Der FC St. Pauli tritt am Samstag beim SV Werder Bremen an – ein defensiv anfälliges, aber offensiv sehr flexibles und deshalb gefährliches Team.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Auswärts in Bremen – das ist für den FC St. Pauli nicht nur aufgrund der kurzen Strecke eine der schönsten Auswärtsfahrten des Jahres. Warum, das erklärt sich unter anderem im Artikel von Nina: SV Werder Bremen – Verein und Fanszene. Zudem könnt ihr auch noch ein wenig in Erinnerungen schwelgen und Von der Elbe an die Weser – und umgekehrt lesen. Oder/Und ihr könnt auch das „Vor dem Spiel“-Gespräch von Jutta mit Carsten vom Podcast Werder-Raute hören oder ihr hört beim Weserfunk rein, wo Michael zu Gast gewesen ist. Solltet ihr am Freitagabend bereits in Bremen sein, dann schaut doch im EISEN vorbei, wo sich Maik die Ehre gibt und das „grünbraunweiße Quiz der Herzen“ leiten wird.
FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?
Beim FC St. Pauli fehlen nur die „üblichen Verdächtigen“ David Nemeth, Ricky-Jade Jones und Jackson Irvine. Alexander Blessin berichtete auf der Pressekonferenz, dass Jones und Irvine ihr Laufpensum aktuell wieder steigern. Im Falle von Jones gab er sogar die Aussicht, dass dieser in etwa zwei Wochen wieder ins Teamtraining einsteigen könne.
Ansonsten war nur Adam Dźwigała unter Woche etwas angeschlagen, Blessin sprach von einem „grippalen Infekt“. Dieser sei aber ausgestanden, sodass auch er am Samstag zur Verfügung stehen wird.
SV Werder Bremen: Wer kann spielen, wer fehlt?
Auf Seiten des SV Werder Bremen ist die personelle Situation insgesamt etwas angespannter. Wenngleich die aktuelle Situation nicht vergleichbar ist mit dem, wie es da kurz vor Saisonstart aussah. Für das Spiel gegen den FC St. Pauli werden Mio Backhaus (Schulterverletzung), Olivier Deman (Knöchelbruch), Mitchell Weiser (Kreuzbandriss), Niklas Stark (Hüftprobleme) und Maximilian Wöber (Muskelverletzung im Oberschenkel) sicher ausfallen.
Ein kleines Fragezeichen steht hinter einem Einsatz von Victor Boniface. Trainer Horst Steffen erklärte auf der Pressekonferenz, dass der Mittelstürmer am Donnerstag nicht mit dem Team trainiert habe, stattdessen ein individuelles Programm absolvierte. Mit einem Einsatz am Samstag sei aber trotzdem zu rechnen, so Steffen: „Ich gehe davon aus, dass er morgen wieder trainieren kann und zum Kader gehört.“
Was hat der SVW zu bieten?
Eine Sache wird dem SV Werder Bremen gegen den FC St. Pauli nicht gelingen: Dass sie ihrem Ruf als „Cheftrainer-Killer“ erneut gerecht werden. Zwei Trainer (Leverkusens ten Haag und Gladbachs Seoane) hat der SVW bereits auf dem Gewissen, beide wurden nämlich in dieser Saison nach den Spielen gegen Werder entlassen. Das wird sicherlich, völlig unabhängig vom Ergebnis, nun nicht passieren.
Großer Umbruch bei Werder
Die beiden Spiele gegen Leverkusen und Mönchengladbach sind auch deshalb besonders, weil es die beiden Partien waren, in denen Bremen in dieser Saison bisher punkten konnte. Davor setzte es eine deutliche Niederlage gegen Eintracht Frankfurt. Danach verlor das Team erst gegen den SC Freiburg und danach gegen den FC Bayern München. Somit stehen aktuell vier Punkte zu Buche, was angesichts des durchaus anspruchsvollen Auftaktprogramms und der Rahmenbedingungen sicher völlig ok ist.

