Therapeutisches Schreiben

Therapeutisches Schreiben

Wohl kaum eine Pressemitteilung des FCSP hat mir so einen schweren Schlag versetzt wie die gestrige. Mats Møller Dæhli verlässt den FCSP und wird ab sofort seine Schuhe für den belgischen Erstligisten KRC Genk schnüren. Aber Mats verlässt nicht nur das Team, nein, viel schlimmer, Mats verlässt uns. Und das tut unendlich weh. Wirklich unendlich. Hatte ich doch tatsächlich geglaubt, dass diese Liebe (ja, es ist und war Liebe) einige Kompromisse eingeht. Kompromisse, die eben dazu führen, dass ein hochveranlagter Spieler bei einem Verein spielt, der eben (noch) nicht in hochveranlagten Bereichen unterwegs ist. Die Liebe mag bestehen bleiben, auch wenn Mats nun nicht mehr in unseren Farben aufläuft. Mein Herz ist trotzdem gebrochen.
Daher ist bei mir therapeutisches Schreiben angesagt (zusammen mit ein paar Bieren führt das dann zu seeehr viel Melancholie im Text). Klar, Spieler kommen und gehen. Das gehört dazu. Trotzdem ist bei Mats mehr Schmerz als sonst vorhanden. Der hat einfach auf und besonders neben dem Platz zu uns gehört. Ich muss den Schmerz irgendwie loswerden. Irgendwie muss ich meine Trauer verarbeiten. Vielleicht das Erlebte kanalisieren und in produktiven Hass umwandeln oder einfach damit klarkommen, dass Mats andere Dinge als uns für wichtiger erachtet. Traurig.

Es ist Liebe gewesen. Eine große Liebe. Aber was ist schon Liebe zwischen Spieler und Verein im Fußball? Mats hat uns zum Ende hin noch einmal seine Liebe gestanden. Wohl kaum ein Spieler hat in den letzten Jahren so viele Herzen von den eigenen Anhängern erobern können wie er. Was für ein Herzensbrecher. Warum? Zwei Beispiele zeigen das ziemlich deutlich: Die #1910SmilesofMats bei Twitter und die völlige Eskalation nach dem Derbysieg. Mehr Erklärung ist nicht nötig. Hinzu kommt dann auch noch eine konstant gute Performance auf dem Platz.

Gerade Letzteres ist jedoch nun vermutlich auch der Hauptgrund, warum Mats den FCSP verlassen hat. Denn wohl jedem*r von uns ist klar gewesen, dass diese Leistungen nicht nur von uns erkannt werden sondern vielmehr auch Begehrlichkeiten bei anderen Teams wecken würden. Spieler wie Mats, Nadelspieler, die Bälle durch pressingbedingt enge Bereiche des Feldes führen können, sind in jedem Team gern gesehen. Hinzu kommt seine enorme Power im eigenen Pressing. Mats ist ein nahezu perfekter Spieler für das tiefe Zentrum, also den Achterraum.

Welche Gründe mag es für Mats geben uns einfach so zu verlassen?
Klar, die belgische Liga mag nicht das Nonplusultra der europäischen Ligen sein. Trotzdem ist dieser Schritt aus sportlicher Sicht ein Quantensprung. Denn die belgische Liga ist inzwischen so etwas wie die größte Talentschmiede des europäischen Fußballs. Da wird schon deutlich besser gekickt als in der 2.Bundesliga. Und ein ganz oberflächlicher Kadervergleich der beiden Teams zeigt deutliche Unterschiede: Der FCSP-Kader hat laut transfermarkt.de einen gesamten Markwert von etwa 20 Millionen Euro. Der Marktwert des Kaders von KRC Genk liegt bei mehr als 120 Millionen Euro. Und ganz nebenbei hat Genk diese Saison Champions League gespielt. „Sportlich verbessert“ passt also in jedem Fall besser als damals bei Felix Luz (ohnehin hinkt dieser Vergleich gewaltig). Denn selbst wenn der Verein in der nächsten Saison nicht an der Champions League teilnehmen wird (sie stehen momentan auf dem 8.Rang und Hannes Wolf ist Trainer), so ist die Wahrscheinlichkeit mit dem Klub international antreten zu dürfen doch deutlich höher als beim FCSP. Das schreibe ich zwar ungern, aber es ist nunmal so, dass wir erst 2021/22 international spielen, nachdem wir nächste Saison den DFB-Pok… ihr kennt das sicher von Maik.
Warum also sollte ein hochveranlagter Spieler diese Chance nicht nutzen und bei einem Klub spielen, welches seinem Können entspricht? Wer kann es ihm verübeln?

Warum aber wechselt Mats bereits im Winter?
Hierfür begebe ich mich ins Reich der Fabeln und Spekulationen und möchte darauf hinweisen, dass das alles auch ganz anders sein könnte. Ein erster Erklärungsversuch wäre, dass Mats gerne diesen Sommer bei der Europameisterschaft teilnehmen möchte. Nachdem er ja lange außen vor gewesen ist bei den Berufungen zum norwegischen Nationalteam hat er dann im letzten Slot des Jahres doch wieder dabei sein dürfen. Und da sich das norwegische Team noch für die EM qualifizieren kann (in den Play-Offs wartet Serbien), möchte er sich womöglich auf höherer spielerischer Ebene empfehlen. Es fällt mir schwer das zu akzeptieren, aber irgendwie wäre es verständlich.
Deutlich beschissener sind die anderen Varianten. Denn auch wenn ich mir das nur schwer vorstellen kann, so kann es sein, dass sich Mats mit der sportlichen Führung des FCSP nicht so richtig einig gewesen ist. Das wäre aber in der Tat komisch, da es Jos Luhukay gewesen ist, der Mats ins Zentrum beorderte, nachdem er quasi über Jahre ein eher tristes und ineffektives Dasein auf den Außenbahnen pflegte. Das gab ihm schon einen bemerkenswerten Schub im letzten halben Jahr. Und das bei einer Karriere, die irgendwie zu stocken schien (eine längere Story zu der bisherigen Karriere von Mats findet ihr hier). Aus meiner Sicht nicht undenkbar, dass sich Spieler mit Jos Luhukay nicht verstehen. Aber unter Berücksichtigung der massiven Verbesserung unter Luhukay doch eher unwahrscheinlich, dass dies als Grund herangezogen werden kann.
Nächste Variante: So richtig blickt ja eigentlich niemand von uns durch die Mechanismen im Fußball, vor allem im Transfergeschäft. ‚Football Leaks‘ fördert allerdings immer wieder Dinge zutage, die einem eher die Lust am professionellen Fußball nehmen. Im Fokus hierbei sind auffällig oft Spielerberater. Während Jorge Mendes und Mino Raiola vielen fußball-affinen unter uns ein Begriff sein dürften, werden vermutlich nur wenige den Namen Jim Solbakken kennen. Jim Solbakken ist ohne größere Übertreibung eine der mächtigsten Person im norwegischen Fußball. Und durchaus streitbar. Gut die Hälfte des norwegischen Nationalteams zählt zu seinen Klienten (nicht zuletzt auch das Supertalent Erling Haaland). Und satte acht Spieler des amtierenden norwegischen Meisters, Molde FK, sind es auch. Könnt ihr Euch ja vorstellen, wie viel Einfluss solche Berater auf Teams haben können. Nun gab es neben dem Wechsel von Mats noch einen weiteren Transfer den KRC Genk dieses Jahr vermeldete: Kristian Thorstvedt wechselt von Viking FK für 1,5 Millionen Euro nach Genk. Eingetütet von: Jim Solbakken. Und natürlich haben Spielerberater ein gesteigertes Interesse an höheren Ablösesummen, da sie daran auch verdienen. Irgendwie möchte ich gar nicht wissen, was da so alles abgelaufen sein könnte. Aber der FCSP muss sich mit solch mächtigen Beratern arrangieren. Gerade mit Solbakken, da er einen weiteren für uns nicht unwichtigen Klienten hat: Leo Østigård .
Bleibt noch ein Grund der für einen Wechsel spricht: die (tabellarisch) sportliche Stagnation am Millerntor. Denn es ist auch diese Saison eher unwahrscheinlich, dass wir aufsteigen werden (*hust, womöglich müssen wir eher wonaders hinschauen). Klar, wir spielen nicht zuletzt dank Mats‘ Versetzung ins Zentrum einen sehr viel besseren Fußball als in den letzten Jahren. Aber diese Tatsache in Verbindung mit der schönen Hansestadt reicht dann eben auch nicht, wenn Du als Spieler einfacher in höheren Gefilden spielen kannst. Das war mir klar, aber ich hatte gehofft, dass die Liebe dieses Loch zwischen Möglichkeiten und Realität schon kitten würde.

So in etwa wurden wir abserviert.

Was bleibt für den FCSP?
Sicher wurde Mats nicht für nen Straß Blumen und ne Grußkarte nach Belgien abgegeben. Über die genaue Ablöse ist zwar nix bekannt, aber es ist von einer im Sommer greifenden Klausel die Rede, bei der Mats für deutlich weniger Geld den Verein hätte verlassen können. Und wenn, wie in der Pressemitteilung geschrieben, der Spieler selbst klar den Wunsch äußert, dass er den Verein verlassen möchte, dann ist es aus Vereinssicht schwierig solche Spieler zu halten. Dafür sind die Spieler schlicht zu mächtig bzw. haben das Heft des Handelns in der Hand. Es gibt aber auch Teams wie Augsburg, die immer sehr hohe Ablösen für Spieler aufrufen und diese einfach nicht ziehen lassen, wenn die Summe nicht gezahlt wird. Da kommen dann so Transfer-Theater wie mit Martin Hinteregger oder Michael Gregoritsch bei raus. Und letztendlich werden sich Spieler zukünftig genau überlegen, ob sie wirklich nach Augburg wechseln wollen. So bleibt den Vereinen eigentlich nur die Möglichkeit den Tango mitzutanzen. Das hat der FCSP gemacht und dabei sicher ein paar Kröten mehr eingesteckt als im Sommer fällig gewesen wären.
Schwer einschätzbar, wie groß der sportliche Verlust ist. Klar, Mats war ein herausragender Spieler der 2.Liga. Aber die letzten beiden Spiele hat der FCSP auch ohne ihn gewonnen. Welchen Wert er außerhalb des Platzes für das Team hatte, kann ich überhaupt nicht einschätzen. Ich hatte über Weihnachten gedacht, dass der FCSP den Kader etwas im Zentrum verschlanken könnte. Aber das es nun Mats ist, macht die Sache nun noch schwieriger. Denn eigentlich müsste Ersatz in adäquater Qualität her. Den musste aber erstmal finden.

Bleibt noch mein gebrochenes Herz, Mats. Das ist nicht so einfach wieder zu kitten. Wie konntest Du das nur tun!? In der Winterpause. Ohne Vorwarnung. Das tut schon echt besonders weh. Ich hatte anscheinend die völlig verrückte Hoffnung, dass es mit dir anders laufen würde. Trotzdem wünsche ich Dir alles Gute und hoffe, dass Du auch in Genk Liebe erfahren wirst.

//Tim

Außerdem schrieben:
– Athens South End Scum: „Goodbye Mats“ (English)

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5 thoughts on “Therapeutisches Schreiben

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