich, ich kapituliere, gebe keinen Tipp ab. Ich habe einfach keine Ahnung, wie der FC St. Pauli spielen könnte. Die Möglichkeiten sind vielfältig, alles hat seine Vor- und Nachteile und ich möchte aktuell auf keinen Fall eine solche Entscheidung treffen müssen.
Alexander Blessin und sein Team werden schon eine Idee haben. Wie gut die aufgeht, werde ich dann nach dem Spiel aufdröseln. Ich hoffe sehr, dass ich mich dann damit befassen kann, warum das „so gut“ funktioniert hat, weiß aber natürlich auch, dass der Gegner trotz aller Defensivschwäche der glasklare Favorit ist. Trotzdem oder gerade deshalb:
Forza!
// Tim
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Dzwigala kann auch auf der sechs spielen, wäre, was die Holding Six angeht, wohl besser geeignet als metcalfe und sinani. und man beraubt sich (Stichwort Sinani) nicht der offensiven Kontrolle und Stärke.
Oh, ja, das stimmt. Habe ich in meinen wilden Szenarien im Kopf gar nicht dran gedacht. Der hat das ja sogar schonmal gespielt beim FC St. Pauli, wenn ich mich recht erinnere. Ich ergänze das mal als Option.
👍 genau. aber ich beneide dich nicht, wüsste auch nicht, wie man am besten gegen die schnellen Frankfurter aufstellt! Grüße aus Franken!
Haben wir nicht talentierter Sechser aus der U23 im Kader? Warum dann nicht mal rein schmeissen? Was hat man gegen Frankfurt zu verlieren?