Roger Stilz verlässt den FCSP

Roger Stilz verlässt den FCSP

„Wir brauchen dringend Wintertransfers!“ – Ja, den Satz haben wir anders gemeint. Der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ), Roger Stilz, verlässt den FC St.Pauli mit sofortiger Wirkung und wird Sportdirektor beim belgischen Erstligisten Waasland Beveren.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Wären wir nicht der Blog für positives Denken sondern auf maximale Empörung ausgerichteter Boulevard, könnte man hier jetzt solche Phrasen wie „Auflösungserscheinungen!“ und „Die Ersten verlassen das sinkende Schiff!“ lesen. Da wir aber ja der Blog für positives Denken sind, wünschen wir Roger Stilz zunächst einmal alles Gute bei seiner neuen Aufgabe – und schauen uns das dann mal genauer an, inkl. der Überlegung, ob das für ihn auch ohne Abstiegskampf der Profis ein nachvollziehbarer Schritt gewesen wäre.
(Spoiler für die Ungeduldigen: Wahrscheinlich schon.)
Ist dies für den Verein eine gute Nachricht? Wahrscheinlich nicht.

Seine Zeit beim FCSP

Stilz übernahm im Mai 2016 den Posten des sportlichen Leiters des NLZ, nachdem er als Spieler u.a. für Altona 93 und Victoria im Hamburger Amateurfußball aktiv war, bei letzterem bereits die Jugendabteilung leitete und als Co-Trainer u.a. beim 1.FC Nürnberg und unserem Nachbarn tätig war.
Er hatte 2016 auch den „Fußball-Lehrer“, also die höchste Trainerausbildung, abgeschlossen.

Er setzte die bis dahin bereits sehr gute Arbeit von Joachim Philipkowski fort und professionalisierte das NLZ des Vereins immer weiter. Die Nachwuchs-Teams des Vereins spielen alle in den jeweils höchsten Ligen und haben in den letzten Jahren meist auch deutlich frühzeitiger als in vielen Jahren zuvor die Klasse gehalten, die U19 und U17 haben es teilweise sogar geschafft im oberen Drittel der Bundesliga mitzuspielen.

Roger Stilz an der Kollaustrasse, 2017 // (c) Peter Böhmer

Das NLZ des FCSP hatte auch in den zwei Bewertungen zuvor die höchstmögliche Auszeichnung des DFB erhalten (drei Sterne), diese Bewertung wurde unter Stilz auch jeweils wieder erreicht.

Und last but not least, ist die Durchlässigkeit von Spielern, die beim FCSP ausgebildet worden, auch durchaus besser als in vielen Jahren zuvor. Aktuelle Beispiele dafür sind Finn-Ole Becker, Igor Matanovic oder Leon Flach, aber auch Spieler wie Zehir, Carstens, Coordes, Schneider, Park oder Koglin, von denen alle zu Zweitligaeinsätzen kamen und die heute noch mindestens in der 3.Liga spielen.
Aber auch in anderen Bereichen des Lizenz-Teams haben sich Personen über das NLZ reingearbeitet. Timo Schultz als Cheftrainer, Jannik Niden als Video-Analyst oder Karim Rahwan als Athletik-Trainer sind hier zu nennen.
Keine Frage, das NLZ ist für das Lizenz-Team des FC St. Pauli die wichtigste Quelle geworden. Eine Entwicklung, die unter der Leitung von Roger Stilz nochmal Fahrt aufgenommen hat.

Wer einen besseren Eindruck von der Art und Weise haben will, wie Roger über Fußball und Nachwuchsförderung denkt, darf sich diesen gerne in unserer Monatssendung aus März 2018 holen, in dem wir ihn zu Gast hatten.

Ein logischer Schritt?

Viereinhalb Jahre auf einer Position sind im schnelllebigen Fußball-Business schon eine lange Zeit und daher ist die „langfristig angelegte Zusammenarbeit“ die Thomas Meggle damals bei Stilz‘ Amtsantritt vorhersagte, wohl durchaus auch als solche zu bewerten.

Sein neuer Arbeitgeber Waasland Beveren (vollständiger Name übrigens: „KV Red Star Waasland – Sportkring Beveren“) steckt als 16. in der belgischen Jupiler Pro League aktuell ähnlich tief im Abstiegskampf wie wir – mit allzu vielen Millionen dürfte Stilz allein schon pandemiebedingt normalerweise dort nicht hantieren dürfen. Allerdings ist im September eine amerikanische Investorengruppe dort eingestiegen, zu der auch Crystal Palace gehört, die professionellere Strukturen durchaus vorantreiben dürfte. Ein gewisses Grundkapital ist also auch gut möglich.
So ist also ein Posten als sportlicher Leiter eines Erstligisten natürlich ein Upgrade zur Position eines NLZ-Leiters bei uns – und wer schon mal mit Stilz gesprochen hat, weiß auch, dass für ihn viereinhalb Jahre eine besonders lange Zeit sind und er sich auf seiner Reise noch lange nicht am Ende wähnte.
Insofern: Alles Gute, Roger, wir wünschen Dir viel Erfolg im neuen Job und ein bisschen mehr Spielglück im Abstiegskampf, als es der FCSP zuletzt hatte.

Die Nachfolge

Kommissarisch übernimmt vorerst Benjamin Liedtke, der bisher bereits den Bereich der U10 bis zur U15 verantwortete. Ob dies auch als dauerhafte Lösung funktioniert, wird sich zeigen, in Zeiten von Einsparungen durch die Pandemie und akuter Abstiegsnot des Profiteams dürfte dies im Zweifel die sicherere und kostengünstigere Variante darstellen, als sich jetzt noch eine externe Kraft dazu zu holen.

Kosten in der Pandemie ist ein guter Stichwortgeber. Denn die notwendigen Einsparungen in den Klubs durch die Corona-Pandemie werden ganz sicher auch nicht vor den NLZ’s Halt machen. Das NLZ des FCSP beschäftigt viele, sehr viele Personen in verschiedensten Funktionen (pädagogische Leitung, Athletiktraining, Mentaltraining, Videoanalyse…). Wir hoffen sehr, dass der Abgang von Roger Stilz hier nicht so etwas wie eine Initialzündung war. Aber es ist wohl davon auszugehen, dass sich auch an der Gesamtstruktur des NLZ etwas ändern wird – und ein eventueller Abstieg im Sommer (von dem wir selbstverständlich auch weiterhin nicht ausgehen, der vom Verein aber zumindest als worst case Szenario weiter mitgedacht werden muss) dürfte dies auch nicht verbessern.

Klar ist auch: In der aktuellen Situation braucht der Verein positive Schlagzeilen dringender denn je. Und diese heute gehört dann wohl eher nicht dazu.

Also nochmals: Alles Gute für Deine persönliche Zukunft, Roger. Mögen den Europapokalspielen mit Vaduz als Spieler vielleicht noch ein paar als sportlicher Leiter hinzukommen.

// Maik

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