Quarantäne-Trainingslager? – Zwingend nötig!

Quarantäne-Trainingslager? – Zwingend nötig!

Es ist wohl nicht zu vermessen, wenn ich behaupte, dass der DFL und den Bundesliga-Klubs angesichts der aktuellen pandemischen Lage in Deutschland und des straffen Zeitplans ziemlich die Düse geht. Denn sollte es in nächster Zeit noch weitere Corona-Fälle in den Teams geben, die letztlich zu Spielabsagen führen, könnte das für den Wettbewerb ziemlich fatale Folgen haben. Eine Lösung gibt es (siehe Überschrift), diese ist alles andere als optimal, jedoch selbstverschuldet zwingend notwendig.

Die Ausgangslage

Die Pandemie in Deutschland hat sich in den letzten Wochen und Monaten noch einmal verschärft. Das war bereits lange vorher absehbar und dürfte nur die überraschen, die sich überraschen lassen wollten (und das ist alles, was ich dazu sagen möchte). Die gestiegene Anzahl an Neuinfektionen macht natürlich auch vor den Bundesliga-Klubs nicht Halt. So gab es in den letzten Wochen wieder vermehrt positive Fälle, angeordnete Quarantäne und damit verbundene Spielausfälle. Sicher ist, dass das in den kommenden Wochen nicht mehr passieren darf, da der Zeitplan richtig eng getaktet ist und es, anders als im Vorjahr, keine Möglichkeit gibt das Saisonende weiter nach hinten zu verlegen. Denn „weiter hinten“ wartet eine Europameisterschaft (die sogar vor Zuschauer*innen gespielt werden soll).

Zuletzt gab es allein in der 2. Bundesliga drei Teams, die in Quarantäne mussten: Hannover 96, Holstein Kiel und Jahn Regensburg. Zusätzlich gab es auch weitere Fälle beim Hamburger SV, Eintracht Braunschweig, dem Karlsruher SC, dem SV Sandhausen und Fortuna Düsseldorf. Macht zusammen also in acht von 18 Teams positive Corona-Fälle in den letzten drei Wochen. Ihr könnt euch selbst ausrechnen, wie sich das zusammen mit bundesweit weiter steigenden Fallzahlen entwickeln dürfte.

Diese Entwicklung ist auch der DFL bewusst. Und entsprechend hat sie bereits vor rund zwei Wochen eine Idee in die öffentliche Diskussion eingebracht: Die Teams sollen sich für einen gewissen Zeitraum in ein Quarantäne-Trainingslager begeben. Damit soll gewährleistet werden, dass die Wahrscheinlichkeit von Ansteckungen und dadurch mögliche Quarantäne für ganze Teams auf ein Minimum heruntergefahren wird. Diese Idee hat Vor- und Nachteile.

Die Hygienevorschriften für die Bundesliga-Klubs sind ziemlich umfangreich. Damit soll verhindert werden, dass, wenn eine Person aus einem Klub positiv getestet wird, keine weiteren Team-Kollegen ansteckt werden können. Viele Fälle haben gezeigt, dass dieses Konzept funktioniert und Klubs zwar einzelne infizierte Personen in ihren Reihen hatten, aber nicht das gesamte Team in Quarantäne musste (und auch keine weiteren Infektionen auftraten). So wurde beispielsweise bei einem Schnelltest von Simon Terodde bei unserem Nachbarn bei Ankunft auf dem Gelände ein positives Ergebnis festgestellt und bevor alle Spieler aufeinandertrafen waren sie auch schon wieder auf dem Heimweg. PCR-Tests hinterher und außer Terodde keine weiteren positiven Befunde, somit musste „nur“ er in Quarantäne – so funktioniert es im Idealfall.
Damit das auch immer klappt, muss jeder Klub und jeder Spieler die Hygienevorschriften konsequent umsetzen. Und genau das scheint ein Problem zu sein.

Umsetzung scheitert an der Infrastruktur

Das Umsetzen der Hygienevorschriften stellt viele Klubs vor enorme Herausforderungen. Das ist wenig verwunderlich, da die Vorschriften schon richtig heftig in den vorher geregelten Trainingsbetrieb eingreifen. So sollen die Spieler bestenfalls zeitlich gestaffelt in den Kabinen sein. Das ist für einige Klubs leichter, für andere Klubs schwerer umsetzbar. Leicht ist es, wenn Klubs im Trainingszentrum über mehrere Kabinen verfügen, sodass eine Trennung nicht zeitlich sondern räumlich geschehen kann. Bei anderen Klubs ist das entsprechend nicht umsetzbar, wenn die Räumlichkeiten nicht gegeben sind. Gleiches gilt übrigens für die Nutzung der Fitnessräume und der Physiotherapie: Je größer die Räume sind, umso einfacher ist die Umsetzung. Gleiches gilt auch für das Personal, denn es sollen möglichst kleine Kohorten z.B. in Sachen Physiotherapie gebildet werden. Für Klubs die sich kein Dutzend Physios leisten können, ist die Umsetzung entsprechend schwer.

