Ein bisschen Tor muss sein

Ein bisschen Tor muss sein

Die hohe Intensität des FC St. Pauli aus dem Spiel gegen Leipzig soll ab sofort die Basis sein. Wenn auf die stabile Defensive nun noch eine effiziente Offensive folgt, dann ist vieles möglich.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)

„Was für eine Performance von den Jungs! Die beste, die ich gesehen habe in Sachen Intensität. Es war unglaublich.“ – Scott Banks musste selbst zugeben, dass er angesichts der Leistung des FC St. Pauli etwas emotional wurde in der Mixed Zone. Und das lag nicht am Bundesligadebüt des 22-jährigen, sondern an diesem durchaus magischen Abend am Millerntor. Ein Abend an dessen Ende zwar „nur“ ein 0:0 stand, die Leistung des FCSP aber so viel mehr wert gewesen sein könnte.

Punktgewinn des FC St. Pauli mit Signalwirkung?

Denn es ist zu hoffen, dass es in den Reihen des FC St. Pauli ein lautes Klacken gegeben hat. Jenes eines umgelegten Schalters. Plötzlich ist das Licht an und alles wird klar und deutlich, alles auf dem Platz ergibt Sinn. Von einem Spiel mit „Signalwirkung“ sprach später dann Jackson Irvine. Cheftrainer Alexander Blessin nahm diese Worte gerne auf. Und beide waren sich einig darin, nach diesem Spiel eine deutliche Message zu senden: Das, was der FC St. Pauli gegen Leipzig in Sachen Intensität gezeigt hat, soll kein positiver Ausreißer sein. Dieser Einsatz, die hohe Laufbereitschaft, die Aggressivität und der Mut, all das soll die Basis des FCSP-Spiels sein.

Blessin sprach in Bezug auf die Leistung des FC St. Pauli im Anschluss von einem ‚marking point‘, einer Leistung in Sachen Einsatz, Mut und Aggressivität, die immer abgerufen werden müsse, denn: „Es geht nur über 100 Prozent, keine 90. Das muss die Basis sein in der ersten Liga.“
Und in diesem Bereich hat der FC St. Pauli wohl einige Schritte gemacht, wie Eric Smith erklärt: „Wir haben in den ersten drei Spielen gelernt, dass wir diese Intensität benötigen, um die Null zu halten und Punkte zu holen. Wir müssen diese Intensität jede Woche das gesamte Spiel beibehalten. Das hat jeder verstanden, wir haben daran unter der Woche gearbeitet“ Zum Abschluss sprach der FCSP-Innenverteidiger dann einen Satz, den sein Trainer nicht besser hätte formulieren können: „Wir sind glücklich, aber nicht zufrieden.“

„Absolutes Maximum“ muss erreicht werden

Dass er nicht „zufrieden“ sei, war auch das erste, was Jackson Irvine nach Abpfiff in der Mixed Zone in die Mikros sagte. Letzte Woche gegen Augsburg, so der Kapitän des FC St. Pauli, habe man gesehen, was passiert, wenn man nicht „das absolute Maximum“ erreicht. Gegen Leipzig aber habe man gezeigt, wie es aussieht, wenn der FC St. Pauli dieses Maximum abruft: „Wir haben gezeigt, wie gut wir sein können und wir hätten es verdient gehabt, dieses Spiel zu gewinnen.“

Saad und Afolayan im Rampenlicht

Was dieses Spiel auch gezeigt hat: Wie wichtig Elias Saad und Dapo Afolayan für den FC St. Pauli sein können. Die Wichtigkeit beider für die eigene Offensive erklärte Alexander Blessin nach Abpfiff ausführlich: „Sie halten den Ball gut, haben gute Tiefenläufe, gute 1-gegen-1-Aktionen, binden Spieler. Sie haben auch den Mittelweg gefunden, mal das direkte Duell zu suchen und dann auch den Ball mal wieder frühzeitig abzuspielen.“ Afolayan und Saad, so das prägnante Fazit von Blessin, „haben uns gutgetan.“ Und das nicht nur mit ihren Offensivaktionen („Du kannst nicht 90 Minuten lang einfach alles wegverteidigen, wir brauchen Entlastung durch Angriffe.“), denn „beide haben auch sehr gut gegen den Ball gearbeitet.“

Afolayan („Ich bin sehr glücklich, dass ich spielen und dem Team helfen konnte. Ich kenne meine Qualitäten, ich bringe andere Fähigkeiten ins Team hinein.“) und Saad („Ich wollte das Vertrauen zurückzahlen. Und ich hoffe, dass ich im nächsten Spiel wieder das Vertrauen bekomme.“) haben auf jeden Fall mit ihren Leistungen ganz gewichtige Argumente gesammelt, um auch in Freiburg zu Spielbeginn auf dem Platz zu stehen. Doch um der Diskussion um den Einsatz dieser beiden Spieler und der Formation mal etwas Wind aus den Segeln zu nehmen: Neun andere Spieler haben am Sonntag ebenfalls Argumente dafür gesammelt, dass sie auch zukünftig in die Startelf gehören.

