Gedenktafel an der Kollaustraße

Gedenktafel an der Kollaustraße

Am Trainingsgelände des FC St. Pauli wurde heute eine Gedenktafel für jüdische Sportler*innen eingeweiht, die hier von 1934 bis 1938 Sportplätze nutzten.

Die Geschichte vieler Hamburger Sportvereine in der NS-Zeit ist nach wie vor nicht aufgearbeitet, wie Historikerin Frauke Steinhäuser heute bei der offiziellen Präsentation der neuen Gedenktafel am Trainingsgelände des FC St. Pauli an der Kollaustraße berichtete. Der FC St. Pauli ist einer der wenigen Vereine (wie auch der HSV), die hier als positive Ausnahme angesehen werden können. Sicher auch dank eines eigenen Museums und dem Engagement vieler Ehrenamtlicher.

Sportanlage Kollaustraße von jüdischen Sportler*innen gepachtet

Nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 wurden jüdische Sportler*innen aus vielen Vereinen ausgeschlossen, auch ohne staatliche Vorgabe. Viele traten daraufhin den vorhandenen jüdischen Sportvereine bei. Neue Vereine wurden aber ebenso gegründet, wie die Sportgruppe „Schild“.

„Diese hatte sich im Juni 1933 unter dem Dach des „Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten“ gegründet. Als sie im Juli 1934 hier, auf dem heutigen Trainingsgelände des FC St. Pauli, ihre Sportplatzanlage einweihte, zählte sie bereits mehr als 700 Mitglieder – Erwachsene ebenso wie Jugendliche. Die jüdischen Sportler*innen bauten die Plätze in Eigenarbeit aus, die Jüdische Gemeinde unterstützte dies durch Spenden.“

Auszug aus der Gedenktafel auf dem Trainingsgelände des FC St. Pauli an der Kollaustraße

Die Sportgruppe „Schild“ pachtete den Sportplatz Kollaustraße. Zwei Sportplätze für Hockey, Handball, Fußball und Leichtathletik entstanden hier. Die Einweihung des Sportplatzes erfolgte am 8. Juli 1934, also vor ziemlich genau 90 Jahren.

„Im Andenken an den ungebrochenen Lebenswillen der jüdischen Jugend in Hamburg in den Jahren 1933 bis 1938“

„Gerade deshalb, weil unsere Jugend fortgehen muss, bauen wir einen Sportplatz. Sie soll bei Kampf und Spiel die Schwere und die Sorgen des Lebens vergessen.“

Dieses Zitat stammt von Helmuth Perlmann und findet sich ebenfalls auf der Tafel wieder. Perlmann war Vereinsmitglied des Makkabi-Vereins „Blau-Weiß Hamburg“, welcher ab Oktober 1936 an der Kollaustraße einen weiteren Sportplatz unterhielt.

Sowohl die Sportgruppe „Schild“ als auch „Blau-Weiß Hamburg“ gehörten zwischen 1933 und 1938 zu den erfolgreichsten jüdischen Teams im Deutschen Reich.
Bei den Redebeiträgen wurde auf einzelne Biographien explizit eingegangen, unter anderem auf Max Kulik, zu dem das Museum 2023 eine Sonderausstellung hatte. Auch Alfred Cossen wurde erwähnt, aktives Mitglied und später Funktionär beim SC Victoria, der die Sportgruppe „Schild“ in Hamburg maßgeblich mit gegründet hatte. Er floh 1939 nach Australien und verstarb 1980. Sein Sohn Ron Cossen sandte heute eine Videobotschaft an die Kollaustraße.

Mit den Novemberpogromen 1938 endete vieles für Jüdinnen und Juden in Deutschland. Unter anderem auch die Möglichkeit, aktiv Sport in Vereinen zu betreiben. Die jüdischen Sportvereine wurden verboten und aufgelöst.

Die genaue Geschichte der Sportanlage Kollaustraße im weiteren Verlauf wird aktuell noch aufgearbeitet. Laut Recherchen des Museums wurde sie im Sommer 1939 durch die Immobilienfirma Sottorf angeboten, ab spätestens 1952 war sie Betriebssportplatz der Firma Betten Holm, später dann der Firma Philipps.
Seit 2001 ist sie Trainingsgelände des FC St. Pauli. Aktuell gibt es dort zwei Rasenplätze und einen Kunstrasenplatz sowie ein Funktionsgebäude. Das Gelände soll in den nächsten Jahren ausgebaut werden.

Neue Gedenktafel aufgestellt

Der Kern dieser Geschichte fand unter anderem bereits im Buch von Gregor Backes („Mit deutschem Sportgruß – Der FC St. Pauli im Nationalsozialismus“) Erwähnung, ebenso bei der Rathausausstellung „Fußball im Nationalsozialismus in Hamburg“ der Gedenkstätte Neuengamme. Hier dazu ein Artikel von René Martens in der ZEIT im Jahr 2016. Auch in einem Interview der taz mit Lorenz Pfeiffer im Januar 2016 wird dies erwähnt.
Dank des Rechercheteams des FC St. Pauli Museums, namentlich Celina, Christopher und Thomas, wurde dies nun vertieft.

Am heutigen Sonntag wurde die Gedenktafel offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie befindet sich direkt am Eingang des Trainingsgeländes von der Straße Langenhorst aus, links vor dem Kunstrasenplatz.

Gedenktafel auf dem Trainingsgelände des FC St. Pauli an der Kollaustraße. Erinnert wird an die jüdischen Sportler*innen, die hier von 1934 bis 1938 verschiedenen Sportarten nachgingen.
(c) FC St. Pauli Museum

Auf der Veranstaltung heute um 11.00h waren Vertreter*innen aus Verein und Fanszene sowie geladene Gäste, unter anderem der Holocaust-Überlebende Ivar Buterfas-Frankenthal mit seiner Frau Dagmar. Vom Präsidium des FC St. Pauli waren Luise Gottberg und Jochen Winand anwesend, aus dem Aufsichtsrat Sönke Goldbeck und Rene Born. Präsident Oke Göttlich und Sportchef Andreas Bornemann ließen sich kurzfristig entschuldigen.

Was alle Redebeiträge einte, war der Aufruf, Geschichte nicht als reinen Blick in die Vergangenheit zu sehen, sondern aus ihr für die Gegenwart und die Zukunft zu lernen.
Danke an das FC St. Pauli Museum.

Nie wieder ist jetzt.
Kein Vergeben. Kein Vergessen.

// Maik

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4 thoughts on “Gedenktafel an der Kollaustraße

  1. Präsident Oke Göttlich und Sportchef Andreas Bornemann ließen sich kurzfristig entschuldigen.

    Sehr interessant. Mit wem die sich wohl getroffen haben. Ob morgen direkt ein neuer TW Trainer vorgestellt wird ?

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