Thees#11: Also man weiß ja wirklich überhaupt nicht mehr

Thees#11: Also man weiß ja wirklich überhaupt nicht mehr

Ihr zählt auch die Sekunden bis zum Anpfiff heute Mittag? Thees Uhlmann liefert euch und allen anderen die passende Kolumne dazu. Mit dem Friseursalon der Skinheads, Fontaines of Jackson und einem Lamborghini.

Also man weiß ja wirklich überhaupt nicht mehr, was man schreiben soll. Das weiß man eh fast nie, weil man ja Künstler ist und man aber eben schreiben muss. Das macht einem manchmal ganz schön Angst.

Einschub –
Moment, ich schreib das mal eben schnell. Ich schreibe das in der männlichen Form, weil ich dabei nur an mich von mir aus denke. Ansonsten kann ich nur sagen, dass alles immer schöner wird, wenn bei einer Sache nicht nur Typen dabei sind.

Ich mein, guck mal in meine Familie. Hier wird von morgens bis abends Diskurs geballert, weil ich so eine dumme Tröte bin.
Wenn ich jetzt hier wohnen würde und eben nicht mit meiner Tochter, sondern mit einem Typen, der so ist, wie ich, dann würde der zu mir sagen nachdem ich was gesagt habe: „Geiler Gedanke! Hab ich gestern auch schon gedacht! Und Morgen auch!“
Das führt ja zu nix. Und wenn es irgendwo hinführt, dann in die Dummheit. Und da will keiner hin.
Einschub Ende –

Nein, man weiß nicht mehr, was man schreiben soll, weil ich echt schon wieder religiöse Panik hatte, dass, wenn ich wieder anfange Kolumne zu schreiben, dass St. Pauli dann verliert, weil das gefühlt immer so war.

Andere geile Gefühle

Aber selbst das ist ja nicht mehr so.
Da kriecht man auch schon wieder so positive Angst.
Ein geiles Gefühl!
Andere geile Gefühle:

  1. Hunger auf Durst.
  2. Wenn ich mich so gut dran erinnern kann, warum ist das schon so lange her?
  3. Jemanden schon vermissen, obwohl der noch da ist.
  4. Etwas geschafft zu haben, was man schon lange wollte.
  5. Wenn man jemanden anschreit und dann schamvoll feststellt, dass man sich eigentlich selber angeschrien hat.

Und ich habe einfach so eine geile St. Pauli Baseball Jacke aus Baseballjackenstoff. Die habe ich im Sale vor ein paar Jahren im St. Pauli Fan-Shop gecopped, wie die jungen Leute sagen. Und wenn ich mir zu viele Sachen kaufe, dann sagt meine Tochter zu mir: „Du bist ganz schön am flexen zur Zeit!“
Die Jacke ist echt geil und war echt runtergesetzt und ich und meine Mutter lieben es, wenn Sachen runtergesetzt sind. Meine Mutter würde mich loben, wenn ich mir einen Lamborghini für 850.000€ kaufe, wenn…

Ich: „Oma Uta. Ich hab mir ein Auto gekauft!“
Sie: „Trinkst Du nicht mehr?“
Ich: „Doch, aber ich hab mir ein Auto gekauft. Einen Lamborghini!“
Sie: „Es gibt doch überhaupt keine Parkplätze bei Dir auf der Ecke!“
Ich: „…!“
Sie: „Einen was?“
Ich: „Einen Lamborghini!“
Sie: „Sind die nicht wahnsinnig teuer?“
Ich: „Total!“
Sie: „Thees, wie teuer war das Auto?“
Ich: „850.000 €!“
Sie: „Theesipurzel!!! Ich glaube, Du spinnst!“
Ich: „Runtergesetzt von 1.35 Millionen!“
Sie: „TOLL!!!! Also das ist ja ne dolle Sache. So viel hast Du gespart? Schön! Schönschönschön! Da beglückwünsche ich Dich, mein Kind!“
Ich: „Henn, Henn!“
Sie: „Manta, Manta!“

Also die Jacke ist so geil und so runtergesetzt, dass ich Freund Christoph auch direkt noch eine Jacke gönnte.
Und dieser Freund Christoph regt sich JETZT IN DIESER SEKUNDE GERADE AUF, WENN ER DAS JETZT LIEST, WEIL, dass was ich schreibe einfach zerebrales Gemurmel ist und er hat Recht, aber man weiß ja auch eben gar nicht mehr, was man schreiben soll, weil alles so geil ist mit dem FC St. Pauli von 1910.

Man, ey. Ich hoffe, dass dieses heute Nachmittag kein Ende findet, nur, weil ich nicht weiß, was ich schreiben soll, aber es muss und trotzdem tue.
Und genau diese Baseballjacke ziehe ich gleich zum Spiel an und denke dann: „Stolz und warm trage ich die Farben meines Vereines durch die Viertel und Straßen dieser Stadt!“

Ich denke wirklich diesen Satz in meinem Hirn genau einfach so. „Wenn ich nicht mehr rede, redet mein Gehirn einfach weiter!“ sagte meine Tochter mal mit 4. Ist das nicht toll?

Und ich glaube, dass niemand außer Insidern diese Jacke, als St. Pauli Jacke schnallt, weil die viel zu geil aussieht für Pauli Merch.
Was ich sagen wollte ist, dass ich hoffe, dass Ihr alle, die Ihr das lest, einen tollen Tag mit dem Verein, ob aus der Ferne oder am Millerntor habt.
Zur Verkürzung der Wartezeit bis zum Spiel hier noch ein paar Punkte.

Der Friseursalon der Skinheads St. Pauli

1.) Die Ultras St. Pauli feierten ihren 10.Geburtstag und ich war eingeladen, um im Knust ein paar Songs zu spielen. Reiste also mit meiner Holzgitarre an und freute mich, machte kurz Soundcheck, ging kurz zum GHVC, kam nach Einlass wieder und die „Skinheads St. Pauli“ hatten einen Friseurstand aufgebaut.

Das ist ja schon mal einfach eine so sackgeile Idee! Ein Skinhead Club, der einen Friseurstand aufmacht. Ähnlich geil, wie die Idee von Joseph Beuys, der kunstmäßig 1974 nach New York eingeladen war, aber als Installation folgendes machte:

Er ließ sich noch im Flugzeug komplett in Filz einwickeln und mit einem Krankenwagen in eine Galerie bringen, damit er nichts von den USA wahrnahm. Sperrte sich drei Tage und drei Nächte mit einem Kojoten namens „Little John“ in einen Raum ein. Freundete sich mit dem Tier an und nach den drei Tagen ließ er sich wieder in Filz einwickeln und wieder im Krankenwagen zum Flughafen bringen. Die Installation hieß dann ’Coyote, I like America and America likes me’. Ich mein, das ist doch einfach so super Kunst!
Heute dann wahrscheinlich so PETA: „Ist der Kojote denn auch artgerecht gehalten worden?“

Wenn Du das hier liest, Andi, viele Grüße an Dich. Du bist eine Zierde für die Menschheit und ein Apfel für mein Gehirn, dass den Doktor away keeps!

Ich hatte zur der Zeit eine prächtige Britpop Mähne, ging mit Holzgitarre am Friseurstand der Skinheads St. Pauli vorbei und einer meinte: „Ey, Thees, wenn wir Dir Deine scheiß Frisur abrasieren dürfen, dann bist Du Mitglied bei den St. Pauli Skinheads!“ Und alle so am lachen. „Ehehehe!“ Habe mich leider dagegen entschieden.
Viele Grüße an Oich alle!

2.) Sonderzugfahrt am 11.06.1995 Hamburg St. Pauli zum FSV Frankfurt. Ich hatte irgendwo eine super rote Baseballmütze auf dem Boden gefunden, die echt cool aussah. Darauf hatte ich selber einen kreisrunden Aufnäher des St Pauli Logos gestickt Ich kann sowas. Ich liebe textiles Gestalten.
Ich trug sie zum ersten Mal bei der Sonderzugfahrt. War ich megastolz drauf.

Das Wetter war gut, der Sonderzug freudig und Bodo freute sich über alle drei Sachen, nahm mir meine Mütze vom Kopf, zog sie sich selber auf, was mich stolz machte, denn, wenn der sich – Styler, der er ist – etwas anzieht, was mir gehört, dann ist das ein gutes Zeichen und sieht cool aus. Er setzte sich meine Baseballmütze auf, schob das Zugfenster nach unten, der Zug lag in einer länglichen Kurve, Bodo beugte sich aus dem Fenster des Sonderzuges und schrie in den hessischen Vormittag „SAAAANKT PAAAAAULI!“, unterschätze den Fahrtwind, der ihm die Baseballmütze vom Kopf in die Natur wehte, zog sein Kopf wieder rein und sagte: „Eh, Uhlo. So geil war die Mütze nun auch wieder nicht!“

Nilo war auch mit und wir mussten nach dem Spiel von Frankfurt aus noch nach Köln, wo ich damals sinnlos durch die Gegend studierte. Safe travels, lieber Freund und liebe Grüße an alle, die ihn kennen und das hier lesen.

Fontaines of Jackson

4.) Es gibt eine Fußball SMS Gruppe in der alle meine Freunde drin sind, nur ich nicht. Der einzige Grund, warum ich da nicht drin bin ist, weil alle aus der Gruppe aus HH kommen und ich aus B. Ehrlich gesagt, ich würde es genau so machen.

Freund R. hat mal Jackson Irvine auf dem Fontains D.C. Konzert getroffen. Junge, das ist auch eine geile Band. Super Musik und der Sänger denkt sogar darüber nach, was er singt:

„And they say they love the land, but they don’t feel it go to waste
Hold a mirror to the youth and they will only see their face
Makes flowers read like broadsheets, every young man wants to die
Say it to the man who profits, and the bastard walks by.“

Fontaines D.C. – I Love You

Geht es geiler? GEHT ES GEILER!?!
Und Jackson meinte zu ihm…
Er so: „Ey, bist Du nicht der Bassist von kettcar?“
und R. so: „Ach, Du…!“
Nein, es war anders. Also Reimer so: „Can we take a picture? I am a super St. Pauli Fan since 1987!“
und Jackson so: „Logo, Diggi!“
Foto gemacht. Alles super.

Wenn aber jetzt unser Jackson Irvine auswärts ein Tor schießt und die ganze SMS-Gruppe, deren ich kein Teil bin, ausflippt und schreibt „Geil!“ oder „Sauber reingenascht das Ding!“ oder „Ich fühle mich in Anbetracht des Tores erneuert und gereinigt!“, den ganz normalen Scheiß eben, dann schreibt Reimer nichts, sondern Reimer schickt einfach nur das Bild von Jackson und ihm.

Und ich finde das so super, weil das eine kindliche Zärtlichkeit hat, die von Realitäten Abstand nimmt und die einfach sagt mit der Stimme eines achtjährigen Jungen: „Das ist Jackson und der Jackson ist mein Freund und ich kenn den und der hat gerade ein Tor für meinen Lieblingsfußballverein geschossen.“
Junge, find ich das gut!

Schick Bild, Reimer!

Ich aß mal mit Thomas Tuchel zu Abend. Junge, das ist echt ein cooler Typ. Gibt´s aber kein Foto von. Aber wenn, dann würde ich davon immer ein Foto schicken, wenn der ein Tor macht mit Bayern.

5.) Das Derby werde ich mit Dr. Martin Seeliger, der mit und über Panik Panzer von der Antilopen Gang das tolle Buch „Der beste Mensch der Welt! Wie ich es schaffte, die Spitze der Nahrungskette zu erklimmen!“ geschrieben hat. Dieses Buch ist sehr gut. Gönnen Sie es sich doch zum Burzeltag eines geliebten Menschen.
Mit von der Party ist dann auch mein Freund Philipp Meinert vom Plastic Bomb Fanzine. Der interviewte mich mal für das Magazin und ich war ganz aufgeregt, dass mich jemand von der ikonischen Punker Postille etwas fragen wollte.

„Da kommen Punks!“ dachte ich und packte den Kühlschrank ordentlich voll mit Bier. Man will ja gastfreundlich sein.
„Ich würde dann einen grünen Tee nehmen, wenn Du hast! Nee, ich hab noch nie was getrunken.“
Junge, da habe ich mich geschämt.

Beide sind unfassbar schlau und ich genieße sehr ihre Gedanken und ihre Anwesenheit in meinem Leben.
Ich schrieb: „Ihr könnt gerne zum Derby kommen. Ich werd‘ mich braun-weiss anmalen und dann auf dem Sofa sitzen und dann gönnen!“
Martin: „Hammermäßig!“
Philipp: „Ich komm auch vorbei! In meiner Pauli Kutte!“
Martin: „Ich auch!“
Philipp: „Ich hab von jedem Verein der 1. und 2. Bundesliga ne Kutte. Man weiß ja nie, wo man eingeladen wird!“
und dann Martin…: „Ich auch!“

Junge, hab ich in der U-Bahn gelacht, dass die Leute geguckt haben. Aber man freut sich ja auch, wenn andere Menschen lachen.

6.) Leute, ich weiß, dass sich das alles megakrude liest. Aber was soll man machen? Hysterische Liebe.
Ich reiß mich jetzt schon die ganze Zeit zusammen, dass ich keinen offenen Brief an die Mannschaft schreibe. Ich mein, die dann so: „Was will er denn nu?“ Das wird auch noch auf die zukommen. Nur, dass die das schon mal wissen.

Euch allen einen schönen Tag mit dem FC St. Pauli von 1910.
„It was the worst of times, it was the best of times.“ – Dickens Charles.
// Thees

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4 thoughts on “Thees#11: Also man weiß ja wirklich überhaupt nicht mehr

  1. Das ist schönes Bloggen, auch wenn mir jetzt wegen heute klamm und bange wird.

    PS schönes Shirt, beide. Wusste gar nicht, dass noch jemand das trägt ausser mir. War imho mein bester Entwurf und der kommerziell erfolgloseste. Aber das kennen wir Künstler ja, das hingerotzte feiern sie ab… 😉

  2. Das ist alles so megakrude, dass sogar 3.) fehlt. Aber dann klappt es heute hoffentlich mit 11.). Die positive Angst mach mich 45 Minuten vor dem Spiel verrückt

  3. Ok, sagt ihm, er soll bis zum Aufstieg dann lieber nix mehr schreiben…nicht wegen der Texte, aber wegen des Aberglaubens, der sich ja diesmal bestätigt hat!

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