Der aberkannte Führungstreffer für den FC St. Pauli bei Borussia Dortmund sorgte für große Diskussionen. Sind die kalibrierten Linien eine gute Lösung für die Abseitsfrage? Maik geht ins Detail.
Titelfoto: Alex Grimm / Getty Images via OneFootball
Vorab: Dies wird kein Pro/Contra-VAR Artikel.
Sorry, wenn Ihr das erwartet habt, aber es gibt für Euch hier nichts zu sehen, geht bitte weiter.
Ich beschäftige mich lediglich mit einem Teilaspekt, nämlich der Bestimmung von Abseitssituationen mittels kalibrierter Linien. Dies ist als Thema schon komplex genug, gerade nach unserem Spiel in Dortmund.
Abseits!
Schauen wir zunächst auf den Regeltext. Fußball-Regeln, Regel 11 (Gesamt-pdf, 164 Seiten, 64MB, Seite 65ff)
- Abseitsstellung
Ein Spieler befindet sich in einer Abseitsstellung, wenn:
• er sich mit irgendeinem Teil des Kopfs, des Rumpfs oder der Beine in der gegnerischen Hälfte (ohne die Mittellinie) befindet und
• er mit irgendeinem Teil des Kopfs, des Rumpfs oder der Beine der gegnerischen Torlinie näher ist als der Ball und der vorletzte Gegenspieler.
[….]- Abseitsvergehen
Ein Spieler, der sich zum Zeitpunkt, in dem ein Mitspieler den Ball spielt oder berührt*, in einer Abseitsstellung befindet, wird nur bestraft, wenn er aktiv am Spiel teilnimmt, indem er […]
*Maßgebend ist der erste Kontakt beim Spielen oder Berühren des Balls.
Die Regel ist natürlich noch deutlich länger und komplexer, wir beschränken uns aber heute ja auch die kalibrierten Linien und die technische Komponente. Dafür reichen die hier zitierten Ausschnitte.
Zusätzlich heißt es im VAR-Protokoll (Seit 104, ff):
3. Der ursprüngliche Schiedsrichterentscheid darf nur geändert werden, wenn die Videoaufnahmen eindeutig belegen, dass eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung vorliegt.
Dies ist allgemein gültig und nicht explizit auf Abseits bezogen. Hier ist natürlich zu ergänzen, dass „klare und offensichtliche Fehlentscheidung“ im Fußball ein sehr breites Spektrum an… ich sag mal „subjektivem Interpretationsspielraum“ bietet, wie die letzten Jahre gezeigt haben. Beim Abseits geht man aber im Normalfall von einer Schwarz/Weiß-Entscheidung aus, die sich (so knapp sie auch sein mag) auflösen lassen sollte. „Sollte“, weil… naja, kommen wir noch zu.
Kalibrierte Linien – wie funktioniert das?
Die Schwierigkeit beim Abseits ist ja, dass bereits bei einem leicht verzerrten Winkel ein ganz anderes Bild entsteht. Wer Spiele im Amateurfußball verfolgt, kann sich ja mal auf Höhe der Strafraumgrenze oder leicht außerhalb platzieren und dann mal gucken, wie oft man mit den Assistent*innen bei den Abseitsentscheidungen übereinstimmt. Hohes Tempo, gegenläufige Bewegungen, die Schwierigkeit des Sichtfeldes bezüglich einem Ball im Mittelfeld und der Bewegung der Spieler*innen vor sich – es ist in der Praxis dann doch deutlich schwieriger, als nach drei Weizenbier vor dem TV mit der Hilfe eines Standbildes.
Solange die Kamera nicht exakt auf Höhe des relevanten Defensivspielers ist, bietet auch das Standbild ja oft genug schon Interpretationsspielraum. Deswegen ziehen TV-Sender dann künstliche Linien, die mal mehr und mal weniger genau und korrekt sind. Zusätzlich stellt sich auch hier die Frage, vom Winkel mal abgesehen, ob diese Linien überhaupt zum richtigen Zeitpunkt gezogen werden. Wie oben beschriebener Regel zu entnehmen ist, geht es um den „den ersten Kontakt beim Spielen […] des Balles“.
Auf dem Amateurplatz ist das recht einfach. Da schaut man als Assistent bestmöglich gleichzeitig nach links und geradeaus, hört dann im Idealfall den Kontakt des Balles und macht in dem Moment im Kopf ein Foto – und wenn der Ball dann ankommt, steht eben jemand im Abseits oder nicht und die Fahne geht entsprechend hoch. Der Vorteil: Das kann eh niemand überprüfen. (Außer die Rentner hinter einem, die es eh besser gesehen haben, klar.)
Die Abseitslinie in der DFL wird von einem Computer generiert, die „den Betrachtungswinkel, die Linsenverzerrung und die Feldkrümmung“ berücksichtigt und somit „auf den Millimeter genau“ eine Abseitsstellung bestimmen kann (bundesliga.de). Soweit die Theorie.
Okay, und wo ist dann das Problem?
Das Problem ist, dass man hier in einem Spiel wie Fußball mittels technischer Hilfen eine Lösung finden will, die in einem so komplexen Sport ungewöhnlich und vor allem schwierig ist. Nun kann man bei Abseits mit jener Schwarz/Weiß-Entscheidung argumentieren (warum ich selbst das anders sehe, führe ich später noch aus), aber dann muss diese eben auch verlässlich und nachvollziehbar sein.
Anderes Beispiel: Im 100-Meter-Sprint gibt es die Zeitmessung per Computer ab dem Startschuss und bis zum Überschreiten der Ziellinie. Dies lässt sich bis auf die Hundertstelsekunde (und beim Zielfoto sogar noch exakter) genau aufschlüsseln.
Bei der Abseitslinie haben wir hier einen Moment, der ähnlich wie ein Startschuss ist, nämlich der erwähnte erste Kontakt des Balles. Unter anderem Markus Bark (Sportschau) hatte bereits 2019 in einem Artikel auf schwatzgelb.de darauf hingewiesen, dass mit der vorhandenen Technik dieser Moment gar nicht genau genug bestimmt werden könne.
Damals waren es noch 24 „frames per second“ (fps), heute sind es in aller Regel 50. Im besten Fall wird der Kickpunkt (wir kommen gleich dazu) mit einer Kamera mit noch besserer Framerate ermittelt, diese bieten aber nicht alle Kameras. Ungenauigkeiten sind also möglich, je nach Geschwindigkeit von Ball und oder Spieler sind zumindest zweistellige Zentimeterwerte möglich – und das ist dann doch eine ganze Menge.
