Der SC Freiburg ist für viele Proficlubs aus einem bestimmten Grund ein Vorbild & für den FC St. Pauli war diese längste Auswärtsfahrt der Saison bisher (fast) immer erfolgreich.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)
„Nichts interessiert mich weniger als der Ruhm vergangener Tage!“ ist ein Satz, den Alexander Blessin bereits häufiger ausgesprochen hat. Entsprechend dürfte der erste Abschnitt dieses Artikels den Cheftrainer des FC St. Pauli herzlich wenig interessieren. Der zweite dafür sicher umso mehr.
Auswärts in Freiburg – eine Erfolgsgeschichte des FC St. Pauli
Fünfmal trat der FC St. Pauli zu einem Bundesligaspiel im Breisgau an. Die Bilanz ist ausgesprochen positiv: Drei Siege, ein Unentschieden, eine Niederlage. Und da wir positive Gedanken gerade dringend benötigen können, folgt nun eine kleine Rückschau. Denn wir können sogar die einzige Niederlage schönreden! Schließlich war es das einzige Rückrundenspiel in Freiburg. Diesen Sonntag ist ja aber bekanntlich Hinrunde angesagt, passt also.
95/96 – SC Freiburg vs. FC St. Pauli 0:2
Thomforde, Trulsen, Dammann, Pröpper, Springer, Savichev, Stanislawski, Scharping – wer es Mitte der 90er schon mit dem FC St. Pauli hielt, der/dem dürfte diese kurze Aufzählung jener Spieler, die am 2. Spieltag für den FC St. Pauli gegen den SC Freiburg zum Einsatz kamen, Gänsehaut bereitet haben. Auf der Gegenseite stand Jörg Schmadtke im Tor und musste zweimal hinter sich greifen, auf das Eigentor von Axel Sundermann folgte kurz vor Schluss die Entscheidung durch Jens Scharping.
Dieser Saisonstart war tatsächlich magisch. Der FC St. Pauli reiste nämlich als Tabellenführer in den Breisgau und war dies auch durch den 2:0-Erfolg nach Abpfiff am Freitagabend. Allerdings hielt diese nur bis Samstag, da der FC Bayern München in Karlsruhe mit 6:2 gewann. Am traumhaften Saisonstart des FCSP änderte das freilich nichts.
96/97 – SC Freiburg vs. FC St. Pauli 4:0
Nicht mehr so traumhaft war die Situation des FC St. Pauli rund 18 Monate später. Nach nur sechs Zählern aus zehn Rückrundenspielen fiel das Team im April 1997 auf einen Abstiegsplatz. In Freiburg kam es dann zu einem Endspiel – denn der SCF lag zu diesem Zeitpunkt abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz. Wie viele von euch natürlich wissen, sollte am Saisonende der FC St. Pauli diesen Tabellenplatz einnehmen, knapp hinter den Freiburgern.
Das Spiel ging dann ziemlich schnell in eine Richtung: Nach nicht einmal zehn Minuten führte der SC Freiburg bereits mit 2:0. Unter anderem ein Eigentor von Thomforde besiegelte dann eine schmerzhafte 0:4-Niederlage. Für viele Fans war das zu viel, Stichwort „Sitzblockade“. Auch für die Verantwortlichen war das zu viel, nach dem Spiel wurde Uli Maslo entlassen. Gebracht hat es wenig, der FCSP verlor die letzten sechs Ligaspiele und stieg sang- und klanglos in die zweite Liga ab.
01/02 – SC Freiburg vs. FC St. Pauli 2:2
Herbst 2001, Spieltag neun – noch sieglos in der Saison fuhr der FC St. in den Breisgau. Dort traf the famous Marcão zur umjubelten Führung. Doch der SC Freiburg schlug mit den vielen „Willis“ zurück: Levan Kobiashvili glich noch vor der Pause per Elfmeter aus, Alexander Iashvili (auf Vorarbeit von Levan Tskitishvili, der kurz zuvor für Tobias Willi eingewechselt wurde) erzielte die 2:1-Führung. Das letzte Wort hatte dann aber ein gewisser Toralf Konetzke, der in der 81. Minute das 2:2 erzielte. Kurz danach gab es einen 4:0-Heimerfolg gegen Cottbus. Am Saisonende stand trotzdem der Abstieg.