Und egal, ob die Formation nun 3-4-3 oder 3-5-2 lautet, wichtiger ist am Sonntag die Leistungsbereitschaft an sich gewesen. Übrigens handelt es sich bei dem nun gewählten 3-4-3 nicht um eine Rückkehr zum System, welches Fabian Hürzeler praktizieren ließ. Die Unterschiede in Positionierung und vor allem Tempo und Mut, sind sehr groß zwischen beiden Trainern.

Hamburg, Deutschland, 09.08.2024, Millerntor-Stadion, FC St. Pauli - Atalanta Bergamo Cheftrainer Alexander Blessin gibt Oladapo Afolayan Anweisungen. Copyright: Stefan Groenveld
Dapo Afolayan hat nach starker Leistung massiv gute Argumente, um auch im kommenden Spiel des FC St. Pauli (in Freiburg) von Cheftrainer Alexander Blessin in die Startaufstellung berufen zu werden. // (c) Stefan Groenveld

Leistung des FC St. Pauli stimmt, doch die Punkte fehlen

Nach vier Spielen steht der FC St. Pauli also mit einem Punkt da. Das ist zu wenig, um die Klasse in der Bundesliga zu halten. Und wenn man die Leistungen des Teams in den einzelnen Spielen möglichst objektiv betrachtet, dann ist es auch zu wenig. Für Alexander Blessin fällt die Bewertung anders aus, als es die Ergebnisse vermuten lassen: „Wir haben gegen Heidenheim eine sehr gute Performance gezeigt. Gegen Union hat jeder Probleme gehabt. Wo wir drüber reden können, ist die erste Halbzeit in Augsburg.“

Tatsächlich zeigt der Blick in die Statistiken, dass der FC St. Pauli defensiv zu den besten Teams der Liga zu zählen ist. Bei den zugelassenen xG-Werten liegt man auf Platz sechs, ebenso wie bei der Anzahl an zugelassenen Torschüssen (beide Zahlen von Wyscout). Die Basis für diese guten Werte ist die kompakte Defensivformation, die auch auf der Laufleistung fußt (der FCSP ist das laufstärkste Team der Liga, liegt zudem auf Platz zwei bei der Anzahl der intensiven Läufe). Dadurch gelingt es, den Gegner in Zweikämpfe zu verwickeln (von denen der FCSP mehr als zwei Drittel gewinnt – viertbester Wert der Liga). Wer hätte vor der Saison gedacht, dass sich die Arbeit gegen den Ball als bisher größte Stärke des FC St. Pauli herausstellt?

Irvine, Torchancen und der vierte Spieltag

Trotzdem fehlt es natürlich an Punkten, vor allem, wenn man die Defensivleistung betrachtet. Dabei ist auch offensiv bereits vieles da, wo es sein soll: Der FC St. Pauli hat die sechstmeisten Ballkontakte im gegnerischen Strafraum, gewinnt mit Abstand die meisten Bälle im gegnerischen Spielfelddrittel. Doch wenn es dann zu den wirklich entscheidenden Szenen kommt, wird es plötzlich schwächer: Nur Werder Bremen und Union Berlin haben laut Wyscout einen niedrigeren xG-Wert. Beide Clubs haben aber bereits vier Treffer erzielt. Der FC St. Pauli steht bisher bei nur einem einzigen Tor und hat damit hinter Gladbach die zweitschwächste Abschlusseffizienz (Anzahl Tore minus xG) der Bundesliga.

Wenn es um Torchancen geht, dann schnell wieder zurück zu Jackson Irvine, der drei gute Gelegenheiten am Sonntag hatte. Er sagte: „Wir tun alles, was wir tun können. Wir verteidigen stark, wir bleiben mutig, wir erspielen uns Chancen – ist es Pech? Fehlt uns, fehlt mir in den Momenten die Qualität, die Konzentration? Wir müssen ganz einfach die Antwort finden. Und zwar schnell. Denn diese Auftritte verdienen mehr. (…) Aber wir glauben daran, dass die Tore in unserem Team drin sind. Sie werden kommen, wenn wir so weitermachen und weiter daran glauben.“

