Wie problematisch ist „Das Herz von St. Pauli“?

Wie problematisch ist „Das Herz von St. Pauli“?

Recherchen des FC St. Pauli-Museums zeigen, dass der Komponist und insbesondere der Texter des Liedes eine schwierige Vergangenheit haben.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)

„Das Herz von St. Pauli, das ist meine Heimat – In Hamburg, da bin ich zuhaus“ – diese Textzeilen dürften nahezu allen Anhänger*innen des FC St. Pauli geläufig sein. Denn das Lied „Das Herz von St. Pauli“, in der Version von Phantastix & Elf, läuft vor jedem Heimspiel am Millerntor, wird laut im Chor mitgesungen und kann getrost als inoffizielle Vereinshymne bezeichnet werden.

Aber woher stammt dieses Lied eigentlich? Celina Albertz hat sich im Rahmen des Podcasts „FCSP-Geschichte(n)“ auf die Suche begeben und mehrere Wochen lang zur Entstehung des Liedes recherchiert. Problematisch ist dabei weniger das Lied an sich, sondern die Biographie jener Personen, aus deren Federn es stammt. Wir haben mit ihr darüber gesprochen.

Celina, das Lied „Das Herz von St. Pauli kennen vermutlich alle, die es mit dem FC St. Pauli halten. Wann wurde es erstmals veröffentlicht und wer hat es gesungen?
Die erste Aufnahme, auf die ich bei meinen Recherchen gestoßen bin, wurde am 26. November 1956 in der Friedrich-Ebert-Halle in Harburg gemacht. Die Sängerin heißt Liselotte Malkowsky. Durch sie war der Song in Hamburg bereits vor Erscheinen des gleichnamigen Films mit Hans Albers im Dezember 1957 bekannt.

Die Biographie von Hans Albers ist alles andere als unproblematisch, oder?
Hans Albers’ Beziehung zum NS-Staat wird bis heute kontrovers diskutiert. Einerseits distanzierte er sich vom Regime, andererseits wirkte er in NS-Propagandafilmen mit und trug somit zur Aufrechterhaltung des Systems bei. Außerdem trennte er sich auf Druck der Nationalsozialisten von seiner langjährigen Partnerin, der Jüdin Hansi Burg. Als sie 1939 ins Ausland fliehen musste, blieb er in Deutschland und drehte weiterhin Filme. Noch 1944 wurde er auf Goebbels’ „Gottbegnadeten-Liste“ geführt.

Im Podcast „FCSP-Geschichte(n)“ hast du dargestellt, dass Hans Albers das Lied nicht selbst komponiert hat. Wer war es dann?
Der Komponist des Liedes heißt Michael Jary, gebürtig Maximilian Michael Andreas Jarczyk. Er wurde 1906 in Laurahütte bei Katowice (heute Siemianowice Śląskie, Polen) geboren. Jary war ein erfolgreicher deutscher Film- und Schlagerkomponist der späten 1930er- und 1940er-Jahre sowie der Nachkriegszeit.

Albers und Jary auf Goebbels’ „Gottbegnadeten-Liste“

Du hast dich intensiv mit den Tätigkeiten von Michael Jary während der NS-Zeit befasst. Was hat er damals gemacht?
Kurz nach der Machtübernahme der NSDAP gab es wohl einen Vorfall, bei dem er aufgrund seines vermeintlich polnischen Namens von Mitgliedern des „Kampfbundes für deutsche Kultur“ ausgebuht und beleidigt wurde. Danach machte er jedoch unter dem Künstlernamen Michael Jary Karriere. Er verdiente gut, arbeitete unter anderem für die ufa und komponierte Hits für Stars wie Heinz Rühmann und Zarah Leander. Auch sein Name findet sich auf Goebbels’ „Gottbegnadeten-Liste“.

Kommen wir zu Josef Ollig, der den Text des Liedes „Das Herz von St. Pauli“ geschrieben hat. Wie ist seine Biographie?
Josef Ollig wurde 1906 in Eil bei Köln geboren. Er war Journalist und arbeitete ab 1929 für die „Hamburger Nachrichten“. Das nationalkonservative Blatt stand zu dieser Zeit bereits der nationalsozialistischen Ideologie nahe und unterstützte relativ offen die NSDAP. Schon 1932 war auf der Titelseite von „germanischen Edelmenschen“ und „polnischen Untermenschen“ die Rede.

Irgendwann im Laufe des Jahres 1933 wechselte Ollig zur Pressestelle von Shell, wo er als „Propagandaleiter“ unter anderem für die Hauszeitschrift „Shell-Post“ verantwortlich war. Im Januar 1940 wurde er zur Luftwaffe eingezogen und nahm als Soldat am deutschen Überfall auf die Sowjetunion teil. 1941 wurde er Wortberichter bei den Propagandakompanien. Seine Kriegsberichte und Fotos erschienen zwischen 1941 und 1945 in verschiedenen kleineren und größeren Tageszeitungen, aber auch in NS-Publikationen wie dem „Völkischen Beobachter“.

Während des grausamen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion, der Millionen Zivilist*innen und sowjetische Kriegsgefangene das Leben kostete, zeichnete Josef Ollig für die „Heimatfront“ das Bild des tapferen, ehrbaren und ewig siegreichen deutschen Soldaten.

Bereits vor Machtergreifung der NSDAP für nationalkonservative Zeitung gearbeitet

Was haben Jary und Ollig nach der NS-Zeit gemacht?
Beide setzten ihre Karrieren relativ unmittelbar und erfolgreich fort. Michael Jary gründete 1948 seinen eigenen Verlag, die Michael-Jary-Produktion. 1949 zog er nach Hamburg, wo er an zahlreichen weiteren erfolgreichen Filmen und Schlagern mitwirkte.

Josef Ollig ergatterte bereits 1946 eine Stelle als Ressortleiter bei der britischen Zonenzeitung „Die Welt“. In den 1950er-Jahren wechselte er zum „Hamburger Abendblatt“, wo er später unter anderem für die „Hamburg-Buch-Reihe“ und die „Hamburgensien-Mappen“ des Abendblatts verantwortlich war. Nebenbei schrieb er Liedtexte – besonders gern für lokalpatriotische Seemannsschlager wie „Das Herz von St. Pauli“.

Du hast dich bei Deiner Tätigkeit für das Museum sicher bereits häufiger mit ähnlichen Biographien auseinandergesetzt. Sind Werk und Autor*innen in solchen Fällen voneinander trennbar?
Auf diese Frage gibt es meiner Meinung nach keine einfache Antwort. Diese moralische Entscheidung muss jede*r individuell für sich selbst treffen. In diesem Fall müssen wir sicherlich auch als Fanszene darüber diskutieren, ob „Das Herz von St. Pauli“ wirklich zu unserem Verein und seinen Werten passt. Für mich persönlich kann ich sagen: Natürlich hat das Wissen über den Autor meine Wahrnehmung des Werkes negativ beeinflusst. Ich fühle mich nicht mehr wohl dabei, das Lied im Stadion mitzusingen, und werde es in Zukunft wohl auch nicht mehr tun. Egal, ob Josef Ollig die nationalsozialistische Ideologie vollständig geteilt hat oder nicht – er war als Kriegsberichter Teil der NS-Propaganda. Er war Vorschubleister und Stütze des Systems. Und: Er hat bereits vor 1933 für eine Zeitung gearbeitet, die rechtsextreme Positionen vertreten hat. Das lässt sich am Ende nicht wegdiskutieren.

Celina, vielen Dank für Deine ausführlichen Antworten und Deine wichtige Recherche zur Entstehung des Liedes „Das Herz von St. Pauli“.
Er ist zwar bereits weiter oben verlinkt, aber der Podcast „FCSP-Geschichte(n)“ ist sehr zu empfehlen, nicht nur die aktuelle Folge mit dem Thema FC St. Pauli und der Hafen.

FC St. Pauli will Entstehung des Liedes „genau prüfen und diskutieren“

Wie geht man nun damit um? Gehört „Das Herz von St. Pauli“ ab sofort auf den Index und sollte bei Heimspielen des FC St. Pauli nicht mehr gespielt werden? Das ist die Frage, mit der sich jetzt der Verein und seine Fanszene befassen müssen. Der FC St. Pauli erklärt auf Anfrage zu der Thematik: „Der FC St. Pauli möchte sich kritisch mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen und wird dementsprechend auch die Geschichte der Entstehung des Liedes „Das Herz von St. Pauli“ genau prüfen und diskutieren.“

Diese Thematik möchte der Verein nicht nur vereins-intern bearbeiten, sondern „auch den Austausch mit unseren Fans suchen und gemeinsam diskutieren, wie wir mit dieser Geschichte und dem Lied umgehen.“ Um „ein Stimmungsbild sowie verschiedene Meinungen und Perspektiven einzuholen“, plant der FC St. Pauli auch einen Blog-Beitrag zu dem Thema.

Die Recherchen des FC St. Pauli-Museums haben aufgezeigt, dass „Das Herz von St. Pauli“ von Personen verfasst und präsentiert wurde, deren Biographien problematisch sind. Es dürfte kein Weg daran vorbeiführen, dass man sich beim FCSP (was auch Fans und Mitglieder einschließt) nun intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt. Denn ohne dieses Thema diskutiert und gemeinsam eine Entscheidung zum Umgang damit getroffen zu haben, dürfte es bei vielen für massive Bauchschmerzen sorgen, wenn „Das Herz von St. Pauli“ das nächste Mal am Millerntor laufen sollte.

// Tim

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97 thoughts on “Wie problematisch ist „Das Herz von St. Pauli“?

  1. Argh, nicht auch das noch. Immer wieder bitter, wenn etwas Liebgewonnenes in einem neuen und negativen Licht erscheint. Mir geht da immer das Herz auf bei der Hymne…mal sehen, wie es sich entwickelt.

    1. wie wäre das Lied Winny Winny wanna wanna
      würde es sogar umschreiben.
      ein Lied ohne negative Geschichte

      eurer Winni seit 1977 St. Pauli Fan

  2. Schöne Scheiße, Teil 2.
    Allerdings zeigt mir dieser Fall mal wieder, dass ich einfach genauer hingucken möchte, nicht einfach annehmen, dass das schon ok ist. Sonst hätte ja schon jemand was gesagt… NEIN, offensichtlich nicht. Da ich Täter*in und Werk nicht trennen mag, bricht mir das Herz, aber das ist dann so.

    1. Mir gehen die Verurteilungen hier etwas zu schnell. Dass Hans Albers sich 1935 von seiner jüdischen Partnerin auf Druck der Nazi formal getrennt hat, ist richtig. Aber: die beiden haben weiter zusammengelebt, bis es für sie 1939 in Deutschland gefährlich wurde. 1946 ist sie zu ihm zurückgekehrt (Quelle Wikipedia). Ich kann da keine große Schuld entdecken.
      Man kann die Handlungen von damals nicht einfach aus der heutigen persönlichen Situation beurteilen, sondern muss sich etwas in die damalige gesellschaftliche Situation eindenken.

      1. Nein, das muss ich nicht. „Er ist ein Kind seiner Zeit.“ Sorry, aber Bullshit.
        Was ist mit den Menschen, die nicht schweigende Mitläufer*innen waren? Die ihr eigenes Leben riskiert haben, weil sie widersprochen haben? Oder sogar, um andere Menschen zu retten?
        Wenn ich das Verhalt von Menschen aus der Nazizeit immer in Relation zu dieser Zeit setzen muss, reflektiere ich nicht angemessen. Dann ist die Entschuldigung nämlich immer schon in Reichweite.
        Außerdem geht es nicht um Hans Albers.

        1. aus der heutigen sicht über die menschen dieser zeit zu urteilen, ist sehr einfach. easy peasy quasi. doch, hast du dir schonmal die frage gestellt, wie DU gehandelt hättest, wärst du in dieser zeit unterwegs gewesen? weißt du was? du kannst diese frage nicht beantworten, weil es gar nicht möglich ist. sowas kann man nur beantworten, wenn man selbst in dieser zeit gelebt hat. was hätten wohl die umstände aus dir gemacht? einen helden? einen mitläufer? einen täter? vielleicht hast du selbst ja in deiner familie täter? hast du deine familiengeschichte schon ausgeforscht? wenn ja, wie gehst du mit dem ergebnis um?
          ich habe 20 jahre ddr erlebt. selbst ich erlaube mir kein urteil über menschen zu fällen, welche die dunkelsten 12 jahre jahre des 20. jahrhunderts, im dunkelsten land seiner zeit, neben der udssr, erlebt haben…

          1. um mißverständnissen vorzubeugen: ich schreibe ganz sicher NICHT von aktiven nazi’s und menschen, die persönliche vorteile aus dem schicksal der opfer gezogen haben…

          2. Du hast natürlich recht, ich kann nicht wissen, wie ich damals gehandelt hätte. Ich weiß aber, wie ich heute handel.
            Und ja, ich habe mich auch mit meiner Familiengeschichte auseinandergesetzt, mein Ur-Opa war ein astreiner Nazi. Hatte es damals sehr eilig, in die Partei einzutreten, für einen höheren Posten hat es – aus seiner Sicht – leider nicht gereicht. Die alten Familiendokumente zu durchzusehen, war eine Aneinanderreihung von beschissenen Momenten, in denen eine Menge Tränen geflossen sind. Und allein schon aus dem Grund gilt heute: Kein Vergeben – Kein Vergessen.

    1. Hans Albers ist ‚lediglich‘ Interpret, da wir auch nicht seine Version spielen, konnte ich damit immer gut leben, so uninformiert ich bzgl. des Komponisten und des Texters war…

  3. Sehr schwierig, nach solchen Erkenntnissen und vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage.
    Ich wäre dafür das Lied nicht mehr zu spielen.
    Da ich unser YNWA immer mochhte, es aber auch irgendwie ausgelutscht ist und gefühlt jeder 5. Verein dies singt, wäre ich für etwas anderes.

    Mein Favorit, weil es eben auch Vereinsbezug hat, wäre von Thees „Das hier ist Fußball“

    Just my 2cents

  4. Eigentlich könnte man sagen: Wozu brauchen wir eigentlich ein Lied über den Stadtteil, wenn es doch weit über 100 Songs konkret über den FC gibt? Der Haken an der Sache: Keiner davon ist gut als Hymne geeignet. Das ist schon irre. Die Songs sind sehr divers, sowohl musikalisch als auch qualitativ, aber als „Singalong“ sehe ich leider keinen einzigen. Falls mich jemand eines Besseren belehren kann, bitte gern.

  5. Geht mir auch so wie Desaster.
    Vielleicht einfach zu Thees Uhlmann „ Das hier ist Fußball“ wechseln und gut ist.
    Ganz ohne Hymne wäre ja auch irgendwie doof.

  6. Spannend, gerade beim letzten Heimspiel darüber gesprochen, über Hans Albers und seine Vergangenheit. Über Komponist und Texter wusste ich nichts und finde es richtig, darüber zu diskutieren, ob es noch okay ist, das Lied als Hymne zu haben/singen. Danke, Celina, und alle anderen beim Museum für eure unermüdliche Arbeit und Recherche zu so wichtigen Themen!

  7. Top Recherche! Danke für die Arbeit! Für mich persönlich kann das Lied mit diesem Wissen und in diesen Zeiten nicht die Vereinshymne des FC St.Pauli sein.

    Und bitte nicht Thees, danke.

  8. Erstmal großes Lob und Dank an das Team vom Museum für die Recherche. Ich wusste nichts vom Hintergrund des Liedes und bin entsprechend ernüchtert (wenn auch nicht komplett überrascht). Das Lied sollte entsprechend nicht mehr vor Heimspielen gespielt werden. Dazu gibt es eigentlich auch keine Alternative, wenn man sich nicht in Widersprüche verheddern oder die eigene Glaubwürdigkeit als Verein aufs Spiel setzen will.

  9. Die Diskussion um Hans Albers kann man sich doch an dieser Stelle schenken denn dessen Version wird ja nicht gespielt und er ist auch weder Texter noch Komponist des Liedes. Über das Lied selbst muss aber sicherlich gesprochen werden. Von mir aus darf das auch gern ersetzt werden aber bitte nicht durch den Schmachtfetzen von Thees, den ich zwar zu gewissen Anlässen sehr mag aber als Stadionlied für komplett ungeeignet halte. Dann tatsächlich lieber wieder YNWA.

    1. Gab es bei YNWA nicht Probleme mit einem oder mehreren Rubbermaids-Musikern wegen der Rechte?
      Ich erinnere mich nur noch sehr dunkel, aber ich glaube deshalb wurde es dann nicht mehr gespielt.

      Und bitte! Die Originalversion genau so wenig wie Thees.

  10. Danke für die Recherche und danke für den Artikel! Seit wann läuft der Song eigentlich im Stadion? Gefühlt etwa gleichzeitig mit Einführung von Song 2. Was lief vorher? War das wirklich YNWA als Punkversion? Und davor?
    Vielleicht brauchen wir als Diskussionsgrundlage mal einen Überblick über die muskalisch-dramaturgischen Elemente im Heimspiel-Zirkus. Ich kann mich nur daran erinnern dass Popcorn schon seit Jahrzehnten der Rausschmeißer ist.

    Und natürlich hätte jedem Menschen klar sein können, das mit sehr großer Wahrscheinlichkeit hier Nazi-Täter-Biografien mitgemischt haben. War in der frühen Nachkriegszeit ja eher die Regel als die Ausnahme.