Umsetzung scheitert am Willen

Die Hygienevorschriften der DFL sind schon heftig und wenn man sich diese genau durchliest, wird schnell klar, dass es nicht irgendwelche kleinen Veränderungen im Trainingsbetrieb sind, um sie richtig anzuwenden. Vielmehr muss der gesamte Trainingsbetrieb umgestellt werden. Wellnessbereiche dürfen nicht genutzt werden, Flächen müssen ständig desinfiziert werden, Maskenpflicht gilt auch in den Fitnessräumen, Mindestabstände sowieso überall, es müssen sogar personalisierte Getränkeflaschen genutzt werden. All diese Einschränkungen und Auflagen umzusetzen ist schwer und es wäre sehr viel simpler im Teambetrieb alles einfach wie vorher weiterlaufen zu lassen.

Nun werde ich sicher keine haltlosen Behauptungen aufstellen. Aber die Vermutung liegt nahe, dass bei dem logistischen und auch finanziellen Aufwand, den Klubs zur Umsetzung der Hygienevorschriften betreiben müssen, es nicht jeder Klub ganz so genau mit den Vorschriften nimmt. So ist es für Teams sicher auch kein sportlicher Nachteil, wenn sie z.B. das, nach den Hygienevorschriften eigentlich gesperrte, Entmüdungsbecken oder die Sauna zur Regeneration nutzen. Wer also sorgt dafür, dass die Vorschriften umgesetzt werden?

Die Hygienevorschriften sehen eine Selbstkontrolle vor:

„Eine aktive Kontrolle der (…) Maßnahmen durch die Task Force im Sinne von disziplinarischen Maßnahmen ist nicht vorgesehen. Die Verantwortung für die Durchführung obliegt den Clubs. Die regelmäßigen Abstrichtestungen stellen bereits eine Art der Kontrolle dar, die alle Beteiligten hinreichend zu angemessenem Verhalten mahnt.“

aus DFL-Hygienevorschriften

Die gesamte Umsetzung basiert also auf Vertrauen…
Es wird darauf vertraut, dass Klubs, die z.B. an anderer Stelle gegen geltende Corona-Regeln verstoßen, sich an die Hygienevorschriften im Trainingsbetrieb halten. Es wird darauf vertraut, dass Spieler, die z.B. an anderer Stelle gegen geltende Corona-Regeln verstoßen, sich an die Hygienevorschriften im Trainingsbetrieb (und auch im privaten Bereich) halten. Es wäre ein großes Wunder, wenn dies der Fall wäre. Wir sollten aber vom Gegenteil ausgehen. Beispiele von Fehlverhalten gibt es mehr als genug, vor allem von Spielerseite (was nicht bedeutet, dass die Klubs da besser sind).
(edit: Passend dazu wird zwei Tage nach der Veröffentlichung dieses Textes berichtet, dass es beim KSC wohl erhebliche Verletzungen gegen das Hygiene-Konzept gegeben hat. Auch daher befindet sich das gesamte Team aktuell in Quarantäne.)

Wie aber kann die richtige Umsetzung erreicht werden? Wie können Klubs, die Probleme haben die geltenden Regeln aufgrund der Infrastruktur umzusetzen und Klubs/Spieler, die die Regeln bewusst nicht umsetzen, zur Umsetzung „gezwungen“ werden?

Die Lösung für beides: Quarantäne-Trainingslager

Auch wenn das Wording eher sein wird, dass die Spieler und Klubs vor den steigenden Infektionszahlen geschützt werden sollen, ist bei genauer Betrachtung erkenntlich, dass Klubs und Spieler vor ihrem eigenen (gewollten oder ungewollten) Fehlverhalten geschützt werden sollen.

Ein Quarantäne-Trainingslager würde die Klubs zwingen sich abzuschotten. Es würde dazu führen, dass Team-Mitglieder keine Kontakte mehr im privaten Bereich haben und somit das Virus nicht in den Klub bringen können. Da sich das ganze Team in einer Blase bewegen würde, müsste vermutlich auch das Hygienekonzept innerhalb des Teams nicht mehr so strikt umgesetzt werden. Vorausgesetzt niemand ist so doof und verlässt die Blase.
Angedacht ist, die Teams für die Spieltage 29-31 abzuschotten, also vom 14. – 26.April.

Was ist wichtiger?

Die Spielervereinigung VDV hat sich bereits kurz nach Bekanntwerden des Plans eines Quarantäne-Trainingslagers mit deutlichen Worten gemeldet.

Ja, Fußballer verdienen scheißviel Geld mit einem Job, den viele andere nicht als Job bezeichnen würden. Sie dürfen aktuell einen Job ausführen, der es Ihnen erlaubt eng mit Team-Kollegen zu arbeiten, eng umschlungen Tore und Siege zu feiern. Das macht sicher nicht nur mich neidisch. Aber es bedeutet nicht, dass die Teams wie Arbeitsgeräte behandelt werden können.