Wir haben Alex Feuerherdt (früher Collinas Erben, aktuell Leiter Kommunikation und Medienarbeit bei der DFB Schiri GmbH) gefragt, wie dieser „Kickpunkt“ bestimmt wird:
„Die Bestimmung des Kickpoints bei einer Abseitsüberprüfung erfolgt nach einem standardisierten Vorgehen, bei dem zuerst mit einer hochauflösenden Kameraeinstellung der möglichst exakte Moment des ersten (und damit relevanten) Impulses auf den Ball festgestellt wird. Hierbei werden drei aufeinander folgende (Bild-)Frames genutzt, die diesen Abspielzeitpunkt fixieren.“
Alex Feuerherdt, DFB Schiri GmbH
Durch dieses Vorgehen lässt sich auf der Basis der vorhandenen technischen Möglichkeiten mit großer Sicherheit der korrekte Abspielzeitpunkt ermitteln.
Wir werden uns dies gleich genauer anschauen.
Wer sich an die letzten großen Nationenturniere der Männer erinnert, hat vielleicht noch die „halbautomatische Abseitstechnologie“ in Erinnerung, wo beispielsweise auch durch einen Chip im Ball der genaue Moment des Abspiels exakt bestimmt werden kann.
„Eine noch genauere Bestimmung ist mit der halbautomatischen Abseitstechnologie möglich, wie sie beispielsweise bei der WM 2022 und der EM 2024 eingesetzt wurde. Derzeit wird bei der DFL bzw. den Profiklubs der Bundesliga und der 2. Bundesliga über die Einführung dieser Technologie auch in Deutschland diskutiert. Es sind die Klubs, die über diese Einführung entscheiden. Die DFB Schiri GmbH ist gewissermaßen nur der Dienstleister.“
Alex Feuerherdt, DFB Schiri GmbH
Bestimmt sind die geizigen Bayern schuld, dass das hier nicht besser läuft. (Kleiner Scherz.)
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass je nach Kamerawinkel auch Spieler verdeckt sein können. So merkte beispielsweise Alexander Blessin nach dem Spiel in Dortmund an:
„Für mich ist nicht klar zu erkennen, wo Emre Can steht. Man kann also keine Linie ziehen. Und wenn es so unklar ist, darf man das Tor auch nicht aberkennen und darf der VAR nicht einschreiten. Can ist auf allen Bildern verdeckt, daher hätte das Tor nach meinem Dafürhalten zählen müssen.“
Alexander Blessin, FC St. Pauli nach dem Spiel in Dortmund (kicker)
Auch dies werden wir uns jetzt genauer anschauen.
Der aberkannte Führungstreffer in Dortmund
Am vergangenen Freitag lief in Dortmund die 30. Minute, als Eric Smith einen Freistoß in den BVB-Strafraum schlug und Morgan Guilavogui die umjubelte Führung für den FC St. Pauli erzielte. Etwa zwei Minuten später nahm Matthias Jöllenbeck nach Hinweis des VAR den Treffer aufgrund von Abseits zurück. Schauen wir in den Kölner Keller, wie es zu dieser Entscheidung kam, wofür uns der DFB freundlicherweise die oben erwähnten Bilder zur Verfügung stellt.
Beginnen wir mit der Bestimmung des Kickpunktes, mit den Ausführungen von Alex Feuerherdt dazu:
„Der erste Frame zeigt den Moment, bevor der betreffende Körperteil (im Normalfall der Fuß) unmittelbar am Ball ist.“

„Der zweite Frame hält den Zeitpunkt des ersten relevanten (Abspiel-)Impulses auf den Ball fest, sprich: den maßgeblichen Kontakt.“

„Der dritte Frame ist der Moment, in dem der Ball den Fuß verlassen hat.“

Okay… das muss man sich natürlich nun auf deutlich größeren Bildschirmen in besserer Auflösung vorstellen, daher hier nochmal Abspielzeitpunkt und Abseitsstellung von mir vergrößert:

Schon hier ist besagtes Problem mit den Frames zu erkennen, oder auch das „Unschärfeproblem“, wie Markus Bark es nannte. Der Frame ist zweifelsohne korrekt oder zumindest bestmöglich gewählt, wie die anderen Frames vorher und nachher zeigen. Der Ball am Fuß von Eric Smith zeigt aber durch die Bewegung schon, dass hier eine gewisse Ungenauigkeit durch die technische Limitierung eingepreist werden muss. Wenn man dann andererseits laufende Spieler bis auf den Millimeter genau beurteilen will, ist dies zumindest schwierig.
Verdeckte Ermittlungen
Tja… und wie ist das denn, wenn jemand verdeckt ist, wie im vorliegenden Fall Emre Can? Was passiert dann?
„Für den Fall, dass sich eine potenzielle Abseitssituation mit dem vorhandenen Bildmaterial und den gegebenen technischen Möglichkeiten nicht auflösen lässt (etwa, weil sich die Positionen des maßgeblichen Abwehrspielers und/oder des maßgeblichen Angreifers nicht bestimmen lassen, weil entscheidende Körperpartien in allen Kameraeinstellungen verdeckt oder nicht im Bild sind), bleibt es grundsätzlich bei der auf dem Feld getroffenen Entscheidung. Denn es lässt sich dann nicht nachweisen, dass diese Entscheidung falsch ist.“
Alex Feuerherdt, DFB Schiri GmbH
Für den DFB ließ sich die Situation allerdings auflösen, gleich mehr dazu.
Was man hier natürlich zwingend beachten muss: Der Kamerawinkel verzerrt. Nimmt man nur das obige Standbild, so würde ich beim von Hauke Wahl verdeckten Emre Can zu gleiche Höhe tendieren. Dreht man die Kamera aber gedanklich etwas ein (oder fällt eben technisch das oft beschworene Lot), so ergibt sich ein anderes Bild.
Dieses wurde dann auch in der Live-Übertragung auf DAZN sowie beim fcstpauli.tv verwendet:

Was hier aus meiner Sicht zur Verwirrung führt: Die gestrichelte Linie des Defensivspielers führt nicht zu Can. Trotzdem, wenn man die Kamera gedanklich vom Winkel her eindreht, dürfte für ihn die gleiche Position gelten und die Entscheidung korrekt sein.