// (c) Stefan Groenveld
Zu den anspruchsvollen Rahmenbedingungen gehört nicht nur, dass Werder Bremen zu Saisonbeginn noch mit deutlich mehr verletzten Spielern zu kämpfen hatte, sondern auch, dass einige Spieler erst sehr spät, kurz vor Ende der Transferphase, zum Team kamen. Alexander Blessin erklärte: „Das ist eine gute Mannschaft, die in den letzten Tagen vom offenen Transfermarkt nochmal zugeschlagen hat und dann nochmal wirklich Qualität dazubekommen hat.“ Lange ist es in Bremen diesen Sommer vergleichsweise ruhig gewesen. In der letzten Woche des offenen Transferfensters kamen dann mit Isaac Schmidt, Yukinari Sugawara, Cameron Puertas und Victor Boniface vier Spieler (alle per Leihe), von denen drei bei voller Fitness klar in die Startelf gehören und das Qualitätslevel des Teams definitiv anheben.
Steffen neu an der Seitenlinie – und mit klarer Handschrift
Zudem ist auch Horst Steffen als Cheftrainer neu dabei. Ein, wie ich finde, extrem gut zu Werder Bremen passender Trainer. Der 56-jährige scheiterte in der Vorsaison mit Elversberg denkbar knapp in der Relegation am Bundesligaaufstieg, hat sich diesen Traum aber nun zumindest persönlich erfüllen können, da er den Posten von Ole Werner (wechselte nach Leipzig) übernahm. Ein punktereicher Saisonauftakt war aufgrund der vielen Veränderungen und Verletzungen daher alles andere als zu erwarten. Die Punkte sollen nun folgen, unter anderem im Spiel gegen den FC St. Pauli.
Alexander Blessin war voll des Lobes, als er über die Arbeit des Kollegen Steffen sprach: „Da sieht man schon eine klare Handschrift.“ Steffen steht für eine mutige Spielweise, die SV Elversberg war in der Vorsaison unter seiner Leitung spielerisch sicher das beste Team der zweiten Bundesliga, konnte auch in den Jahren zuvor mit ansehnlichem Fußball überzeugen. Und diese mutige Spielweise ließ sich auch in den ersten Spielen des SVW klar erkennen. Mit allen Vor- und Nachteilen. Fangen wir mit den Nachteilen an:
In der Gegnervorschau des FC St. Pauli wird darauf hingewiesen, dass sich der SVW bereits vier Gegentreffer nach Ballverlusten im Spielaufbau gefangen hat. Sowieso lässt das Team sehr viel zu. Der gegnerische xG-Wert liegt 2,5 pro Spiel, das ist Ligaspitze, ebenso die 79 zugelassenen Schüsse. Der SV Werder Bremen ist defensiv alles andere als sattelfest. Und nein, es ist nicht so, dass die Niederlage beim FCB hier einen besonders negativen Ausreißer darstellt. Auch in den anderen vier Spielen hat Werder extrem viel zugelassen. Blessin versucht das auf der Pressekonferenz zwar ein wenig herunterzuspielen, indem er erklärte: „Sie hatten ein ähnlich schwieriges Auftaktprogramm wie wir.“ Allerdings hat der FC St. Pauli in diesem ähnlich schwierigen Auftaktprogramm gerade mal etwas mehr als die Hälfte an Abschlüssen (45) zugelassen.
Offensiv flexibel, defensiv anfällig
Den Offensivstil von Horst Steffen bezeichnet Blessin als „schnörkellos und direkt“. Werder Bremen kann mit dieser Spielweise, die aus einem 4-2-3-1 heraus organisiert ist, eine Menge Wucht erzeugen, ist laut dem FCSP-Cheftrainer auch sehr flexibel, agiert teilweise mit langen Bällen, versucht sich aber oft flach aus der eigenen Abwehr nach vorne zu kombinieren. Dort warten dann vier Offensivspieler, die sich meist eher ungewöhnlich positionieren: Sie ziehen sich vor der letzten Kette des Gegners zusammen, erzeugen dadurch situativ Überzahlsituationen. Allerdings bedeutet das auch, dass Werder oft erst durch das Nachrücken der Außenverteidiger dem Offensivspiel eine gewisse Breite geben kann. Ein Fokus auf die Außenbahnen ist das also nicht, was sich auch in den drittwenigsten Flanken aller Bundesligateams ausdrückt.
