Borussia Dortmund: Verein und Fanszene

Borussia Dortmund: Verein und Fanszene

Am Freitag ist es so weit, seit 2011 geht es für den FC St. Pauli erstmals wieder in das Westfalenstadion zu Borussia Dortmund. Während sich Tim im nächsten Artikel um das Sportliche kümmert, schauen wir hier auf Verein und Fanszene.
Titelbild by Christof Koepsel/Getty Images via OneFootball

Zurück ins Westfalenstadion

Vielleicht haben es ein paar von euch in Erinnerung, das letzte Spiel in Dortmund fand 2011 nach dem legendären 0:1-Derbysieg im Volkspark statt. Aber trotz der mit Sicherheit mitgereisten Euphorie des Derbysieges musste man sich in Dortmund mit einem 2:0 geschlagen geben. Jetzt kehren wir am Freitag zurück ins Westfalenstadion. Mit einer Kapazität von 81.365 ist es das größte Stadion Deutschlands. 2005 verkaufte der BVB die Namensrechte an Signal Iduna. Offiziell heißt das Stadion also Signal Iduna Park. Aber weil ich den Verkauf von Namensrechten immer schade finde, werde ich weiter vom Westfalenstadion sprechen.

Einen weiteren Rekord hat das Westfalenstadion noch zu bieten: mit 24.454 Stehplätzen ist die Südtribüne die größte Stehplatztribüne Europas. Dort ist auch die berühmt berüchtigte „Gelbe Wand“ anzufinden, das Zuhause der Ultras von Borussia Dortmund. Dazu aber später mehr, beginnen möchte ich mit einem kurzen Abriss der Vereinsgeschichte des BVB.

Geschichte und Erfolge des BVB

Gründungsjahre

Am 19.12.1909 setzte sich eine Jugendgruppe der katholischen Dreifaltigkeitsgemeinde zusammen und beschloss, entgegen der Meinung des Kaplans Dewald, aus Liebe zum Fußballsport den „Ballspiel-Verein Borussia“ zu gründen. Die Vereinsfarben waren zu Beginn der Vereinsgeschichte, ihr werdet es kaum glauben, blau-weiß. Heute kaum vorstellbar, diese Farben waren aber die der Dreifaltigkeitskirche. Dazu trugen sie noch eine rote Schärpe. Die Farben schwarz-gelb, wie wir sie heute kennen, wurden erst 1913 zu den offiziellen Vereinsfarben. Durch den Beitritt der Klubs „Britannia“, „Rhenania“ und „Deutsche Flagge“ in den BVB und die somit steigenden Mitgliederzahl verlor der Verein immer mehr den Bezug zur katholischen Kirche. So beschloss man in der Jahreshauptversammlung 1913, die Farben in schwarz-gelb zu ändern, den ursprünglichen Farben des Klubs „Britannia“.

Zwangsumzug und NS-Zeit

Lange Zeit war die „Weiße Wiese“ Spielstätte der Borussen, 1924 wurde sie unter dem neuen Namen „Borussia-Sportplatz“ mit Platz für 18.000 Besucher*innen ausgebaut. 1937 kam es zu einem Zwangsumzug durch das NS-Regime von der „Weißen Wiese“ zur „Kampfbahn Rote Erde“. Über die NS-Vergangenheit des BVBs ist in der Vereinshistorie der offiziellen Webseite nicht viel zu lesen, nur, dass im Verein ein gewisser „Burgfrieden“ geherrscht habe und der Vorstand antifaschistisch geprägt gewesen sei. Über die SA-Vergangenheit des Spielers und ersten Nationalspielers beim BVB, August Lenz, fällt kein Wort. Die NS-Vergangenheit scheint aber größer, als er raus der offiziellen Webseite des BVB herauszulesen ist. Im Fanzine schwatzgelb.de ist eine Aufarbeitung mit dem BVB in der NS-Zeit zu finden, lesenswert. Hierbei muss man aber dazu sagen, dass auf der Webseite des FC St. Pauli auch keine Aufarbeitung der NS-Zeit zu finden ist. Das Museum hingegen bietet eine Online-Ausstellung und arbeitet seit 2023 an einer Aufarbeitung jüdischer Geschichte beim FC St. Pauli (Deutschlandfunk).

