Historisches gegen Hansa?

Historisches gegen Hansa?

Das Kopfkino flimmert in Dauerschleife, der Traum vom Aufstieg gewinnt an Kontur. Nun kann dem FC St. Pauli beim stets brisanten Aufeinandertreffen mit Hansa Rostock etwas Denkwürdiges gelingen.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Das Millerntor stand noch nicht da, wo es heute steht. Das Stadion des HSV war noch am Rothenbaum. Das „Wunder von Bern“ sollte erst im Sommer folgen. Die Situation vor 70 Jahren war eine ganz andere, aus vielerlei Hinsicht. Doch nun könnte sich am kommenden Freitag etwas ereignen, was es zuletzt im Jahre 1954 gegeben hat: Mit einem Heimsieg gegen Hansa Rostock würde der FC St. Pauli dafür sorgen, dass er die Saison vor dem Hamburger SV beendet.

Die Nummer Eins der Stadt?

Klar, dabei geht es vorrangig um Prestige. Der Gedanke daran, dass man nach Abpfiff am Freitagabend lauthals „Die Nummer Eins der Stadt sind wir!“ in den Abendhimmel singen könnte, dürfte viele rund um den FCSP enorm motivieren. Der Gedanke daran, dass einige in der Fanszene des „großen“ Nachbarn bereits jetzt die Argumente zusammenkratzen, warum ihr VereinKonstrukt größer und wichtiger als der FC St. Pauli ist, ebenso („Einmal in 70 Jahren!“, „Eigentlich sind wir besser!“, „Wir haben mehr Mitglieder!“, „Die SCHIEDSRICHTER SIND SCHULD!!!1!!1“, „Euer Trainer ist sooo doof!“, „*schluchz, *heul, *jammer“). Die Freude darüber mag für Außenstehende etwas befremdlich wirken, aber der Fußball lebt auch von sowas, von so einer regionalen Rivalität – wie eigentlich alle Bereiche des Lebens, in denen ein Wettbewerb stattfindet.

Ein Heimsieg gegen Hansa Rostock hätte aber nicht nur aus Gründen lokaler Frotzeleien eine große Bedeutung. Denn wenn klar ist, dass der FC St. Pauli diese Saison vor dem HSV beendet, dann ist er nicht nur die Nummer Eins der Stadt, sondern erreicht auch mindestens die Aufstiegsrelegation. Für den HSV hingegen wäre das Erreichen eben jener Relegation schon ein großes bis sehr großes Fußballwunder.

Sieg gegen Hansa würde Platz 1-3 sichern

Doch natürlich träumt man beim FC St. Pauli von mehr als „nur“ dem Erreichen der Aufstiegsrelegation. Der direkte Aufstieg ist angesichts von fünf Punkten Vorsprung auf Fortuna Düsseldorf alles andere als unrealistisch, wenngleich die Fortuna, wie auch Holstein Kiel, in absolut bestechender Form ist. Ein Heimsieg gegen Hansa könnte somit nicht nur mindestens die Teilnahme an der Relegation sichern, sondern bei weiter so starker Form der Konkurrenz dürfte er notwendig sein, um die Chancen auf einen direkten Aufstieg weiter so hoch zu halten. Und ein Heimsieg gegen Hansa könnte auch den Weg für einen potenziellen Höhepunkt der Vereinshistorie ebnen.

Es folgt nun viel Konjunktiv und jene, die kommenden Freitag dafür sorgen, dass sie das Spiel gegen Hansa gewinnen, sollten sich mit folgendem Absatz gar nicht befassen. So wie man Spieler und Staff des FC St. Pauli in dieser Saison wahrgenommen hat, dürfte es da aber auch wenig Gefahr geben. Oft wurde bewiesen, dass sie den Fokus einzig und allein auf das nächste Spiel legen können. Drumherum sind Träumereien aber natürlich elementarer Nährboden der Fußballleidenschaft. Also …

Wenn … dann … Aufstieg im Volkspark!

… wenn der FCSP gegen Hansa gewinnt und am Abend darauf Fortuna Düsseldorf seine Partie gegen Schalke nicht, dann wäre ein direkter Aufstieg mit einem Sieg im Volkspark möglich. Und als würde dieser Gedanke nicht bereits für genug Puls sorgen, könnte es sogar noch dicker kommen: Sollte der FCSP gegen Hansa gewinnen, der HSV seine Partie in Braunschweig verlieren, Fortuna gegen Schalke genau einen Punkt holen, dann kann der FC St. Pauli mit einem Sieg im Volkspark aufsteigen und damit zeitgleich dem HSV die letzte Chance auf einen Aufstieg nehmen.

