Taskforce Zukunft Profifußball

Taskforce Zukunft Profifußball

Es war die große Hoffnung auf eine Wende zum Guten. Ein Erwachen des Profifußballs. Notgedrungen zwar, durch die Zwänge der Pandemie, aber immerhin, besser als nichts. Und gerade noch rechtzeitig. Jetzt wurden die Ergebnisse veröffentlicht – und es bleibt wenig bis gar nichts davon über.
(Titelbild: Peter Boehmer)

Wer, was, wann?

Die DFL hatte geladen und so ziemlich alle kamen. 37 „Expertinnen und Experten aus Sport, Gesellschaft, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft“ (Liste am Ende der Erklärung) waren eingeladen, in drei parallel stattfindenden Gruppen zu je drei Terminen über je drei Stunden ergebnisoffen über all die Themen zu sprechen, die im Profifußball gerade schief laufen oder zumindest für die Zukunft verbessert werden sollten.

Die Themenblöcke im Einzelnen:

  • Berücksichtigung von Fan-Interessen: Wie kann der clubübergreifende Dialog mit Fans sinnvoll intensiviert werden? Welche Voraussetzungen gibt es dabei zu beachten?
  • Ethik-Richtlinie/Wertekatalog/„Code of Conduct“: Wäre es sinnvoll und praktikabel, über die in den Statuten festgehaltenen Grundsätze hinaus gewisse Leitplanken für Verantwortliche, Spieler und Fans (z.B. Verhaltenskodex) einzuführen? Was spricht dafür/dagegen?
  • Förderung von Frauenfußball: Sollte es für die Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga verpflichtend werden, sich noch stärker im Frauenfußball zu engagieren? Wenn ja: Welche Schritte erscheinen sinnvoll?
  • Gesellschaftliche Verankerung: Welche Maßnahmen könnten die Liga und die Clubs ergreifen mit Blick auf die gesellschaftliche Verankerung des Profifußballs in Deutschland (z.B. aus sozialen oder ökologischen Gesichtspunkten)? Was spricht für/gegen entsprechende Maßnahmen?
  • Wettbewerbsbalance im Profifußball: Welche Argumente sprechen für/gegen eine gezielte Förderung von Wettbewerbsbalance in der Bundesliga und 2. Bundesliga? Welche Ziele und Maßnahmen zur Optimierung der Wettbewerbsbalance erscheinen sinnvoll?
  • Wirtschaftliche Stabilität im Profifußball: Sind weitere Maßnahmen zum Aufbau finanzieller Rücklagen – bei den Clubs oder der DFL – wünschenswert? Wenn ja, welche könnten dabei sinnvoll sein? Welche Vor- und Nachteile hätten diese konkreten Maßnahmen?
  • Zahlungsströme im Profifußball: Was spricht dafür/dagegen, bestimmte Zahlungsströme innerhalb des Profifußballs zu begrenzen (z.B. Salary Cap oder Beraterhonorare)? Welche Möglichkeiten der Umsetzung gibt es?

Diese Treffen fanden im vergangenen Jahr statt und u.a. beim Zukunft Profifußball Podcast könnt Ihr dazu die Sichtweisen anhören, wie diese Treffen aus Fanperspektive wahrgenommen wurden. (Teil 1, Teil 2, Teil 3)

Das Ergebnis

Heute veröffentlichte die DFL dann auf einer Pressekonferenz die Ergebnisse (pdf). Zunächst werden sieben Ziele für 2030 genannt, die allesamt ähnlich logisch sind wie der Allgemeine Wunsch nach Weltfrieden, tatsächlich werden auch die UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte erwähnt.

Im Anschluss werden 17 „Handlungsempfehlungen“ seitens der Taskforce aufgelistet, jeweils mit Unterpunkten. Was hier, rein formal, auffällt: Bei derlei Dokumenten wird aus symbolischen Gründen ja gerne mit den Unterschriften aller Beteiligter geworben. Hier sind es zwar „Handlungsempfehlungen“ der Taskforce, auf die symbolische Unterschrift aber wurde (bewusst oder unbewusst?) verzichtet und es werden lediglich die Teilnehmer:innen am Ende aufgelistet. Vielleicht auch nur eine Spitzfindigkeit unsererseits, aber es fiel halt auf.