„Im VAR-Check wird nach Kameraeinstellungen gesucht, in denen sich die Position des betreffenden Spielers bestimmen lässt, das ist auch in diesem Fall (also bei Can) geschehen. Dabei kann es allerdings passieren, dass eine in dieser Einstellung angelegte Linie bzw. ein Lot in einer anderen (synchronen) Kameraeinstellung – die aber ggf. die bessere Überblicksdarstellung ermöglicht – gewissermaßen „durch die Spieler“ läuft. Das kann beim Betrachter für Verwirrung sorgen, wenn man den relevanten Körperteil in dieser Einstellung nicht sieht, weil er in dieser Einstellung verdeckt ist. VAR und AVAR sind dessen ungeachtet im Check zu der Überzeugung gelangt, dass die ausgespielte Markierung am Verteidiger auch diejenige ist, die der Torlinie am nächsten ist.“
Alex Feuerherdt, DFB Schiri GmbH
Alexander Blessin wird hier wohl eher mit „Agree to disagree“ antworten, nehme ich an.
Für mich bleibt nach Betrachten aller Bilder das Gefühl, dass die Entscheidung so korrekt war – eine gewisse Restunsicherheit bleibt und ein „The call stands“ wie im American Football wäre für mich hier auch durchaus möglich gewesen. (Dies bedeutet eben, dass man weder die Korrektheit der Entscheidung bestätigen noch das Gegenteil beweisen konnte.)
Der Geist der Regeln
So, nun aber genug mit dem Blödsinn. Ab hier endet die sachliche und verständnisvolle Schilderung, jetzt wird der Artikel zum Kommentar. Oder sogar eher zum Appell: Schafft den Quatsch ab!
Und nein, ich meine nicht den VAR, ich beziehe mich nur auf die kalibrierten Linien. Fußball ist kein 100-Meter-Lauf, es geht nicht um Millimeter.
Kurzer Exkurs: Wofür sind die wichtigen Fußballregeln denn da? Warum sind Fouls und Handspiel verboten? Damit man sich dadurch nicht unfair einen Vorteil verschafft. Damit man, wenn man jemanden umtritt, bestraft wird. Man soll den Ball mit Fuß oder Kopf aber eben nicht mit der Hand spielen.
Lässt sich hier mittels Kamera ein Vergehen(!) ermitteln, so bin ich großer VAR-Fan und möchte unerlaubte Dinge wie Fouls oder Handspiel auch geahndet wissen.
Wichtig dabei: In aller Regel wissen die handelnden Personen sehr genau, ob sie ein Foul begangen haben oder den Ball mit der Hand gespielt haben – auch wenn sie das natürlich nicht unbedingt freiwillig zugeben und quasi jedem Pfiff empört in die Luft geworfene Arme und ein entsetzter Gesichtsausdruck als Unschuldsbeweis folgen.
Umgekehrt weiß ein gefoulter Spieler in den meisten Fällen eben auch, dass er gefoult wurde. Ausnahmen wie die komplexe Handregel oder ein eventuell vor dem Foulkontakt gespielter Ball bestätigen diese Regeln.
„Klare Fehlentscheidungen“ sollen hier korrigiert werden. Ich bin Fan, ich bleibe dabei.
Ist mir die konkrete Umsetzung manchmal zu kleinlich? Wird oft zu sehr nach dem Fehler „gesucht“? Mag sein – aber ich schrieb ja schon eingangs: Dies ist kein VAR-Artikel.
Wofür hingegen ist die Abseitsregel da?
Vereinfacht ausgedrückt existiert Abseits, damit niemand da vorne rumsteht und durch die Feldposition einen Vorteil erlangt. Varianten davon gibt es auch in anderen Sportarten wie Eishockey und Football, auch hier mit ähnlichen Zielen, Sportartspezifisch.
Übertragen auf den aktuellen Profifußball: Der Stürmer soll nicht näher am Tor stehen als der (vor)letzte Verteidiger.
Der große Unterschied zu Fouls und Handspiel: Mit den kalibrierten Linien und dem Millimetergeschiebe weiß hier meist niemand genau, ob das nun Abseits war oder nicht. Nicht mal die beteiligten Spieler. Man muss bei Situationen wie der hier diskutierten auf die technische Auflösung warten, die noch dazu ihre technischen Ungenauigkeiten hat, wie oben ausgeführt.
Man versucht also mittels Technik eine technische Auflösbarkeit herzustellen, die a) nicht wirklich exakt gegeben ist und b) auch noch überhaupt nicht dem eigentlichen Gedanken der Regel folgt.
Denn ob Morgan Guilavogui in der Szene nun fünf Zentimeter vor oder hinter Emre Can war, ist für den konkreten Ausgang der Situation irrelevant. Alles unterhalb eines halben Meters wäre das, wahrscheinlich. Den entscheidenden Vorteil kann man sich natürlich verschaffen, wenn man deutlich vor dem Verteidiger steht. Aber dabei ist es doch egal, ob man dies mit ein paar Zentimetern Schulter oder Fuß oder einem um fünf Zentimetern nach vorne gereckten Knie tut – insbesondere, wenn ein Frame früher oder später die Situation eine gänzlich andere sein kann und ich es technisch gar nicht so exakt aufgelöst bekomme.
Abschaffen! Abschaffen!
Und damit hier nun mein Appell: Schafft die kalibrierten Linien wieder ab.
Gebt wieder mehr Verantwortung an die Assistent*innen, denn die machen auf dem Niveau einen herausragenden Job mit einer unfassbar guten Trefferquote. Deren Entscheidung sollte (wie beim Schiedsrichter in Sachen Foul- oder Handspiel) erst einmal stehen – und nur wenn diese sich als eindeutig falsch erweist, kann sie immer noch korrigiert werden.
Klar, die Frage „Was ist bei Abseits eindeutig falsch?“ ist eine schwierige, aber wenn man sich den Geist der Regel in Erinnerung ruft, wofür diese erdacht wurde – dann würde ich sagen, dass man eine strafbare Abseitsstellung auch ohne technische Hilfsmittel zweifelsfrei erkennen muss. Ohne kalibrierte Linie, wahrscheinlich sogar ohne Standbild, einfach aus der flüssigen Bewegung heraus.
Fehlertoleranz
In eine ähnliche Richtung argumentierte übrigens UEFA-Präsident Aleksander Ceferin schon mal (Süddeutsche Zeitung, Dezember 2019), der sich für eine gewisse „Fehlertoleranz“ aussprach. Wichtig dabei für mich: Es geht nicht um zehn Zentimeter oder 20 Zentimeter – denn dann würde, wie Claudio Catuogno richtigerweise anmerkt, sich das Problem ja nur verschieben.
Es geht darum, die Verantwortung wieder an die Assistent*innen zu übertragen – und dann einen ähnlichen Ermessensspielraum wie beim Foulspiel oder Handspiel für den VAR einzuräumen, eine Fehlertoleranz. Wohlgemerkt nicht für die Assistent*innen selbst, die sollen weiter nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Nur wenn das VAR-Bild dann so klar falsch ist, dass man die Entscheidung nicht als „im Grenzbereich“ stehen lassen kann, sollte diese korrigiert werden. Ohne kalibrierte Linien, im besten Fall sogar ohne Standbild. Mit etwas Spielraum, wie es eben auch bei Foul- und Handspiel passiert.
Wird dann da mal etwas um ein paar Zentimeter „falsch“ entschieden? Ja, klar. Aber diese wenigen Zentimeter im Moment des Ballabspiels sind in den meisten Fällen irrelevant für die danach eintretende Situation.
Macht das den Fußball fairer? Zumindest macht es ihn wieder schneller und würde ihm einiges an Glaubwürdigkeit zurückbringen. Eine Zehenspitze im Abseits ist kein Vorteil, der einen solchen (technischen und zeitlichen) Aufwand rechtfertigt.
Und wie geht es weiter?
Die für mich natürlich erschütternde und ernüchternde Wahrheit wird sein, dass der Weltfußball diesen Blog nicht liest und das IFAB mir nicht folgen wird. Kann und muss ich mit leben, ich wollte es aber zumindest einmal zu Papier gebracht haben.
Tatsächlich wird es aber wohl in Richtung „halbautomatische Abseitserkennung“ gehen, zumindest in den großen Ligen. Diese wird unter anderem hier bei der FIFA erklärt. Laut Frankfurter Rundschau (unter Berufung auf die Sport-Bild) dürfte dies zur neuen Saison Einzug halten, auch Alex Feuerherdt deutete dies ja im obigen Zitat zumindest schon an.
Sicher ist, so oder so: Die Angst, man würde an Stammtischen nicht mehr trefflich über Entscheidungen im Fußball diskutieren können, dürfte weiterhin unbegründet sein.
Über eine konstruktive Diskussion in den Kommentaren zu meinem etwas ungewöhnlichen Vorschlag freue ich mich sehr, vielen Dank.
// Maik
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Geil, Maik! Ich setze mal einen Kommentar hier ab, damit wir die Diskussion öffentlich weiterführen können.
Ich finde weiterhin, dass dein Ansatz mit „kalibrierte Linien abschaffen“ nicht zielführend ist. Es verlagert nur das Problem. Und wenn Du das wieder in die Hände der Schiedsrichter*innen legst, dann wird es sehr subjektiv und schwammig und damit öffnet man Kritik Haus und Hof. Vor allem, weil es mit der halbautomatischen Technik eine klare Verbesserung geben könnte.
Ich fände es besser, wenn man der Technik eine Fehlertoleranz zugesteht. Dann mag jemand zwar vielleicht im Abseits stehen, aber man kann nicht ausschließen, dass man das nicht genau auflösen kann. Und dann zählt die Entscheidung auf dem Feld (ich glaube hier sind wir auf einer Wellenlänge).
Der Vergleich zum Foulspiel hinkt: Dort gibt es einen Toleranzbereich namens Ermessensspielraum. Den gibt es beim Abseits nicht, auch nicht wenn man Geister dabei beschwört 😉
Freue mich schon auf die nächste ausführliche Diskussion zum Thema! Küsschen!
Bleib Du doch bei Taktik und ich bei den Schiri-Entscheidungen 😉
Maik, vielen Dank für den Artikel und die interessanten Einblicke! Ich kann gut nachvollziehen, was Du schreibst und vorschlägst … und wäre dafür! ✌️
Danke für den Artikel, Maik.
Wünschen würde ich mir in solchenFällen, dass ein sich im Zweifel befindlicher Schiri (bzw. seine Assistenz), eine (kalibrierte) Klärung der Abseitsposition aktiv einfordern muss. Anderenfalls gilt deren Entscheidung auf dem Platz. Punkt!
Hmmmmneee, schwierig.
Der Assistent soll sich schon klar entscheiden, so oder so, wie bisher auch.
Weil wenn jetzt im vorliegenden Fall der Assistent „bin mir unsicher“ gefunkt hätte – wie wäre denn dann entschieden worden?
Erst bei Unsicherheit auf dem Platz wäre in meiner Vorstellung der VAR in der Frage nach Abseits gefragt. Erkennt VAR mit oder ohne Linie auf Abseits gilt Abseits, wenn der kein eindeutiges Abseits erkennt, gilt die Schiri- Entscheidung auf dem Platz.
Mir ist wichtig, dass die Schiedsperson die Unterstützung nur dann aktiv einfordert, wenn auf dem Platz zwischen Assi und Schiri Unklarheit herscht bzw. keine Einigung erzielt wird. Die Schiedsrichter /innen verkommen doch sonst immer mehr zu Marionetten des „VAR-Kellers“.
Ich glaube nicht, dass das funktioniert.
Zum einen erlebe ich ziemlich regelmäßig, dass ich mir live ganz sicher bin, ob es Abseits war oder nicht, um dann im Video zu sehen, wie sehr ich falsch gelegen habe (nur im Fernsehen und auf der Tribüne, ich bin kein Schiedsrichter).
Zum anderen sind Schiedsrichter gewohnt, zu entscheiden und das dann durchzuziehen. Zweifel werden weggebügelt, nicht nur von den Spielern, sondern auch die im eigenen Kopf. Schon heute können Schiedsrichter zum Onfield-Review gehen, wenn sie unsicher sind und das passiert quasi nie.
Sehr guter Artikel, Maik. Gehe ich nahezu überall mit. Vor allem bei dem Hinweis auf den Geist der Regeln. Mir wird in vielen Bereichen zu oft vergessen, was eine Regel bewirken soll. Da wird dann zu sehr auf technischen Details und mm Schubserei rumgeritten, welche am Ende das Ganze auch nicht gerechter und objektiver macht.
Moin,
Danke Maik, es schlagen 2 Herzen in meiner Brust.
JA, ich verstehe Tim und auch Maiks grundlegenden Ansatz „Gerechtigkeit durch Technik“, aber ist nicht auch grade das herantasten an den Schiri-Pfiff und das nutzen von schwächen immer schon Betandteil des Fußballs den wir eigentlich lieben gewesen?
„Foul is wenn der Schiri pfeift“, und dass man bei groben Fehlern, ob unabsichtlich oder gar beabsichtigt, dank technischer Aufzeichnung einschreiten kann ist gut, aber muss es darum der Standard sein, dass kaum ein Assistent die Fahne hebt, wenn es vielleicht nicht mehr als 50cm Abseits war und lieber auf den Ausgang der Situation und das Eingreifen des VAR wartet?
Ich mag den VAR in seiner aktuellen Beschaffenheit nicht, lieber ganz abschaffen, als diesen halbgaren Mist, und wenn es denn sein muss, dann bitte mehr wie Maik es sieht; mehr Entscheidung auf dem Platz weniger im Keller.
Oje, müssen wir uns jetzt zwischen Team Maik und Team Tim entscheiden? Das will ich nicht. Ich hab euch doch beide lieb.
Jedenfalls freue ich mich, dass Du den „Geist der Regel“ so prominent platziert hast. 🙂
Die Abschaffung der kalibrierten Linien des VAR würde nicht verhindern, dass die TV Sender in ihren Zeitlupen selbst irgendwelche Linien ziehen und zur Zeit hat man wenigstens ein offizielles Bild zum diskutieren. Die meisten vom VAR kassierten Tore sind imho Situationen, bei denen der Angreifer mit seinem Ballkontakt sofort das Tor erzielt und da ist das dann schon entscheidend und man kann doch nicht „Pi mal Daumen“ gelten lassen. Ich denke man sollte ein reines „Technikabseits“ einführen indem man bspw sagt, dass ein im Trikotkragen eingenähter Chip im Zusammenspiel mit einem Chip im Ball relevant ist und dann ein Signal beim Schiri oder am besten sofort auch für Spieler und Zuschauer sichtbar ausgelöst wird. Da wären dann wenige cm Abweichung (die ja für dich ok gehen) eingepreist aber im Stadion hätte man sofort Sicherheit, dass ein erzieltes Tor nicht wegen abseits zurückgenommen werden kann. Nachteil: In unteren Ligen wäre das aufgrund fehlender Technik nicht umsetzbar.
Das mit dem Chip im Kragen finde ich (wenn es technisch verlässlich funktioniert) auch okay. Dann kann halt auch ein Körperteil weiter vorne oder hinten sein, man hat aber zumindest ein klares und nachvollziehbares Urteil.
Moin,
erstmal wieder Danke für den Artikel. Wenn bloß die Hälfte aller Journalisten in Deutschland so sachlich und reflektiert wären wie der Millernton hätten wir viele Probleme nicht…
Zur Sache: Ich bin da ganz bei Maik. Wenn man ein Standbild und eine kalibrierte Linie braucht kann es imho keine ‚klare Fehlentscheidung‘ gewesen sein. Klar sind, rein technisch gesehen, auch 5mm Abseits immer noch Abseits, aber wo ist, unter diesen Maßstäben dann der genaue Übergang von einer Berührung zu einem Foul… Eine gewisse Toleranz (Vertrauen in die Erfahrung des Schiedsrichtergespannes) sollte im Fußball möglich sein.
Und ich bin nicht so regelfest, aber hieß es früher nicht mal ‚Im Zweifel für den Angreifer‘? Das Gefühl habe ich heute schon lange nicht mehr. Es wird gefühlt lieber ein reguläres Tor nicht gegeben, als ein Irregulares gegeben. Oder stehe ich mit dem Gefühl allein da?
In etwas geraffter(er) Form hat der Postillon eine ähnliche Situation beim EM-Spiel Dänemark – Deutschland »analysiert«:
https://www.der-postillon.com/2024/07/var-andrich-schnuersenkel.html
Vielleicht ist es eine Frage wie man den Zweck der Regel mit dem Nutzen der Technik verbindet.
Maik hat völlig zutreffend den Zweck der Regel beschrieben – die Frage ist nur unter welchen Bedingungen liegt ein Vorteilsnahme vor?
Im Blogpost wird die Unschärfe bei der Bestimmung des Abspielzeitpunktes des Balles ja bereits thematisiert.
Wie wäre es, wenn man die Unschärfe mit in die Entscheidungsfindung einbezieht.
Konkreter, für jede Abseitsentscheidung wird ein Unschärfekorridor berechnet. Befindet sich der Spieler der des Abseits verdächtig ist innerhalb der Korridors liegt kein klares Abseits vor – die Entscheidung des Schieds- und Linienrichter auf dem Platz hat Bestand.
Ist der Spieler außerhalb des Korridors und die Entscheidung auf dem Platz ist nicht korrekt liegt eine klare Fehlentscheidung vor, die der VAR korrigieren darf.
Der Unschärfekorridor berechnet sich aus der Kombination von Spieldynamik und technischer Hilfsmittel. Konkret die Geschwindigkeit des Balles bei der Ballabgabe zur Bildwiederholrate der Kamera(s).
Beispiel: Bei einer Bildwiederholrate von 50 fps und einer Geschwindigkeit von 50 km/h bei der Ballabgabe ergibt sich eine „Unschärfe“ von etwa 29 cm.
Jetzt kann man einwenden das durch den Korridor die Grenzen einfach nur versetzt werden, jo, das stimmt. Aber durch den Versatz würde erstens etwas klarer ob sich der Spieler einen Vorteil im Sinne der Regel verschafft hat oder eher nicht und zweitens lässt die Unschärfe Raum für eine Entscheidung innerhalb des menschlichen Wahrnehmungsvermögens.
Für die Spieldynamik würde es bedeuten das ein schnelleres Spiel durch einen größeren Korridor „belohnt“ würde, da es dem angespielten Spieler mehr Raum zur Positionierung bietet.
Und möglicherweise würde mit dem Handlungsspielraum wieder häufiger im Zweifel für den Angreifer entschieden.