Hamburg, Deutschland, 14.10.2022 - Jackson Irvine (FC St. Pauli) im Zweikampf mit Jonas Meffert (Hambiurger SV) - Copyright: Peter Boehmer
Die Stadtmeisterschaft am 32. Spieltag könnte eine ganz besondere werden. // (c) Peter Boehmer

Setzt sich Serie der Vorsaison fort?

Viel, sehr viel Konjunktiv im letzten Absatz. Wichtig ist sowieso nicht wann, sondern dass dem FC St. Pauli der Aufstieg in die Bundesliga gelingt. Dazu sind wohl weitere Punkte notwendig, egal wo. Glaubt man dem „Fehler in der Matrix“, dann dürfte das Heimspiel gegen Hansa mit 3:0 gewonnen werden. Denn die Ergebnis-Kombination aus zwei Niederlagen am Stück (1:2 und 3:4) und einem folgenden 2:1-Erfolg für den FCSP an genau den Spieltagen, wie es sie in dieser Saison gab, gab es auch 22/23. Das würde zwar bedeuten, dass man im Derby über ein 0:0 nicht hinauskommt, jedoch noch insgesamt acht Punkte aus den letzten vier Spielen holt – was den sicheren Aufstieg zur Folge hätte, egal wie der Rest spielt.

Ergebniskombinationen samt Rechenschiebereien sind sicher ein steter Begleiter vieler FCSP-Fans in dieser kurzen Woche bis zum Spiel gegen Hansa Rostock. Und auch wenn sich ganz viel Konjunktiv in all diesen Rechnereien befindet: Der FC St. Pauli hat mit seinem Sieg bei Hannover 96 dafür gesorgt, dass der Blick auf die letzten vier Spiele der Saison positiv ist. Das Tor zur Bundesliga wurde dank einer Metamorphose während der 90 Minuten in Hannover mit voller Wucht aufgetreten. Der Glaube daran, dass man durch dieses Tor nun auch hindurchschreiten wird, er ist sehr, sehr groß.
Forza!
// Tim

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

Print Friendly, PDF & Email

6 thoughts on “Historisches gegen Hansa?

  1. Ich zitiere aus dem MillernTon nach dem Spiel gegen Braunschweig:

    „‚Konjunktiv ist immer scheiße im Fußball!,‘ wie Fürth-Trainer Alexander Zorniger kürzlich sehr passend sagte.“

    Aber die Konkunktive in der aktuellen Situation gefallen mir außerordentlich gut 🙂

  2. Ha, Ich habe gestern vorm einschlafen die gleichen Kalkulationen gemacht! Aber ist es zu gierieg von St.Ellingen’s Demütigung im Derby zu träumen? (Das ist eine rhetorische Frage, die Antwort ist NEIN!)

  3. Dadurch dass parallel zum Stadderby auch DD spielt gibt es deutlich mehr Optionen die am Ende des Spiels zum Ergebnis „Aufstieg FCSP, Nichtaufstieg HSV“ führen.
    Ich habe grade versucht die Optionen durchzurechnen, aber es gibt einfach zu viele…
    wichtig: Düsseldorf darf dafür nicht beide Spiele gewinnen oder beide verlieren.

    Bsp.: Wenn Düsseldorf beide Spiele Unentschieden spielt, HSV gegen BS verliert, FCSP gegen Hansa gewinnt reicht im Stadtderby sogar schon ein Unentschieden für das Ergebnis „Aufstieg FCSP, Nichtaufstieg HSV“

  4. Ach wäre das schön, wenn wir den Satz „Einmal in 70 Jahren!“ eine Woche später mit „Ne ne, zweimal in 70 Jahren! Mindestens zweimal!“ kontern könnten.

  5. Ich bin auf St Pauli vor 84 Jahren also im 2 Weltkrieg, und der alte FC Platz war noch genau an der Stelle, wo heute der Eingang von der U Bahn St. Pauli bzw. gegenüber von der alten Feuerwehr añ der Glacischausse war. Jedes jawohl jedes Spiel habe ich wenn nicht direkt, so zumindest am Radio. Ob in damaliger Zeit oder in heutiger Zeit, mit Anpfiff eines jeden Spieles spielt mein Herz ❤️ verrückt. Leider bekomme ich niemals eine Eintrittskarte denn diese bekommen nur Privilegierte. Doch wie auch immer es wäre wunderbar wenn ich es miterleben dürfte und mein FC in der nächsten Saison in der 1 Bundesliga spielen zu erleben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert