Danel Sinani spielte lange keine Rolle beim FC St. Pauli, fand dann aber seine Position und ist nun dank seiner Laufstärke auch gegen den Ball ein Leistungsträger des Teams.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Es gibt einfach so Geschichten im Fußball, die sind nur ganz schwer zu erklären. Von Spielern, die lange nicht gefragt waren, plötzlich aber eine ganz zentrale Rolle bei einem Club übernehmen und man sich unweigerlich fragt: Wo kommt das denn jetzt her? Warum kann dieser Spieler plötzlich so gut Fußball spielen? Was passt da auf einmal so gut?
Solche Geschichten scheinen sich beim FC St. Pauli irgendwie zu konzentrieren. Johannes Eggestein, Lars Ritzka, Carlo Boukhalfa, David Nemeth – die haben alle lange Zeit in der zweiten Reihe verbracht und wurden dann plötzlich zu Leistungsträgern. Das gilt auch für Danel Sinani. Zum FC St. Pauli ist er zum Start der Saison 23/24 gekommen. Doch abgesehen von seinem, nicht ganz unwichtigen, Tor am letzten Spieltag in Wiesbaden, gelang es Sinani in seinem ersten Jahr beim FCSP nicht sich nachhaltig für mehr Einsatzzeit zu empfehlen. Vor fast genau einem Jahr ging es für ihn persönlich überhaupt nicht voran beim FC St. Pauli, die MOPO titelte: „Sinani ausgebremst – und in der Sackgasse bei St. Pauli?“ Eine Zeile, bei der man sich nun kaum noch vorstellen kann, dass sie mal die Realität abbildete.
Wer sind Sie? Und was haben Sie mit Danel Sinani gemacht?!
Dieses Feststecken in der Sackgasse, das Nicht-Vorankommen von Danel Sinani, änderte sich im Verlauf seiner zweiten Saison am Millerntor. Genauer gesagt änderte es sich ab dem Zeitpunkt, als er auf einer zentralen Offensivposition zum Einsatz kam. Unter Hürzeler und im ersten Halbjahr unter Blessin kam er nämlich auf den Außenpositionen zum Einsatz. Einzig beim Gastspiel in Fürth im August 2023 spielte er auf zentraler Position (was er auch ganz gut machte).
So gesehen ist das nun anstehende Spiel des FC St. Pauli in Stuttgart für Danel Sinani etwas besonderes. Weil er dort erstmals unter Blessin im Offensivzentrum zum Einsatz kam, kurz vor der Winterpause letzte Saison war das. Zwar nur für etwas mehr als 20 Minuten, aber auch damals hinterließ er Eindruck auf dieser Position (zum Spielbericht). Im Verlauf der Rückrunde entwickelte er sich auf dieser Position dann zum Stammspieler. Für viele war das eine Art Notnagel. Im Sommer wurde ein neuer, zentraler Offensivspieler erwartet. Doch spätestens mit Pflichtspielbeginn zeigte sich: Der FC St. Pauli vertraut auf Danel Sinani – und der zahlt das Vertrauen mit Leistung zurück.
Sinani agiert auf dem Feld als eine Art Hybrid aus Angreifer und Mittelfeldspieler, lässt sich aus seiner hohen Position gerne ins offensive Mittelfeld fallen, beteiligt sich viel am Kombinationsspiel, sucht aktiv Räume – eine klassische falsche Neun also. Das ist auch genau die Position, die er selbst am liebsten spielt. Nach dem Erfolg gegen den FC Augsburg erklärte er: „Ich denke, dass ich jetzt auf einer Position spiele, die mir liegt. Ich denke, dass ich das Auge habe die Räume zu erkennen, um mich da frei zu bewegen. Meine Mitspieler helfen mir dabei auch sehr. Es gefällt mir sehr, auch wie unsere Spielphilosophie ist.“

// (c) Stefan Groenveld
Technisch versiert, erzeugt Torgefahr – jetzt auch noch laufstark
Die Leistungen von Danel Sinani drücken sich auch in den Zahlen aus: Kein Spieler des FC St. Pauli ist an mehr offensiven Abschlüssen pro Spiel beteiligt, selbst dann noch, wenn man seine Standards aus den Zahlen herausrechnet. Nur fünf Spieler in der Bundesliga haben mehr Torschussvorlagen pro 90 Minuten vorzuweisen als Sinani. Nur zwei haben im gegnerischen Strafraum mehr erfolgreiche Pässe zum Mitspieler gebracht und ebenfalls nur zwei Spieler haben einen höheren xA-Wert pro 90 Minuten. Nach nur drei Ligaspielen hat Danel Sinani bereits die gleiche Anzahl an Scorerpunkten vorzuweisen, wie am Ende der Vorsaison (zwei Treffer, eine Vorlage). Und wenn Mathias Pereira Lage etwas sicherer im Torabschluss wäre, wäre Sinanis Scorer-Konto definitiv voller.
Diese Zahlen sind bereits sehr aussagekräftig, zeigen sie doch den großen Wert, den Danel Sinani für das Spiel des FC St. Pauli hat. Ebenfalls sehr wertvoll ist er aufgrund seiner Laufstärke. In den bisherigen drei Spielen ist Sinani im Schnitt 12,5 Kilometer gelaufen. Er ist damit hinter Daniel Svensson und Joshua Kimmich der laufstärkste Spieler der Bundesliga. Zudem gehört er bei der Anzahl an Defensivzweikämpfen ins obere Drittel unter allen Offensivspielern der Bundesliga (Spitzenreiter ist in dieser Statistik übrigens ein gewisser Mathias Pereira Lage).
Ist genau das, die Laufstärke und Arbeit gegen den Ball, einer der Bereiche, in denen er sich verbessert hat? Laut Alexander Blessin schon: „Wir wussten schon immer, dass er sehr gut mit dem Ball ist. Was ihn jetzt das letzte halbe Jahr ausgezeichnet hat, ist sein Spiel gegen den Ball. Er läuft Räume zu, gewinnt Bälle – das ist so wichtig für die Mannschaft, weil er sehr aktiv gegen den Ball arbeitet.“
Auch Sinani bestätigte, dass er im letzten halben Jahr im läuferischen Bereich einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Er erklärte auch direkt, warum das gegen Augsburg nicht nur für die Defensive, sondern auch für die Offensive so wichtig ist: „In der ersten Hälfte hatte ich jedes Mal einen Spieler, der hinter mir hergelaufen ist. Da weiß ich, dass er müde wird, wenn ich mich sehr viel bewege. Natürlich werde ich auch müde, aber er wird irgendwann den Fokus und die Konzentration verlieren und ich werde frei sein.“
„Das hat er selber hingekriegt“
Danel Sinani hat es also geschafft, er darf sich Stammspieler eines Bundesligisten nennen. Aktuell ist er sogar nicht weniger als einer der großen Leistungsträger des FC St. Pauli. Das war vor etwas weniger als einem Jahr überhaupt nicht zu erwarten. Vielleicht auch nicht von Alexander Blessin, der erklärte, dass die Entwicklung bei Sinani „ein bisschen länger gedauert“ habe, man jetzt aber genau sehe „was seine Position ist.“ Und für diese Entwicklung sei Sinani laut Blessin selbst verantwortlich: „Ich stelle mich hier jetzt nicht hin und sage: Wow, was ich aus dem Spieler gemacht habe! Das hat er selber hingekriegt. Die Position hat er jetzt seit einem halben Jahr inne und er spielt hervorragend gut.“
Der FCSP-Cheftrainer bezeichnete Sinani bereits in der Vorsaison als den „besten Fußballer“, den es im Kader des FC St. Pauli gibt. Das sorgte damals sicher für leicht hochgezogene Augenbrauen. Nun, nach etwas mehr als zwei Jahren im Trikot des FC St. Pauli, bekommt man von Danel Sinani ein ganz anderes Bild zu sehen, als zu Beginn seiner Zeit am Millerntor: Nicht nur das des besten Fußballers, sondern auch das eines fast kompletten Spielers, der, offensiv wie defensiv, einen ganz wichtigen Beitrag zum Erfolg des FC St. Pauli leistet.
// Tim
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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.
Auch die SZ hat ihn am Montag in ddr Wochenendzusammenfassung geehrt – absolut zurecht :
Ein echter Zehner
Wie so häufig im Fußball war die schönste Szene nicht jene, die es in den Spielberichtsbogen schaffte. St. Paulis Danel Sinani, ein echter Zehner, lief aufs gegnerische Tor zu und lupfte den Ball derart anmutig über drei Augsburger Abwehrspieler, dass sein Teamkollege freie Bahn hatte. Blöd für Sinani: Mathias Pereira Lage schoss in die Arme des Torwarts, kein Assist also. Gut für Sinani, 28, und den FC St. Pauli: In den Spielberichtsbogen hat er es in der 78. Minute dennoch geschafft – durch einen wuchtig getretenen Freistoß, zum 2:1-Sieg der Kiezkicker am Sonntag gegen den FCA. Sieben Punkte aus drei Spielen haben die St. Paulianer in dieser Saison bislang eingesammelt, in der Tabelle besetzt das Team von Coach Alexander Blessin den beachtlichen vierten Platz. Nicht zuletzt dank der Darbietungen Sinanis, eines der aktuell wohl auffälligsten Spielmacher der Liga. Dabei war Sinani in der zweiten Liga und in der vergangenen Erstligasaison eher eine Randerscheinung gewesen. Jetzt nicht mehr. Was auch dem Bundestrainer Julian Nagelsmann kaum entgangen sein dürfte, der vor dem Länderspiel im Oktober gegen Luxemburg nicht lang nach einem Player to Watch suchen muss: Sinani hat schon 71 Länderspiele für das kleine Land absolviert.
Auf Sinani muß Nagelsmannim Oktober leider nicht achten, da er in diesem Spiel gelb-gesperrt ist.
Weiß man wie lange er noch einen Vertrag hat? Ich befürchte, dass er im Sommer ausläuft…
Ist dann auch einer der Kandidaten der uns bei erfolgreicher Saison im Sommer verlassen könnte, das ist aktuell meine größte Sorge. Alexander Blessin baut hier eine richtig tolle Mannschaft auf und im Sommer bricht alles auseinander.
Aber gut erstmal genießen.
Das ist der Lauf der Dinge im Fußball. Fast möchte ich sagen, im Leben.
Veränderung bedeutet Fortschritt.
Aber – vielleicht hält das die Hoffnung ein bisschen am Leben:
Wir haben auch in den letzten Jahren die besten Spieler gehen lassen müssen. Kofi, Burgstaller, Paqarada, Hartel, Guilavogui, etc.
Trotzdem ist es Borne immer wieder gelungen, neue Spieler zu verpflichten, die das Team sogar besser machen. Und das gilt auch für das Team ums Team. Das Drama um Schulle. Was wurde da geschimpft. Der Abgang von Hürzeler. Hat uns alle eiskalt erwischt. Unser Aufstiegstrainer. Derjenige, der doch mit uns in die 1. Liga wollte. Bis Brighton kam.
Jetzt wollen wir alle, dass Alex bleibt, bitte auch über die Saison hinaus. So wie wir wollen, dass Sinani bleibt. Vasilj. Fujita. Wahl. Smith. Alle halt.
Was also auch immer im Sommer passiert, unser Scouting Team ist mit Sicherheit jetzt schon damit beschäftigt, neue Spieler zu sichten, die uns wieder einen Schritt weiterbringen können.
Er straft auch alle Lügen, die immer „Was wollen wir in der 1. Liga, da kriegen wir doch nur auf den Sack“ (oder sinngemäß ähnliches) gelabert haben. Heruntergebrochen auf einen Spieler sieht es so aus: In der 2. Liga nur Ergänzungsspieler, in der 1. Liga Leistungsträger. Zack! Ein und derselbe Mensch! Vereine entwickeln sich, Teams entwickeln sich, Spieler entwickeln sich.
Das Mantra, das der magische FC seinen Spielern vorgibt, ist: Hier habt ihr Zeit! ( für eure Entwicklung).
Das finde ich jetzt nicht bei so vielen Vereinen in der 1. Liga. Vielleicht ist das ein Kriterium, das aussichtsreichen Talenten als ein entscheidendes erscheint.
Überhaupt sind unkonventionelle Maßnahmen (Stadionname wird nicht verkauft) ein Erfolgsfaktor unseres FCSTP. Möge es so bleiben!
Venceremos!
Vielen Dank für den Artikel, Tim.
Das wirkt ja fast so, als wenn Sinani von Bornemann/ Scouting damals als Hartel-Ersatz gedacht war.
Ich verstehe nicht, warum ein bisschen jetzt alle überrrascht sind, wie gut Sinani nun ist.
Zuvor waren die Umstände so, dass kein Platz für ihn in der Startelf war, insbesondere, weil Eggestein sich durch seine Leistungen festgespielt hatte. In der Nationalelf hat Sinani oft gezeigt, was er kann und ich mich gewundert, dass er mit seinem Platz in der zweiten Reihe bei uns so gut zurecht kommt.
Um so schöner, dass er jetzt auch in braun weiß belohnt wird.