Was los, 2.Bundesliga (nach 4 Spieltagen, 21/22)?

Was los, 2.Bundesliga (nach 4 Spieltagen, 21/22)?

Nach vier Spieltagen in der 2.Bundesliga ist es Zeit eine neue Artikelrubrik ins Leben zu rufen. Der MillernTon wird sich nun in regelmäßigen Abständen dem Geschehen bei anderen Zweitligisten widmen und mal etwas intensiver schauen, wo diese stehen und warum sie dort stehen. Den Anfang machen Jahn Regensburg, Fortuna Düsseldorf und Werder Bremen.

In Regensburg scheint die Sonne

Der SSV Jahn Regensburg ist aktuell das Maß der Dinge in der zweiten Liga, hat alle vier Spiele gewonnen und lässt sich momentan an der Tabellenspitze die Sonne auf den Bauch scheinen. Währenddessen fragt sich vermutlich der Rest der Liga, wieso gerade die Regensburger zur neuen Saison diesen großen Schritt gemacht haben. Schauen wir uns die Gründe einmal an:

Jahn Regensburg steht nicht zu Unrecht da oben, wenngleich sie aktuell sicherlich mehr aus ihren Möglichkeiten machen. Einen ersten Hinweis auf ihre Stärke liefert der Blick auf die erzielten Tore: Sieben ihrer bisher zwölf Saisontore haben die Regensburger aus Standardsituationen erzielt (2x davon nach Einwurf). Hier scheint ein Team seine Hausaufgaben gemacht und die enorme Möglichkeit die Standardsituationen bieten erkannt zu haben, während viele andere Klubs deren Wichtigkeit immer noch zu unterschätzen scheinen.
Zudem bringt ein in Regensburg bereits länger praktiziertes Muster Erfolg: Drei der zwölf Saisontore sind im Anschluss nach Ballgewinnen im hohen Pressing gefallen. Unter Trainer Mersad Selimbegovic spielt das Team seit einigen Jahren ein wahnsinnig intensives Pressing, welches Saison für Saison immer etwas besser zu werden scheint.

Aber natürlich liegt es nicht nur an den taktischen Konzepten, sondern auch am Personal, dass Regensburg aktuell an der Tabellenspitze liegt. Im Sommer verließen mit Sebastian Stolze und Albion Vrenezi zwei recht starke Spieler auf den offensiven Außenbahnen den Klub. Diese Positionen wurden mit Bayern-Leihgabe Sarpreet Singh (2 Tore, 3 Vorlagen) und SVW-Leihgabe Jan-Niklas Beste (1 Tor, 1 Vorlage) besetzt. Nur zwei Abgänge der Kategorie „Stammspieler“ sind in Regensburg äußerst ungewohnt. In den Jahren zuvor haben die Top-Spieler scharenweise den Klub verlassen und mussten immer erst ein neues Team formen. Die Top-Spieler sind dieses Mal aber geblieben: Die Doppel-Sechs ist im Regensburger 4-4-2 mit Benedikt Gimber und Max Besuschkow hervorragend besetzt.

Der Fußball von Jahn Regensburg ist also durch recht hohes Risiko gekennzeichnet. Nach Ballgewinn geht es eigentlich immer schnell nach vorne. Das höchste Matchtempo aller Teams ist ein Anzeiger dafür. Nur zwei Teams haben durchschnittliche kürzere Ballbesitzphasen und ebenfalls nur zwei Teams haben weniger Pässe als Regensburg gespielt. Der FC St. Pauli muss sich diesen Sonntag also einmal mehr auf einen der unangenehmsten Gegner der 2.Liga gefasst machen. Es ist sicher etwas überraschend, dass Regensburg ganz oben in der Tabelle steht. Ein Wunder ist es aber nicht, denn dort wird seit Jahren wirklich gute Arbeit im Hintergrund geleistet.