Die Voraussetzungen im Ligabetrieb für die Messung der Geschwindigkeit des Balles sind derzeit noch nicht gegeben, da der Chip im Ball noch kein Standard ist – das ist aber wohl nur eine Frage der Zeit.
Hmmm… also mein Ansatz war ja eher, weniger Technik zu nutzen 😉
Haha – das hab ich auch so gelesen und von mir aus auch gerne ohne Technik.
Meine Gedanken gehen nun vom bisherigen Verlauf des Technikeinsatzes aus, also eher mehr als weniger – und wäre es innerhalb dessen trotzdem möglich etwas mehr menschlichen Entscheidungsspielraum zu ermöglichen.
Früher stand mal in den Regeln , der Schiedsrichter darf nur das pfeifen, was er auch sieht – ich weiß nicht, ob das heute auch noch gilt. Im Fall Dortmund wäre das Tor gültig, weil der Gegenbeweis nicht sichtbar gemacht werden kann. Zum anderen scheint ein anderer Teil der Abseitsregel durch den Versuch einer calibrierten Linie aufgehoben: gleiche Höhe ist kein Abseits! Dieser Teil der Regel war für den angreifenden Spieler wichtig, weil er eben sichtbar im Abseits stehen musste, damit gepfiffen wurde. Heute habe ich das Gefühl die Schiedsrichter*innen pfeifen auch bei gleicher Höhe, um den „Fall“ überprüfen zu lassen. Wenn die Technik aber kein sichtbares Ergebnis liefern kann, wird es aus meiner Sicht absurd.
Gleiche Höhe gibt es ja de facto nicht mehr, da die Technik versucht, jeden cm an unterschiedlicher Positionierung der Spieler herauszuarbeiten. Was aber mE mit der aktuell eingesetzten Technik unmöglich ist.
Wtf, nach der Ansicht deiner Standbilder wird die Fehlentscheidung des VAR mehr als deutlich, wie kann man denn bitte aufgrund von solchen Bildern die Tatschenentscheidung zurücknehmen?
Ich finde die Schiris sollten so wenig wie möglich Ermessensspielraum haben, auch denen ist nicht jeder Verein, jeder Spieler und jeder Vereinshossel den sie vor dem Spiel kennenlernen mussten, gleich sympathisch. Ich meine hier eher das unbewusste Verhalten als bewusste parteiische Entscheidungen.
Von daher bin ich für das halbautomatische System, die Linien sind dünn genug und der Ball gibt ein schnelles Signal bei Berührung, wenn´s denn in der Praxis immer so klappt wie´s die FIFA in ihrer Präse zeigt…
Ich glaube an den Fortschritt durch Technik, 4k Kameras filmen schon in 100 oder 120 fps. Wenn die in den Stadien eingestezt werden wird sich die genauigkeit bei Standbildern um 100% verbessern. https://pro.sony/ue_US/technology/high-frame-rate
Wisst ihr welche VAR Technik die DFL benutzt? Ich kenen nur Vogo aber ich glaube nicht die DFL ist Kunde von denen https://www.vogo-group.com/en-gb/
Auf der anderen Seite mag ich Maik‘s Vorschlag das Abseits bei normler Geschwindigkeit aus der Bewegung heraus erkennbar sein sollte.
Ich fand den VAR in allen Situationen doof, außer bei Abseits, weil es da eben „ein bisschen Abseits“ (den Ermessensspielraum) nicht gibt. Da gibt es nur 0 oder 1. Was jetzt aber daraus gemacht wird, ist absurd. Was mich extrem nervt ist auch die Zeit, die das Ganze in Anspruch nimmt. Und da würde ich ansetzen. Ich würde einen Zeitraum x ansetzten (30 Sekunden, eine Minute…?) in der das Abseits (oder nicht) geklärt sein muss. Passiert das nicht innerhalb dieser Zeit, dann „im Zweifel für den Angreifer“. Ich habe aber natürlich auch keine Ahnung, wie lange die Bereitstellung der Bilder dauert.
Keine Regel ist als 0 oder 1 Entscheidung beschrieben. Ermessensspielraum ist fürs gesamte Regelbuch beschrieben.
Fußball ist halt kein Physikexperiment, auch bei Abseits sollte man das nicht versuchen
Der Zeitpunkt X sind für mich 3 Sekunden.
Wenn das Tor fällt und der Linienrichter drei Sekunden später nicht für alle gut sichtbar sein Fähnchen hoch reißt, habe ich schon keinen Bock mehr auf die Nummer.
Das mag egoistisch klingen, aber ich will jubeln, wenn der Ball im Netz liegt und ich finde es auch super, wenn Abseits schon abgepfiffen wird, wenn es entsteht und nicht erst, wenn ein Tor gefallen ist.
Das ist für mich der Geist des Spieles.
Fühl ich zu 1910%
A very convincing argument, Maik. I adhere.
Ich gehe in eine ähnliche Richtung wie Maik.
Mein Ansatz wäre aber nicht ganz so subjektiv auf Schiri-Entscheidungen ala „klare Abseitsposition“ zu setzen.
Ich würde vielmehr gerne für den VAR ein Zeitlimit setzen und wenn er innerhalb dieser gegebenen Zeit (20 Sekunden oder so) nicht eine Fehlentscheidung nachweisen kann, dann war es m.M.n. keine so klare Fehlentscheidung um die Entscheidung auf dem Feld ändern zu können.
Zum Führungstreffer in Dortmund:
Ich sehe wirklich nicht, wo die VAR-Entscheidung korrekt sein soll.
Imho hat Can seinen Arm auf dem Standbild eindeutig um den am tiefsten stehenden St.Paulianer gelegt -> kein Abseits
Ich finde es ja selbst immer doof, solche Ideen gleich zu zerreden, aber das Problem bei „starren“ Zeitvorgaben:
Wenn der VAR dann nach (beispielsweise) 21 Sekunden das Gegenteil herausfindet… dann soll die dann falsche Entscheidung bestehen bleiben, obwohl das Spiel ja noch nicht fortgesetzt ist? Da geht für mich dann Gründlichkeit doch eher vor Schnelligkeit.
M.M.n. sollte Gründlichkeit aber auch seine Grenzen haben. Zu oft wartet mensch im Stadion auf eine Entscheidung des VARs und nach einer gefühlten doppelten Ewigkeit erfährt mensch dann zu Hause, dass es oft doch nur eine „Kann-Entscheidung“ war. Daher fände ich es sinnvoll, die Gründlichkeit dadurch zu erweitern, dass klare Fehlentscheidungen durch den VAR revidiert werden können. Wenn eine Entscheidung in der vorgegebenen Zeit (dann eben 22 Sekunden 😉 ) nicht klar revidiert werden kann, hat das Schiri-Team auf dem Platz imho keinen klaren Fehler begangen.
Ich würde mir wünschen, dass Fußball wieder ein Sport für das Stadion wird, aber es wird durch den VAR zunehmend ein Sport für den TV-Konsumenten…
Was für ein geiler Artikel!!! Alles drin, was ich seit Ewigkeiten über diese. VAR-Abseits-Mist denke.
Lass den Tim reden. Das mit dem Geist der Regel trifft den Nagel einfach auf den Punkt.
Die Frage die man sich stellen muss ist doch: Macht es das Spiel besser?
Und die Antwort ist: Nein verdammt nochmal. Es macht das Spiel nicht besser, wenn alle im Stadion, inklusive der 22 Spielern, den Schiedsrichtern den Kumpels in Köln und den Damen und Herren vor den Empfangsgeräten mit erhöhtem Blutdruck zwei Minuten auf eine Entscheidung warten müssen.
Können sich die Typen, die so einen Quatsch einführen, überhaupt vorstellen, was meine Nachbarn denken, wenn ich samstags den Fernseher anschreie: „Jetzt hör doch mit der Scheisse auf und gib endlich das Tor!!!!“
Sorry, aber mich kotzt es wirklich an.
Zumal ich die sportliche Leistung der Linienrichter immer extrem bewundert habe. Und diese sportliche Leitung wird mittlerweile irrelevant, weil wir ja so tolle Technik haben. Sorry, aber das finde ich extrem doof.
Die Regel sollte sein: Der Linienrichter entscheidet und im Zweifel für den Angreifer. Denn das macht das Spiel wirklich besser.
Bei der Qualität der Linienrichter sind Fehlentscheidungen bei denen ein Abwehrspieler wirklich benachteiligt wird super gering. Und wenn es doch eine gibt, geht die Welt davon auch nicht unter.
Ich glaube, dass viele Linienzieher den Fußball einfach viel zu ernst nehmen.
Fußball soll in erster Linie Spaß machen und diese verkackte Pause zwischen dem Tor und der Entscheidung, ob es das Tor auf die Anzeige-Tafel gepinselt werden darf, mindert den Spaß.
Im Zweifel für den Stürmer und keine Technik. Das führt zu kürzeren Entscheidungswegen und zu mehr Toren.
ja, Fußball ist ein Spiel, zumindest sollte es das im Amateurbereich so sein und auch von allen so gesehen werden.
Das es im Profibereich anders ist, da glaube ich brauchen wir uns nichts vor zu machen. Ein falsch gegebenes oder nicht gegebenes Tor kann für den einen Verein relevante vor allem finanzielle Unterschiede machen. Is Kacke, is aber so.
Ich denke Konsens ist:
– so wie ’s ist, ist es Mist
– Entscheidungen müssten schneller sein (dem Spielfluß und auch den Emotionen zu liebe)
Ja klar, kann das Konsequenzen haben. Aber die hat es doch so oder so.
Wenn wir am letzten Spieltag gegen Bochum absteigen, weil unser Angreifer Schuhgröße 45 hat und der Verteidiger Schuhgröße 41, ist das dann fair? Nein, ist es nicht.
Es ist aus meiner Sicht ein absolut unsinniger Perfektionismus, der da betrieben wird. Komplett nerdig und übertrieben.
Klar ist das alles ein Spiel wo es um Millionen geht. Aber man sollte sich auch mal überlegen wie die Millionen verdient werden. Die Millionen werden nämlich verdient, weil Millionen Menschen zuschauen und ihr Herz daran hängen. Die Millionen werden verdient, weil die emotionale Achterbahn einfach so einen Spaß macht.
Und darum muss meiner Meinung nach die wichtigste Frage sein: Macht es das Spiel interessanter, wenn da Minutenlang Pixel gezählt werden?
Und ich finde eben nicht, dass das der Fall ist.
Das Argument von Tommy kann ich absolut verstehen. Er sagt, er will mehr Technik, damit menschliche Schwächen wie Sympathie eine geringere Rolle spielt.
Kann man so sehen, aber ich bin da anderer Meinung. Ich hätte es gut gefunden, wenn der Schiedsrichter in unserem Spiel gegen Mainz das menschliche Fingerspitzengefühl gezeigt hätte und ein Auge auf Kohr gehabt hätte, der schon in den Spielen zuvor sehr negativ aufgefallen ist. Dieses Fingerspitzengefühl hat ein guter Schiedsrichtern. Eine Maschine wird dies so vermutlich nie können.
Das zweite Argument, das hier noch nicht genannt wurde, ist natürlich, dass man keine unterschiedlichen Entscheidungen auf unterschiedlichen Plätzen möchte und darum gerne alles auf Schwarz/Weiß-Situationen reduzieren möchte.
Jo, aber da sehen wir doch jedes Wochenende, dass das nicht gelingt.
Und ganz ehrlich: Über was sollen die Freds im Doppelpass denn noch nach drei Weißbier diskutieren, wenn der Fußball „perfekt“ geworden ist?
Insgesamt spricht mir der Artikel/Kommentar aus der Seele. Wo kann ich die Petition dazu unterschreiben?
Grundsätzlich besteht bei dem VAR insbesondere in Deutschland das Problem, dass der VAR-Eingriff eben nicht nur bei klaren und offensichtlichen Fehlentscheidungen erfolgt. Die Schiedsrichter brechen diese Regel andauernd. Es müsste sie nur mal ein Vorgesetzter ernsthaft dazu anweisen. Passiert anscheinend leider nicht. Und ja, „klar und offensichtlich“ sind (wie Du schreibst) auch wieder dehnbare Begriffe. Aber wenn ich mir als Schiedsrichter eine Szene 5 Mal am Bildschirm angucken muss und dazu 1 Minute brauche, um eine Entscheidung zu treffen, ist das für mich der eindeutige Beweis, dass es eben keine „klare und offensichtliche“ Fehlentscheidung war, die der Schiedsrichter auf dem Platz getroffen hat. Dann muss es auch dabei bleiben. Leider passiert dies in der Praxis überhaupt nicht. 50 zu 50 oder meinetwegen auch 70 zu 30 Entscheidungen werden regelmäßig per VAR umentschieden. Das ist jedoch ein klarer Regelverstoß seitens der Schiedsrichter! Und das passiert jeden Spieltag! Mehrfach!
