Der FC St. Pauli verliert nicht unverdient mit 0-2 gegen den SC Paderborn. Im Spiel zweier auf Umschaltmomente fokussierter Teams gewann letztlich das Team, dass noch etwas mehr Tempo hatte und noch etwas präziser agierte.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Die Aufstellung
Den Namen nach zu urteilen hätte es auch ein 3-5-2 sein können, aber Luca Zander spielte in der ersten Halbzeit auf der halbrechten Position in der Raute. Somit blieb der FCSP bei seinem angestammten 4-4-2 mit Raute. In der Innenverteidigung startete neben James Lawrence einmal mehr Tore Reginiussen, der gegen den KSC überzeugt hatte.
Der SC Paderborn stellte seine Formation nicht wesentlich um, aber doch entscheidend auf den FCSP zugeschnitten: Statt dem bisher diese Saison meist praktiziertem Spiel mit einer zentralen Spitze und sehr hohen offensiven Außenspielern, agierte der SCP dieses Mal ebenfalls in einem 4-4-2 mit Mittelfeldraute. Interessant an der Formation war die Rolle von Dennis Srbeny: Der spielt üblicherweise als Mittelstürmer, fand sich aber gestern auf der Zehn wieder. Die Doppelspitze bildeten Führich und Michel. Ein kleiner, aber sinnvoller Schachzug von SCP-Trainer Steffen Baumgart. Denn so konnte sich Srbeny den FCSP-Innenverteidigern entziehen (und war gegen Benatelli körperlich im Vorteil). Wichtiger aber noch, dass der offensive Fokus mit einer Doppelspitze Michel/Führich noch mehr auf das Tempo gelegt wurde. Keine Frage, der SCP hatte sich da einen guten Matchplan zurechtgelegt, um den FCSP zu knacken.
Mit dem 4-4-2 spiegelte Paderborn die Formation des FCSP auf dem Feld. Dadurch forcierte Paderborn direkte Duelle in der Defensive – und war damit erfolgreich. Denn diese Duelle wurden häufig genug gewonnen und der SCP konnte dann genau das spielen, was dem FCSP auch schon in den Spielen zuvor Probleme bereitete: Nach Ballgewinnen wurden fast konsequent Bälle lang direkt in die Tiefe gespielt.
Tempo offensiv – Probleme defensiv
Dieser Plan ging auf, da der SC Paderborn nicht nur die Formation des FCSP spiegelte sondern auch in einer anderen Eigenschaft dem Spiel des FC St. Pauli enorm ähnelte: Die Offensive ist vor allem durch das enorme Tempo brandgefährlich und für einen Zweitligisten auch nicht über 90 Minuten zu verteidigen.
Entsprechend war es so ein tiefer Ball, der den FCSP in der 7. Minute knackte, als Führich auf die Reise geschickt wurde und technisch ansprechend an Stojanović den Ball vorbeilupfte, sodass Lawrence zwar vor der Linie an den Ball kam, diesen aber nicht mehr die nötige Richtungsänderung mitgeben konnte.
Auch das vermeintliche zweite Tor von Paderborn entstand durch einen solchen tiefen Ball, dieses Mal auf Sven Michel, der erst Lawrence entwischte und sich dann von Reginiussen auf dem Fuß erwischen ließ. Der Elfmeterpfiff war unzweifelhaft, die Abseitsstellung von Michel beim Pass in die Tiefe schon eher. Trotzdem schaltete sich der VAR ein. Ich denke bei so knappen Entscheidungen ja immer, dass die Framerate und die Auflösung der Kamera gar nicht so gut darstellen kann, wann genau der Ball den Fuß des Passspielers verlässt.
Aber soviel nur am Rande. Der Rest der Halbzeit war vom Versuch der Spielkontrolle beim FCSP geprägt. Es war definitiv nicht so, dass es keine Situationen oder Chancen gab. Ich würde schätzen, dass der FCSP in der ersten Halbzeit sogar häufiger in die gefährliche Zone von Paderborn eindringen könnte als andersrum. Aber dort angekommen waren es dann meist nur Standards, die heraussprangen. Und diese Bälle waren schon von ziemlich konsequenter Harmlosigkeit geprägt.
