Es ruckelt

Es ruckelt

Nach zwei wenig überzeugenden Testspielen und einigen Personalproblemen, steht für den FC St. Pauli zum Abschluss des Trainingslagers ein Gradmesser an.
(Titelbild: Sportfoto Zink/Imago Images/via OneFootball)

Die Umstände verlangen einiges vom FC St. Pauli. Mit Alexander Blessin ist ein neuer Trainer da und mit ihm dürfte sich der Spielstil deutlich verändern. Zudem steht eine Saison in einer neuen Liga vor der Tür, was ebenfalls zwangsläufig zu Veränderungen führt. Hierbei zu erwarten, dass diese Umstellung völlig reibungslos vonstatten geht, ist unangebracht. Gleichwohl sollten anfängliche Probleme auch sicher nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Neue Formation sitzt noch nicht richtig

Im Testspiel am vergangenen Freitag gegen die SpVgg Greuther Fürth konnte man erstmals sehen, was es vom FC St. Pauli in dieser Saison wohl häufiger zu sehen geben wird: Das Team stellte sich in einem 3-5-2 als Grundformation auf, versuchte die Gegenspieler möglichst permanent früh im Spielaufbau zu stören. Das sah in den Anfangsminuten ganz gut aus, doch dann hatte der FCSP gleich einige Male Probleme mit lang gespielten Pässen der Gegner. Alexander Blessin erklärte nach der Partie: „Bei den ersten langen Bällen hatten wir in der Tiefe nicht die Absicherung und nicht den Druck, da können wir einige Sachen noch besser machen.“

Klar, es standen sich an diesem Tag im Trainingslager zwei Teams mit gänzlich unterschiedlichen Ausgangslagen gegenüber. Auf der einen Seite jenes des FC St. Pauli, personell durchaus bunt gemischt und erst in der zweiten Vorbereitungswoche. Auf der anderen die Fürther mit einer denkbaren „A-Elf“ und bereits viel mehr Trainingseinheiten und Testspielen im Tank. Aus diesem Spiel direkt die Leistungsfähigkeit der kommenden Saison abzuleiten, ist nicht möglich. Doch dieser Test hat ganz sicher gezeigt, dass der FCSP noch viel Arbeit vor sich hat.

Besonders auf das teamtaktische Verhalten gegen lange Bälle des Gegners dürfte in den nächsten Wochen ein großer Fokus liegen. Die viel höhere Positionierung bei gegnerischem Ballbesitz unter Blessin lädt die Gegner quasi dazu ein. Hier ist eine Menge Feintuning gefragt, damit die Abläufe verbessert werden. Andernfalls wird das Thema „Verhalten gegen tiefe Bälle des Gegners“ im Saisonverlauf viel größere Beachtung bekommen, als einem beim FC St. Pauli lieb ist.

Personalprobleme verhindern weiteren Test

Damit die Abläufe in den kommenden Tagen und Wochen passgenau einstudiert werden können, ist es natürlich wichtig, dass die dafür verantwortlichen Spieler auch an den Trainingsformen teilnehmen können. Das ist bisher leider nicht der Fall. Die Liste an Spielern, die nicht oder nur reduziert trainieren, ist lang. Zu lang, um diesen Mittwoch gleich zweimal zu einem Testspiel anzutreten. Die geplante Partie gegen den kroatischen Erstligisten Slaven Belupo wurde von Seiten des FCSP kurzfristig abgesagt. Für das kroatische Team sicher äußerst unglücklich, wurde doch schon die wenige Tage zuvor geplante Partie gegen US Lecce abgesagt.

Somit wird man beim FCSP nur beim Test gegen Olympique Lyon weitere Einblicke erhalten, wie sich das Team des FC St. Pauli in veränderter Formation zurechtfinden wird. Interessant ist dabei neben teamtaktischen Dingen auch, wer da auf welchen Positionen zu finden sein wird. Gegen Fürth agierten Scott Banks und Elias Saad auf den Außenpositionen in der Fünferkette. Sie mussten somit gegen den Ball viel weiter hinten agieren, als in der Vorsaison. Ob diese Position für sie Zukunft hat? Das ist eher schwer vorstellbar, zumal mit Philipp Treu und Manos Saliakas hoffentlich zeitnah zwei Spieler mit Startelfpotenzial voll einsatzfähig sein werden.

Reibungsloser Übergang ist utopisch

Aber was genau werden dann die Rollen von Banks und Saad sein? Bleibt Blessin bei einem 3-5-2 dürfte eigentlich nur die Position als zweite Spitze neben einem physisch starken Mittelstürmer für sie infrage kommen. Auf der anderen Seite gibt es auch Beispiele für durchaus extreme Anpassungsfähigkeiten im Profifußball. Emmanuel Iyoha, zuvor eigentlich ein klarer Offensivspieler, war in der Vorsaison einer der großen Leistungsträger bei Fortuna Düsseldorf – als Außenverteidiger in der Viererkette. Ob man Spielern wie Banks und Saad eine solche Metamorphose auch zutrauen kann? Zumindest sollte man das nicht ins Reich der Fabeln verweisen.

