Duisburg Away: Spiegelei-Brötchen, Pommes und vier Bier!

Die Anreise

So. Nun sitze ich in der Bahn. Nach Berlin. Abfahrt 7.21 ab Altona. Mächtige 30 Minuten Schlaf im Bus auf der Rückfahrt und 50 Minuten Schlaf zuhause. Ich bin kein regelmäßiger Auswärtsfahrer. Wenn es hochkommt, dann fahre ich dreimal pro Saison, davon einmal im Sonderzug. Mit Familie sind die Wochenenden halt bereits vergeben. Mir bleiben also nur so Harakiri-Trips wie dieser hier. Das geht nämlich nur sehr wenig zu Lasten der Zeit mit den Kindern. Keine Ahnung warum ich dieses Gefühl hatte nach Duisburg zu müssen, vielleicht war es eine Eingebung, vielleicht der absolute Wahnsinn, der mich überkam. Aber egal, ich fühle mich bestätigt, denn wir haben gestern DEN hsv IN DER TABELLE ÜBERHOLT!!!

Ein einziger Fanladenbus machte sich auf nach Duisburg. Montags ist und bleibt halt scheiße. Zu Beginn der Fahrt werden gleich die bevorstehenden Horror-Geschichten, wann wer wie früh am Dienstag wieder arbeiten muss, erzählt. Da werfe ich meine natürlich mit in den Ring, sogar mit dem Verweis, dass ich eigentlich meine Stimme schonen müsste, da ich tags drauf einen Vortrag in Berlin halten muss. 18 Stunden später muss ich leider einsehen, dass selbst die Salbei-Bonbons, die ich mir seit Stunden reinwerfe, meine Stimme nicht mehr Entkrächzen werden. Ich werde es auf eine Erkältung schieben müssen.

Die Fahrt selbst ist dann unspektakulär. Ich rede mir ein, dass zwei-drei Bier schon erlaubt sein werden, ohne meine heutige Performance massiv zu beeinträchtigen. Nach dem dritten dann noch ein schnelles Helles und schwupp sind wir schon am Stadion. Ich begebe mich erstmal zum Biergarten gegenüber vom Stadion. Zwar hatte ich in Gelsenkirchen-Buer unter den kritischen Augen unseres Fan-Beauftragten ein Spiegelei-Brötchen, aber ne Pommes passte nach vier Bieren definitiv noch rein. Der Imbiss am Biergarten mit Wolle als Betreiber (ja, ernsthaft) konnte da Abhilfe schaffen. Ohnehin fühlte ich mich sehr gut von Wolle und seinen Gästen und Angestellten unterhalten. Quasi ein Pott-Stillleben, welches durch die Ankunft von St.Paulianern massiv gestört und dadurch noch besser wurde. Wolle geriet aufgrund der drei Wartenden in der Schlange gar derart in Stress, dass er wahllos Würstchen an auf Bier wartende Leute verteilte und, aus meiner Sicht völlig zurecht, Leute anpfiff, die ihn danach fragten, ob es denn hier auch nen Latte Macchiato geben würde: „Hömma, seh ich edwa aus, als wenn se so wat bei mir krign könnden?!“.
Bestes Unterhaltungsprogramm!

Wohl genährt ging es dann ins Stadion. Während mir meine Bezugsgruppe noch von ihren Trips zu Viktoria und Fortuna Köln am Wochenende berichteten, frage ich mich, ob es eigentlich ein Alleinstellungsmerkmal der schauinsland-reisen-Arena gibt, also etwas, dass dieses Stadion von den anderen Stadien mit einer Kapazität von etwa 30.000 Plätzen abhebt (außer der Farbe). Ich überlege immer noch. Wie gesagt, ich fahre nicht so häufig auswärts und habe daher etwa erst 25 Stadien mit mehr als 10.000 Plätzen von innen gesehen. Trotzdem beschleicht mich das Gefühl, dass die Kreativität im deutschen Stadionbau arg eingeschränkt ist.

