Beim Spiel in Augsburg muss der FC St. Pauli wohl auf Connor Metcalfe verzichten. Die Möglichkeiten, auf diesen Ausfall zu reagieren sind vielfältig.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Ja, scheiße! Also eigentlich super, dass Connor Metcalfe nicht so schwer verletzt ist. Aber was mache ich nun mit diesem üppigen Artikel-Entwurf? Den habe ich bereits am Dienstag angelegt, weil ich (und wohl auch alle beim FC St. Pauli) von einer schweren muskulären Verletzung des 24-jährigen ausgegangen bin? Nun gibt es sogar noch eine Restchance, dass er am Wochenende spielt. Und mich umgibt Scham, weil ich mich fühle, wie so jemand, der bei ganz alten Promis schonmal den Nachruf-Artikel anlegt. Sorry Connor!!! Aber es is, wie es is – ich habe das Folgende nunmal in Form und Farbe gegossen und lasse Euch trotzdem an den Gedanken rund um einen Metcalfe-Ersatz teilhaben. Habe es sogar soweit getrieben, dass Alexander Blessin ein paar Fragen dazu auf der PK beantworten musste. Ab geht’s:
Länderspielpausen sind doof, das ist hinlänglich bekannt. Für den FC St. Pauli gilt das aktuell mehr denn je, weil besonders viele Spieler diesen September in Nationalmannschaften berufen wurden. Beim FCSP hätte man sie in den Trainingstagen sehr gut gebrauchen können, benötigt das neue System unter Alexander Blessin doch noch gemeinsame Zeit, um weiter verfeinert zu werden. Nicht nur doof, sondern richtig beschissen sind Länderspielpausen dann, wenn die Spieler nicht nur einige Zeit auf dem Trainingsplatz fehlen, sondern auch noch verletzt zum FC St. Pauli zurückkehren. So geschehen bei Connor Metcalfe.
Connor Metcalfe fällt vorerst vermutlich aus
Der 24-jährige Mittelfeldspieler brachte vom Abschlusstraining vor der Partie der australischen Nationalmannschaft gegen Indonesien muskuläre Probleme nach Hamburg mit. Die ersten Vermutungen waren nicht gut, wie Alexander Blessin auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Augsburg erklärte: „Bei Connor sah es kritisch aus, da sind wir vom schlimmsten ausgegangen, was den Muskel anbelangt.“ Diese Befürchtungen haben sich nach eingehenden Untersuchungen glücklicherweise nicht bewahrheitet. Die Ausfallzeit von Metcalfe bezifferte Blessin mit „Tagen, nicht Wochen.“ Für einen Einsatz am Wochenende beim FCA bleibt zwar noch eine „kleine Hoffnung,“ aber es muss wohl von einem Ausfall ausgegangen werden. Das ist bitter, weil Metcalfe diese Saison beim FC St. Pauli bisher sowohl in Vorbereitungs- als auch Pflichtspielen dieser Saison ein Stammspieler war.
Der potenzielle Ausfall eines Stammspielers führt natürlich automatisch zu der Frage, wie dieser kompensiert werden kann. Leider kann im Falle eines Ausfalls von Connor Metcalfe keine so klare und einfache Antwort gegeben werden, wie zum Beispiel auf den Ausfall von Eric Smith, der bereits in der Vorsaison immer durch Adam Dźwigała ersetzt wurde (aber in Augsburg wieder einsatzbereit ist, wie Blessin berichtete). Auf der Achter-Position des FC St. Pauli ist die Situation insgesamt etwas komplexer.
Rückt Carlo Boukhalfa in den Fokus?
