Bericht von der Kollaustrasse, 11. Mai 2022

Bericht von der Kollaustrasse, 11. Mai 2022

Kurz vor Saisonende ist der Trainingsplatz so voll, wie er es bestenfalls vor einigen Wochen hätte sein sollen. Als Lohn für die vorhandene Fitness gab es viele Erfolgsmomente. Der Bericht vom Training des FC St. Pauli.

Den hätt‘ ich auch gemacht!“ entfuhr es mir, kurz nachdem Eric Smith einen Ball trocken flach einschob. „Den auch. Ganz easy.“ kurz danach, als sich Marcel Beifus in zentraler Position die Seite aussuchen konnte. „Na gut, den vielleicht nicht“ musste ich dann eingestehen, als Lukas Daschner einen Ball um zwei Spieler herum ins lange Eck zirkelte und dabei eine Körperbewegung machte, bei der ich mir den gesamten Bandapparat des linken Beins gerissen hätte. Aber ein paar Buden hätte ich sicher gemacht. Auf jeden. Ich schwör‘.

Ok, wenn ich ehrlich bin hätte ich es vermutlich nicht einmal bis zum Torschuss gebracht. Denn machen wir uns nichts vor: Profi-Fußball ist weit weg von dem, was ich früher in der Kreisliga ablieferte (aber hey, ich hab „mal höher gespielt“, wirklich jetzt!). Trotzdem war die hohe Anzahl an Torschüssen beim Training des FC St. Pauli bemerkenswert.

Satte 22 Feldspieler und drei Torhüter fanden sich am Mittwoch-Nachmittag auf dem Trainingsplatz an der Kollaustraße ein. Was ein Kontrastprogramm im Vergleich zur Vorwoche, als nicht einmal die Hälfte auf dem Platz zu sehen war. Neben den drei langzeitverletzten Spielern (Avevor, Ohlsson, Wieckhoff) fehlten mit Guido Burgstaller und Simon Makienok nur zwei weitere Spieler aus dem Profikader.

Nun hatte ich auch vom Training den Eindruck, dass die Pflichtspielsaison zu Ende ist. Nicht, weil es an Intensität fehlte oder die Übungen an sich nicht fordernd waren. Aber es war dann eher das, was mein früherer Trainer immer als „Bonschi-Training“ bezeichnet hatte. Ein paar Torschüsse, ein paar Flanken, viel „mit dem Ball“ – Letzteres ist ja beim FC St. Pauli, abgesehen vom Warm-up, immer der Fall. Aber auch das Aufwärmen war dieses Mal eher ein Spielchen (oder sie haben es vorher im Gebäude gemacht). Jedenfalls startete die Trainingseinheit mit einem 10vs10, zwei neutralen Spielern und vier kleinen Toren, auf die geschossen werden durfte, wenn vorher z.B. eine gewisse Anzahl an Pässen erfolgreich waren.
Bereits nach dieser Übung beendeten Rico Benatelli und Leart Paqarada das Team-Training. Sie verschwanden kurz in der Kabine, kehrten dann aber zurück und radelten noch ein wenig.

Weiter ging es mit dem Haupteil des Trainings, den direkten Torabschlüssen. Ich notiere mir ja immer gerne, wer in Trainingsspielen erfolgreich gewesen ist, aber allein aufgrund der Anzahl an Torschüssen habe ich es dieses Mal lieber gelassen. Ansonsten würde ne Liste rauskommen mit „Daschner: 13 Tore/20 Schüsse, Matanovic: 11 Tore/14 Schüs…“ – Das will hier ja niemand lesen und daher, naja, ich frage mich sowieso, ob das hier alles überhaupt jemand lesen will. Immerhin berichte ich von der Vorbereitung auf ein letztes Saisonspiel, von dem sich wohl alle von uns wesentlich mehr Spannung erwartet hatten oder aber, Wochen zuvor, bei dem eine Aufstiegsfeier geplant war. Nun ist es aber „nur“ ein letztes Saisonspiel, bei dem es sportlich natürlich um was geht, aber doch um wesentlich weniger als erhofft.

Hamburg, Deutschland, 12.05.22 - Training des FC St. Pauli an der Kollaustraße
Eine leichte Aufwärmübung für die Spieler des FC St. Pauli. Für mich hätte das sicher bereits das Ende bedeutet. Ich hätte mich nicht aufgewärmt, ich wäre eher verglüht.

Nun denn, ich sitze hier jetzt und schreibe diese Zeilen und ihr seid in diesem Text schon so weit gekommen, dann könnt ihr jetzt auch noch den Rest lesen. Also, direkte Torabschlüsse, wie lief das? Eigentlich war es ne ziemlich gute Übung, denn eigentlich ging es gar nicht primär um die Torabschlüsse, sondern um das Umschalten. Es gab zwei große Tore, die jeweils mit Torhütern besetzt waren. Der Abstand zwischen den Toren betrug geschätzte 30 Meter. Zu Beginn liefen zwei Spieler auf einen Gegenspieler zu, mussten ihn ausspielen und ein Tor erzielen. Nach dem Torschuss gab es einen Ballbesitzwechsel und zum „lonesome rider“ gesellten sich zwei Team-Kollegen dazu, sodass plötzlich die beiden vorherigen Angreifer in der Unterzahl waren und ihr Tor verteidigen mussten. Wieder nach dem Torabschluss wurde der Spieß erneut umgedreht und zwei Team-Kollegen unterstützten das zuvor numerisch unterlegene Duo, also war es ein 4vs3.

Wie gesagt, es wurde sehr häufig auf das Tor geschossen, aber verbal besonders gepusht wurden die Spieler, wenn sie das schnelle Umschalten gut hinbekamen. Das wurde dann im zweiten Teil der Übung noch weiter forciert. Denn nun wurde direkt mit dem gegnerischen Torschuss der erste Pass des Gegner-Teams gespielt und es ging noch viel schneller wieder in die andere Richtung. Vielleicht habe ich deshalb irgendwann aufgehört die Tore zu zählen. Es gab einfach alle fünf Sekunden einen Torschuss.

Waren die bisherigen Übungen also nur scheinbar Teil eines „Bonschi-Trainings“, erfüllte die nächste Übung definitiv alle Ansprüche. Vom Torhüter wurde ein langer Ball an die Eckfahne gespielt und vier Spieler machten sich auf gen gegnerisches Tor. Einen trieb es auf die Außenbahn, er schlug eine Flanke gen Zentrum, wo die drei Mitspieler und nur der gegnerische Torhüter warteten. Eine Erkenntnis dieser Übung: Flanken werden mit diesem Kader keine Stärke mehr.

Zum Abschluss gab es dann noch ein freies Spiel. Nicht mehr mitspielen durfte Eric Smith, der stattdessen ein paar Läufe absolvierte. Auch Afeez Aremu und Philipp Ziereis beendeten vorher ihr Training und gingen in die Kabine.
Für das Spiel am Wochenende dürfte daher spannend sein, wer genau auf der Sechs zum Einsatz kommt, da Aremu gesperrt ist und weder Smith, noch Benatelli die volle Einheit absolvierten. Sowieso bin ich sehr gespannt auf Sonntag. Denn so ein Spiel unter Wettkampfbedingungen, bei dem es nicht mehr um ganz so viel geht, bietet natürlich auch die Möglichkeit etwas auszuprobieren.

Und mit diesen doch recht unspektakulären Worten verabschiede ich mich von der Kollaustraße für die Saison 2021/2022. Danke für viele Sporteinheiten hinauf auf den Mount Hoheluft. Ich hoffe sehr, dass sich der inzwischen doch deutlich ramponierte Rasen auf dem vorderen Teil des Trainingsplatzes während der Sommerpause wieder erholt und ich dann noch vielen Einheiten aus nächster Nähe beiwohnen darf. Tschüss Kollau, ich denke wir sehen uns in etwa sieben Wochen wieder!

// Tim

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5 thoughts on “Bericht von der Kollaustrasse, 11. Mai 2022

  1. Danke Tim für die schönen Berichte von der Kollau. Sehr lebendig und dennoch informativ. Ich hatte jedes Mal das Gefühl, dass ich knapp hinter dir stand respektive radelte und alles war genauso wie Du es beschriebst.
    Walk on

  2. Danke. Du hast sowohl ne gute Hinrunde als auch ne gute Rückrunde gespielt. Höchster Respekt meinerseits ob deines Einsatzes. Auch du bist ein Grund, weshalb ich mich auf die kommende Saison freue. Gruß aus Ahrensburg

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