    P.S. Bitte nicht Thees‘ theatralischen Weltschmerz-Song(s)

    1. Wurde nicht auch irgendwann vor YNWA Aloa-he von Achim Reichel gespielt?
      Möchte ich aber auch nicht wieder haben.
      (Das klingt jetzt alles sehr neagtiv; so spontan habe ich leider keinen Vorschlag parat)

  11. Sorry, ich habe da eine andere Meinung. Als jemand, der regelmäßig in der Firma mit ehemaligen Häftlingen und Straftätern zusammengearbeitet hat, finde ich das Menschenbild, das diesen Überlegungen zugrunde liegt, vorsichtig ausgedrückt „schwierig“. Es widerspricht meinem Menschenbild, Menschen für immer für etwas zu verurteilen, was sie in ihrer Vergangenheit getan haben.

    Das Lied wurde 1956 uraufgeführt – 11 (!) Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus. Die Briten haben Ollig, der in der Nazizeit nach Celina’s Recherchen offenbar am meisten Dreck am Stecken hatte, aus ihrer Wahrnehmung seiner Person eine Tätigkeit in einer Zeitung zugetraut. Wenn sie aus dem damaligen Zeitgeist Ollig die Kehrtwende zu einem besseren Menschen zugetraut haben, mit welchem Recht sprechen wir ihm das heute ab? Wir kennen ihn nicht und konnten seine Geschichte nicht anhören. Ich finde es schwierig, wenn man Menschen keine zweite Chance einräumt. Ich würde mich freuen, wenn wir solche Widersprüchlichkeiten aushalten können. Ich möchte daran glauben, dass es sich lohnt, Menschen die Hand auszustrecken, die Fehler gemacht haben – auch wenn es schlimme Fehler waren. Ich weiß, dass sich nicht alle ändern – auch nicht alle, die es beteuern. Aber ich weiß, dass viele sich eben doch ändern können.

    Forza

    Jan

    1. Sehe ich auch so.
      Und selbst wenn er sich nicht geändert hätte:
      lasst uns dem Braunen Mob seine Symbole nehmen und diese aus dem Kontext zaubern.
      Das Lied selbst hat keinen Bezug zur NS-Ideologie und sollte meines Erachtens weiter genutzt werden können.
      Weder Symbole noch Musik gehören den Nazis.
      Also lasst sie uns weiter nutzen, damit sie den braunen „Zauber“ verlieren und wieder JEDEM gehören.
      Außerdem finde ich den Gedanken, dass ein Anhänger des Naziregimes versehentlich für uns eine Hymne geschrieben hat echt lustig.
      Ich stelle mir gerade das Gesicht von Ollig (sollte er sich nicht geändert haben) im mutmaßlichen Jenseits vor, wenn er mitbekommt, dass „linksgrün versiffte Zecken“ wie wir seine Lieder singen 😀

    2. Sehr gute Argumente Jan, da stimme ich dir zu. Trotzdem eine schwierige Frage. Auf der einen Seite finde ich das Lied Klasse und ich bekomme eine Gänsehaut, wenn das ganze Sadion zusammen singt. Die Biografie von Hans Albers oder dem Komponisten spielt hier wohl eine geringere Rolle. Aber der Texter des Liedes war nach Celinas Recherche ein Journalist bei einem Blatt, welches die NSDAP unterstützt hat. Das ist logischerweise zu kritisieren. Aber im Umkehrschluss heißt es, dass wir mit allen Journalisten so umgehen müssten, die zur Zeit für die Welt oder die Bild arbeiten. Diese Zeitungen ünterstützen auch die AFD. Die Frage bleibt also, sind die Ergebnisse der Recherche ein Grund, dieses Lied zu verbannen? Im Moment verbindet dieses Lied die Menschen im Stadion und macht möglicherweise genau das Gegenteil, wofür der Texter politisch stand. Darum denke ich, sollten wir uns die Freiheit nehmen, die uns so im Blut liegt, und dieses Lied trotzdem singen.

  12. @Jan Hast du die ausführliche Recherche, also den Podcast gehört? Da wird die Personalpolitik der Briten ja auch relativ ausführlich besprochen. Das hatte eher weniger mit „Vertrauen“ und „moralischer Kehrtwende“ zu tun, so wie ich das verstanden habe.. die hatten einfach Personalmangel und haben kaum „unbelastete“ Journalist*innen gefunden.

  13. Ich finde „Das Herz von St. Pauli“ passt super zum FC St.Pauli. Ich würde es wirklich vermissen, sehe es aber als konsequent an das Lied in Zukunft nicht mehr zu verwenden. Bin gespannt was der Verein dazu sagt.

    Hier mal ein Lied, welches ich mir als Alternative SEHR gut vorstellen könnte:
    Sankt Pauli Lovesong von Absturtz (Einer linken Deutschpunkband aus Norddeutschland)

  14. Schwerer Fehler. Die Geschichte dazu ist die Geschichte. Das Lied gehört zu St. Pauli, es besingt den Stadtteil. Außerdem ist es ja, wie schon gesagt, die Punkversion und nicht die von Hans Albers. Man kann es also auch so auslegen, dass das Lied gekapert wurde. Der Text, die Melodie und das Feeling sind unbestreitbar gut. Dass viele Menschen damals Nazis waren und St. Pauli nicht immer ein Anti-Nazi Kiez war, gehört auch zur Wahrheit dazu. Man sollte nicht die Geschichte auslöschen, um nach außen hin noch solidarischer zu wirken. Genau das kann von den Gegnern St. Paulis immer wieder hervorgeholt werden. Es ist unsere Hymne, die sollten wir uns nicht nehmen lassen, denn wir haben sie zu unseren Gunsten gedreht und die Geschichte weiter geschrieben. Man reißt ja auch keine Hochschulen oder Ähnliche Bauwerke ein, die früher mal Wehrmachtskasernen waren. Man besetzt die Sachen heute neu und schreibt die Geschichte weiter.
    Es wäre ein großer Fehler die Hymne jetzt abzuschaffen, weil heraus gekommen ist, dass die Urheber keine Anti-Nazi-Kämpfer waren. Es wäre einfach nicht true dem Verein und den Fans gegenüber, die die Hymne immer volle Herzens gesungen haben. Wir sollen öffentlich einsehen, dass die Vergangenheit des Liedes eine schlechte ist, jedoch ist das Liedgut einfach bombastisch.
    Das heißt nicht, dass ich das gut finde wie es ist aber die Hymne gehört heute uns und die sollten wir uns nicht von toten potentiellen Nazis nehmen lassen. Es geht beides. Die Historie und Geschichte von St. Pauli und die Entwicklung des Stadtteils und Vereins heute in vollem Umfang zu akzeptieren. Früher war vieles scheiße aber heute ist es nicht mehr so.

    1. Boah Scheiße, das muss ich jetzt echt erstmal verdauen und mir eine Meinung dazu bilden.

      Aber damit hier derweil nicht versehentlich eine Hymne verabschiedet wird, hier schonmal meine Vorschläge:

      Entweder „Zick Zack Zeckenpack“ von Tommy oder „Mehr als Fußball“ von L&K“

  15. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, aber wie herzerfrischend sind die Reaktionen hier denn bitte? Kein trotzige Abwehrhaltung, keine Besitzstandswahrung, sondern echte Reflexion, auch wenn’s manchmal weh tut – da hätte ich nicht unbedingt drauf gewettet.

    @Jan: Du hast einen Punkt, und auch deshalb findet vermutlich eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema statt. Ohne bekannte Distanzierungen aber gibt es für mich erstmal keine Widersprüchlichkeiten, Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg war schließlich voll von Opportunisten und Überzeugungstätern, die es sich später in ihrer bundesrepublikanischen Bürgerlichkeit bequem gemacht haben.