Gesagt hat Irvine diese Worte nach dem vierten Spieltag – der Vorsaison. Wir erinnern uns: Der FC St. Pauli war auch 23/24 in drei der vier ersten Ligaspiele torlos geblieben. Eine Stürmer-Diskussion war bestimmendes Thema, auch bei uns. Es folgte ein Unentschieden in Braunschweig und dann gab es satte 21 eigene Treffer in sieben Spielen. Konnten wir uns diese „Tor-Explosion“ damals als Jacko diese Worte sprach, nach dem dritten 0:0 in Folge, vorstellen? Auch wenn der Vergleich natürlich massiv hinkt, so zeigt er doch: Es ist vieles möglich. Vor allem dann, wenn die Intensität stimmt.
// Tim

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16 thoughts on “Ein bisschen Tor muss sein

  1. Gut, dann machen wir es wie letzte Saison. Insofern: Chow Chow – immer weiter voran! 🙂
    Aber ja, ich bin ein wenig optimistischer, nach dem, was ich da beim letzten Spiel sehen durfte – etwas, worauf man aufbauen kann.

  2. Habe mal eine Fachfrage zur Formation. Welche ist eigentlich die entscheidende für die Definition: wie sich das Team bei Ballbesitz aufstellt oder im Abwehrverhalten?

    1. Formations are really very outdated concepts given the latest trends in football tactics, because as you noticed, the era of assigning roles in supposedly fixed lines of defenders/midfielders/attackers is long gone and thus is very hard to define. But if you want to stick to it, the best bet is to define it when the team is in defensive shape and the opponent in a slow possession phase in midfield. It is the phase of play when the structure ressembles the most to this concept.

      1. Right, that’s what I was getting at. The article above says something about 3-4-3. On Sunday you could see a 5-2-3 in the defensive formation you mentioned, very clearly. The two full-backs stayed on the line.

        1. Yes, it’s difficult to point out a single one. Defensively, it was a clean 523 and usually this is taken if you describe it. The 343 is the „offensive“ one, but due to rotations, especially in the offense, giving it a number can be difficult. Pep Guardiola often calls it „telephone numbers“ if someone is asking about exact numbers for a formation, as he doesn’t give anything on it

          1. And the wing players are always the ones that fit the less with these numbers as their role on the field is mostly „vertical“ . By the way, football has this strange habit of saying „vertical“ to mean „along the length“ as if the football pitch were pinned on the wall.

          2. @Tim, in your Freiburg report you wrote „Das Team startete erneut im 5-2-3 (3-4-3 offensiv)“. The question still is: When we use just one – is the definition the defense or offensive formation? osvaldopiazzolla says: defensive. So it would be 5-2-3. But nearly all media call it a 3-4-3. That’s why I’m confused.

          3. Yes, there is a defensive and a offensive formation. That makes it tricky to describe. If the fullbacks ar moving forward, a 5-2-3 develops to a 3-4-3. However, Smith is also mostly moving forward, Boukhlafa shows some movement. Therefore, the 3-4-3 is more a theoretic one.

  3. You might begin to get tired of compliments Tim but your mix of declarations and comparative stats to build a narrative of the match and the season so far is top notch.

    I would be curious to learn about this kind of stats for Blessin’s Union but above all Blessin’s Ostende (a team that arguably was in a simialr position to this year’s St Pauli) , and especially at the beginning of the season comapred to the whole season.

    1. Thank you. However, it will always be some kind of a quite subjective way, as one also chooses the stats 😉

      For the next International break there might be some time to take a deep dive into Blessins work at Oostende.

  4. Natürlich ist es eine „Systemfrage“, der „Rückfall in alte Strukturen“ war der Grund für den grandiosen Auftritt gegen Leipzig. Und natürlich muss der Trainer sein Gesicht wahren (!), und so tun, als sei der erste Punkt in der Bundesliga der Erfolg seiner Arbeit…aber jeder, der die Spiele gesehen hat, weiß doch, das er der Mannschaft Punkte gekostet hat (!), drum herum reden hilft leider nichts…
    Dapo und Elias jetzt für ihre herausragende ‚Leistung zu loben, da stellt sich doch die Frege, wieso ein Trainer, der Tag für Tag mit den beiden auf dem Platz steht, das nicht schon lange weiß…? Wie herum man das Ganze auch betrachtet, es war ein reiner Ego-Trip, nichts weiter, und ich hoffe, es ist jetzt vorbei, ein für alle mal. Unter dieser Voraussetzung kann man Blessin aber auch für seine Spielleitung loben: die Umstellung auf lange Bälle zum Spielaufbau hat der Mannschaft gut getan, die Doppelsechs mit Jackson und Boukhalfa hat funktioniert, die Einwechselung von Guilavogui hat gezeigt, das ihm im 3:4:3 komplett die Bindung fehlt, zudem war er defensiv nahezu ein Totalausfall. Anders Scott Banks, allerdings im Abschluss überhastet, aber das wird sicher noch. Fazit: den beiden Spielpraxis im „neuen System“ zu geben ist richtig und notwendig.
    Ansonsten: Die Leistungsbereitschaft der Mannschaft war immer da…und niemand kann immer 100% spielen…bitte nicht einlullen lassen..:)