„Einigen Spielern sei es zudem aufgrund familiärer Verpflichtungen kaum möglich, sich in mehrtägige Quarantänelager zu begeben.“

Spielergewerkschaft VDV

Betrachten wir es mal von der anderen Seite: Würdet ihr für euren Arbeitgeber freiwillig in Quarantäne gehen, damit ihr arbeiten könnt? Würdet ihr das auch dann noch machen, wenn ihr z.B. kleine Kinder zuhause habt? Ein Quarantäne-Trainingslager würde für Team-Mitglieder von Bundesligisten genau das bedeuten. Es würde bedeuten, dass z.B. Daniel Buballa und Sebastian Ohlsson nicht bei ihrem jüngst geborenen Nachwuchs sein können. Es würde bedeuten, dass Timo Schultz seine Tochter nicht mehr zur Kita bringen kann. Es würde bedeuten, dass die Partnerinnen mit den Betreuungsaufgaben (die ja in der Pandemie für Kinder weit umfangreicher sind) alleine sind.
Ist halt so, sie verdienen ja genug und sind durch die Möglichkeit weiterhin ihren Beruf ausüben zu dürfen privilegiert? Es wird hierzu sehr unterschiedliche Meinungen zu geben.

Und damit landen wir wieder bei einer inzwischen seit einem Jahr geführten Diskussion: Wie wichtig ist der Profi-Fußball? Ist das beenden der Saison so wichtig, dass Teammitglieder auf ihre Familien verzichten müssen? Mal ganz ketzerisch: Welches System ist in der Pandemie relevanter? Der Bundesliga-Betrieb oder das Fußballer durch das Betreuen ihrer Kinder aktiv zum Infektionsschutz beitragen? Klar, der Spielbetrieb sichert viele Jobs. Aber da hat sich anscheinend auch niemand etwas anderes einfallen lassen, außer „Wir müssen weiterspielen!“, um diese Jobs zu erhalten.

Natürlich gibt es aus sportlicher Sicht kein Interesse daran, dass so eine Situation wie die um Dynamo Dresden letzte Saison noch ein zweites Mal entsteht. Schon der Terminplan von Holstein Kiel in den kommenden Wochen ist mit zwei Nachholspielen und dem DFB-Pokalhalbfinale sicher kein Vorteil für die Kieler. Aber dieses Problem, diese Notwendigkeit für die nächsten Schritte hat sich der Fußball selbst geschaffen. Der eng getaktete Spielplan lässt keine Spielausfälle mehr zu, geschweige denn eine 14-tägige Quarantäne für ein gesamtes Team.

Ich hätte mir gewünscht, dass die DFL sich ein wenig mehr hätte einfallen lassen, um die Spieler und den Spielbetrieb zu schützen. Solange aber Hygienevorschriften nicht kontrolliert werden und die Sanktionen gegen Verstöße den Klubs (auf anderer Ebene) und den Spielern finanziell weniger wehtun, als ein brennendes Bengalo (wie gern hätte ich das mal wieder!), solange wird es nur über Quarantäne-Trainingslager funktionieren die Saison zu einem halbwegs fairen Ende zu bringen. Aber bitte, liebe DFL, erklärt nachher nicht, dass die steigenden Infektionszahlen diese Entscheidung unumgänglich gemacht haben.

// Tim

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5 thoughts on “Quarantäne-Trainingslager? – Zwingend nötig!

  1. Natürlich sollten Spieler nicht wie „Arbeitsgeräte“ behandelt werden, trotzdem, Sorry, aber dieses Rumgejammer bei Fußballern, wenn sie mal 3 Spiele in 7/8 Tagen austragen müssen…Beim Handball heult niemand, wenn bei grossen Turnieren 2 Spiele an aufeinanderfolgenden (!) Tagen ausgetragen werden, und die Intensität während des Spiels ist tatsächlich noch einmal höher! Und, mal ehrlich, ich spiel doch lieber unter Wettkampfbedingungen, als diese ewige Trainiererei….

  2. Die Argumente gegen ein Quarantäne-Trainingslager sind sicher nachvollziehbar und richtig, die Diskussion aber ist doch eher eine theoretische.

    Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass eine 14 tägige Quarantäne ein echtes Problem für die Clubs und ihre Angestellten bedeutet.
    Wenn es wirklich wichtige, z.B. familiäre, Gründe gibt und man aus der Quarantäne raus muss, dann ist das halt so. Das ist ja Gefängnis und es könnte ja auch Möglichkeiten geben (2x testen) um danach wieder zum Team zu stoßen.

    Kinderbetreuung? Echt jetzt? Mein Tochter geht seit 4 Monaten schon nicht mehr zur Schule gegangen, was ich da schon alles organisiert habe 🙂
    …aber wie du schon schreibst, da ist man sehr schnell bei Diskussionen die an anderer Stelle schon ausführlich geführt wurden.

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