Das Wort „Handlungsempfehlung“ dürfte hingegen absolut bewusst gewählt worden sein – womit wir gleich beim größten Kritikpunkt sind. Denn beschlossen oder entschieden wurde nichts. Vielleicht ist diese Hoffnung von vornherein gar nicht gegeben gewesen, schließlich können nur die 36 Clubs auf der DFL-Mitgliederversammlung verbindliche Entschlüsse treffen. „Etwas“ konkreter hätte es aber schon sein dürfen.
Und so ist der Ergebnisbericht auf jeden Fall schon mal Deutscher Meister im Konjunktiv. 38x „soll“ in verschiedenen Formen, 22x „kann/könnte“, lediglich „wäre“ fällt mit nur drei Treffern deutlich ab, wir kommen aber noch auf 5x „denkbar“.

Vermehrte Zeit im HomeOffice hat wohl auch dazu geführt, dass sich viele Beteiligte mehr mit dem US-Sport beschäftigt haben. Freundschaftsspiele vor der Saison könnten jetzt in einer „Pre-Season“ stattfinden, ein „Day of Service“ und „Social Awards“ sind denkbar.
Gerade die Vorschläge „Testspiele gegen unterklassige Vereine“ als Charity-Event oder „Freikarten für sozial benachteiligte Menschen“ kommen aus dem letzten Jahrhundert. Das sich ernsthaft jemand hingesetzt hat und dies als Teil einer klug ausgearbeiteten „Handlungsempfehlung“ darstellt… meine Güte!

Ansonsten sollen mindestens drei neue Arbeitsgruppen und Kommissionen gebildet (Nachhaltigkeit und Verantwortung, Stärkung wirtschaftliche Stabilität, Intensivierung des Fandialogs) werden.

Und während damit alles vage und in alle Richtungen umsetzbar bleibt, gibt es dann auch noch eine Kröte zu schlucken:

„50+1 hat aus Sicht vieler Teilnehmer*innen der Taskforce wesentlich zur Stabilität des deutschen Profifußballs beigetragen und sollte deshalb beibehalten werden.“
ABER!!!
„Beispiele in anderen europäischen Ligen haben jedoch gezeigt, dass das Engagement von professionellen Investoren für mehr Wettbewerb sorgen kann.“

Und
Eine unvoreingenommene, offene Prüfung, ob unter Vorgabe transparenterBedingun-genbestimmten Investierenden, die ESG-Kriterien erfüllen oder verfolgen, der Weg in den Profifußball erleichtert werden kann, wird als sinnvoll erachtet.“

Gut, immerhin hat man auf andere Länder verwiesen und diverse Vorfälle hierzulande lieber ausgeblendet. Es würde aber wahrscheinlich auch niemanden mehr überraschen, wenn von allen Handlungsempfehlungen mit den ganzen Konjunktiven die Löschung von 50+1 als Erstes umgesetzt werden würde.

Entschuldigt unseren Zynismus, aber diese Handlungsempfehlung ist nicht weniger als die Aufweichung der 50+1-Regel und genau das Gegenteil von dem, was sich die meisten von dieser Taskforce erhofft haben. Allein, dass dort „50+1 (…) sollte beibehalten werden“ geschrieben steht.
Ja klar, die Zusammensetzung der Taskforce ist eben sehr heterogen und bildet entsprechend nicht nur Fan-Interessen ab. Aber anscheinend haben viele Personen in der Taskforce trotz Pandemie und der damit verbundenen Abwendung vieler Fans vom Fußball, trotz eines komplett uninteressanten Wettbewerbs in der Bundesliga dank Plastik-Konstrukten und dem Modus, dass reiche Klubs nur noch reicher werden können, nicht verstanden, dass die bereits weiche Handhabung von 50+1 eines der Kernprobleme ist und die Zukunft des Bundesliga-Fußballs massiv bedroht. Dieses Kernproblem, dieses Feuer mit eben jenem Feuer zu bekämpfen, auf dümmere Ideen kannste einfach nicht kommen.

Und jetzt?

Mit dem angestoßenen interdisziplinären Dialog sowie der Konkretisierung und schrittweisen Umsetzung der Handlungsempfehlungen zeigt die DFL eine klare Haltung, mit dem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit in den zentralen Dimensionen Ökologie, Ökonomie, gesellschaftlicher Verantwortung und guter Führung. Mit mutigen Schritten wird es der DFL und Ihren Clubs gelingen, eine Vorreiterrolle in Europa einzunehmen.

Fazit der Taskforce

Tja, nun… lasst es uns ganz vorsichtig so formulieren:
Am Arsch.

Die „Vorreiterrolle in Europa“ in diesen Themen zu übernehmen ist angesichts des Verhaltens anderer Ligen wie der Premier League oder der La Liga in etwa so lobenswert, als würde ein Unternehmen sich zum Ziel setzen „mindestens so gute Arbeitsbedingungen wie in den Paketzentren von Amazon“ zu schaffen. Da kann man auch morgens aufstehen und sich „Atmen!“ zum Ziel setzen.

Selbst wenn die 36 Vereine der DFL dieses Papier zeitnah komplett durchwinken sollten (haha, Konjunktiv, wir haben bei den Besten gelernt), so stehen konkrete nächste Schritte noch lange nicht direkt vor der Tür. Es bedarf wohl noch ein paar weiterer Arbeitsgruppen, Taskforces und Kommissionen, bis dann da vielleicht wirklich was bei rum kommt.
Das Jahr „2030“ fiel ja schon mal – ob bis dahin diese Ziele als „erreicht“ bewertet werden können, wagen wir dann mal zu bezweifeln.

Aber: Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt…

Weitere Links:
Sportschau (Kommentar)
Zukunft Profifußball (pdf)

// Tim & Maik

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3 thoughts on “Taskforce Zukunft Profifußball

  1. Hei-da-daus, die haben sich ja tatsächlich Bahn brechende Geschichten ausgedacht. Hört sich so´n bisschen nach „Alles kann- nichts muss!“ an.
    Schön zu wissen, dass ihr uns gut informiert und die wesentlichen Dinge FCSP- mäßig kommentiert.

    Ich hätte aber auch noch einen Vorschlag für die Task Force, der fast sämtliche Themenblöcke verbindet, vielleicht sogar erweitert:

    Um nicht nur den Floristen und den Entwicklungsländern durch die Pandemie und überhaupt zu helfen, mehr Frauen und damit Diversität ins Stadion zu bekommen, könnte doch festgeschrieben werden, dass Frauen grundsätzlich beim Stadioneintritt eine Rose erhalten.

    Würde doch so ungefähr in die Handlungsempfehlungscarta passen oder hab ich da jetzt etwas falsch verstanden?!

    Immer zu Diensten
    euer Käpt´n Queerpass

    1. Ich sehe schon, Deine Mitarbeit in der Taskforce hätte zumindest nicht geschadet!

      (Ich bin weit davon entfernt, den beteiligten Fans einen Vorwurf zu machen. Aber das Ergebnis bestätigt leider alle Vorbehalte, die am Anfang schon geäußert wurden.)

  2. Aus Fansicht hätte mensch schon nach dem Einstieg in die tolle „Vision 2030“ das Lesen abbrechen können:

    „Die Bundesliga als eine der größten und beliebtesten Profisportligen der Welt und die 2. Bundesliga sind sportlich erfolgreich und wirtschaftlich gesund. Sie begeistern die Menschen in den Stadien und sind einer der attraktivsten Medieninhalte Deutschlands mit globaler Ausstrahlung.“

    Genau DAS, dürfte 95% der Fans in den Stadien total latz sein. Im Gegenteil: Die „größten und beliebtesten Profisportligen der Welt“ werden sich naturgemäß vor allem auch durch durch Kohle, Vermarktung und Werbe-Ramtamtam ohne Ende auszeichnen.
    Die Grundidee, sich als Fans und Mitglieder eines mitgliedergeführten e.V. auf Augenhöhe mit anderen Vereinen im sportlichen Wettbewerb messen zu können, kann an dieser Stelle schon mal beerdigt werden.

    Und auch die „attraktivsten Medieninhalte mit globaler Ausstrahlung“ werden sich vermutlich nicht um 15:30 Uhr MEZ verkaufen lassen. Hiermit wird eine der originären Kernforderungen von Fanbewegungen gleich noch mal mit entsorgt.

    Na dann viel Erfolg beim nun offiziell eröffneten globalen Wettlauf!

    Höher, schneller, weiter…

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