Genauso wenig sollte man sich starr an diesem 3-5-2 festhalten. Möglich ist nämlich auch eine Art 3-4-3. Das könnte den offensiven Außenbahnspielern im Kader des FC St. Pauli wieder deutlich mehr entgegenkommen, wenngleich sie dann ein gutes Stück mehr ins Zentrum rücken müssten. Das Beispiel dieser Position zeigt auf: Gleich eine ganze Reihe von Spielern muss sich aktuell mit einer teils deutlichen Veränderung der Ansprüche an ihr taktisches Verhalten und ihrer Spielweise auseinandersetzen. Dass das innerhalb weniger Tage reibungslos abläuft, ist völlig utopisch.

Hamburg, 03.02.2024, 2. Bundesliga, FC St. Pauli - SpVgg Greuther Fürth Elias Saad (FC St. Pauli) jubelt über seinen Treffer gegen Fürth. Copyright: Peter Boehmer
Elias Saad war auf der offensiven Außenbahn einer der Leistungsträger der Aufstiegssaison beim FC St. Pauli. Nun muss er sich wohl mit einer veränderten Position anfreunden.
// (c) Peter Boehmer

Verstärkung unterwegs

Nun ist aber der Kader selbst natürlich auch nicht in Stein gemeißelt. Angenehm offen erklärte Blessin nach der Partie gegen Fürth, dass er sich noch Verstärkung im Offensivzentrum wünscht. Nun wurde davon berichtet, dass man hier bereits ein Stück weiter gekommen ist. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der FC St. Pauli einen neuen Stürmer in seinen Reihen präsentieren wird. Und dieser – so viel möchten wir bereits verraten – dürfte mit seinen Fähigkeiten brutal gut zu den Ansprüchen unter Blessin passen.

Das Ende der Transferbemühungen beim FCSP ist das sicher noch nicht. Auch das weiß man, weil Blessin kurz nach Trainingsstart sehr offen davon berichtete, dass man noch einen Spieler für das zentrale Mittelfeld suche. Jemand, der ähnliche Fähigkeiten wie der abgewanderte Marcel Hartel mitbringt. Denkbar auch, dass sich das Team noch auf weiteren Positionen verstärken wird.

Lyon erster echter Gradmesser

Neuer Trainer, neuer Spielstil, neue Spieler, neue Liga – angesichts der recht deutlichen Veränderungen beim FC St. Pauli ist ein stotternder Prozess völlig normal. Und es ist auch normal, dass der Ausgang ungewiss ist. Die Frage ist, wie gut und wie schnell sich das alles einruckelt, wie gut die Zähnchen ineinander greifen, wie passend sie sind. Vorteilhaft ist dabei natürlich, dass man auch kommende Saison ein stabiles Gerüst haben wird. Das zeigt sich unter anderem am Mannschaftsrat, der nur auf einer Position verändert wurde (Philipp Treu rückte für Marcel Hartel rein).

Nun stehen für den FC St. Pauli mit Olympique Lyon (heute, 18:00 Uhr), Norwich City (03.08.) und Atalanta Bergamo (09.08.) drei Spiele auf dem Programm, bei denen er wohl qualitativ so gefordert wird, wie es auch in der Bundesliga der Fall sein wird. Lyon spielte eine Rekordrückrunde in der Ligue 1, Norwich City zählt zu den Aufstiegskandidaten in die Premier League und Bergamo ist amtierender Europapokalsieger. Diese Spiele dürften echte Gradmesser sein, um zu erfahren, wo man aktuell steht. Klar ist, dass man zu Saisonstart sicher noch weiter sein wird. Eine erste Bestätigung heute Abend, dass die bisherige sehr intensive Arbeit der Vorbereitung Früchte trägt, wäre für den gesamten Prozess trotzdem hilfreich.

// Tim

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3 thoughts on “Es ruckelt

  1. Ich muss sagen, das anfänglich gute Gefühl bei Blessin ist etwas gewichen. Ich hoffe wirklich, dass er da nicht auf biegen und brechen versucht seinen Schuh durchzudrücken. Für ein 3-5-2 fehlt mMn einiges, zu dem würden viele Spieler ihre besten Position verlieren bzw. würde es an Stellen zu einem Überangebot kommen.
    Ich habe auch das Gefühl, dass die Gangart und auch generell das Training härter geworden ist. Hoffentlich pendelt sich das ein. Diese ganzen muskulären Verletzungen hatten wir nämlich gerade in den Griff bekommen.

  2. It Is of course a new trainer trying to set his own tactics up (which demands time) plus said tactics are highly demanding in energy (which means pre-season is even harder on the legs) so a slow start is not surpsising. It is also true that time to adapt in the first league is a luxury, especially if injuries prevent you to work on cohesion.

    What we can infer tactics-wise from Blessin’s first two matches is that either wingers or fullbacks can play as wingbacks…. but they are never mixed. It’s either wingers on both flanks, or fullbacks on both flanks.

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