Nationale und internationale Erfolge

Ab den 50er Jahren verzeichnete der BVB erste große Erfolge. In der Saison 1955/56 wurde der BVB erstmals deutscher Meister nach seinem 4:2-Sieg gegen den Karlsruher SC. Auch 1956/57 holte er erneut die Meisterschaft. In den 60ern kamen internationale Erfolge dazu. 1966 wurde die Borussia als erste deutsche Mannschaft Europapokalsieger, durch ein 2:1 nach Verlängerung in Glasgow gegen Liverpool.

Die 70er waren geprägt von sportlicher Zweitklassigkeit sowie wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Das prägendste Ereignis in dieser Zeit wird wohl der Bau des Westfalenstadions 1974 gewesen sein, was auch wieder mehr Zuschauer anlockte. 1976 schaffte der BVB die Rückkehr zur Erstklassigkeit. Der nächste Titel war der DFB-Pokalsieg 1989. In den 90er Jahren holte der BVB zwei deutsche Meisterschaften (1995,1996) und feierte 1997 den Sieg der UEFA-Champions-League, ausgerechnet in München. 2002 gelang die erneute deutsche Meisterschaft, ebenso 2011. 2012 schaffte der BVB das Double mit Meisterschaft und DFB-Pokalsieg.

Heute zählt der achtfache Meister mit über 200.000 Mitgliedern zu einem der größten Sportvereine der Welt.

Fans und Fanszene

Publikumsmagnet und internationale Reichweite

Borussia Dortmund ist der größte Publikumsmagnet der Bundesliga. Durchschnittlich 81.305 Zuschauer*innen in der Saison 23/24: Das ist der höchste Schnitt in der Bundesliga jemals. Der Heimbereich war in allen Spielen letzte Saison ausverkauft. Auch Fanclubs hat der BVB so einige. In der Zahl sind es 1070 Fanclubs, in denen über 70.000 Fans organisiert sind, über 200 davon international. Borussia Dortmund hat also weltweite Beliebtheit vorzuweisen.

Südtribüne Dortmund

Eine Besonderheit im Westfalenstadion hatte ich ja schon genannt: die größte Stehplatztribüne Europas, die Südtribüne. Dort anzufinden ist die aktive Dortmunder Fanszene aus Fanclubs, Ultragruppierungen und Einzelpersonen, die sich seit 2014 als Bündnis „Südtribüne Dortmund“ zusammentun. Zu den bekanntesten und größten Ultragruppierungen in der Fanszene gehören die Gruppen „The Unity“ und „Desperados Dortmund“. Das Anliegen der Südtribüne Dortmund ist es, die Stimmung bei den Spielen zu verbessern. Außerdem wollen sie in fanpolitischen Belangen der Kurve eine Stimme bieten. Bekannt ist die Südtribüne für ihre kreativen und sehenswerten Choreografien, gerne auch untermalt mit Pyrotechnik. Zum 50-jährigen Jubiläum des Westfalenstadions gab es unter anderem eine Ganzstadionchoreo (und eine nette Pyroaktion).

Zuletzt äußerte sich die Südtribüne Dortmund beim Spiel gegen Celtic FC erneut gegen die Champions-League Reform, mit einer „UEFA-MAFIA“-Choreo und einem Spruchband am Zaun: „YOU DON’T CARE ABOUT THE SPORT – ALL YOU CARE ABOUT IS MONEY!“. Dabei wiesen sie auf eine gemeinsame Stellungnahme mehrerer Ultragruppierungen hin. In dieser kritisieren sie unter anderem die ungleich verteilten Einnahmen, die durch diese Reform entstehen werden, und die damit die Kluft zwischen großen und kleineren Klubs in den nationalen Ligen immer mehr vergrößert.

Protest der Fans von Borussia Dortmund gegen die Reform der Champions League.
Protest der Fans von Borussia Dortmund gegen die Reform der Champions League. // (c) Stuart Franklin/Getty Images via OneFootball

Gegen ihren eigenen Klub äußerten sie sich kürzlich aufgrund des Sponsoring Deals mit der Rüstungsfirma Rheinmetall. Dabei kritisieren sie vor allem die schlechte Kommunikation seitens des Vereins sowie den Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Deals. Beim ersten Heimspiel der Dortmunder gegen Eintracht Frankfurt war auf der Südtribüne eine große Tapetenaktion gegen den Rheinmetall-Deal zu sehen (Faszination Fankurve).

Rechtsextreme bei Borussia Dortmund?