Der FC St. Pauli ist darauf eingestellt, Blessin erklärt: „Wir müssen da extrem wachsam sein“ und betonte die Variabilität des Bremer Offensivspiels, dass sie sowohl vor als auch hinter die Kette spielen, auch mal lange Bälle einstreuen. Diese Variabilität ist möglich, weil alle Offensivspieler ganz unterschiedliche Skills einbringen. Victor Boniface („Er schwimmt immer gerne, lässt sich gerne fallen, lauert aber auch immer und bringt extrem gut seinen Körper ein.“), Cameron Puertas („Starker rechter Fuß und eine kleine Pferdelunge.“), Justin Njinmah („Ist zusammen mit Agu der schnellste Spieler. Er macht viel aus der Dynamik, versucht die Räume konsequent anzulaufen.“), Romano Schmid („Hat auf den ersten Metern einen Turbo, kann sich fallen lassen und auch die Tiefe suchen.“) und Marko Grüll („Ein Zwischenspieler: Er ist körperlich präsent und hat eine gute Schnelligkeit.“) unterscheiden sich massiv voneinander.
Damit der FCSP das verteidigt bekommen kann, nimmt Blessin vor allem die eigene Doppelsechs in die Pflicht, die „noch schneller nachrücken müssen, um Druck auszuüben. Das wird extrem wichtig sein.“
Mögliche Aufstellung
Beim SV Werder Bremen dürfte sich eigentlich nur die Frage stellen, ob Njinmah, Grüll oder Boniface ganz vorne startet. Der Rest des Teams dürfte unverändert bleiben im Vergleich zur Partie in München. Der SVW agiert dabei in einem nominellem 4-2-3-1, setzt also auf eine klassische Viererkette mit der starken Doppelsechs Lynen-Stage davor. Gegen den Ball wird das dann oft ein asymmetrisches 4-2-4, bei dem der Pass auf die defensive Außenbahn des Gegners forciert wird, um dort mit dem Pressing anzusetzen.

SVW: Hein – Sugawara, Friedl, Coulibaly, Agu – Stage, Lynen – Schmid, Puertas, Mbangula – Grüll
FCSP: Vasilj – Wahl, Smith, Ritzka – Saliakas, Sands, Fujita, Oppie – Hountondji, Sinani, Pereira Lage
FC St. Pauli wohl personell unverändert
Beim FC St. Pauli sind nicht unbedingt Veränderungen in der Startelf zu erwarten. Das bedeutet, dass Lars Ritzka erneut den Vorzug vor Adam Dźwigała links in der Innenverteidigung erhalten dürfte und somit, wie auch Manos Saliakas (anstelle von Arkadiusz Pyrka) auf der rechten Außenbahn, starten wird. In der Offensive dürfte somit auch im sechsten Ligaspiel das Trio Peireira Lage-Sinani-Hountondji starten, wenngleich es mit Kaars, Afolayan und Ceesay hochwertigen Ersatz im Kader gibt. Der Konkurrenzkampf ist beim FC St. Pauli also unvermindert hoch, was hoffentlich auch weiterhin dazu führt, dass die Spieler in jeder Hinsicht ihr Leistungslimit erreichen.
Das ist auch nötig, um bei Werder Bremen etwas Zählbares zu holen. Denn es wird sicher ungemütlich, nicht nur in Sachen Gegner, sondern auch aufgrund des Wetters, es ist kräftiger Wind und ergiebiger Regen vorhergesagt. Auf die Frage, wie diese Wetterlage das Team beeinflussen könne, entgegnete Blessin trocken: „Ich will das Nebelhorn nicht hören!“ Ich auch nicht, Alex!
Forza!
// Tim
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