Wenn Connor Metcalfe in dieser Saison ausgewechselt wurde, dann kam meist Carlo Boukhalfa auf den Platz. Der 25-jährige hat sich etwas überraschend zur ersten Option von der Bank für diese Position entwickelt. Boukhalfa kommt dabei vielleicht auch das System mit zwei Achtern und einem Sechser zugute, wie er kürzlich erklärte („Das System passt ganz gut zu mir“) und sowieso: „Es ist ganz cool, ein bisschen weiter vorne zu spielen und Torgefahr auszustrahlen.“ (Abendblatt, €)
Torgefahr ist tatsächlich etwas, was dem FC St. Pauli auf genau dieser Position bisher noch etwas abgeht. Der Offensivdrang ist Boukhalfa anzumerken, wie er nicht zuletzt durch sein Tor in der Vorbereitung gegen Bergamo nachwies – und genau das könnte dem FCSP guttun. Ob dem körperlich robusten Boukhalfa aber auch ein Startelfplatz in der Bundesliga zuzutrauen ist? In der Vorsaison fehlte er nur sechsmal im Spieltagskader des FCSP, stand sogar in 17 Spielen auf dem Platz, doch kam dabei nur auf knapp mehr als 100 Spielminuten. In der Vorsaison waren es knapp 200 Spielminuten. Seinen letzten Startelfeinsatz hatte er im Oktober 2022 (beim 0:0 gegen Heidenheim).
Danel Sinani von Verletzung zurückgeworfen
Nur ein einziges Mal fehlte Danel Sinani in der Vorsaison im Kader des FC St. Pauli. Startelfeinsätze gab es nur im DFB-Pokal. In der Liga kam er nur in sieben Partien zum Einsatz, war also in satten 27 Spielen Teil des Spieltagskader, kam aber nicht zum Einsatz. Dabei könnte auch durch Sinani mehr Torgefahr von der Achter-Position zu erwarten sein. Der 27-jährige ist vom Spielertyp her eigentlich jemand, dem das 3-5-2-System von Alexander Blessin passen könnte. Doch nachdem er zum Vorbereitungsbeginn durchaus einige Spielminuten sammelte, ist es mit der Zeit immer weniger geworden. In den Pflichtspielen kam er bisher nicht zum Einsatz, zuletzt gegen Union Berlin stand er nicht einmal im Spieltagskader.
Warum es Danel Sinani beim FC St. Pauli zum Saisonstart trotz vielversprechender Systemanpassung nicht leicht hatte, erklärte Andreas Bornemann kürzlich auch mit einer Verletzung: „Man hat in der Vorbereitung gesehen, dass er sich was vorgenommen hat. Aber durch seine Verletzungspause hat sich ein kleiner Rückstand ergeben.“ (MOPO) Es bleibt abzuwarten, ob er sich nun wieder in den Vordergrund spielen und damit eine ganz ähnliche Geschichte beim FC St. Pauli wie z.B. seine Kollegen Lars Ritza und Johannes Eggestein schreiben kann.
Kemlein-Transfer platzte auf letzten Metern
Mit Carlo Boukhalfa und Danel Sinani gibt es also zumindest auf dem Papier nur zwei ernsthafte Alternativen für einen Ausfall der „Stamm-Achter“. Wenig verwunderlich, dass der FC St. Pauli auf dieser Position kurz vor Ende der Transferperiode nochmal aktiv werden wollte: Aljoscha Kemlein sollte von Union Berlin leihweise ans Millerntor kommen. Doch obwohl bereits auf sportlicher Ebene alle Details geklärt waren, platzte der Wechsel kurzfristig.
Bereits kurz vor Schließen des Transferfensters war das Gerücht zu hören, dass der Deal von Union-Präsident Dirk Zingler verhindert wurde. Zingler hatte bereits zu Beginn des Sommers mit einer ungewöhnlichen Ansage zur Situation von Kemlein („Es ist klarer Wunsch des Präsidiums, ihn in die erste Männermannschaft zu integrieren.“) mehr oder weniger in die Hoheitsbereiche von Trainer Bo Svensson und Sportchef Horst Heldt eingegriffen.
Dass der Wechsel von Kemlein trotz guter Vorzeichen kurz vor Ende der Transferperiode doch nicht mehr zustande kam, ist bitter. Für den FC St. Pauli, aber vor allem für Kemlein selbst, dessen Aussicht auf Spielzeit bei Union bisher begrenzt ist. Über die Gründe des nicht Zustandekommens kann nur gemutmaßt werden. In diesem Kontext interessant: Auch Konkurrent Mainz 05 bekam kurz vor Transferschluss eine Absage aus Berlin, als der Transfer von Tim Skarke platzte.