10/11 – SC Freiburg vs. FC St. Pauli 1:3
Saisonstart im Breisgau – und was für einer! Der SCF ging spät, in der 78. Minute, durch Papiss Demba Cissé in Führung. Der K.o. für den FC St. Pauli? Im Gegenteil! Fabian Boll (83.), Richard Sukuta-Pasu(!; 89.) und Fin Bartels (91.) sorgten für einen perfekten Saisonstart des FCSP. Sowieso spielte der FC St. Pauli eine sehr gute Hinrunde. Erst der komplette Einbruch in der Rückrunde (nur ein Punkt aus den letzten zwölf Spielen) sorgten dafür, dass das Team abstieg.
24/25 – SC Freiburg vs. FC St. Pauli 0:3
Danach dauerte es schmerzhaft lange 14 Jahre, bis der FC St. Pauli wieder zu einem Bundesligaspiel in Freiburg antrat. Im September 2024 war es dann aber so weit, der FCSP war wieder im Breisgau zu Gast und kam mit der bescheidenen Empfehlung von nur einem Zähler aus den ersten vier Saisonspielen.
Das Spiel selbst lief aber komplett in Richtung des FC St. Pauli: Elias Saad erzielte die frühe Führung für die Gäste. Vincenzo Grifo verschoss kurz vor der Pause einen Elfmeter gegen Nikola Vasilj (heute wissen wir: Das passiert den meisten Bundesligaspielern). Noch kürzer vor der Pause legte Dapo Afolayan dann den zweiten Treffer nach. Zwei knappe Abseitstore des SCF wurden nicht gegeben und in der Schlussphase machte sich dann Elias Saad auf, dribbelte über den halben Platz und erzielte sein zweites Tor. Was für ein großartiges Spiel das war!

Freiburger Fußballschule ist Grundgerüst des Bundesliga-Kaders
Knallharter Themenwechsel jetzt! Schauen wir auf die jetzige Saison oder besser gesagt auf den SC Freiburg in dieser Saison. Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Club am Sonntag ein Jubiläum der ganz besonderen Art feiert. Eines, um das ihn viele Profifußballclubs, den FC St. Pauli eingeschlossen, beneiden dürften. Und wie ich finde auch eines, das den allerhöchsten Respekt verdient hat.
Es ist nicht so einfach zu messen, wie sportlich erfolgreich die Arbeit in einem NLZ ist. Denn was ist Erfolg? Wenn sich Spieler im Profibereich durchsetzen? Oder wenn sie sich bei dem Club durchsetzen, wo sie auch im NLZ waren? Sollte Letzteres das einzige Erfolgskriterium sein, dann ist der SC Freiburg das Maß der Dinge in der Bundesliga.
Neun Spieler des aktuellen Kaders wurden in Freiburg ausgebildet
Denn wenn die Aufstellung am Sonntag im Spiel gegen den FC St. Pauli so ist wie beim letzten Spiel gegen 1. FC Union Berlin, dann knackt der SC Freiburg die Marke von 1.000 Einsätzen der Eigengewächse in der Bundesliga. Wohlgemerkt, es geht dabei nur um die Spieler, die auch in Freiburg im NLZ gewesen sind (beim FCSP sind das aktuell zwei Spieler, Schmitz und Schmidt, 0 Einsätze). Das sind beim SCF Matthias Ginter und Noah Atubolu, die Teil des aktuellen Gerüsts auf dem Platz sind – Christian Günter und Nicolas Höfler stellten lange das Gerüst – Max Rosenfelder, Johan Manzambi, Jordy Makengo („nur“ in U23 ausgebildet) Bruno Ogbus und vielleicht auch Philipp Treu werden langfristig diese Rollen übernehmen. Zudem gibt es einige Spieler (Kübler, Eggestein, Grifo, Lienhart, Höler), die bereits eine halbe Ewigkeit in Freiburg aktiv sind. Und das Beste an dieser doch sehr besonderen Kader-Struktur: Der SCF ist damit sehr erfolgreich, schaffte in den letzten vier Saisons dreimal den Einzug ins internationale Geschäft.
Der SC Freiburg ist also dank guter Jugendarbeit und dem Vertrauen in die handelnden Personen auf und neben dem Platz zu dem erfolgreichen Club geworden, der er aktuell ist (Starke Arbeit im Breisgau – ja, ich habe das schonmal aufgeschrieben. Weil ich es so beeindruckend finde!), der nebenbei auch noch mal eben knapp 79.000 Mitglieder zählt. Das ist für einen Fußballclub in einer Stadt mit weniger als 250.000 Einwohnern eine Riesenzahl.
Der FC St. Pauli reist am Sonntag also nicht nur so einem ganz, ganz schweren Gegner. Sondern er reist zu einem Club, der auf vielen Ebenen sicher auch als Vorbild dienen kann.
// Tim
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