Die Ultras um The Unity und Desperados betiteln sich selbst als unpolitisch. Während ich das The Unity noch abkaufe (mindestens Antirassismus würde ich ihnen auch noch zuschreiben), fällt es mir bei Desperados etwas schwerer, da sie auch schon durch homofeindliche und diskriminierende Banner auffielen und es auch Überschneidungen mit der Neonaziszene in Dortmund gegeben haben soll.

Insbesondere die Hooligan-Szene Borussia Dortmunds machte sich aber immer wieder mit ihrer Nähe zur rechten Szene bemerkbar.

Das bekannteste Beispiel ist wohl die „Borussenfront“ rund um den bereits verstorbenen Neonazi Siegfried Borchardt, die insbesondere in der 80ern ihr Unwesen in der Fanszene Dortmunds trieben. Durch viel Arbeit des Dortmunder Fanprojektes konnte die Borussenfront weitestgehend aus dem Stadion zurückgedrängt werden. Auch Gruppen wie „0231 Riot“, die zwischen 2015 und 2017 immer wieder durch rechte Provokationen auffielen, versuchten sich auf der Südtribüne auszubreiten. Die Gruppe löste sich 2017 nach Razzien der Polizei auf (Schwatzgelb.de).

Freundschaften und Feindschaften

Gut verstehen tut sich die Fanszene des BVB unter anderem mit dem 1. FC Köln und Brøndby IF. Die größte Feindschaft besteht, ist ja klar, zum Nachbarn in Gelsenkirchen, Schalke 04. Das Revierderby ist wohl eins der legendärsten Derbys in Deutschland. Bereits 160 Spiele fanden zwischen dem BVB und dem Schalke 04 statt, Schalke liegt mit 60 Siegen vorne. Aber bis zum nächsten Revierderby kann es noch etwas dauern, sollte Schalke weiter in der 2. Bundesliga feststecken. Aber vielleicht kommt ja mal wieder ein spannendes DFB-Pokal-Los.

Schlussworte

Ich hoffe Euch hiermit einen kleinen Einblick rund um Borussia Dortmund gegeben zu haben und vielleicht habt Ihr ja, so wie ich, ein paar neue Sachen zum BVB gelernt.

Wir sind mit 23 Begegnungen gegen Dortmund noch nicht wirklich oft auf diesen Gegner gestoßen, umso spannender und aufregender wird das Spiel am Freitag. Zumindest steigt meine Aufregung, denn Dortmund ist schon eine große Nummer, nicht nur spielerisch. Mit der großen Anzahl an Fans bin ich sehr gespannt auf die Atmosphäre im Westfalenstadion. Mit der Euphorie eines Derbysieges werden wir am Freitag zwar nicht anreisen, aber mit Sicherheit mit großer Freude und Aufregung für dieses Spiel. Diese müssen wir dann nur noch lautstark im Gästeblock präsentieren. Ich freu mich drauf.

Immer weiter vor.
// Nina

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

10 thoughts on “Borussia Dortmund: Verein und Fanszene

  1. Hallo.
    Borussia Dortmund hat in einem Buch seine NSZeit aufgearbeitet. Kann man im Buchladen kaufen.
    Mit 1Mio Euro hat man den Bau eines Zentrums in Israel unterstützt. Die Fanabteilung organisiert jährliche Bildungs Reisen nach Auschwitz.
    Das nächste Derby gegen die Blauen findet in ein paar Wochen in der Westfalenliga. Das ERSTE Derby im Fussball der Frauen. Beide Vereine haben vor ein paar Jahren diese neue Abteilung gegründet und ganz unten angefangen zu spielen. Beim BVB haben das die Mitglieder in einer Abstimmung beschlossen.
    Im Blindenfussball treffen wir seit Jahren auf St. Pauli. Meist habt ihr da die Nase vorn.
    LG Gerhard von den
    Ösi-Borussen Vorarlberg

  2. Wenn die Borussen Fans hier um die Ecke in die BVB Kneipe gehen, werden nur Anti Nazi Aufkleber von denen überklebt. Nach deren letztem DFB Pokal Spiel habe ich knapp 20 hässliche schwarz gelbe Aufkleber wieder säuberlichst entfernt…

  3. Danke für deinen sehr interessanten und lesenswerten Bericht, Nina. Genau so etwas hat noch gefehlt, um eine perfekte und runde Spielvorbereitung zu haben. Habe mir nochmal Yannicks Saisonvorschau zum BvB angehört und Casches aktuelles VdS sowie Tims Vorbericht/Taktikanalyse gelesen.
    Mehr geht nicht…
    Danke an das gesamte Millernton Team!!!