    Schade, dass Fankurven nur schlecht Stakkato singen können, ich hätte sonst Le Fly gebracht… 😂

    1. Danke, Jens! Das ist zum Glück nicht nur hier so, sondern auf allen Plattformen, auf denen das Thema diskutiert wird, die ich bisher gesehen habe. Sehr wenig schwarz-weiß, sehr viel „scheiße auch, ist schwierig“. Ganz ungewohnt 😉

  16. U.a. aber hat Michael Jary seinen langjährigen Freund Bruno Balz, mit dem er Lieder schrieb, unter Vorwand aus der Gestapo-Haft retten können. Balz wurde 1941 von der Gestapo verhaftet, nachdem er in „kompromittierender Situation“ mit einem jungen Mann ertappt worden war. Nach tagelanger Folter im Gestapo-Hauptquartier drohte ihm eine Inhaftierung im Konzentrationslager. Erst durch die Intervention von Jary, der vorgab, die von Propagandaminister Joseph Goebbels für den Film Die große Liebe geforderten Lieder als einen „Beitrag zur Kriegsanstrengung“ ohne die Hilfe seines Partners nicht zustande bringen zu können, kam Balz innerhalb weniger Stunden wieder frei. In Haft oder in den ersten 24 Stunden danach schrieb er zwei seiner größten Erfolge, nämlich „Davon geht die Welt nicht unter“ und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“. (vgl. Wikipedia zum Ufa-Film „Die große Liebe“)
    Hans Albers war eher gegen NS und Goebbels wäre ihn eher lieber losgewesen, wenn Adolf H. nicht so interveniert hätte und „Der blonde Hans“ nicht so sehr Typ „Deutsche Eiche“ und so beliebt gewesen wäre. Der war eigentlich den Nazis gegenüber eher unbequem.
    Und wie sehr jemand (Josef Ollig) letztlich Nazi war, der 1929 (Weltwirtschaftkrise) mit 23 Jahren – vermutlich einen seiner ersten Jobs – bei einer „großen renommierten“ Zeitung („Hamburger Nachrichten“ ist ja kein NS-Provinzblatt oder „Der Stürmer“ gewesen) angenommen hat – da würde ich jetzt auch nicht voreilig bestimmen wollen. Nationalkonservativ ja, aber eben nicht der „Völkische Beobachter“ oder „Der Stürmer“. Und nach erstem Kriegseinsatz lieber als Berichterstatter (Heroische Propaganda-) Bilder zu malen statt direkt an der Front mit Flinte im Schützengraben zu sitzen, wundert mich jetzt auch nicht so sehr.
    Auch Erich Kästner hat am NS-Film „Münchhausen“ als Autor mitgemacht und Heinrich Böll fröhlich als Soldat während der Besatzung in Frankreich ausbeuterisch Dinge sich hat zukommen lassen und nach Hause geschickt. Reue und Unrechtsempfinden kam dann später.
    Das kann man alles nicht mal so eben „abwerten“.
    Ich finde die Biografien – so traurig es ist – nicht so „besonders NS-mäßig“, eher „Standard der Zeit“ (leider).
    Wenn es darum geht, wer in der Zeit gar nicht mit den Nazis zu tun hatte (leider eben viel viiiieeel zu wenige), dann bliebe außer den wenigen Exilanten leider nicht mehr viel übrig.
    Wichtiges Thema, da können wir heute sehr viel draus lernen – und anders machen, als die meisten anderen früher. Opportunismus geht da halt eben gar nicht. Aber mit beim Verdammen aus heutiger Sicht, sollte man natürlich auch nicht allzu vorschnell sein.

    1. Vielen Dank für Deinen Beitrag. Mir fällt dazu ein, dass es einfach noch viel schöner ist, gemeinsam ein Lied zu singen, mit sehr, sehr vielen, einig in der Ablehnung des Faschismus, als in einer linken Blase. Könnte plötzlich das Anstimmen von „Das Herz von St. Pauli“ als politische Gedankenlosigkeit angesehen werden? Die Vorstellung macht mir Angst.

  17. Eine weitere Überlegung könnte folgende sein:
    Wie wurde das Lied ursprünglich verwendet?

    Wenn es auch Jahre nach dem Krieg für rechtsnationale Propaganda geschrieben und verwendet wurde, dann muss es weg.

    Wenn es damit nichts zu tun hat, muss es in einer modernen Gesellschaft möglich sein, sich von Komponist und Texter distanzieren zu können und das unproblematische Produkt trotzdem weiter zu nutzen.
    Ganz platt gesagt: Ihr fliegt ja auch mit dem Düsenjet (Nazientwicklung) in den Urlaub und fahrt Euren Volkswagen auf Deutschen Autobahnen.

    1. Nein, weder Düsenjet noch Volkswagen. Je älter ich werde, desto weniger Kompromisse möchte ich persönlich machen (müssen). Das hat auch nix mit verdammen zu tun, aber es ist doch bestimmt möglich, einen Song zu finden, der weder in der Komposition noch im Text seinen Ursprung im rechten Milieu hat.
      Für mich ist das ein bewusstes Augen verschließen, damit mag ich nicht mehr leben. Wenn ich etwas einmal weiß, kann ich es nicht mehr unwissend machen.

      1. Was weißt Du denn?

        Du weißt, dass Komponist und Texter des Liedes eine rechtsnationale Vergangenheit hatten. Wie ungefähr 70 Prozent der Menschen in der damaligen Zeit. Damit rede ich nichts schön. Aber Du dürftest das Leben der Menschen auch in dem historischen Kontext betrachten. Für mich ist das alles zu weit hergeholt. Vom heutigen Sofa lässt sich leicht verurteilen. Die Hinweise von CvO hättest Du ja auch wahrnehmen müssen. Die kannst Du jetzt auch nicht mehr unwissend machen.

        1. Die Infos von CvO ändern nichts an meiner Meinung und Haltung. Einen mir nahestehenden Menschen frei zu bekommen, ist nicht damit zu vergleichen, Menschen zu retten, die jüdischen Glaubens sind oder die falsche Hautfarbe haben oder eine körperliche oder geistige Behinderung. Des Weiteren blieb er Teil des Systems und profierte von Aufträgen von Nazis. Ich schrieb es oben schon: Den Menschen in seinen historischen Kontext setzen zu müssen, begräbt Menschlichkeit.

  18. Ein Text, den ich an sich lieber nicht gelesen hätte, da ich das Lied (vielleicht gerade als Zugezogener) grundsätzlich sehr mag. Aber natürlich danke an das Museumsteam und Celina fürs Zusammentragen und Zusammenfassen der Informationen. Und wie es beim Millernton üblich ist, wird das Ganze hier nicht einseitig sondern mit den vorhandenen Grautönen präsentiert. Auch dafür einmal mehr danke. Ansonsten kann ich für mich persönlich auf die Schnelle gar nicht sagen, was die Konsequenzen sein sollten, aber meine Erwartung ist, dass es wohl bald eine neue Stadionhymne geben wird.

  19. Ich glaube,wir sollten uns die ganze Diskussion schenken.
    Ich bin zu Beginn des Krieges geboren und habe die schreckliche Zeit -als sie vorbei war-aus unmittelbaren ungefilterten Erzählungen „miterlebt“.
    Ich kann keinen verurteilen,dem es unter den damaligen Umständen gelungen ist zu überleben,ohne an anderen Menschen unmittelbar „schuldig“ zu werden.
    Wenn ihr Leute wie Hans Albers oder Michael Jary anklagt,dann könnt ihr auch den FC St.Pauli in Frage stellen.
    Der wurde -wie alle anderen Sportvereine auch- „gleichgeschaltet“ und sein Vorstand mußte der Partei angehören.

    1. Bei diesem Kommentar bleibt mir ganz ehrlich die Spucke weg. Der rote Teppich für Geschichtsvergessenheit ist hiermit ausgerollt. Glückwunsch.

      1. ganz ehrlich? ein jahr in einer diktatur und dann würde ich mich nochmal bei dir erkundigen…
        du scheinst ja der held schlechthin zu sein… glückwunsch

        1. Es geht nicht darum, wie wer gehandelt hätte. Oder um Heldentum. Oder deine möglichen Erkundigungen bei mir. Es geht um die direkte Verbindung damit, dass die Diskussion sich geschenkt werden kann.

  20. Solange der überwiegende Teil des Stadions bei jedem Heimspiel die Stellinger mit Inbrunst als Bastarde besingt und sich damit eines rassistisch/klassistischen Wortes bedient, was dem N-Wort sehr nahe kommt mag ich mir wenig Gedanken über die Hymne machen 😉

    1. Da sprichst du mir wirklich aus der Seele. Mir dreht sich wirklich jedes Mal der Magen um, wenn von so vielen Menschen mit Inbrunst rassistisch / kolonilistisches Vokabular zur Beleidigung von Andersdenkenden ( hier nur weil sie Anhänger eines anderen Vereins sind!) genutzt wird.

  21. Für viel schwerwiegender als das „Herz von Sankt Pauli“ halte ich das „come on, come on“ mit dem Begriff „Antifa-Hooligans“. Mit diesen gewaltbereiten Jungs und Mädels möchte ich wirklich nicht in einen Topf geworfen werden.

    1. Du möchtest nicht gern mit „Antifa-Hooligans“ also Leuten die Nazis verhauen in einen Topf geworfen werden? Ich zweifle mal sehr an mir, wenn ich sowas lese. Was glaubst du den, was man mit Nazis sonst so tut. Und wofür es „Sportgruppen“ etc gibt. Es braucht sowas weil Nazis eine menschenverachtende Gewalttätige Gruppe sind, die andere verhauen.

