Vorbericht: FC St. Pauli – SV Darmstadt 98 (14.Spieltag, 22/23)

Vorbericht: FC St. Pauli – SV Darmstadt 98 (14.Spieltag, 22/23)

Am Samstagabend empfängt der FC St. Pauli mit dem SV Darmstadt 98 mal wieder einen Spitzenreiter am Millerntor. Sicher wird es daher alles andere als einfach, aber auch der FCSP hat einiges zu bieten und es darf ein intensives Fußballspiel erwartet werden.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Zur Vorbereitung empfehle ich das „Vor dem Spiel“-Gespräch von Luca mit Ex-Vorsänger Tim. Das Stadion wird am Samstagabend ausverkauft sein, wie der FCSP vermeldete.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Etwas besser als für das Bielelfeld-Spiel sieht die personelle Situation beim FC St. Pauli aus: Timo Schultz berichtete auf der Pressekonferenz, dass Luca Zander und Carlo Boukhalfa wieder voll am Team-Training teilnehmen können und entsprechend auch für das Spiel einsatzbereit sein dürften.

Leider gibt es inzwischen Gewissheit bei Jakov Medić und David Nemeth: Beide werden in diesem Jahr kein Spiel mehr bestreiten. Medić wurde bereits operiert. Ebenfalls nicht einsatzbereit sind Franz Roggow und Niklas Jessen, die nach ihren Muskelverletzungen immerhin „langsam wieder zurückkommen“, wie Schultz berichtete, für das Spiel aber noch keine Option darstellen. Genauso wenig wird Christopher Avevor eine Option sein. Schultz würde sich freuen, wenn „er mal ein paar Wochen durchtrainieren kann“. Erst dann sei an einen nächsten Schritt wie Einsätze in der U23 zu denken. Der Weg für Avevor ist sehr weit.

SV Darmstadt 98: Wer kann spielen, wer fehlt?

Yay, es gibt rechtzeitig eine Pressekonferenz, sodass ich einen tieferen Einblick in das Personal des Gegners geben kann. Torwart Steve Kroll ist nach Corona-Infektion wieder zurück im Team-Training. Ansonsten sei in das Darmstädter Lazarett „immerhin kein Neuer hinzugekommen“, wie SVD-Trainer Torsten Lieberknecht bereichtete.

Das bedeutet, dass im defensiven Mittelfeld Klaus Gjasula (Muskelbündelriss) und Fabian Schnellhardt (Außenbandriss Knie) fehlen werden. Weiter vorne fehlen Magnus Warming (Syndesmosebandriss – Mittwoch operiert worden), Mathias Honsak (Rückenprobleme) und Aaron Seydel (Muskelverletzung). Das ist schon eine recht prominent besetzte Liste an Ausfällen.

Darmstadt, Deutschland, 20.11.2021 - Torsten Lieberknecht, Trainer vom SV Darmstadt 98- Copyright: Peter Boehmer
Seit letztem Sommer ist Torsten Lieberknecht Trainer in Darmstadt, was sich rückblickend betrachtet als echter Glückgriff erwies.
(c) Peter Boehmer

Vereinloser Bennetts neu dabei

Der SV Darmstadt hat bereits letzte Woche auf die Verletzungen auf der linken Seite reagiert und den vereinslosen Keanen Bennetts verpflichtet, der zuletzt in Gladbach aktiv war. Nach rund einer Trainingswoche bescheinigt ihm Lieberknecht, dass er körperlich in einem guten Zustand sei und davon ausgeht, dass er gegen den FCSP im Kader stehen wird und auch Spielminuten sammeln könnte.

Was haben die Lilien zu bieten?

Nur eine Niederlage und die ist schon länger her. Am 1. Spieltag verlor das Team beim SSV Jahn Regensburg mit 0:2. Es folgten vier Siege, drei Unentschieden, erneut vier Siege und zuletzt das 1:1 gegen Holstein Kiel. Mit 28 Punkten steht das Team aktuell an der Tabellenspitze. Auch im Pokal ist Darmstadt noch dabei: Nach dem Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach steht nun das Derby gegen Eintracht Frankfurt an.

Pizza-Grafik mit Kern-Statistiken vom SV Darmstadt 98 nach 13 Spieltagen der 2. Bundesliga 22/23.

Der Blick in die Pizza-Grafik zeigt, dass Darmstadt 98 aus seinen Möglichkeiten sehr viel macht: Das Team schießt mehr Tore und fängt sich auch weniger als nach xG-Werten wahrscheinlich. Rechnet man beides zusammen, dann haben die Lilien ein um knapp neun Tore besseres Torverhältnis – Spitzenwert der Liga. Der FC St. Pauli ist in dieser Kategorie übrigens das Schlusslicht mit acht Toren weniger als nach xG wahrscheinlich.

