Die Tabellensituation komfortabel, der Klassenerhalt bereits geschafft? Nein! Der FC St. Pauli hat noch nichts erreicht!
(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Ein Kommentar von Tim
Nach dem 2:1-Erfolg des FC St. Pauli gegen Holstein Kiel überschlugen sich viele Medien mit der Nachricht „Das war der Klassenerhalt für den FC St. Pauli“. Auch rund um das Team (also bei den Fans) macht sich ein bedenkliches Gefühl der Entspannung breit, als könne man bereits für das kommende Jahr in der Bundesliga planen. Dabei hat der FCSP den Klassenerhalt noch nicht erreicht. Bisher hat der FCSP noch gar nichts erreicht, außer fünf Spieltage vor dem Saisonende in einer guten Position zu sein, um die Klasse zu halten. Nicht weniger, aber vor allem auch nicht mehr!
Alle Antennen ausfahren!
Diese Nachrichten und Entspannungsgefühle aufgrund der Tabellensituation nerven. Sehr. Von ihnen geht nämlich Gefahr aus. Denn was passieren kann, sollte man beim FC St. Pauli nun auch nur einen Deut weniger investieren, hat der bisherige Saisonverlauf gezeigt. Die Erinnerungen daran, was beim FCSP die letzten beiden Male passierte, als man sich in einer vermeintlichen komfortablen Tabellensituation wähnte, sind noch frisch: Nach dem Auswärtssieg in Stuttgart überwinterte der FC St. Pauli auf Rang 14, es folgten zwei Niederlagen zum Jahresstart und kritische Worte von Alexander Blessin, der sein Team etwas zu sehr in der „Komfortzone“ wähnte. Doch das Team fing sich, holte sieben Punkte aus den ersten drei Rückrundenspielen. Nach 20 Spieltagen betrug der Vorsprung auf Rang 16 gute sieben Punkte, wie jetzt auch. Es folgten vier Niederlagen in Serie.
Bisher war die Saison des FC St. Pauli also unter anderem auch davon geprägt, dass auf eine Phase von guten Ergebnissen stets eine mit schlechten führte. Genau das kann jetzt niemand gebrauchen. Die aktuelle Situation sollte also allein aufgrund der Erfahrungen aus der bisherigen Saison nicht zur Entspannung beitragen. Sie sollte eher dazu führen, dass alle Antennen ausgefahren sind.
Absteigen trotz guter Tabellensituation? Ja, das passiert regelmäßig!
Natürlich bedeuten sieben Punkte Vorsprung auf Platz 16, neun auf Platz 17, dass der FC St. Pauli in einer guten Ausgangsposition ist. Dass der Klassenerhalt damit aber alles andere als sicher ist, sollte unbedingt auch jeder/m klar sein. Seit der Saison 10/11, also seit dem letzten Gastspiel des FCSP in der Bundesliga, gab es durchaus schon Situationen, in denen sich nach 34 Spieltagen Clubs auf den Abstiegsrängen wiederfanden, die sich nach 29 Spieltagen in einer komfortablen Situation wähnten. Eintracht Frankfurt zum Beispiel, die nach 29 Spieltagen der Saison 10/11 fünf Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz hatten, am Ende sogar direkt abstiegen. Gleiches Schicksal ereilte den VfB Stuttgart in der Saison 15/16, als es mit sechs Punkten Vorsprung auf Platz zwölf liegend in die letzten Spiele ging und man sich am 34. Spieltag plötzlich auf einem direkten Abstiegsrang wiederfand. Fortuna Düsseldorf verspielte 12/13 ebenfalls einen Vorsprung von sechs Zählern und stieg ab. In der Saison 20/21 war Werder Bremen dann sogar sieben Zähler vor Rang 17 (auf Platz 13), landete aber eben dort nach 34 Spieltagen.
Das alles zeigt, auch wenn es einige Medien anders berichteten: Der Klassenerhalt für den FC St. Pauli ist alles andere als sicher. Angesichts der Nachricht, die der Verein am Dienstag verschickte, ist die Situation sogar noch etwas kritischer geworden. Denn Jackson Irvine wird vorerst ausfallen. Er hat „eine Stressreaktion im linken Fuß“ und fehlt nun „vorerst“, so der Verein am Dienstag. Was genau das bedeutet, kann nur gemutmaßt werden. Zwischen einem Ausfall von ein paar Wochen bis hin zu weit über das Saisonende hinaus scheint dann alles möglich. Get well soon, Jacko!