  22. 1. ich habe nicht alle Kommentare gelesen
    2. Bei allen Menschen die FC St. Pauli Fans sind setze ich ein kritisches Denken voraus
    Niemand wird das Lied jemals wieder singen, ohne daran zu denken woher es stammt.
    ABER wir haben PunkRock dran gemacht und tausende geile Leute singen das Lied regelmäßig und schaffen Zusammenhalt und positive Stimmung, gerade letzten Samstag war das so geil, dass ich immer noch Gänsehaut bekommen.
    Wir und die vor uns aben aus dem was ein fieser Geist geschaffen hat, etwas unsagbar geiles geschaffen und es wäre echt schade drum.

  23. Ich finde diese Diskussion auch sehr wichtig und an dieser Stelle äußerst reflektiert geführt. Wie einige andere bereits schrieben, finde ich es kompliziert und bin daher nicht dafür, das Lied einfach mal so zu ersetzen. Wichtiger ist in meinen Augen ein offener und klarer Umgang. Denn mit so einem Lied ist es ja nicht einfach getan. Beispiel FC St. Pauli: „Historisch war der FC St. Pauli ein Mitläuferverein, der vom NS-System profitierte. In den Sportzeitungen der 1920er und frühen 1930er Jahre wurde der Verein für seine vorbildliche Jugendarbeit gelobt, bei der ausschließlich deutsche Spieler aus der eigenen Jugend gefördert wurden.“ (Quelle: Wikipedia) Das wurde später ja auch selbstkritisch aufgearbeitet. Wir sprechen heute aber nicht von einem problematischen Fußballverein. Sicher gibt es zahlreiche Personen aus der Vergangenheit (z.B. Mitglieder der Jahrhundertelf), bei denen sich das eine oder andere belastende Thema finden ließe. Ich fürchte daher, mit einem schlichten „weg damit“ werden wir diesem komplexeren Problem einfach nicht gerecht.

  24. Das ist der perfekte Song für den FC St. Pauli. Und wenn sich ein Rechtsextremer dann noch im Grab umdreht, weil wir seinen Song benutzen um so besser. Man scheint den Rechten in diesem Land eh gerne Begriffe und Symbole usw. viel zu gerne zu überlassen.

    Bitte liebe Bedenkenträger, lasst uns unseren Song. Oder hört konsequent keine Musik mehr, denn du weißt nie wann sich ein Künstler als problematisch herausstellt 😉
    Wenn wir jeden von der Songliste streichen, der ein Arschloch ist… Nehmen wir den rechtsextremen BNP Förderer Eric Clapton, menschlicher Abfall, klar, aber unhörbar? Five Finger Death Punch und Magadeth unterstützen welchen Präsidenten in den USA? Die Village People? Kanye West ist wohl ein Antisemit. Roger Waters wohl auch. Darf ich jetzt nicht mehr pink Floyd hören? Die Misfits mit Danzig, was hält der von Frauen? P.Diddy, Dr. Dre, R.Kelly, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung.usw. Manche Sachen kommen erst Jahrzehnte später. Gary Glitter wird immer noch bei der Vertonung von Sportereignissen in den USA genutzt. Na ja, die Liste an gerade männlichen Musikern ist da lang.

    1. Was ist wenn die Autoren sich nicht im Grabe umdrehen würden, sondern heute der Meinung wären „schön, dass diese grausame Zeit ein Ende hat und unser Lied von damals so einem Verein nun als Hymne dienst“ (erleichtertes ausatmen).
      Wir werden wohl nie erfahren aid die beiden Vollnazis oder „nur“ Überlebenskünstler waren.

    2. Grundsätzlich ist es ja eine individuelle Entscheidung. Für mich ist es nicht so, dass man die besagten Künstler nicht mehr hören dürfte, aber eben für sich selbst ausmachen muss, ob man die Musik hören kann, oder ob einem der Gedanke an die Person dahinter/die Taten nicht die Freude daran vermiest. In diesem Fall ist die Distanz zwischen den Personen und dem Lied nochmal deutlich größer, trotzdem ist’s schwierig, da es hier ja keine Entscheidung jedes Einzelnen ist, sondern vom Verein mehr oder weniger im Namen der Mitglieder abgespielt wird

  25. Können wir bei der Gelegenheit (ja, off topic) auch mal über Antifa-Hooligans zu Beginn der zweiten Halbzeit nachdenken? Das ist vom Text natürlich super, aber musikalisch doch eher sehr schwierig, finde ich.

    Zum Hauptthema habe ich viele gute Gedanken gelesen, jetzt muss ich mir selber welche machen.

  26. Ehrlich, der Song hat mich immer genervt. Es ist ein Rentnersong. Völlig aus der Zeit gefallen.

    So viele Menschen im und um den Verein herum haben wo auch immer eine Heimat.

    Das, was für mich die Verbindung zum Verein herstellt, sind nicht irgendwelche Bauten und Geographische Momente.

    Weg damit

  27. Ich finde gut, dass der Song und die Entstehung diskutiert wird. Wir konnte es jedoch auch aushalten, dass der Slogan „Ein Platz an der Sonne“, stehen für die das Weltmachtsstreben des Deutschen Reiches, für mehrerer Jahre auf der Brust zu lesen war und positiv belegt wurde.

  28. Wir müssen ja nicht die Welt neu erfinden. Ich habe mir mal meine Playlist mit SP-Songs vorgeknöpft – 115 Tracks – und überall reingehört. Die gute Nachricht: Eine Reihe von Songs hat meines Erachtens gewisse Basics für eine Hymne. Die schlechte: Ohne jetzt ins Detail zu gehen, aber alle müssten musikalisch und textlich verändert (also auch neu eingespielt) werden.

    Dies wäre die Reihe (alphabetisch):

    Der Fall Böse – Die Frage
    Elf – St. Pauli leuchtet nur hier
    Gurkentruppe – Anders als wie Ihr
    HbW – Viva St. Pauli
    LAK – Mehr als Fußball
    Los – Nur St. Pauli
    Rubberslime – Song 1
    Thees Uhlmann – Das hier ist Fußball

    [Ja, ich weiß dass „St. Pauli leuchtet nur hier“ eher ein Stadtteil-Song ist. Aber er ist so verdammt gut]

    Das allerwichtigste ist die Akzeptanz bei der großen Mehrheit im Stadion. Man muss es also sehr sensibel, behutsam und mit viel Mitbestimmung angehen. Vielleicht mit ner Shortlist, die wird dann eine Saison lang immer so 45 Minuten vorher abgespielt, und dann guckt man, was am besten ankommt.

  29. Sehr schöne Diskussion hier, Daumen hoch dafür.
    Auch gute Argumente dafür und dagegen, das macht unsere Fan Kultur aus, ohne hochnäsig zu sein.

    Um es mit den Worten von Hr Delay abzuschließen:
    Auf St. Pauli brennt noch Licht
    Da ist noch lange noch nicht Schicht
    Denn im Großen und im Ganzen
    Ha’m wir allen Grund zum Tanzen

  30. Ich möchte einmal anmerken, daß ich das Lied per se nicht so großartig finde. Ich finde diese Hafen Lichter, Seefahrer Romantik eher kitschig. Außerdem irritiert mich der Heimat Begriff. Wenn es schon etwas Traditionelles sein soll dann vielleicht die Gebrüder Wolf: „Klauen, Klauen..Äppel..“ oder etwas Zeitgemäßes was den aktuellen St. Pauli Vibe widerspiegelt?@Holger P., das Volkspark Bastards Gegröhle ist meinem Stadionkumpel letzten Samstag auch erstmalig nach der Gedenkminute unangenehm und deplatziert vorgekommen.

  31. Ich finde das Lied per se nicht so geil. Diese Hafenlichter, Seefahrerlyrik kommt doch sehr kitschig rüber. Außerdem habe ich Probleme mit dem Heimat Begriff. Wenn es schon was traditionelles sein muss, könnte man mal die Gebrüder Wolf ins Spiel bringen oder man wählt etwas Zeitgemäßes daß den aktuellen St.Pauli Vibe widerspiegelt.Mit der Hafenromantik ist es nämlich ziemlich vorbei und zur See fährt der St.Paulianer auch eher weniger. @ Holger P. Tatsächlich ist uns der „Volkspark Bastards“ Chant erstmalig letzte Woche unangenehm aufgestoßen nach den tollen ANTIFA Protesten und der Gedenkminute.

  32. Die Frage nach der Akzeptanz der großen Masse ist meines Erachtens nach sehr wichtig. Ich denke wir haben das Lied über die Jahre positiv besetzt.

    Der Vollständigkeit halber füge ich der Liste von Raphael noch
    HERZ AUF ST. PAULI von Swiss+Die Andern hinzu.

  33. Leute mal wieder atmen….
    Hat der Liedtext irgendwelchen „braunen“ Hintergrund ?
    Für mich nicht zu erkennen, wenn ja lasst es mich wissen. Das ist unser Song….
    Wenn die letzten zwei Minuten das ganze Stadion das Herz von St.Pauli singt, hab ich Tränen in den Augen.
    Gänsehaut pur….immer noch seit fast vierzig Jahren….lasst das so.

  34. Absolut nichts gegen Thees, aber als Musik vorm Spiel ist mir das glaube ich ein wenig zu „traurig“. Tbf, YNWA ist auch eher langsam und emotional, funktioniert für mich persönlich aber auch nur durch die Tradition, bei Dortmund und co. finde ich es eher befremdlich.
    Viel zu neu, nicht mehrheitstauglich und ohne direkten Vereinsbezug, aber wenn ich es mir allein aussuchen dürfte, würde ich zu „Ich hab‘ mein Herz verlor’n auf St. Pauli“ von Stockmann tendieren 😀

  35. Die Frage nach dem historischen Kontext des Songs sowie den persönlichen und politischen Hintergründen der mit ihm verbundenen Personen, die mindestens als ambivalent bezeichnet werden können, wurde bereits zu jener Zeit im Verein aufgeworfen, als die Punk/Rock-Version von „You’ll Never Walk Alone“ durch „Das Herz von St. Pauli“ (in der Version von Phantastix & Elf) ersetzt wurde. Dies bedeutet jedoch natürlich nicht, dass diese Fragestellung heute nicht mehr diskutiert werden darf oder sollte.

    Dennoch halte ich es für etwas übertrieben, von einer „Recherche“ zu sprechen, wenn Informationen über das Lied, seinen Entstehungshintergrund und die Biografien der relevanten Personen problemlos über Suchmaschinen oder Datenbanken (wie Google, Wikipedia etc.) zugänglich sind. Eine wissenschaftliche oder historische Auseinandersetzung hätte darin bestanden, zusätzliche Quellen heranzuziehen, die tiefergehende Erkenntnisse zu den Beweggründen der Songauswahl oder der oben aufgeworfenen Fragestellung liefern – etwa Aussagen von Vereinsmitgliedern oder Stadionbesucher:innen, die damals an der Entscheidung zur Songauswahl beteiligt waren oder eine über das Internet hinausgehende Recherche zu den mit dem Song verbundenen Personen (z.B. durch Zeitzeugen).

    Pro-Argumente aus meiner Sicht:

    – Bei den Interpreten der im Stadion gespielten Version gibt es zu 100% keinerlei Anhaltspunkte für eine Verbindung zum rechten Spektrum oder zum Nationalsozialismus
    – Nähe der Interpreten zum Verein
    – Der Songtext weist eine starke Bindung an den Stadtteil und seine Identität auf
    – Die meisten Fans im Stadion singen (und tragen) diesen Song bereits seit vielen Jahren mit
    – Es gilt allgemein, Songs nicht den Rechten oder Populisten zu überlassen (außer sie sind auch inhaltlich bereits diskriminierend oder ausgrenzend was hier nicht unbedingt der Fall ist)
    – Wenn wir derartige Maßstäbe ansetzen (siehe unten) führt dies zu einer nicht mehr steuerbaren Diskussion über die im Stadion gespielten Lieder

    Contra-Argumente:

    – Der traditionellere Hintergrund des Liedes, der aus den 1950er Jahren stammt und nicht viel mit dem heutigen St. Pauli und dem Verein zu tun hat
    – Die ambivalente Haltung der während seiner Entstehungsgeschichte mit dem Song verbundenen Einzelpersonen in Bezug auf den Nationalsozialismus: Alle in dem obigen Interview genannten Personen waren zumindest Mitläufer und Profiteure des NS-Regimes – einer sicherlich auch mehr als das.

    Wenn wir die Maßstäbe des zweiten Contra-Arguments anlegen wollen, die beinhalten, dass die Ansichten, Biografien oder Entscheidungen der mit der Entstehung des Songs verbundenen Personen auch unabhängig von der heutigen Bewertung oder Interpretation eines Songs eine zentrale Rolle spielen (was ja durchaus legitim ist), dann müssen wir auch über andere Songs und Interpreten im Stadion sprechen. Viele Songs im Rock-Genre (z.B. AC/DC) oder im Rap-Genre werden zurecht als sexistisch, diskriminierend oder gewaltverherrlichend kritisiert.

    Angesichts der aktuellen nationalen und internationalen politischen Entwicklungen gäbe es sicherlich derzeit wichtigere Themen als sich diesbezüglich in Detailfragen zu verlieren. Aber gegen eine demokratische Abstimmung über einen neuen Song mit zuvor wissenschaftsbasierten Faktencheck hätte ich nichts einzuwenden.

    YNWA

    1. Ich habe den Podcast gehört und darin werden etliche Quellen erwähnt die zum Zwecke der Recherche genutzt wurden.
      Ich finde du wertest die aufwendige Recherche-Arbeit damit stark ab.
      Hast du den Podcast denn überhaupt gehört?

  36. Ist im Text vom „Herz von St.Pauli“ in irgendeiner Form rechtes Gedankengut oder Vokabular? Eindeutig nein.
    Ist das Schimpfwort Bastard im kolonialistischem und rassistisch Kontext zu sehen? Eindeutig ja.
    Ist es da nicht eindeutig wo wir ansetzen sollten? Wir hassen HSV Bastards ist eine selbstgewähle bzw. „gedichtete“ Zeile, die als Selbstbildnis eines St. Pauli Fans missverstanden werden kann. Dafür schäme ich mich tatsächlich immer wenn ich es hören muss.

    1. Die Verwendung des Wortes „Heimat“ hat mich immer schon genervt (obwohl ich den Song sehr mag) – das ist in meinen Augen ein rechter Begriff.

  37. Ich frage mich sowieso schon länger, wie lange wir das Lied noch singen wollen, irgendwann ist es dann auch mal genug mit dieser Folklore, die nicht einmal berücksichtigt, dass man nicht in Hamburg zu Hause ist, sondern in Hamburch. Jetzt ist es eine gute Gelegenheit für ein wichtiges, politisches Statement und für einen neue, frische Hymne.

  38. Schade, ich mochten den Song auch wenn er etwas altbacken ist, gerade weil ich selbst zur See gefahren bin. Die Einfahrt in den „Heimathafen“ immer etwas besonderes war und ich dieses Gefühl auch oft im Stadium hatte/hab. Für mich ist dieses Lied aber ab jetzt nichts was ich mehr mitsingen kann.
    Meine Entscheidung ist keine, die alle treffen müssen aber ich bezweifle das es in Zukunft noch so klingen wird wie bisher.
    Es wird sich zeigen, wie damit umgegangen wird, aber ab jetzt wird es neu.

  39. Ich wäre sehr traurig, wenn beschlossen würde, das Lied zu verbieten, und ich werde es weiterhin zu Hause singen. Ich liebe das Lied – wenn ich es höre, bekomme ich Gänsehaut. Es hat sogar mein Konzept von „Heimat“ verändert – ich kann mich weder mit meinem Geburtsland noch mit dem Land, in dem ich jetzt lebe, identifizieren, also dachte ich, ich hätte keine Heimat, bis ich merkte, dass in Wirklichkeit: das Herz von St. Pauli – das ist meine Heimat, in Hamburg da bin ich zu Haus!
    Wenn es wirklich weg muss, dann schließe ich mich Bastis obigem Vorschlag an – ein echt geiler Song mit einer gewissen Ähnlichkeit zu „Das Herz von St. Pauli“ in der Art und Weise, wie er Orte im Stadtteil erwähnt.

  40. Wir müssen uns echt mal über wichtigere Themen den Kopf zerbrechen, die auch wirklich gerade die Menschen in unserem Land betreffen. Dazu gehört der grassierende Faschismus als auch die durch den Kapitalismus induzierten wachsenden Klassenunterschiede. Das hat Priorität!!
    Und zu dem Song: Solange der Text (welcher harmlos ist) und das Lied allgemein für ein weltoffenes, soziales und friedliches St. Pauli benutzt wird gibt es doch kein Problem damit. Die Argumentation man solle es nicht benutzen, weil Nazis früher… etc, ist genauso bescheuert wie die Behauptung der Feldstraßebunker hätte man nicht zu benutzen, weil die Nazis ihn damals gebaut haben. Oder das Bastard in ACAB sei nicht zu benutzen, weil vor 500 Jahren im Mittelalter man uneheliche Kinder so bezeichnet hat. Ihr ahnt den Bullshit doch.
    Wir müssen mal echt aufhören diese Art von emotionaler, undurchdachter, hysterischer Politischer Korrektheit zu folgen und mal echte Probleme die auch wirklich Menschen in unserer Hansestadt als auch in unserem Land betreffen, angehen. Was nicht bedeutet, dass politische Korrektheit allgemein schlecht ist, nur die oben beschriebene Art ist mehr kontra als wirklich produktiv.
    Fazit: Klärt einfach über den Song und seinen Ursprung auf, z.B. im Museum, an einer Tafel etc. und gut ist. Lasst uns unsere Hymne trotzdem weitersingen und die realen Probleme der jetzigen Zeit vereint lösen ggf. bekämpfen.
    Rotfront!!

    1. Warum schreibst Du denn selber hier, wo Du Dir doch eigentlich über wichtigere Dinge den Kopf zerbrechen müsstest?
      Und woher weißt Du so genau, dass die Menschen sich nicht mit dieaem Thema auseinander setzen und hier schreiben können, während sie sich tatsächlich auch noch um andere Dinge genau so, oder sogar noch mehr kümmern?
      Warum immer diese Ausschließlichkeit?
      Ich bin froh, dass Du Fans und Verein den Diskurs nicht vorschreiben oder verbieten kannst.
      Ich denke, das Handeln und Symbole des magischen FC unbedingt immer unsere Werte in den Fokus nehmen sollten. Deshalb ist diese Diskussion hier wichtig.

      1. Ich lese aus Pablos Kommentar, den ich recht gut finde, heraus, dass er das alles schon differenzierter sieht und kein eindimensionaler Vertreter der „Ausschließlichkeit“ ist. Aber es ist doch durchaus klar, dass zu dem derzeitigen Zeitpunkt diese ganz Diskussion unheimlich viel Energie und Zeitaufwand kostet und den Fokus auf „Detailfragen“ lenkt und vom „großen Ganzen“ bzw. den aktuell wirklich dringenden Fragen ablenkt. Natürlich kann und soll man sich auch parallel um unterschiedliche Dinge/Themen kümmern, und die können auch ggf. obwohl von unterschiedlicher „Dringlichkeit“ gleichzeitig behandelt werden. Das wird ja leider öfter der jeweiligen Regierung angekreidet, sie würden sich ja auch um vermeintlich nicht so wichtige Dinge kümmern, was natürlich Quatsch ist, es gehören viele Dinge auch gleichzeitig geklärt trotz evtl. unterschiedlicher Priorität.
        Und ich glaube, Pablo ist weit entfernt davon, „Fans und Verein den Diskurs (…) vorschreiben oder verbieten“ zu wollen.
        Ich finde es tatsächlich auch maximal unglücklich, eine Diskussion von so großer Tragweite, die man hätte erahnen wenn nicht klar voraussehen müssen, jetzt mal eben in einem Podcast rauszuhauen.

        1. Wir alle entwickeln uns, deswegen finde ich es gut, dass das Museum zu dem Song geforscht hat und sowohl Verein als auch z.B. der MillernTon ein Forum für Diskussionen stellen. Natürlich war mit den Forschungsergebnissen klar, dass das ne Bombe ist. Aber als Verein, der Mitgliederteilhabe als ein sehr hohes Gut lebt, ist es keine Möglichkeit zu sagen: wir haben das gehört, wir gehen da jetzt so oder so mit um. Nein, das sollen wir alle miteinander ausdiskutieren, um denn mehrheitlich eine Entscheidung zu treffen. Das ist gelebte Demokratie.
          Und genau so etwas hat massiv mit dem zu tun, was gerade in Europa und Amerika geschieht. Jeder kleine Schritt gegen rechts ist ein wichtiger Schritt. Jedes kleine NEIN wird in der Summe aller NEINS zu etwas, was hoffentlich dazu führt, dass die Rechten nicht mehr, sondern weniger Zustimmung und Zulauf bekommen. Klar, auch viele Parteien müssen endlich aufwachen und eine andere Politik anbieten, aber deswegen dürfen wir als Zivilgesellschaft uns doch nicht vornehm zurückhalten. ICH möchte meine Stimme erheben und klar machen, dass ich für rechte Scheiße nichts übrig habe. Und das tue ich unter anderem auch damit, dass ich Werk und Künstler nicht trennen und mich vom „Das Herz“ verabschiedet habe.

          1. Da gebe ich Dir völlig recht. Es gibt aber auch gute und eher ungünstige Zeitpunkte.
            Und dass dieser „Fall Ollig“ in seiner Verhältnismäßigkeit bei weitem nicht auf der „TOP100-Liste“ steht, zeigt, wie wenig man über den Mann eigentlich weiß, geschweige denn dass den als Texter überhaupt irgendwer hätte benennen können.
            Und dass gerade bei dieser (kurz angesetzten) und überaus wichtigen direkt bevorstehenden Wahl, der Zeitpunkt mehr als ungünstig ist und ungemeine Gedankenkapazitäten für sich in Anspruch nimmt, die besser erstmal in gemeinschaftlichem Handeln für die Demokratie und gegen die aktuelle Rechte eingesetzt werden sollte, erscheint mir auch mehr als deutlich. Das hätte nun wahrlich nicht jetzt und nicht – aus meiner Sicht etwas gedankenlos – beiläufig in einem nicht zuende recherchierten Podcast mitten in den letzten zwei Wochen eines extrem wichtigen Wahlkampfs stattfinden müssen. Dazu wäre auch in zwei, drei Wochen noch Zeit gewesen. Das hätte man vorhersehen können und – aus meiner Sicht – müssen. Denn dass etwas wie eine langjährige Stadionhymne, die jedes Mal 30.000 Menschen ans Herz geht, zur Debatte zu stellen und – gerade in dieser Zeit – mit dem Nationalsozialismus zu verknüpfen, hohe Wellen (weil emotional) schlagen würde und am Ende aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen die Hymne so oder so unmöglich machen würde, hätte man wissen können. Deswegen finde ich das fahrlässig und kritisiere das – völlig unabhängig davon, ob die Hymne nun noch gespielt wird oder nicht. Es geht um etwas größeres – und schließt sich der Kreis, dass ich völlig mit dem mitgehe, was Du in Deinem obigen Kommentar geschrieben hast. Für rechte Scheiße habe ich auch nichts übrig – ganz im Gegenteil. Sie ist zu bekämpfen. Wieviel rechte Scheiße dann am „Herz von St. Pauli“ haftet (und in Einbeziehung von Abwegungen, was das Lied bedeutet, das Zusammengehörigkeitsgefühl der St. Pauli-Fans, das die Gemeinschaft gegen Rechts stärkt) da bin ich dann dem Lied und seiner Wirkung gegenüber wohl etwas „wohlwollender“ gegenüber gestimmt.
            Ich finde es übrigens eine gute, diskussionswürdige Idee, die ein anderer Kommentator oben (oder unter dem anderen Artikel) schrieb, „Das Herz von St. Pauli“ beizubehalten (für das was es inzwischen geworden ist, nämlich das Gegenteil von „rechter Scheiße“) und direkt im Anschluss lauthals „Siamo tutti antifascisti“ dranzuhängen. Wäre schön, wenn sich das ohnehin etablieren würde (ähnlich wie zum Holocaust-Gedenken beim letzten Heimspiel). Oder auch ein ebensolches Zeichen, dass man die Lieder nicht den Nazis überlässt, wäre bspw., einen abgewandelten/neuen Text zu finden (wie auch schon ein anderer Kommentator vorschlug). Würde im übrigen mehr Aufmerksamkeit schaffen und medial und im Umfeld Fragen aufwerfen, wieso denn der Text dieses so bekannten Liedes geändert wurde. Und schon würde das Thema auch weitere Kreise ziehen und den Fokus auf den Umgang mit NS-Vergangenheit lenken, der sich vielleicht bisher nicht so sehr damit beschäftigt hat. Gleichzeitig würde eine Umtextung oder ein gemeinsames „Siamo“ den inzwischen leider weitverbreiteten Kritikern der „political correctness“, die immer wieder von „Verbotskultur“ reden, den argumentativen und inzwischen schon kampagnenhaften Wind aus den Segeln nehmen.

          2. PS: Mein Satz „Und dass dieser „Fall Ollig“ in seiner Verhältnismäßigkeit bei weitem nicht auf der „TOP100-Liste“ steht, zeigt, wie wenig man über den Mann eigentlich weiß, geschweige denn dass den als Texter überhaupt irgendwer hätte benennen können.“ ist kausal etwas irreführend formuliert. Ich meinte, dadurch dass man so wenig über den Ollig weiß bzw. ihn ohnehin kaum irgendjemand kennt oder mit dem „Herz von St. Pauli“ in Verbindung bringt oder benennen könnte (da kursieren ja auch unterschiedliche Texter-Namen), zeigt sich auf, dass der „Fall Ollig“ in seiner Verhältnismäßigkeit (und „Dringlichkeit“ einer nötigen Bearbeitung) bei weitem nicht gerade zur (sprichwörtlichen) „TOP100-Liste“ zu rechnen wäre.

  41. Natürlich verstehe ich die Auseinandersetzung mit diesem Thema auch wenn ich bei jedem Spiel das gemeinsame Singen des Liedes genieße und mir wünschte wir würden nach einer kritischen Auseinandersetzung zu einer tragbaren Lösung kommen.
    Schlimm und unerträglich finde ich das Come on Antifa Lied in der Pause. Wie können wir diese gewaltbereite Gruppe damit „hoffähig“ machen?. (die Argumentation von Andreas, dass Nazis mit Gewalt entgegengetreten werden muss entsetzt mich)
    Die Antifa hat vor Jahren meine Kinder (damals 9 & 11 Jahre) schwerst körperlich verprügelt als sie mit den christlichen Pfadfinderen unterwegs waren. Von den seelischen Nachwehen will ich gar nicht sprechen. Jede Halbzeitpause ist für mich nach Jahren immer noch schwer zu ertragen!
    Würde mir als Pazifist sehr wünschen, dass wir auch damit mal etwas kritischer umgehen!
    Gewalt ist und bleibt Gewalt, egal von welcher Seite! Für mich haben Extremisten und ihre Verherrlichung nichts im Stadion verloren.

    1. Zum einen schneinst du nicht die Antwortfunktion benutzen zu können. Zum anderen würde ich gern irgendeinen Nachweis der Behauptung „Die Antifa“ habe deine Kinder verprügelt sehen. Also es wird ja sicher ein Artikel dazu existieren. Ansonsten halte ich das für ne Lüge.
      Gegen jeden Extremismus und so nen Scheiß kannst du in Rostock suchen. Auf St. Pauli gilt ein antifaschistischer Grundkonsens. Der Faschismus wurde 1945 nicht mit Wörterbüchern besiegt. Auschwitz nicht durch Debatierclubs befreit und Nazis haben weder in unserem Stadium noch sonst wo einen Platz. Ich komme aus einem kleinen Dorf in Ostdeutschland und bin dort in den 90er jugendlicher gewesen. Ich weiß was Nazis können. #Baseballschlägerjahre

      Ich glaube du solltest deine Halbzeitpause + die Zeit davor und danach einfach in einem anderen Stadion verbringen.

      Siamo tutti antifascisti!

  42. Moin. Ganz ehrlich, ich habe keine Antwort darauf, was „richtig oder falsch“ am Herz von Sankt Pauli ist.
    Wenn ich mir die meisten Kommentare hier durchlese bin ich einfach nur glücklich, das letztendlich der Northside-Dreckslappen seit zig Jahrzehnten nicht mehr hängt und froh das
    sich die Diskussionen um das Erbe des Rahmenprogramms und nicht um die Kurven dreht.

    Welches Lied nun gespielt wird, hmmm. Es gibt sicherlich für alle mehr oder weniger viele Lieder die sich eignen oder ein NoGO sind; habe zu meiner Schande Herrn Felsenheimer im jugendlichen Überschwung auch vom Rasen jagen wollen – obwohl er es eigentlich ja nur gut gemeint hat – würd ich jetzt so ein schätzen… aber damals war es für mich ein Sakrileg und dann noch auf deutsch… so oder so wird sich da was finden. Einen Traum hätte ich, sollten wir je in der Königklasse auflaufen – dann bitte zur „Hymnen“-Zeit: Licht aus, Sisters of Mercy – Temple of Love und dann, lasst es brennen 😉

  43. So, den Beitrag und alle Kommentare gelesen.
    Und darüber nachgedacht.
    Eine wichtige Diskussion mit guten Argumenten auf jeder Seite.
    Ich persönlich finde, das Lied sollte auf jeden Fall weiter genutzt werden.
    Als Distanzierung vom Texter sollte jedoch eine Zeile umgeschrieben werden,
    als Zeichen des reflektierten Umgangs und unserer antifaschistischen Haltung.

    „Antifascista, das liegt uns so im Blut“

    … und gut ist.

  44. Ich gehe seit 1986 zum FC St. Pauli und habe mich über die Jahrzehnte gegen Nazis bei Heim- und Auswärtsspielen gerade gemacht. Ich kann diese Diskussion als alter St. Paulianer nicht nachvollziehen. Wir haben immer Hans Albers Lieder als Identifikation und Integration für unseren Stadtteil, den Hafen, Hamburg und seine Weltoffenheit besungen. Mag vielleicht für jüngere Generationen kitschig klingen, aber für die, die den Verein zu dem gemacht haben, was er heute ist und die ihn als einen fundamentalen Bestandteil ihres Lebens angesehen haben, entfremdet sich das Herz langsam von St. Pauli. Ihr hättet diese Diskussion mal im alten Clubheim mit St. Pauli Willi, Walter Frosch, André Golke und Rüdiger Wenzel führen sollen…

  45. Der FC ST Pauli schloss in der Nazi Zeit jüdische Mitspieler aus und hatte hohe Funktionäre in der nsdap. Wir sollten den Verein umtaufen, besser abmelden

  46. Moin aus Papenburg,
    bitte nicht schon wieder! Das ging mir durch den Kopf, als ich von dieser Sache las. Über das krude Selbstverständnis von „woken“ Weltverbesserern höre und lese ich immer wieder und nach wie vor finde ich es selbstherrlich und dumm. Von dem französischen Autoren Nicolas Boileau (1636-1711 !) gibt den Satz:“ Ein Dummkopf findet immer einen noch größeren Dummkopf, der ihn bewundert. – Un sot trouve toujours un plus sot, qui l‘admire.“ Die Frage ob das Lied gesungen oder abgeschafft werden soll erinnert mich daran, dass es vor einigen Jahren galt, dass man als Mann in Sandalen keine weißen Socken tragen durfte. Irgend jemand hatte die Sau gefunden und dann wurde sie durchs Dorf getrieben.
    Mir gefällt die Überlegung, hier Werk und Autoren zu trennen, wenn es denn hilft („… wenn‘s der Wahrheitsfindung dient.“ F. Teufel 1967). Dabei geht mir durch den Kopf, dass es nicht als gesichert gilt, inwieweit Jary/Ollig/Albers als „staatstragend“ einzustufen sind. Und heißt es in solchem Falle nicht: Im Zweifel FÜR den Angeklagten? Die Idee das Lied „umzuwidmen“ gefällt mir da gut, wenn es denn eine „Ehrenrettung“ geben muss. Lasst es uns als Transportmittel, als Identifikationsobjekt für den Geist nehmen, für den der FC Sankt Pauli steht. Politisch betrachtet ist der Liedtext unverdächtig.
    Für mich heißt das, lassen wir den Michel in Hamburg/die Kirche im Dorf – und das Lied im Millerntor Stadion.

  47. Den historischen Kontext zu kennen ist enorm wichtig und ich fände es toll, wenn es im Museum thematisiert wird. Evtl kann man diese Vergangenheit auch im Stadion im Rahmen eines Heimspiels erörtern.
    Nehmt uns aber bitte nicht die Hymne. Wir haben uns den Text und den Song über Jahrzehnte zu eigen gemacht, niemand assoziiert das Lied mit dem Nazikomponisten. Sollten wir die Hymne tatsächlich ändern, wird bei jedem Spielen des Songs auf Sankt Pauli oder sonstwo die Assoziation zum Nazi Regime vorherrschend sein. Wieso sollten wir unserer Hymne den Faschisten überlassen?

  48. Erstmal vielen Dank an Celina für die Recherche und die vielen Kommentare vor mir.
    Was ich für mich bisher sehe: Das Herz von Sankt Pauli ist kein Nazisong aber ein Song von Nazis (ehemaligen, tot sind sie ja beide) gemacht. Muss jede/r ein Stück weit für sich sehen, wie es gelingt mit der Trennung von Werk/Autor/in umzugehen.
    Für meine weitere Einordnung würde ich mir wünschen, dass Celina (sie ist ja ganz am Anfang. der Recherche, sagt sie selbst) versucht zu erfahren, wie die beiden nach der NS-Zeit selbst mit ihrer Rolle umgegangen sind. Eventuell gibt es noch die Tochter, die dazu was sagen kann? Mir würde es (so wie Jan es sich oben wünscht) dann einfacher fallen, solche Widersprüchlichkeiten auszuhalten.
    Wenn ich hier in den Kommentaren lese: „Über das krude Selbstverständnis von „woken“ Weltverbesserern höre und lese ich immer wieder und nach wie vor finde ich es selbstherrlich und dumm“ (einige Kommentare über mir) in Bezug auf diese Recherche (?!), zeigt es mir wie wichtig solche Arbeiten von hier Celina sind. Die Aufarbeitung der Nachkriegszeit und der in der NS-Zeit aktiven Personen hat aus meiner Sicht nichts mit Selbstherrlichkeit oder Dummheit zu tun.
    Ein Stück weit würde ich das Lied vermissen, sehr froh bin ich über das neue Wissen, ein Stück weit bin ich mir selbst noch nicht im Klaren, was ich tun würde, wenn das Lied am Samstag gespielt würde.

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