Auffällig ist ebenfalls, dass die Lilien eher durchschnittliche Zahlen bei Ballbesitz und Torschüssen aufweisen, die Anzahl an Ballkontakten im gegnerischen Strafraum und auch die erfolgreichen Pässe kurz vor dem gegnerischen Tor sehr hoch sind. Beides ist ein Ausdruck der starken Effizienz ihrer Spielweise. Den Darmstädtern gelingt es sehr gut nach vorne zu spielen: Bei Pässen ins letzte Drittel und bei Schnittstellenpässen haben sie jeweils die zweitbeste Quote der Liga.

Die Physis und das Tempo im Angriff

Entscheidend für den Erfolg in der Offensive ist das Sturm-Duo bestehend aus Phillip Tietz und Braydon Manu. Zusammen haben sie bereits zehn Treffer erzielt und gerade ihre doch sehr unterschiedliche Spielweise macht sie zu einem fast perfekten Sturm-Duo. Tietz ist der klassische Zielspieler, der sehr körperlich agiert und erste Anspielstation für lange Bälle ist (kein Team spielt mehr lange Pässe als Darmstadt). Er gewinnt für einen Angreifer bemerkenswerte 50% seiner Kopfballduelle. Manu hingegen wirbelt wie ein Satellit um Tietz herum, ist sehr schnell und dribbelstark, sucht häufig den Weg in die Tiefe. Angesprochen auf die vielen langen Bälle hebt auch Timo Schultz das Angriffs-Duo heraus:

„Darmstadt hat mit Tietz einen extrem guten Zielspieler, der die Bälle festmacht oder verlängert und daneben mit Manu einen Spieler mit Top-Speed, der sehr beweglich ist, von daher ist es sicher ein probates Mittel so zu agieren, gerade wenn man in der ersten Linie mehr Druck bekommt.“

Timo Schultz über das Duo Tietz/Manu und die vielen langen Bälle von Darmstadt 98.

Ohnehin ist Darmstadt 98 sehr präsent in der Luft. Innenverteidiger Patric Pfeiffer ist mit über 83% gewonnener Kopfballduelle mit deutlichem Abstand der beste Kopfballspieler der Liga, hat dies auch schon mit Toren nach Standards nachgewiesen. Schultz betont, daher, dass es darum gehe den Gegner „zu bespielen“ und ihn „in Bewegung zu bringen“, wenn man offensiv erfolgreich sein möchte.

Darmstadt, Deutschland, 20.11.2021 - Jakov Medic (FC St. Pauli) im Duell mit Phillip Tietz und Braydon Manu (SV Darmstadt 98)- Copyright: Peter Boehmer
Jakov Medić hatte letzte Saison viel „Spaß“ mit dem Duo Phillip Tietz und Braydon Manu: Gegen Tietz gab es in direkten Duellen zwei kritische Entscheidungen gegen ihn (welche beide zu Gegentoren führten). Manu brach ihm bei einem Kopfballduell die Nase.
(c) Peter Boehmer

Unbezwingbar in der Luft?

Ohnehin betont Timo Schultz die Eingespieltheit der Lilien und hebt ihre Physis hervor. Eingespielt scheinen sie vor allem deshalb zu sein, da sie mit Luca Pfeiffer nur eine der Säulen aus der Vorsaison im Sommer abgegeben haben und somit mehr oder weniger komplett auf das Team der Vorsaison, wo sie ja ebenfalls lange um den Aufstieg spielten, aufbauen können.

Doch es ist nicht nur der zusammengehaltene Kader, der das Team in dieser Saison so stark macht. Die Spielweise der Lilien wurde weiterentwickelt. In der Vorsaison hat das Team zumeist in einem 4-1-4-1 oder aber mit zwei offensiven Außen und einer Doppelsechs (4-2-2-2) agiert. Seit dieser Saison sieht man vermehrt eine Dreierkette auf Seiten der Lilien und auch die Mittelfeldraute haben sie schon mehrfach gespielt. Schultz betont, dass sie gegen den HSV mit ihrer Dreierkette eine „beeindruckende Leistung“ gezeigt haben (wie in dieser Saison eigentlich alle Teams, die gegen den HSV mit einer Dreierkette agierten) und zuletzt auch Flexibilität bewiesen hätten, als sie im Spiel gegen Kiel noch in der ersten Halbzeit auf eine Viererkette umstellten.