    1. Boah, ich kann verstehen, dass man unterschiedliche Ansichten haben kann.

      Aber „jeder, der die Spiele gesehen hat, weiß … drum herum reden hilft leider nichts“? Woher nimmst Du die Dreistigkeit, solche Dinge rauszuhauen, wenn hier diverse Leute, inkl. des Autos offensichtlich auch die Spiele sehen und bereits andere Meinungen geäußert haben?

      Wie gesagt: Man kann das unterschiedlich sehen, aber dann doch bitte nicht solche Verallgemeinerungen, sondern zumindest einsehen, dass eben ein erheblicher Anteil Ansichtssache dabei ist.

    2. Jetzt ist auch mal gut. Wenn es läuft, lag es nicht am Trainer, aber wenn die Mannschaft verliert, ist er grundsätzlich schuld oder wie? Natürlich hat die Mannschaft auch in dieser Aufstellung ein System gespielt, das Blessin vorgegeben hat. Und das sah anders aus als das, was Hürzeler letzte Saison hat spielen lassen. Ansonsten könnte man ja auch einfach sagen, wir verzichten auf einen Cheftrainer, weil wir ja letzte Saison so toll gespielt haben und jetzt wissen, wie es geht. Sollen sie einfach dasselbe wie 23/24 machen und sich selbst aufstellen. Natürlich kann man den vorher spärlichen Einsatz von Saad und Afolayan kritisch sehen, aber jetzt zu behaupten, das Spiel gegen Leipzig hätte nichts mit Blessins Arbeit zu tun, ist einfach nur unsachliches Holzhammer-Bashing. Eine unschöne Begleiterscheinung seit Erstligazugehörigkeit. Leute, lasst bitte mal den Holzhammer stecken – vor allem, wenn ihr euch all die Jahre vorher gar nicht zu Wort gemeldet habt.

  5. „Sollen sie einfach dasselbe wie 23/24 machen und sich selbst aufstellen.“ (Zitat Johann) NIEMAND hat das gesagt…
    Einen Pappkamerad aufstellen und dann umrennen, DAS ist „unsachlich“, das ist „Holzhammer-Bashing“, sorry, Johann. Ich hab den Trainer kritisiert für den Versuch, alles zu ignorieren, was sein Vorgänger gemacht hat, weil er kein „Hürzeler 2.0“ sein wollte, und ich habe ihn gelobt (!) für die Veränderungen am 3:4:3… und dass das meine Meinung (!) ist, muss ich doch nicht dahinter schreiben, oder?
    Hätte Alexander Blessin sich hingestellt und gesagt: Mein Ansatz hat nicht funktioniert, deswegen korrigieren wir das wie folgt…etc – ich hätte ihn nur gelobt (!), stattdessen tat er so, als handele es sich um einen normalen Prozeß ..“80% Prozent reichen nicht, wir müssen immer 100% geben …etc. Der Trainer hat mit den 3 Niederlagen also gar nichts zu tun gehabt? Tut mir leid, da gehe ich nicht mit…und das muss hier erlaubt sein, bei allem Verständnis für das Harmonie Bedürfnis einiger anderer hier…:)

  6. @Holger,

    Danke, dass seh ich genau wie Du!

    In die Zukunft kann niemand schauen, ich bin aber gespannt wie froh wir am Ende sind, dass gegen Leipzig Wagner und Metcalf verletzt waren plus Morgan angeschlagen.

    Blessin hat nicht freiwillig das System UND das Personal gewechselt. Und das war doch von den meisten, die von außerhalb der Mannschaft, so wie ich auch jetzt hier, unseren Senf abgeben, schrieben, dass nicht das beste Personal spielt mit den für Sie passenden Rollen.
    Und ja, er musste versuchen sich zu verkaufen, ich hab mir bei der Spieltags PK einige Male an den Kopf gefasst….

    Die Fähigkeiten des Kaders und das System (die unterschiedlichen Formationen innerhalb eines Spiels) sollten zu einander passen, dann sind die Erfolgswahrscheinlichkeiten am höchsten.

    Bin gespannt wie es weitergeht – Forza Forza

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