Sportliches

Das Spiel ist schnell erzählt und ich möchte an dieser Stelle darauf verweisen, dass noch ein MillernTon-NdS zum Duisburg-Spiel aufgezeichnet wird. Da darf ich doch tatsächlich meinen Senf abgeben, seid also gewarnt. Erfreulicherweise wurde in den ersten rund 25 Minuten deutlich, dass die von Kauczinski angekündigten intensiven Einheiten zum eigenen Ballbesitzspiel während der Länderspielpause Früchte getragen haben. Das hat mir wirklich gut gefallen. Die Rolle der äußeren Mittelfeldspieler hat sich ein wenig geändert im Vergleich zu vorherigen Spielen: Sie rückten meist etwas mehr in die Mitte, sodass Räume für die Außenverteidiger im Aufrücken geschaffen wurden. Meist rückte hierbei einer der drei zentralen Mittelfelder mit auf die Seite, damit ein sauberes Dreieck gebildet werden konnte. Während also in den vorherigen Spielen meist direkt vertikal und im 1-gegen-1 gespielt wurde (vor allem über Sahin und Miyaichi), wurde dieses Mal versucht, die Spieler per Kombination ins letzte Drittel zu bekommen. Mit der Einwechslung von Neudecker änderte sich dieses Spiel ein wenig. Neudecker rückte nicht mehr ein, sondern hielt vielmehr seine Seite. Auch dadurch (und später durch Frödes Auswechslung) ergaben sich Räume im Zentrum. Insgesamt konnte der MSV die zweite Halbzeit dann offener gestalten, wenngleich die dicken Chancen auf beiden Seiten fehlten. Je länger die Partie dauerte, umso besser und zielstrebiger wurden die Angriffe von uns wieder. Spätestens mit der Herausnahme von Sechser Fröde auf Duisburger Seite, die ich überhaupt nicht verstanden habe, übernahmen wir wieder die Kontrolle des Spiels und zwar, weil sich plötzlich enorme Räume im Duisburger Zentrum offenbarten. Das Tor ist dann aus meiner Sicht verdient, vor allem aufgrund der ersten Halbzeit.

Ich habe im Anschluss an das Spiel viel vom Glück der späten Siegtore gehört und gelesen. Ich finde das falsch. Klar ist aber, dass wir die letzten vier Siege nur dank Tore in der letzten Viertelstunde einfahren konnten. Das hat Gründe. Zum einen wirken wir irgendwie fitter als andere Teams. Das könnte auch an der recht effektiven, weil nicht so laufintensiven defensiven Grundordnung liegen. Da die Stürmer die gegnerischen Innenverteidiger nur selten anlaufen und die äußeren Mittelfelder eher ne Mann- als ne Raumdeckung spielen, also nicht intensiv mit verschieben müssen, können möglicherweise Kräfte gespart werden. Noch entscheidender ist aus meiner Sicht, dass der Kader in der Breite, vor allem offensiv, enorm gut aufgestellt ist. Es können sowohl auf den Außen als auch im Sturm von der Bank Spieler gebracht werden, ohne dass ein Qualitätsverlust zu spüren ist. Das hält den Druck auf den Gegner konstant hoch. Und natürlich ist auch der interne Konkurrenzdruck qualitätsfördernd. Wollen wir hoffen, dass die Breite bestehen bleibt und sowohl Miyaichi als auch Buchtmann schnell wieder fit werden. Vor allem bei Buchtmann habe ich aber so meine Zweifel.