Ich persönlich mag übrigens Rechtsverteidiger Matthias Bader sehr gerne. Er ist ein eher unscheinbarer Fußballer, der körperlich und technisch auf den ersten Blick gar nicht so hervorsticht, aber mit dem Ball am Fuß eine ganze Menge bewegen, sich irgendwie fast immer durchsetzen kann und zumeist die richtigen Entscheidungen trifft. Mit einer Erfolgsquote von 60% in seinen Offensivduellen ist er fast einzigartig in der Liga. Auch defensiv ist er sehr wertvoll, fängt für einen Rechtsverteidiger enorm viele Pässe ab und besticht dabei mit fairer und äußerst kluger Spielweise.

Mögliche Aufstellung

So ganz ist nicht vorhersehbar, in welcher Formation die Lilien am Millerntor antreten werden („Wir sind auf beides eingestellt“ sagt Schultz). Personell ist der Unterschied zwischen dem 3-4-1-2 und dem 4-4-2 mit Raute ohnehin nicht vorhanden. Nur die Rolle von Jannik Müller ist entscheidend: Entweder agiert er vor einer Viererkette oder er lässt sich in diese zurückfallen, sodass die beiden Außenspieler weiter vorschieben können – und dieses Verhalten entscheidend darüber, um welche Formation es sich handelt.

Da der FC St. Pauli gegen Dreierketten immer wieder Probleme hatte, dürfte es aber schon sehr verwundern, wenn Darmstadt 98 nicht mit dieser Formation antreten wird. Personell ist nicht mit Wechseln im Vergleich zur letzten Partie zu rechnen. Das Team ist eingespielt, die Situation um die verletzten Spieler hat sich nicht geändert, also: „Never change a running system“.

Erwartete Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen SV Darmstadt 98.
Erwartete Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen SV Darmstadt 98.

Nun stellt sich natürlich die Frage, mit welcher Formation der FC St. Pauli gegen Darmstadt 98 antreten wird. Möglichkeiten gibt es inzwischen viele, das Team ist taktisch flexibler geworden, wie Schultz auf der PK positiv hervorhebt. Grundsätzlich bietet sich natürlich das zuletzt praktizierte 3-5-2 an, da man damit recht gut die Mannorientierung auf Tietz und zeitgleich die zu sichernde Tiefe gegen Manu bieten kann. Die Formation hat aber offensiv bisher noch nicht ganz so gut gezündet und gerade wenn es dann gegen eine gegnerische Dreierkette geht, dürfte sich der große Vorteil, die Besetzung der Außenbahnen, gegenseitig aufheben und der FCSP müsste andere Mittel und Wege im Offensivspiel finden.

Personell gibt es dabei eigentlich nur in der Offensive Fragezeichen. Die Abwehr stellt sich komplett von alleine auf, da Manolis Saliakas und Leart Paqarada unangefochtene Stammspieler sind und die Innenverteidigung durch die Ausfälle fast auf letzter Rille unterwegs ist. Im Mittelfeld führt zudem kein Weg am Trio Afeez Aremu, Marcel Hartel und Jackson Irvine vorbei.

Wer spielt neben Daschner?

Ganz vorne dürfte sich am ehesten Lukas Daschner festgespielt haben. Ob Etienne Amenyido neben ihm starten wird, dürfte das größte Rätsel in einer ansonsten wohl unveränderten Startelf sein. Sollte das Team recht viel Ballbesitz und viel Aktivität im gegnerischen Drittel erwarten, dann dürfte Johannes Eggestein ein Thema werden. Je weiter entfernt vom gegnerischen Tor das Spiel läuft, umso geringer ist seine Einsatzchance. Igor Matanović dürfte vor allem dann ein Thema sein, wenn es um eigene lange Bälle geht, womit ich nicht unbedingt rechne. David Otto könnte aufgrund seiner Kopfballstärke auch für Standards infrage kommen. Ich gehe aus Tempogründen mit Amenyido.

Übrigens kamen in dieser Saison auch der SC Paderborn und der HSV als Spitzenreiter ans Millerntor und haben jeweils Punkte hiergelassen. Mit den schwachen Auftritten des FCSP auf fremden Plätzen (nur zwei Punkte aus sieben Saisonspielen) haben jene am Millerntor nämlich eher wenig zu tun. Dem FC St. Pauli könnte die gesamte Situation – Heimspiel, Flutlicht, aktiver Gegner – recht gut passen. Denn Darmstadt ist das fünfte Team aus den aktuellen Top5 der Liga, welches gegen St. Pauli spielt. Ein Sieg und drei Unentschieden holte der FCSP aus den vorherigen vier Partien und ist zuhause mit drei Siegen und drei Unentschieden sehr viel stärker als auf fremden Plätzen einzuschätzen. Call me a hoffnungsloser Optimist, aber ich hab schon richtig Bock auf das Spiel!

Forza!
// Tim

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