Ab Mitte der ersten Hälfte, als die doch recht wilde Anfangsphase durch eine etwas ruhigere Phase abgelöst wurde, konnte ich leichte Veränderungen im Defensivpressing des FCSP feststellen: Bisher waren es immer die Spieler auf den Halbpositionen im Mittelfeld, die die gegnerischen Außenverteidiger anliefen. Gegen Paderborn war es, wenn der FCSP seine Ordnung gefunden hatte, auf der linken Seite Paqarada, der Ananou im Pressing anlief (Ohlsson tat dies nicht – auf rechts war es Zander, der dies in „altbewährter“ Manier von der Halbposition aus tat). Das war schon auffällig, nachdem in den letzten Wochen doch recht konsequent nach dem gleichen Schema gearbeitet wurde.
Ein Übergewicht dank Aremu und Benatelli
Mit einem Rückstand ging es in die Halbzeit. Kurz davor ist Luca Zander dann noch sehr unglücklich mit Antwi-Adjei zusammengerasselt und blieb vermutlich deshalb in der Kabine. Mit der Einwechslung von Aremu rückte Benatelli auf die Halbposition rechts. Dies ergab eine Aufstellung, die vermutlich nicht wenige auch bereits zu Spielbeginn erwartet hatten.
Zwar blieb Paderborn in Umschaltmomenten brandgefährlich, aber auch der FCSP konnte nun aus dem Spiel heraus mehr und mehr offensive Akzente setzen. Und es sind Benatelli und Aremu, die hierbei eine entschiedene Rolle spielten. Denn Aremu konnte wesentlich häufiger Bälle abfangen oder im direkten Duell gewinnen, als es Benatelli in der ersten Halbzeit auf gleicher Position tat. Benatelli wiederum agierte zwar mit weniger Tempo, aber erheblich ballsicherer als Zander auf der Halbposition (da war gestern auch zu sehen, wie wertvoll Finn Ole Becker für das FCSP-Spiel ist. Der ist zwar selten auffällig, aber eben sehr passsicher mit hoher Geschwindigkeit und unter hohem Druck).
Auch wenn der SC Paderborn immer wieder gefährliche Umschaltmomente hatte: In den 25 Minuten nach Wiederbeginn war der FCSP klar das spielbestimmende Team. Im Gegensatz zu den Vorwochen fehlten jedoch die Hochkaräter. Einzig ein Schuss von Marmoush, der wie inzwischen gewohnt mit viel Licht und viel Schatten spielte, kurz nach Wiederanpfiff brachte ernsthaft Gefahr. Ansonsten waren es die letzten Pässe, die selten bis gar nicht ankamen (abgesehen von Benatelli, der allerdings durchaus in der 65.Minute das Tor hätte treffen können).
Etwa in der 68.Minute wurde mir ein schreiendes Baby auf den Arm gelegt. Kurze Zeit später wurde ich selbst zum schreienden Baby. So sehr wir im Saisonverlauf abfeierten, dass sich der FCSP sehr stabil bei Standards zeigte, so ernüchternd war das zweite Tor des SC Paderborn, als Stojanović einen auf den ersten Blick haltbaren Ball ins eigene Tor abwehrte. Mag sein, dass der Ball durch einen Platzfehler ein wenig die Richtung änderte, der Kopfball von Schonlau wirkte in den TV-Bildern jedoch selbst damit alles andere als unhaltbar.
Mit dem 0-2 blieb dem FCSP dann nichts anderes übrig als auf Modus „vogelwild“ umzustellen und ins Risiko zu gehen. Kurz nach dem Gegentor wurde auf ein 3-5-2 umgestellt, mit Marmoush(!) als rechtem Flügelverteidiger. Der FCSP wirkte zwar gewillt, aber, auch aufgrund einiger Wechsel und Umstellungen, recht unkontrolliert in der Schlussphase und überhaupt nicht mehr zwingend. Statt dem erhofften Anschlusstreffer des FC St. Pauli muss sich der SCP und vor allem Stürmer Owosu vorwerfen lassen, nicht noch das dritte Tor erzielt zu haben.
Niederlage? – Lang ist es her!
Die nicht unverdiente Niederlage gegen Paderborn holt uns so richtig schön auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Richtung der Entwicklung des eigenen Spiels ist richtig, aber es ist ein langer Weg zu gehen. Da zeigt sich dann auch, dass es eben Nuancen sind auf die es ankommt in der zweiten Liga: Der FCSP hat teils ansprechend gespielt, aber Paderborn erzeugte aus weniger Offensivaktionen viel mehr. Da ist in den letzten Wochen auch dem FCSP gut gelungen. Aber nicht nur der SCP spiegelte den FCSP auf dem Spielfeld, auch der FCSP selbst zeigte Altbekanntes: Die Schwächen in der Rückverteidigung bei tiefen Bällen wurden in den letzten Wochen immer wieder aufgezeigt (von Darmstadt und Heidenheim zum Beispiel). Zusätzlich wurde noch ein Dämon aus eigentlich längst vergessenen Zeiten der Hinrunde zurückgeholt: die fehlende Durchschlagskraft vorne.
Ist das nun ein dämonischer Rückfall? Sicher nicht. Es ist eher so etwas wie das Erdungskabel, das mal so einen Kurzschluss wie gestern auslöst, damit ja niemand abfackelt (es soll ja Personen geben, die ernsthaft die Punktzahl nach oben durchgerechnet haben). Der SC Paderborn hat mit einer ähnlichen Formation, etwas mehr Tempo ganz vorne und tollen Umschaltmomenten einfach den reiferen Eindruck gemacht.
Zum nun folgenden Programm gegen Osnabrück und Braunschweig sollte die Spannung wieder hochgefahren werden, damit es nicht doch noch einen Dämon gibt, der uns wieder heimsucht.
Immer weiter vor!
// Tim
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Eine schmutzige 532-Formation hätte ich für den Start gg. Paderborn gewählt.
Wenn Du mit ihnen mitspielen willst, nimmt dich diese Elf weitestgehend auseinander.
Daher sollte man gegen sie eher das Fußballspielen verhindern. Hab diese Erfahrung
schon beim FIFA-Zocken gemacht und Unentschieden sind besser als Niederlagen.
Bei eventuell aufzuholenden Rückständen hätte ich dann auf ein 352 oder 3421 umgestellt,
um wieder zurück zur 532-Formation zu wechseln, wenn Torvorsprünge zu halten sind oder
um Torrückstände klein zu halten (Stichwort Torverhältnis).
Ansonsten ist Baumgart schon ein Offensiv-Taktikfuchs, das hat er sich wohl von seinem alten
Trainer bei Dynamo Schwerin (DDR-Zweitligist) abgesehen. Der stand dort auch immer an der
Seitenlinie und hat seine Spieler zum hohen Pressing animiert („rauf Jungs, rauf!“).
Das letzte Pokalfinale der DDR: Dynamo Dresden vs. Dynamo Schwerin (Doku)
Ja, 532 wäre vielleihct nicht die schlechteste Variante gewesen. Aber dafür bracuth man halt auch die passenden Spieler auf den Flügeln.
Stimmt. Wie viele braucht Sankt Pauli &
was wollen wir für sie ausgeben?
Mindestens 1910Mio 😉
Völlig verdiente Niederlage, die für mich nicht nur aus einer mangelnden Einstellung -von Anfang an sichtbar in der Körpersprache-, sondern auch aus Fehlern des Trainers resultierte: Zander in die Raute beordern? Der kann Linksverteidiger, aber da hatte er echt nix verloren…Und direkt vor dem Spiel nochmal darauf hinzuweisen, was Paderborn wohl machen wird -was sie ja dann auch haargenau taten..-, um wirklich keine Taktik dagegen zu haben? Na ja, entwicklungsfähig, wie übrigens auch die Leistungen von Marmoush und Zalazar. Da sollten die Verantwortlichen in Wolfsburg und Frankfurt sich mal genau überlegen, ob das schon für Bundesliga oder sogar Europa reichen kann, oder ob sie die Beiden nicht nochmal ne Saison bei uns belassen…
Völlig richtig. Ich bin auchd afür, dass der Laden so noch ne weitere Saison zusammenspielt 😉
So, Tim, nu is aber auch mal Schluss mit Familie. Kaum schreibst du keine Vorberichte mehr, schießen wir keine Tore mehr. Also, Stifte bereitgelegt und schon mal für Osnabrück angefangen, bitte schön. 🙂
Aye-Aye! 😉