Boukhalfa scheint Favorit zu sein
Zurück zu jenen Spielern, die auch wirklich im Kader des FC St. Pauli stehen. Grundsätzlich wäre auch Erik Ahlstrand ein Kandidat für die Achter-Position beim FC St. Pauli. Er scheint aber noch etwas weiter hinten dran zu sein als Boukhalfa und Sinani. Diese Fragezeichen führen dazu, dass man über kreative Optionen nachdenken kann: Philipp Treu und Dapo Afolayan wären zumindest mal ein Gedankenspiel wert. Gerade Treu dürfte mit seinen technischen und taktischen Fähigkeiten sicher auch auf der Acht alles andere als eine schlechte Figur machen. Fraglich ist aber, ob er nicht eher auf der linken Schienen-Position benötigt wird. Afolayan auf der Achter-Position wäre vermutlich eine seeehr offensive Variante, bei der Dapo im Verhalten gegen den Ball kurzfristig einiges zu erlernen hätte.
Angesprochen auf die Optionen, dass Treu oder Afolayan die Achter-Position einnehmen könnten, ergänzte Alexander Blessin die Liste um Elias Saad, erklärte: „Auch Saad kann die Position spielen.“ In höchsten Tönen sprach Blessin in diesem Zusammenhang dann von Carlo Boukhalfa (auch ein Name, den Blessin von selbst hervorbrachte): „Carlo hat in den letzten Wochen sehr, sehr gut trainiert.“ Besonders auswärts, „wenn man nicht große Änderungen vornehmen und stabil stehen möchte,“ sei Boukhalfa eine Option.
Ist Systemumstellung die Lösung?
Doch vielleicht können Dapo Afolayan und Elias Saad auch in der Startelf stehen, ohne die taktischen Details einer neuen Position kurzfristig erlernen und umsetzen zu müssen. Denn erfreulicherweise konnte Saad im Laufe dieser Woche immer mehr Teile des Team-Trainings mitmachen. Sollte Saad am Wochenende einsatzbereit sein, so wird das 3-4-3 eine echte Option. Ein klares Plus: Bei dieser Formation stehen nur zwei zentrale Mittelfeldspieler auf dem Platz. Und zwar soll das hier kein zu großer Vorgriff auf unseren Vorbericht zum Spiel werden, aber: Der FC Augsburg könnte dieser Idee systembedingt womöglich stark entgegenkommen.
Es ist also völlig fraglich, wie der FC St. Pauli auf den sehr wahrscheinlichen Ausfall von Connor Metcalfe reagieren wird. Personelle Optionen für einen positionsgetreuen Ersatz gibt es einige. Wenn man sich festlegen müsste, dann riecht es nach einem Startelfeinsatz von Carlo Boukhalfa. Doch auch eine Systemumstellung ist denkbar. Doch ob diese Ideen auch funktionieren, wird man aber erst im Nachgang beurteilen können. Für die Reduktion des eigenen Schamgefühls ist es sowieso besser, wenn man über Dinge aus der Vergangenheit schreibt und sich so nicht zu steilen Vermutungen verleiten lässt. Get well soon, Connor!
// Tim
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Wer hätte jemals erahnen können, dass wir nach Länderspielpausen Personalengpässe im Mittelfeld bekommen könnten. Mal gucken wie fit Jackson nach 180 Minuten Fußball in zu teils tropischen Temperaturen und 32.000 Reisekilometern ist…
Optimismus und Vertrauen in die Kaderplaner*innen in allen Ehren, aber es kann doch nicht sein, dass die beste Alternative für die 8 drei Spieler sind, die im Profibereich fremd auf der Position sind.
Und ja, der Kemmlein Nicht-Transfer (wenn es so gelaufen ist wie im TM Interview geschildert) ist doof gelaufen. Aber es kann doch nicht sein, dass es wirklich global gar keine Alternative gibt, die bezahlbar oder verfügbar war. Wir sind ja nicht Real Madrid, wo es pro Position tatsächlich nur 2,3 Spieler gibt, die das Niveau mitbringen…
3 Monate baggert man an einem Spieler und Plan B war hoffen, dass woanders einer vom Laster fällt?
I agree. It is bad squad planning. Or it means they trust Schmitz to step up, but it does not look like it is the plan.