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Das Drumherum

Kommen wir zum weit unangenehmeren Teil dieses Reiseberichts: Das Stadionerlebnis. Ich bin mir sicher, dass viele Gästefans auch unser ritualisiertes Einstimmen auf das Spiel am Millerntor befremdlich finden, aber es gibt halt so ein-zwei Dinge, die mir sauer aufstießen. Damit meine ich nicht die Musik. Der Zebra-Twist ist ja quasi ein Stück Fußball-Kulturgut und die „Reim-dich-oder-ich-schlag-dich-Verse“ aus dem „Duisburg-Lied“ sind in fast jedem Stadion zu finden. Zwischenzeitlich war ich kurz begeistert, da ich die als Stahlarbeiter verkleideten Herren, die kurz vor Anpfiff den Rasen betraten für einen Daft Punk-Abklatsch hielt. Nunja, waren sie aber nicht. Was mich störte, war z.B. als Ennatz, ein blau-weißes Zebra als „geilstes Maskottchen der Welt“ begrüßt wurde. Jungejunge, kann mir bitte mal einer sagen, was an Ennatz, einem blau-weißem Zebra geil sein soll?! Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass Maskottchen vor allem für die jüngeren Stadionbesucher da sind. Warum also wird Ennatz als geil hochtituliert? Ich mag mich an diesem einen Wort etwas zu sehr stören, aber diese Pimmel-Rhetorik zog sich durch die gesamte Stadionshow mit ihrem unrühmlichen Höhepunkt in der Halbzeitpause. Markus Krebs kam in einem blau-weißen Radlader (kein Bagger, nein, ein Radlader ist verdammt nochmal kein Bagger!!!) ins Stadion gefahren und konnte mit einem mir nicht bekannten Kompagnon fünf Minuten lang Schniedel-Witze von ganz unten reißen („Hast Du auch so nen Pferdeschwanz wie ich? Höhöhö!„). Ohnehin habe ich mich mit Markus Krebs bereits im Vorfeld der Partie beschäftigt. Ihr könntet Euch selbst mal ein Bild von ihm machen. Und wenn ich dann noch lese, dass er zwar MSV-Hool gewesen sei, aber dass die Gruppe damals unpolitisch unterwegs war, dann kommt mir echt die Galle hoch. Unpolitisch. Was für ne Scheiße! Ich verstehe gar nicht, warum dieses Wort nicht einfach grundsätzlich durch „mindestens rechtsoffen“ ersetzt wird, wenn es im Kontext mit Fußballfans erwähnt wird.

Ob seine Pimmel-Witze im Heimbereich gut ankamen? Keine Ahnung. Ich habe keine Reaktion hören können. Das ist sowieso noch so ein Punkt, den ich hier loswerden muss. In einem nur zu zwei Dritteln gefülltem Stadion verhallt die Lautstärke enorm. Den Heimbereich hörte man aus dem Gästesektor mal so gar nicht. Und nein, das lag definitiv nicht daran, dass der Gästebereich die gesamte Zeit über in Ekstase wandelte. Nur die mildernden Umstände, dass es ein Montagsspiel war, sorgen dafür, dass ich der Stimmung in unserem Block gerade so noch ne 4- gebe. Das war alles eher so im Schlafwagen-Modus. Selbst die Reaktionen auf das Spiel selbst wirkten irgendwie verhalten. Da wünsche mir sicherlich nicht nur ich mehr Power und auch mehr Bereitschaft. Kann doch nicht sein, dass ich meine eigene Stimme höre, wenn wir Gesänge anstimmen. Das möchte ich nicht, ich singe nicht sonderlich gut. Bitte helft mir nächstes Mal, damit das nicht noch einmal vorkommt. Nicht hören, aber sehen konnte man die absolut gelungene Choreo im Heimbereich mit dem Banner: „Duisburg, Stadt der Brücken – Brücken bauen – Menschen retten“.
Well done!

Fazit

Nun sitze ich inzwischen auf der Konferenz in Berlin, habe vier Kaffee getrunken und bin etwas hibbelig. Sicher erwartet mich ein tiefes Tief auf dem Rückweg. Der Körper wird mir irgendwann schon sagen, dass ich doch „zu alt für diesen Scheiß“ bin. Doch wenn ich dann irgendwann einschlafe, dann werde ich sicher träumen. Von der Tabelle. Gut möglich, dass der Trainer beim hsv diese Woche noch rausgeworfen wird. (Anm. Maik: Hahahahaha…)
Diese „Jetzt rocken wir die 2.Liga“-Mentalität fällt da einigen gerade ziemlich vor die Füße. Halten wir einfach fest: Die Nr.1 der Stadt sind wir! Und wenn ich mir auch sicher bin, dass wir nicht aufsteigen werden, so habe ich doch irgendwie das Gefühl, dass wir vor Mordor ins Ziel einlaufen könnten. Welch schöne Träumerei!

// timbo

Links:
– MagischerFC: „…vor uns nur ne Horde (lahme) Zebras
– Fotos Getty Images
– Vereinshomepage (Bericht und Fotos)

 

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2 thoughts on “Duisburg Away: Spiegelei-Brötchen, Pommes und vier Bier!

  1. Entspann Dich mal, oder wie meine Kinder sagen würden:
    geh chillen Meister!
    Andere Städte, andere Spiele.
    Duisburg ist nicht St Pauli!
    Toleranz ist das A und O!

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