    Forza St. Pauli

  4. Schöner Artikel, Nina!
    Ich würde noch ergänzen wollen, dass es auch eine langjährige Fanfreundschaft mit dem Karlsruher SC gibt und grundsätzlich wäre vielleicht bei so einem Artikel nett wenn das Verhältnis zwischen den Fanszenen des jeweiligen Vereins und dem FCSP kurz beleuchtet würde damit man weiß ob man sich ggf besonders in Acht nehmen muss.

  5. Danke für den ausführlichen Artikel Nina,
    lass mich noch etwas nicht ganz unerhebliches zur Vergangenheit des BvBs hinzufügen, das mich den Verein bis heute zu den Unsympathen der Liga zählen lässt:
    Anfang der 2000er war der Verein vom absoluten Größenwahn befallen, er schmiß mit Geld nur so um sich und brachte sich selbst an den Rand des Kollaps.
    Der Hang zum Größenwahn in Verbindung mit einer weinerlichen, selbstmitleidigen Wahrnehmung seiner selbst hält seitdem an und ist mittlerweile Teil der BvB Kultur geworden.
    Ich erinnere mich an einen Abend in den Fanräumen, etwa 10 Jahre nach dem Beinahe-Zusammenbruch, an dem u.a. der damalige Marketingdirektor des BvB Carsten Cramer Teilnehmer war und in eben diesem wehleidigen Ton etwas wie „wenn man da herkommt wo der BvB war“ (gemeint war der völlig selbstverschuldete Crash) ins Mikro faselte als wäre der BvB geradewegs aus der unverschuldeten Hölle des Amateurfussballs auferstanden (der BvB hatte zu keiner Zeit auch nur ansatzweise etwas mit einem Abstieg zu tun).
    Und das wohlgemerkt als Gast in den Räumen eines Vereins der einige Jahre vorher bis in die Regionalliga abgestiegen war und den die Oberliga schon am Kragen hatte.
    Aber das ist alles lange her, nur die Selbstwahrnehmung der Vereinsführung scheint bis heute geblieben.
    Viel Spaß beim Pseudo-Arbeiterverein und bringt drei Punkte mit!!!

  6. Habe gerade mal geschaut welches die größte Stehtribüne der Welt ist.
    Hier wird im Netz auch das Dortmunder Stadion genannt.
    Sie „profitieren“ hier von der Versitzplatzung in England, denn
    the Kop in Liverpool hatte früher wohl 28.000 Steher, beeindruckend.

  7. Hallo Nina,

    das ist ein sehr gute Artikel und rundet die Berichterstattung des Millernton.de zu einem Spieltag ab.
    Ich überlege gerade, ob es Sinn macht, dass was zu unserem Verhältnis mit der gegnerischen Fanszene geschrieben werden sollte. Ich glaube das passt nicht immer und sollte daher Anlassbezogen thematisiert werden. Was schreibt man denn z.B. bei Mainz oder Heidenheim außer, dass das Verhältnis „neutral“ ist. Beim BvB gibt es schon aufgrund der Größe und Diversität der Fanszene kein einheitliche Bild. ich persönlich sehe sie auch eher als neutral. Beim Auswärtsspiel 2011 konnte ich mich frei mit FCSP Klamotten frei und ohne Ärger zu bekommen in Dortmund bewegen.
    Als ich vor einigen Jahren mal mit einer kleinen Crew vom Auswärtsspiel in Braunschweig am mit dem ICE am Hamburger Hauptbahnhof ankam, war der Bahnsteig voll von BvB Fans, die gerade vom Volkspark kamen und auf ihren Zug warteten. Da gab es gleich ne Rangelei, sodass wir lieber wieder zurück in den ICE gesprungen und in Altona in Ruhe ausgestiegen sind.
    Aber solche persönlichen Anektoden brauche ich in so einem Artikel nicht.

  8. Weder gibt es die Despersdos noch, noch sind TU rechts – auch nicht ansatzweise. Die Stadt Dortmund gilt als Nazi-Hochburg in NRW, als Spiegelbild finden sich dann auch einzelne Rechten im Stadion

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert