Veränderung auf Spitzenposition?

Veränderung auf Spitzenposition?

Die Analyse der Leistungen der Spieler des FC St. Pauli zeigt, dass die Innenverteidigung ein Garant für den Aufstieg war. Trotzdem dürfte es zu Veränderungen kommen.
(Titelbild: Peter Boehmer)

Es sind noch fast drei Monate, bis der FC St. Pauli sein erstes Bundesliga-Spiel seit mehr als 13 Jahren bestreiten wird. In etwas weniger als sechs Wochen startet man in die Vorbereitung. So bleibt beim FCSP also etwas Zeit, um die Bundesliga-Saison bestmöglich vorzubereiten. Damit das gelingt, ist eine Analyse der Aufstiegssaison notwendig. So können etwaige Lücken im Kader identifiziert werden. Die gibt es ziemlich sicher in der Innenverteidigung.

Dabei stellt sich aber natürlich schon die Frage, wie man in einem Gebilde Lücken identifizieren kann, welches eine Hauptverantwortung dafür trägt, dass der FC St. Pauli die beste Defensive der 2. Bundesliga geworden ist. Entsprechend muss diese doch eher steile These langsam aufgezogen werden, angefangen bei den individuellen Leistungen der Innenverteidiger des FCSP.

Eine kleine Anmerkung zu diesem Text und allgemein zu dieser Artikel-Reihe (der Text zur Torwart-Position ist ja bereits erschienen, alle anderen Positionen ziehen nun Stück für Stück nach): Natürlich kann sich der FC St. Pauli auf jeder Position verstärken. Nur wenige Clubs auf der Welt können das nicht. Klar ist aber auch, dass der FCSP in der Bundesliga nun nicht innerhalb eines Sommers den gesamten Kader umkrempeln kann und möchte. Entsprechend muss genau analysiert werden, auf welchen Positionen Verstärkungen am notwendigsten sind.

Sieben Innenverteidiger, drei Stammspieler

Insgesamt kamen sieben Spieler auf einer der drei Positionen in der Innenverteidigung beim FC St. Pauli zum Einsatz. Die meisten Spielminuten sammelte Hauke Wahl (3149), knapp vor Karol Mets (3140). Mit einigem Abstand folgt Eric Smith (2450 Minuten). Diese drei bildeten das Stamm-Trio der Innenverteidigung. Wahl verpasste nur den Saisonauftakt in Kaiserslautern (wurde spät eingewechselt) und eine Partie aufgrund einer Gelb-Rot-Sperre. Mets fehlte zwei Spiele aufgrund einer Rotsperre und wurde einmal kurz vor Schluss ausgewechselt. Eric Smith fehlte hingegen etwas öfter, vor allem in der Rückrunde: In den letzten elf Partien stand er nur fünfmal in der Startelf, wurde dabei aber einmal nach wenigen Minuten verletzt ausgewechselt.

Deutlich weniger Spielzeit sammelten die vier anderen eingesetzten Innenverteidiger des FC St. Pauli. Zusammen sind es gerade einmal knapp 1400 Minuten. Die meisten davon sammelte Adam Dźwigała (842), der nur kurz vor Saisonende nicht die erste Wahl bei einem Ausfall von einem der drei Stamm-IV’s gewesen ist. Lange Zeit war daher David Nemeth die Nummer fünf in der internen Rangliste. Nach einem Saisonbeginn mit zumindest einem Startelfeinsatz folgten für ihn ganze 22 Ligaspiele ohne eine einzige Einsatzminute. So kam er auf insgesamt nur 473 Spielminuten. Auf 96 Minuten (also das Spiel zum Saisonauftakt beim FCK) brachte es Jakov Medic und ich bin sicher, dass gerade einige entsetzt festgestellt haben, dass der zu Saisonbeginn ja noch FCSP-Spieler war. Auf acht Minuten brachte es Tjark Scheller, dem eine beeindruckende Entwicklung bescheinigt wurde und der nun beim SC Paderborn versuchen wird, auf mehr Spielzeit in der zweiten Liga zu kommen.

Eric Smith – Nummer zwei der 2. Bundesliga

Klar, Eric Smith besitzt zweifelsohne Bundesliga-Format. Sein Spielverständnis, sein Passspiel und seine Antizipation sind einfach zu gut für die 2. Bundesliga. Die These, dass es Smith unabhängig eines Aufstiegs des FC St. Pauli so oder so in die Bundesliga gezogen hätte, kann glücklicherweise nicht untersucht werden, aber es hätte wohl nur wenige gegeben, die im Falle eines Nichtaufstiegs von einem Smith-Verbleib ausgegangen wären. Was ihn so wertvoll für den FCSP macht, lässt sich sehr schön an seinen Saison-Statistiken ablesen:

Kern-Statistiken von Eric Smith der Saison 23/24, dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen Innenverteidigern der 2. Bundesliga. (Erklärung: Die Länge des dunkel gefärbten Teils des Pizzastücks zeigt, wie viele Prozent der anderen Spieler auf dieser Position schlechtere Werte oder oder maximal den gleichen Wert haben. Komplett dunkel heißt: Keiner ist besser. Zudem sind die Absolutwerte in Zahlen angegeben.)
Kern-Statistiken von Eric Smith der Saison 23/24, dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen Innenverteidigern der 2. Bundesliga.
(Erklärung: Die Länge des dunkel gefärbten Teils des Pizzastücks zeigt, wie viele Prozent der anderen Spieler auf dieser Position schlechtere Werte oder oder maximal den gleichen Wert haben. Komplett dunkel heißt: Keiner ist besser. Zudem sind die Absolutwerte in Zahlen angegeben.)

Eric Smith ist laut Wyscout hinter Marcel Halstenberg der zweitbeste Innenverteidiger der 2. Bundesliga der Saison 23/24. Auch FotMob führt ihn auf dieser Position. Und beim Blick in die Zahlen wird klar, warum er so hoch eingeschätzt wird: Weil es, wenn überhaupt, nur wenige Innenverteidiger gibt, die mit ihm in Sachen Spielaufbau mithalten können. Smith ist mit seinem Passspiel sehr mutig (das ist ein wichtiger Punkt, aber dazu später mehr), spielte viele Pässe nach vorne, auch viele lange Bälle waren dabei. Bemerkenswert ist hierbei aber nicht nur die Anzahl, sondern auch die Quote. Smith vereint eine jeweils hohe Anzahl mit hohen Erfolgsquoten, gehört in fast allen relevanten Pass-Kategorien zu den besten 30 Prozent der Liga.

Viel Risiko, gute Quoten

Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Eric Smith etwas mehr Raum-, Zeit- und Gegnerdruck hat, als andere Spieler auf der Innenverteidiger-Position. Durch sein häufiges Vorschieben in den Sechsserraum hat es Smith bei weitem nicht so komfortabel, wie etwas weiter hinten. Entsprechend ist die Anzahl seiner Vorwärtspässe etwas niedriger, trotzdem ist sein Passspiel oft progressiv und erfolgreich gewesen. Und damit enorm wichtig für das Aufbauspiel des FC St. Pauli. Einzelne Spieler herausheben verfälscht ganz sicher den Wert, den das gesamte Team an diesem Fußball hat. Aber Smith war für den Spielaufbau schon ein sehr, sehr, seeeehr zentrales Element und allein seine Anwesenheit auf dem Fußballplatz sorgte oft schon dafür, dass gegnerische Teams ganz anders agieren mussten, als sie wollten.

Ganz mithalten können da die Zahlen in Sachen Defensivarbeit nicht. Allerdings hängt die Anzahl an erfolgreichen Defensivaktionen natürlich auch damit zusammen, wie viele davon notwendig sind. Bei viel eigenem Ballbesitz, wie ihn der FC St. Pauli hatte, sind diese Werte natürlich niedrig. Die Quoten (erfolgreiche Boden- und Luftzweikämpfe) sind jeweils in Ordnung, wenngleich sie nicht herausragen. Genau das ist auch der Bereich, bei dem Eric Smith mutmaßlich noch zulegen muss. In der Arbeit gegen den Ball agiert er zwar ähnlich vorausschauend wie mit dem Ball. Allerdings wird die in der Bundesliga höhere Qualität gegnerischer Mittelstürmer ganz sicher von Smith nochmal eine Schippe mehr in der Defensive verlangen. Gelingt es ihm, die draufzulegen, dann wird er auch in der Bundesliga für seinen ästhetischen Spielstil geliebt werden.

Karol Mets – Urtyp Innenverteidiger

Wenn ich mir aussuchen könnte, wer in der Innenverteidigung des FC St. Pauli kommende Saison mit Harry Kane, Niclas Füllkrug, Serhou Guirassy und Co. in den Infight geht, dann kann die Antwort nur Karol Mets lauten. Und keiner der genannten Spieler dürfte daran Spaß haben. Denn hat Mets erst einmal Körperkontakt zum Gegenspieler aufgenommen, wird dieser ihn eigentlich nicht mehr los. Der 31-jährige ist damit sowas wie der heimliche Chef der FCSP-Verteidigung, weil er – im Gegensatz zu Smith – viel mehr die traditionellen Kompetenzen eines Innenverteidigers in sich vereint.

Kern-Statistiken von Karol Mets der Saison 23/24, dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen Innenverteidigern der 2. Bundesliga. (Erklärung: Die Länge des dunkel gefärbten Teils des Pizzastücks zeigt, wie viele Prozent der anderen Spieler auf dieser Position schlechtere Werte oder oder maximal den gleichen Wert haben. Komplett dunkel heißt: Keiner ist besser. Zudem sind die Absolutwerte in Zahlen angegeben.)
Kern-Statistiken von Karol Mets der Saison 23/24, dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen Innenverteidigern der 2. Bundesliga.
(Erklärung: Die Länge des dunkel gefärbten Teils des Pizzastücks zeigt, wie viele Prozent der anderen Spieler auf dieser Position schlechtere Werte oder oder maximal den gleichen Wert haben. Komplett dunkel heißt: Keiner ist besser. Zudem sind die Absolutwerte in Zahlen angegeben.)

Starke Werte im Windschatten von Smith

Was beim Hervorheben der defensiven Tugenden von Karol Mets (bester Zweikämpfer des FC St. Pauli) aber nicht untergehen darf: Er ist auch richtig stark im Passspiel, wenngleich nicht ganz so risikofreudig wie Innenverteidiger-Kollege Smith. Karol Mets spielte insgesamt die meisten Pässe aller Zweitligaspieler, sowohl absolut, als auch pro 90 Minuten. Im Vergleich zu Smith spielte er weniger lange Pässe und, gemessen an der Gesamtzahl seiner Pässe, insgesamt weniger progressiv. Allerdings zählen auch seine Zahlen bei progressiven und Pässen ins letzte Drittel zu den Spitzenwerten der Liga.

Maximum erreicht?

Defensiv stark, offensiv stark – tatsächlich kann man Karol Mets als DEN Defensivspieler des FC St. Pauli bezeichnen. Denn auch wenn er etwas weniger Risiko als Eric Smith im Spielaufbau ging, so hat er doch immer wieder auch selbst Lösungen im Spiel nach vorne gefunden. Wyscout listet ihn als sechstbesten Innenverteidiger der Liga. Bei FotMob liegt er nur auf Platz 14 – was mit seiner nicht vorhandenen Torgefahr zusammenhängen dürfte (Tore und Torvorlagen werden dort überproportional stark gewichtet).

Mit Blick auf die kommende Saison bleibt abzuwarten, ob es Karol Mets auch auf höherem Level gelingen kann, seine Zahlen aus diesem Jahr zu bestätigen. Aus subjektiver Sicht ist Mets genau der Spieler, der Probleme damit haben könnte, dass er im Spielaufbau nun etwas weniger Zeit und Raum zur Entfaltung haben wird. Auch die steigende individuelle Qualität der Gegenspieler könnte für ihn problematisch sein, wenngleich Smith davon noch mehr herausgefordert werden dürfte. So sicher wie man Mets zum Defensivspieler der Saison ernennen kann, so unsicher ist, ob er auch kommende Saison solche Leistungen zeigen wird.

Hauke Wahl – kaum Risiko, keine Fehler

Die interessanteste Radargrafik der drei Stamm-Innenverteidiger liefert Hauke Wahl mit seinen Leistungen in dieser Saison. Insgesamt hat er weniger erfolgreiche Defensivaktionen als Mets und Smith, was mit weniger Kopfballduellen und abgefangenen Pässen zu erklären ist. Auch wenn die abgefangenen Pässe generell als ein Indikator für kluges Verhalten auf dem Platz herangezogen werden können und Wahl ausgerechnet dort geringere Zahlen aufweist, möchte ich ihn als äußerst smarten Verteidiger bezeichnen. Der 30-jährige besticht nämlich mit starker Zweikampfbilanz und konnte oft die Temponachteile auf der rechten Außenseite durch sehr kluge Zweikampfführung wettmachen.

Kern-Statistiken von Hauke Wahl der Saison 23/24, dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen Innenverteidigern der 2. Bundesliga. (Erklärung: Die Länge des dunkel gefärbten Teils des Pizzastücks zeigt, wie viele Prozent der anderen Spieler auf dieser Position schlechtere Werte oder oder maximal den gleichen Wert haben. Komplett dunkel heißt: Keiner ist besser. Zudem sind die Absolutwerte in Zahlen angegeben.)
Kern-Statistiken von Hauke Wahl der Saison 23/24, dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen Innenverteidigern der 2. Bundesliga. (Erklärung: Die Länge des dunkel gefärbten Teils des Pizzastücks zeigt, wie viele Prozent der anderen Spieler auf dieser Position schlechtere Werte oder oder maximal den gleichen Wert haben. Komplett dunkel heißt: Keiner ist besser. Zudem sind die Absolutwerte in Zahlen angegeben.)

Ob Hauke Wahl auch im Aufbauspiel mit smarter Spielweise punkten kann, ist schwer zu beurteilen. Bemerkenswert ist auf jeden Fall, dass er bei der Anzahl an Pässen nach vorne (lange Pässe, progressive Pässe, Pässe ins letzte Drittel) ganz andere Werte vorweist als Smith und Mets. Zwar sind die Erfolgsquoten dieser Pässe ähnlich hoch wie bei seinen beiden FCSP-Kollegen, die Anzahl ist aber signifikant niedriger. Ein Beispiel: Hauke Wahl liegt bei der Anzahl an Pässen pro 90 Minuten ligaweit auf Platz 23 (alle Spieler aller Positionen sind in dieser Liste mit drin). Karol Mets liegt auf Platz eins, Eric Smith auf Platz 34, Adam Dźwigała auf Platz fünf, David Nemeth auf Platz 27. Bei der Anzahl an langen Bällen liegt Wahl auf Platz 266.

Krasse Unterschiede im Passspiel

Klar, alle FCSP-Spieler haben einen geringeren Anteil an langen Bällen im Ligavergleich. Aber Hauke Wahl geht im Passspiel im Vergleich zu den anderen Innenverteidigern im Team auffällig wenig Risiko. Smith und Mets spielten 26 bzw. 21 Verlagerungen in dieser Saison, Wahl drei. Beim Vergleich der mit Pässen zurückgelegten Strecke pro 90 Minuten in Richtung gegnerisches Tor hat Wahl den niedrigsten Wert aller FCSP-Innenverteidiger.

Ist das nun ein Problem? Ein Anzeiger dafür, dass Hauke Wahl ein Schwachpunkt in der Dreierkette des FC St. Pauli ist? Nein, nicht unbedingt. Es kann auch einfach sein, dass Wahl (laut Wyscout direkt hinter Mets auf Rang sieben der IV-Rangliste) weniger Risiko als seine Mitspieler eingehen mag und das ist vielleicht auch genau so gewollt. Denn insgesamt passen Smith, Mets und Wahl mit ihren Fähigkeiten ziemlich gut zueinander. Wenn alle drei dauerhaft mutig nach vorne spielen würden, dann wäre der FCSP nicht so balldominant.

Hamburg, Deutschland, 27.08.2023, 2. Bundesliga, Fussball - Hauke Wahl (FC St. Pauli) im Kopfball-Duell mit Baris Atik (1. FC Magdeburg) - Copyright: Stefan Groenveld DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video.
Kopfbälle gehören eigentlich nicht zu den Stärken von Hauke Wahl. Die hier gezeigte Situation mit Magdeburgs Baris Atik ist aber ein wirklich schönes Exemplar gelungenen Kopfballspiels des FCSP-Innenverteidigers. // (c) Stefan Groenveld

Trotzdem: Die Zahlen könnten auch anzeigen, dass es dem FC St. Pauli helfen würde, wenn es auch von der RIV-Position mehr progressives Passspiel geben würde. Ich persönlich hätte mir diese Saison das ein oder andere Mal durchaus gewünscht, dass Wahl progressiver spielt, die Räume dafür sind jedenfalls oft vorhanden gewesen. Auf der anderen Seite: Das Wort progressiv läuft flüssig durch die Adern von Manos Saliakas (der übrigens mit Abstand die meisten Verlagerungen beim FCSP spielte). Hauke Wahl war also auch nicht unbedingt gefordert, sonderlich progressiv zu spielen, weil er auf der rechten Seite jemanden hatte, der ihm diesen Job gewissermaßen abnahm. Und aufgrund seiner technischen Fähigkeiten und des Spielverständnisses ist Hauke Wahl genau so eine Spielweise auch absolut zuzutrauen, wenn sie notwendig ist. Trotzdem ist bei ihm, im Vergleich zu Smith und Mets, das Fragezeichen vermutlich am größten, ob er seine Leistungen auch in der Bundesliga bestätigen kann.

Dźwigała vs. Nemeth = Risiko vs. Sicherheit

Noch extremer als das, was man in der Radargrafik von Hauke Wahl sehen kann, ist das, was man bei David Nemeth sieht. Denn basierend auf den Erfolgsquoten ist Nemeth der Innenverteidiger mit dem besten Passspiel in vordere Spielfeldbereiche der gesamten Liga. Das liegt aber eben auch daran, dass kein FCSP-Innenverteidiger so wenig Risiko eingeht wie Nemeth. Knapp fünf Prozent seiner Pässe waren progressiv, bei allen anderen liegt dieser Anteil bei über zehn, teilweise bei fast 20 Prozent. Nemeth spielte sogar die wenigsten progressiven Pässe pro 90 Minuten aller Innenverteidiger der 2. Bundesliga, sowohl anteilig als auch absolut. Gerade der Absolutwert ist bemerkenswert, da er mit 55 Pässen pro Partie relativ viele spielte. Davon war aber weniger als jeder vierte ein Vorwärtspass.

Kern-Statistiken von Adam Dzwigala (links) und David Nemeth (rechts) der Saison 23/24, dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen Innenverteidigern der 2. Bundesliga. (Erklärung: Die Länge des dunkel gefärbten Teils des Pizzastücks zeigt, wie viele Prozent der anderen Spieler auf dieser Position schlechtere Werte oder oder maximal den gleichen Wert haben. Komplett dunkel heißt: Keiner ist besser. Zudem sind die Absolutwerte in Zahlen angegeben.)
Kern-Statistiken von Adam Dźwigała (links) und David Nemeth (rechts) der Saison 23/24, dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen Innenverteidigern der 2. Bundesliga.
(Erklärung: Die Länge des dunkel gefärbten Teils des Pizzastücks zeigt, wie viele Prozent der anderen Spieler auf dieser Position schlechtere Werte oder oder maximal den gleichen Wert haben. Komplett dunkel heißt: Keiner ist besser. Zudem sind die Absolutwerte in Zahlen angegeben.)

Ganz anders als bei Nemeth ist das, was Adam Dźwigała in dieser Saison gezeigt hat: Der 28-jährige zeigte in seinen wenigen Einsätzen einen enorm mutigen Spielstil, sowohl mit als auch ohne Ball. Kein anderer FCSP-Innenverteidiger fing durchschnittlich mehr Pässe ab, ein Indikator für mutiges Antizipieren. Keiner foulte häufiger, Dźwigała ging also auch in den Zweikämpfen oft ins Risiko. Seine Erfolgsquote bei direkten Duellen ist aber leider die niedrigste aller fünf hier aufgeführten Spieler.

Dźwigała überzeugt mit Zahlen, aber der Mut hatte seinen Preis

Trotzdem sind die Zahlen von Adam Dźwigała beeindruckend, besonders im Aufbauspiel. Sowohl die Anzahl als auch die Erfolgsquoten bei Pässen nach vorne sind richtig stark und zeigen, dass er sich in diesem Bereich stark verbessert hat. Was allerdings in den Zahlen nicht abgebildet ist: Eine mutige Spielweise ist nicht ohne Risiko. Und sie kostete Dźwigała vermutlich den Platz in der Startelf, den Nemeth dann von ihm übernahm. Nach überzeugenden Auftritten in der Rückrunde gegen Hertha und den FCN, sah er bei den Niederlagen gegen den KSC und Elversberg in einzelnen Situationen nämlich alles andere als gut aus.

Somit sind sowohl bei Adam Dźwigała als auch bei David Nemeth Zweifel angebracht, ob sie den Schritt in die Bundesliga leistungsmäßig mitgehen können. Gerade bei Nemeth beschleicht mich das Gefühl, dass ihm eine Saison mit viel Spielzeit guttun könnte. Dass es diese beim FC St. Pauli in der Bundesliga geben wird, muss allerdings stark bezweifelt werden, sollte er in der Sommervorbereitung keinen großen Schritt nach vorne machen. Sollten die Rahmenbedingungen stimmen, so dürfte ein Transfer für beide Seiten also zumindest vorstellbar sein.

Bedarf vorhanden

Sicher ist, dass der FCSP noch Verstärkung auf der Innenverteidiger-Position benötigt. Und das, obwohl die Anzahl von fünf Innenverteidigern plus einem starken U23-Spieler dazu eigentlich perfekt ist, also wenn niemand mehr gehen sollte (was ja aber mit Scheller bereits geschehen ist). Der Bedarf ist allein schon damit begründet, dass es mit Karol Mets nur einen einzigen Linksfuß für diese Position gibt. Auch ist der Wechsel von Hauke Wahl auf die zentrale Verteidiger-Position (wenn Smith nicht einsatzfähig war) nur bedingt aufgegangen. Ein aufbau- und kopfballstarker Spieler, am besten ein Linksfuß, würde dem Kader also gut zu Gesicht stehen.

Auch wenn die Innenverteidigung des FC St. Pauli in der abgelaufenen Saison ein Prunkstück gewesen ist, deutet sich hier eine Veränderung an. Weil Spieler ihr Glück woanders suchen könnten und es einen Bedarf an gewissen Fähigkeiten gibt. Sicher ist: Ein neuer Spieler für diese Position sollte jemand sein, der eine starke Konkurrenzsituation erschafft, also mindestens das Qualitätslevel der drei Stamm-IVs besitzt und gerne auch ein paar Jahre jünger ist. Man darf sehr gespannt sein, ob und wie sich der Kader des FCSP auf der Innenverteidiger-Position ändern wird.

// Tim

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15 thoughts on “Veränderung auf Spitzenposition?

  1. Woraus schließt du, dass der Wechsel von Wahl auf die ZIV Position nur bedingt aufgegangen ist? Die Ergebnisse aber auch der Verlauf der Spiele sagen für mich anderes aus. Im letzten Saisonviertel hat mich Smith nur eingeschränkt überzeugt.

    Wenn man Nemeth sinnvoll verliehen bekommt (etwas anderes wäre vermutlich ein wirtschaftliches Desaster) sollte man das tun und noch einen IV für die Startelf dazu holen, aber im Grunde auch nur dann. Der Bedarf an qualitativ hochwertigen Zugängen dürfte auf anderen Positionen größer sein.

  2. Boah, schon als Du die Kaderanalyse begonnen hast, dachte ich mir: Das ist ein Brett. Sowohl für Dich, als auch für die sportlich verantwortlichen beim FC St. Pauli.

    Gut, Du kannst es Dir in Deinem Forecast noch etwas einfacher machen, indem Du implizit davon ausgehst, dass der magische FC ein ähnliches Spiel aufziehen wird wie in der 2.Bundesliga. Aber macht das Sinn?

    Ich habe ja keine Ahnung von alldem. Meine Aufgabe bei dem Spiel ist es einen Bierbecher festzuhalten, der Person mit dem Megaphon alles nachzusingen und bei kniffligen Situationen Verbesserungsvorschläge in Form eines lauten, langgezogenen „Ääääääääääääyyyyyyyyyyyyy“ zu formulieren.

    Aber wenn ich die ganzen Grafiken sehe, mit den ganzen dicken gelben Balken und den aus meiner Perspektive minikleinen blauen Bälkchen und wenn mir da so Vokabeln wie „progressiv nach vorne“, „Mut“ und „Risiko“ gegen die Netzhaut hopseln, dann denk ich mir halt schon…

    … Ja da frag ich mich ob wir dieses Spielsystem mit den 70% Ballbesitz und dieser unnachahmlichen Dominanz auch gegen die Bayern sehen werden.

    Und wenn das nicht so ist, brauchen wir dann nicht gerade in der Innenverteidigung Neuzugänge mit mehr blau auf der Pizza?

    Ich frage mich, ob Hürzeler und Co. schon im Sommer darüber nachdenken wie sie die Spielidee an die geänderte Situation anpassen werden und ob sie auf diese neue Idee hin auch den Kader hin umbauen werden oder ob sie auf ihre Stärken bauen und erst nach und nach in der Saison reagieren.

    1. Danke Mario für diesen richtigen wie lustigen Kommentar. Die Beschreibung der „Fanarbeit“:
      „Meine Aufgabe bei dem Spiel ist es einen Bierbecher festzuhalten, der Person mit dem Megaphon alles nachzusingen und bei kniffligen Situationen Verbesserungsvorschläge in Form eines lauten, langgezogenen „Ääääääääääääyyyyyyyyyyyyy“ zu formulieren.“ Rahme ich mir ein, Danke!

      Du hast, glaube ich, recht das wir mehr blaue Pizza brauchen wenn Herr Wirtz und Co auf uns zulaufen.

      1. Wir brauchen nicht unbedingt größere Pizzateile, denn wir werden wohl kaum im oberen Tabellendrittel mitspielen.
        Ich bin allerdings weitgehend überzeugt, dass die IV sich an die veränderten Ballbesitzanteile anpassen kann. Meines Erachtens wäre vor allem Smith gefordert, da dies nicht seinen Stärken/Schwächen entgegenkommen würde.

    2. Ohne zu tief taktisch drin zu stecken, könnte ich mir angesichts der abgelaufenen Saison und den Leistungen von Leverkusen und Stuttgart zumindest prinzipiell vorstellen, dass man gegen das untere Drittel der Liga, vielleicht sogar die untere Hälfte, mit gewissen Verstärkungen und Anpassungen ein ähnliches Spiel durchziehen könnte. Natürlich sind die beiden Teams individuell deutlich besser, aber gerade bei Stuttgart sind da auch einige Spieler an den Aufgaben und unter dem Trainer gewachsen und werden jetzt im Nachhinein besser bewertet als man es vor der Saison getan hätte, Beispiel Mittelstädt. In Verbindung mit der Standardstärke (bei der zumindest offensiv noch zu zeigen ist, dass diese auch ohne Hartel noch vorhanden ist) könnte das gegen Kiel, Bochum, Augsburg und co. durchaus klappen.

      Für das Ziel Klassenerhalt sind die Spiele gegen Bayern oder Leverkusen ja maximal für die Tordifferenz relevant. Ich traue den Verantwortlichen zu, da Anpassungen zu treffen, auch wenn St. Pauli weder in der Liga noch im DFB-Pokal zuletzt einem klar besseren Gegner begegnet ist, ohne den Kader darauf ausrichten zu müssen.

      Und wenn es wieder runtergeht, dann zumindest mit einigermaßen wehenden Fahnen als dem beschriebenen „Identitätsverlust“ 😀 So oder so wird’s spannend, wie die Planungen umgesetzt werden, und noch spannender, wie es dann im Endeffekt auf dem Platz ausgespielt werden wird

  3. Danke für die gute Analyse. Ein Punkt fehlt mir aber: Die Schnelligkeit unserer Abwehrstars. Das könnte ein Problem werden.

    1. Danke! Genau darauf habe ich beim Lesen der Analyse auch gewartet… Denn schon jetzt hatten wir einige Male Probleme gegen schnelle Spieler vom Typus Conteh & Co. Betrifft natürlich mehr die Außenverteidiger, aber gegen einen schnelleren IV hätte ich auch nichts einzuwenden…

  4. Ich denke nicht, dass wir in der IV große Transfers sehen werden. Wir sind dort eigentlich in der Breite und Spitze gut aufgestellt. Helfen würde da nur ein richtiger Knallertransfer, von denen wir uns aber nicht so viele leisten können. Und die brauchen wir dann mM auf anderen Positionen eher (Ersatz für Hartel und Kemlein, Zweiter Stürmer neben Eggestein, ein Außenverteidiger, ein Flügelstürmer), da hat die IV dann ne geringere Prio.

  5. Danke für die sehr treffende Analyse! Ich frage mich allerdings, inwiefern wir nicht auf die Tempodefizite von gerade Smith und Wahl reagieren müssen? Oder wird das weniger eine Rolle spielen, weil wir ohnehin weniger den Ball haben werden und häufiger tiefer stehen/verteidigen müssen?

  6. Vielen Dank für diese starke, interessante und differenzierte Analyse! Das macht richtig Spaß zu lesen und ich freu mich schon auf die noch kommenden.
    Könnt Ihr mir bitte noch kurz erklären, was dieses „acc.“ bei fast jedem zweiten Pizzastück bedeutet? Das hab ich noch nicht richtig verstanden.
    Inhaltlich würd ich folgendes gern ergänzen:
    Natürlich ist das Entwicklungspotential eine sehr subjektive Einschätzung. Aber das hat mir bei der Vasilj-Analyse noch gut gefallen.
    Und ansonsten möchte ich gern darauf hinweisen, dass neben diesen ganzen messbaren sportlichen Leistungen zwischenmenschliche oder gruppendynamische Fähigkeiten, die einzelne Spieler, wie vielleicht Hauke Wahl, ins Team gebracht haben, bestimmt auch einen Anteil am Erfolg dieser Saison hatten. Nur ist sowas halt nicht messbar.
    So, jetzt hab ich meinen Senf auch noch dazugegeben. 😉
    Vielen Dank für die tollen Beiträge! Macht weiter so!

    1. Ich war bisher zu faul, um die englischen Begriffe in der Grafik zu übersetzen. „acc.“ steht für ‚accuracy‘, also Genauigkeit.

  7. Meistens kommt es ja anders als man denkt. Aber wenn hier mal 2 Spieler ausfallen sollten, wird es in der ersten Liga knüppeldick kommen. Insofern sehe ich hier neben dem Linksverteidiger und dem defensiven Mittelfeld die grössten Baustellen. Und natürlich vorne ein gewisse Torgefahr….

  8. Moin,

    Meiner subjektiven Beobachtung nach ist die größte Stärke von Hauke Wahl die Ballsicherheit in Pressingsituationen. Er erkennt zielsicher die Räume die er belaufen muss, dreht sich geschickt vom Gegner weg, und spielt den Ball per one touch in den freien Raum. Das sieht nicht nur toll aus, sondern ist auch hochgradig „progressiv“, selbst wenn der Ball nur horizontal gespielt. Fraglich ob das so aus den Statistiken herauszulesen ist.

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