Verletzung von ‚Crunchtime‘-Jacko zur absoluten Unzeit
Somit hat der FC St. Pauli also nur für kurze Zeit eine richtig positive Personalsituation gehabt. Mit Irvine, James Sands, Karol Mets und Simon Zoller fehlen dem Club einige namhafte Spieler langfristig. Zudem fehlt Noah Weißhaupt aktuell krankheitsbedingt und es wurde erklärt, dass auch Elias Saad (Knieprobleme) und Johannes Eggestein (umgeknickt) Probleme haben. Bei beiden Spieler werde „die weitere Entwicklung in dieser Woche beobachtet“. Diese Beobachtung führt hoffentlich nicht dazu, dass der FCSP weitere Ausfälle verkraften muss.
Ein Ausfall von Jackson Irvine ist extrem schmerzhaft, da er besonders in seiner Rolle als Kapitän wichtig ist. Bereits letzte Saison bewies er, dass er die ‚Crunchtime‘ beherrscht. Als alle in und um den Verein herum anfingen etwas zu zittern, wurde er einfach noch stärker auf dem Platz, vermutlich so stark, wie kein anderer Spieler im Kader des FCSP. Irvine wirkt von außen wie die Inkarnation des Nicht-Nachlassens und mit dieser Art extrem positiv auf den FC St. Pauli. Das wird fehlen, wenngleich es im Team durch die Rückkehr von Connor Metcalfe und Robert Wagner nun neben Carlo Boukhalfa sportlich gute Alternativen gibt. In der Vorsaison hatte Metcalfe immer mit guten Leistungen aushelfen können, wenn Irvine mal fehlte. Das ist hoffentlich auch dieses Mal der Fall.
Es wird also nicht einfacher in den kommenden Spielen für den FC St. Pauli. Die Situation für das Ziel Klassenerhalt ist zwar gut, aber es muss so weitergehen wie zuletzt. Damit das geschieht, muss vielleicht gerade jetzt sogar etwas strenger auf leichte Entspannungs-Erscheinungen an der Kollaustraße geschaut werden. Der Druck muss hoch und die Spannung erhalten bleiben, der FC St. Pauli muss weiterhin am Limit spielen. Das Ziel ist so nah und es hat viel Anstrengung gekostet, überhaupt bis zu diesem Punkt zu kommen. Jetzt wollen wir uns dafür auch belohnen.
Immer weiter vor!
// Tim
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Danke für diesen wichtigen Kommentar! Ich habe auch nicht schlecht gestaunt, als sie selbst im Rasenfunk davon gesprochen haben, dass wir eigentlich durch sind. Dem ist mitnichten so, also hauen wir am Sonntag auch nochmal alles raus und Leverkusen weg!
In der Redax erzählst Du, lieber Tim, uns, dass wir eventuell sogar schon unabgestiegen nach Bremen fahren und heute dann so ein Artikel?
Ich mag es, wenn Du Dich schreibend selbst wieder einfängst, bevor die Pferde ganz mit Dir durchgehen 😄
ChooChoo…!!
Choo! Choo! 😅
Mit jedem offenen Spiel ist die Diskrepanz zwischen „rechnerisch“ und „erwartungsgemäß“ größer. Mit Blick auf das Restprogramm ist kaum zu erwarten, dass Heidenheim in 5 Spielen noch die 8 Punkte holt, die sie brauchen, selbst wenn der FCSP gar keinen Punkt mehr holen sollte. Aber Erwartungen sind nun mal nicht verlässlich. Und daher ist es wichtig, voll konzentriert zu bleiben. Dafür sorgt Blessin bei der Mannschaft. Und Tim bei uns. Danke dafür.
Also ich denke nicht dass wir bis zum Bochum Spiel auch nur eins gewinnen, ich glaube aber auch dass Kiel niemals noch so viele Punkte gegen deren Macht, das selbe auch bei den anderen beiden.
meiner Meinung nach ist der Relegationsplatz safe und wenn wir noch 3 Punkte holen, gerne auch vor dem Bochum Spiel, ist der klassenerhalt sicher.
Als ob die unter uns plötzlich alle Spiele gewinnen.
Ich kann die Presse also nachvollziehen, habe als Fan aber natürlich auch Angst, es kann ja wirklich noch alles schief laufen
Moin Tim,
Danke für den Kommentar. Ich halte es auch für gefährlich, dass nach dem Sieg in Kiel auf einmal alle möglichen Medien (z.B. auch die 11Freunde) schrieben, wir hätten den Klassenerhalt jetzt sicher.
Ich kann mich noch an letztes Jahr erinnern, als auf einmal alle Trainer (z.B. Fiél) auf der Pressekonfernenz uns schon zum Aufstieg gratulierten und wir dann erstmal zwei Spiele verloren haben.
So was macht einfach was mit den Spielern und es kommt zu einem Spannungsabfall o.ä.
Bitter, dass Jacko gerade jetzt ausfällt.
Wir haben noch nichts erreicht – können aber Großes erreichen.
Ich bin aber überzeugt Blessin wird die Mannschaft richtig einstellen und wir werden es schaffen.
Du hast ja völlig recht, Tim.
Andererseits: Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass Leverkusen bei „nur“ sechs Punkten Abstand noch Meister wird?
Wahrscheinlich ist der Ausfall von Irvine gar nicht so schlecht, weil der Ausfall kompensiert werden muß und das alleine schon alle wach rüttelt.
Aber klar, Vorsicht ist die Mutter der Nachsicht oder so ähnlich…
Danke für den Beitrag, Tim. Mich nervt das in Teilen im Umfeld auch (sehr!), aber dennoch:
Ich bin eigentlich optimistisch, dass das Team nicht den selben Fehler macht, wie das Umfeld.
Glaube auch gar nicht, dass die Serie von 4 Niederlagen in Folge nach dem erfolgreichen Rückrundenauftakt daran lag, dass man sich „zu sicher“ war, immerhin waren Leipzig und Mainz (auswärts) und Freiburg und Dortmund (zuhause) ja auch trotz gewissem Gekrisel in Leipzig und Dortmund kein Fallobst. Dass wir in der Hinrunde da besser rausgehen – geschenkt. Dafür haben wir in der Hinrunde die ersten drei verkackt.
Schließlich stimmt mich optimistisch, dass wir am 20. Spieltag 7 Punkte auf den Relegationsplatz (Heidenheim) hatten (das war nach dem 1:1 gegen Augsburg). Vier Niederlagen später (also nach dem 0:2 gegen den BVB) war der Abstand auf den Relegationsplatz zwar auf 4 geschrumpft, aber damals war Bochum auf 16 und der Abstand auf Heidenheim lag mit 6 Punkten immer noch auf recht angenehmem Niveau. Vier Niederlagen in Folge heißen also noch lange nicht, dass wir danach auf #17 landen.
Fast Forward zum 29. Spieltag: WENN wir tatsächlich null Punkte aus den verbliebenen fünf Spielen holen, gilt:
– Kiel muss 11 Punkte aufholen. Also drei gewinnen, zweimal Unentschieden, und dann wäre da noch die Tordifferenz (wir sind da aktuell 20 besser). Kiel hat in 12 Spielen der Rückrunde bisher 7 Punkte geholt.
– Bochum muss 9 Punkte aufholen. Also drei gewinnen plus Tordifferenz. Bochum hat in 12 Spielen der Rückrunde bisher 9 Punkte geholt.
– Heidenheim muss zwar „nur“ 7 aufholen, aber auch da: Zwei Siege, ein Unentschieden und die Tordifferenz. Heidenheim hat in 12 Spielen der Rückrunde bisher 8 Punkte geholt.
Also nur Heidenheim hat in den bisherigen 12 (!) Spielen so viele Punkte geholt, wie sie jetzt aus den verbliebenen fünf holen müssten, um überhaupt nur zu uns aufzuschließen! Und das auch nur knapp.
Ja, alles ist denkbar. Aber auf Basis aller verfügbaren Daten eben doch sehr unwahrscheinlich.
Kann trotzdem passieren? Ja. Klar. Also weiter wachsam sein, konzentriert bleiben.
Dennoch ist es doch viel schöner, fünf Spieltage vor Schluss denken zu können „oh, sieben Punkte vor, gute Sache“ und nicht „oh, nur ein Punkt Abstand, Hilfe!“.
Optimistisch bleiben, ohne nachzulassen. Weiter, immer weiter.
Von der Mannschaft erwarte ich, dass sie weiterhin Vollgas gibt und bis zum rechnerischen Nichtabstieg alles was sie hat reinwirft. Und so schätze ich sie auch ein.
Ich wiederum bin kein Profisportler und bin der Überzeugung das wir durch sind und freue mich auf noch 5 Erstligaspiele, die ich ohne 160er-Puls genießen kann.
Selbst wenn wir alles verlieren muss Bochum 10 von 15 möglichen Punkten holen, 2,0 im Schnitt. Das wird nicht passieren. Heidenheim muss 8 Punkte holen und spielt nun gegen Bayern.
Wir sollten uns auf gar keinen Fall auf diese Bayern verlassen.
ich kann mich nur wiederholen: der klassenerhalt wird VOR dem bochum-spiel rechnerisch perfekt sein. und da is es mir absolut rille, ob die anderen wettbewerber vermeindliche schwächen von uns nicht nutzen können oder wir das selbst erledigen, weil wir weiter punkten. letzteres wäre mir persönlich angenehmer, als ständig zum wettbewerber zu schielen. aber unterm strich isses mir vollkommen wumpe, wie. hauptsache, daß…