Und das gleich gilt auch bei Abseits. Deswegen finde ich den Vorschlag gut, die Linien abzuschaffen. Das Abschaffen der kalibrierten Linien ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn es den TV Sendern bei Übertragungen ebenfalls verboten wird, diese zu ziehen (wie hier bereits mehrfach erwähnt). Sonst wird der Schiedsrichter im Nachgang immer wieder damit konfrontiert. Das macht dann auch keinen Sinn. Da so ein Verbot jedoch utopisch ist (zu Not machen es dann halt irgendwelche Blogger im Nachgang mit Lineal und Bleistift), ist für mich hier die (halb-)automatische Variante die beste Lösung.
Und nun nochmal etwas was mir auf der Seele brennt: Auch wir Fans müssen mal wieder lernen, nachsichtiger zu sein. Jede/r ist der Meinung, dass die Entscheidung so wie er/sie sie treffen würde, immer die zu 100 % richtige ist (meistens beeinflusst dadurch, welche Mannschaft man unterstützt). Kaum eine/r akzeptiert mehr, dass es sehr viele 50 zu 50 oder auch 80 zu 20 Entscheidungen gibt. Der Gipfel: Das Handspiel von Spanien bei der EM. Ganz Deutschland tobt. Objektivität? Fehlanzeige. Alles ist immer ein riesen Skandal. Das muss aufhören! Dann hören ggf. auch die Schiedsrichter auf, sich permanent im klein klein zu bewegen. Und ich will Weltfrieden. Beides utopisch… ich weiß.
„FÜR WELTFRIEDEN! GEGEN KALIBRIERTE LINIEN!“
Online-Petition richte ich ein…
2h für eine Online-Petition???
wir warten 😉
Bei der Petition bin ich dabei. Aber wenn ich jetzt anfangen soll objektiv ein Fußballspiel zu schauen, ist das nicht mehr mein Sport. 😉
Aber noch eine Sache zu dem Argument: Wenn die TV-Bilder das können, muss es der Schiedsrichter auch können.
Nein, finde ich nicht. Ich kann mich noch daran erinnern, als es noch keinen VAR gab und im TV trotzdem 1000 Wiederholungen und Linien gezogen wurden.
Da saß ich regelmäßig vorm TV und dachte mir nur: „Krass, dass der das gesehen hat.“ Gerade bei Abseitsentscheidungen.
Ich finde, nicht nur die 22 Leute auf dem Platz sind Hochleistungssportler, auch die Schieds- und Linienrichter bringen Leistungen über die man mal staunen kann. Das wird halt immer vergessen, weil die nie im eigenen Team spielen.
Und diese blöden Linien sind da nichts anderes als Doping. Die machen den Sport kaputt. Sorry.
Ganz egal was Dazzen da in schönes auf den Rasen malt.
Ich glaube, das Problem ist nicht die Technik, sondern die Einstellung. Zu oft wird aus „klare Fehlentscheidung“ ein „da könnte was gewesen sein“ und dann sucht man, bis man findet (normalerweise nicht bei Abseits).
Deshalb denke ich, dass man ohne die kalibrierten Linien genauso „gründlich“ analysieren würde (dann sitzt man mit dem Lineal am Monitor), nur dass das Ergebnis häufiger falsch wäre.
Moin, wie war das? Fußball ist ein facher Sport mit einfachen Regeln. Früher hat man es akzeptiert, da durfte der schiri quasi noch alles entscheiden. Selbst wenn es falsch war , war man sich einig, daß sich das im Laufe der Saison relativiert. Wenn nicht klar und eindeutig erkennbar dann sollte die gefällte Entscheidung gelten. gilt genauso bei elfer, oder auch beim Tor. Systeme die zwar helfen können, aber nicht ausgereift sind und fehlerhaft erst gar nicht zulassen. Dann vielleicht eher bei Fouls wie erwähnt kohr. Hatte vorher schon kein gelb gesehen und so war das mindestens gelbrot. Bei der schwere der Verletzung eher mehr. Vor allem weil unnötig. Spiel war durch. Bald braucht man keine schiris mehr. regelt alles die Technik. Dann war das mal eine schöne Sportart. kann man sich besser am TV aufregen ..
Starker Artikel. Danke für die Mühe, das ist schon doll. In Dortmund haben wir sowas von gekotzt und Linderung tritt auch jetzt nur nur zaghaft ein. Team Tocotronic.
Jaaaa ok… da hast Du absolut recht. 😄
In meinem Kopf spukt dazu seit geraumer Zeit ein anderer Ansatz. Warum nicht 4 Linienrichter und die entscheiden dann direkt zusammen mit dem Schiedsrichter ? Tatsachenentscheidung – Nur mal so als Idee
Okay, und konkret auf die Situation aus Dortmund bezogen:
Assistent 1: „Für mich knapp Abseits.“
Assistent 2: „Puh, nee, gleiche Höhe!“
Schiri: „Ich konnte es nicht sehen, entscheidet ihr.“
Ich glaube nicht, dass das die Entscheidungsqualität im Stadion signifikant verbessert.
Starker Artikel, danke dafür. Im Eishockey wird das Abseits durch die blaue Linie markiert. Kein Spieler der angreifenden Mannschaft darf diese blaue Linie vollumfänglich (mit beiden Schlittschuhen) überschreiten bevor der Puck die blaue Linie passiert. Man hätte also eine fixe Kalibrierung, dennoch ist die Abseitssituation nicht immer auflösbar weil verdeckt (durch Bande, Spieler), Frames (wie es Maik top beschreibt) oder manchmal auch Eigeninterpretation des Schiris. Man hat auch schon darüber diskutiert, fixe Kameras bei den Abseitslinien einzuführen, analog den Torraumkameras. Aber auch diese sehen nicht durch Spieler durch. Dies könnte man evtl durch einen Chip auslösen. Was ich damit sagen will? Es wird nie eindeutig werden, egal welche Technik eingesetzt wird. Darum sich der Technik verwehren? Ich finde nein, mir fehlt manchmal ein bisschen das Fingerspitzengefühl wann es für den Sport zuträglich ist und wann nicht. Aktuell ist das unschön.