SSV Jahn Regensburg – Das Team der Stunde
(HMB Media/Schumacher/imago images/via OneFootball)

In Bremen scheint die Sonne nicht

Herrje, das sind ziemlich dunkle Wolken, die da in Bremen aufziehen! Die finanziellen Probleme scheinen dort alles zu überstrahlen und wirken sich massiv auf den Kader aus. Viele Stammkräfte haben den Verein bereits verlassen. Die Liste der Neuzugänge ist ziemlich kurz und wird von vielen als qualitativ dürftig bezeichnet. Deshalb steht Sportchef Frank Baumann massiv in der Kritik und mit ihm gleich der Chef des Aufsichtsrats, Marco Bode, der Baumann den Rücken stärkt. Wir haben mal bei Journalistin Solveig Haas nachgefragt, was da aktuell los ist in Bremen:

Moin Solveig, Werder Bremen ist eher schleppend in die Saison gestartet. Woran liegt das?

Am Kader. Erstens daran, dass wichtige Spieler gegangen sind und (noch) nicht ersetzt wurden – Rashica und Sargent sind, was das Offensivspiel angeht, vielleicht die, die einem zuerst einfallen, aber ich glaube auch Spieler wie Moisander und Gebre Selassie fehlen dem Mannschaftsgefüge extrem. Viele Journalist*innen und auch Fans sprechen vom „totalen Ausverkauf“ und auch wenn ich das unnötig polemisch finde, der Eindruck ist vielleicht auch für die Mannschaft intern verunsichernd, je nachdem wie das Vorgehen kommuniziert wird. Das leitet auch ganz schön zu zweitens über: Meinem Empfinden nach ist auch die verbliebene Mannschaft sehr verunsichert. Füllkrug ist da für mich das Paradebeispiel: Das Problem steckt offensichtlich im Kopf. Für mich nicht weiter verwunderlich, nach so einem Abstieg und den Jahren davor. Aber da muss dann eben entsprechend gearbeitet werden. Ich finde aber auch, dass man von Spiel zu Spiel merkt, dass sich da in der Mannschaft etwas tut.

Nicht nur auf sondern auch neben dem Platz rumort es gewaltig. Frank Baumann und Marco Bode stehen massiv in der Kritik. Aus deiner Sicht zurecht?

Jein. Ich verstehe die Kritik, aber nicht die Intensität und das Niveau. Werder schwächelt massiv bei der Kommunikation, das lässt sich nicht abstreiten. Da ist viel Verwirrung und wenig Klarheit. Aber: Was Baumann und Co kommunizieren wollen und müssen ist eben auch eine bittere Pille: Werder ist finanziell am Boden und kann einfach nicht so, wie Verein und Fans das wollen. Das ist man in dieser verrückten Fußballwelt, in der mit absurden Unsummen jongliert wird, nicht mehr gewohnt. Ich glaube den Verantwortlichen, dass sie ihr bestes Tun und verantwortungsvoll und vereinsdienlich handeln wollen. Ich glaube auch, dass es sicher Leute gibt, die das erfolgreicher könnten – aber das wäre nicht mehr mein Werder. Nicht, weil ich auf absteigen und Spiele verlieren stehe, sondern weil ich verzweifelt möchte, dass „The Baumann Way“ des (finanziell) verantwortungsvollen und bedachten Handelns funktioniert. Das mag sehr naiv sein, aber Werder, besonders in Person von Baumann ist für mich die Antithese zur Absurdität des modernen Profifussballs. Und das liebe ich sehr. Persönlich kann ich „Baumann/Bode raus“-Rufe nicht verstehen, aber den Frust der dahinter steckt absolut. Allerdings lohnt es sich finde ich immer, zu fragen: Wer kommt danach und was macht das mit unserem Werder?

Ganz schön unruhige Zeiten für Frank Baumann als Sportchef bei Werder Bremen.
(imago images/vie OneFootball)

Was erwartest Du von der restlichen Saison? Wird Werder Bremen noch um den Aufstieg mitspielen können? Oder muss man sich eher Gedanken um den Klassenerhalt machen?

Mein Fanherz sagt, wir schaffen den direkten Wiederaufstieg, weil bis zum Deadlineday noch wichtige Spieler kommen und die Mannschaft diesen besonderen Werder-Spirit, der jahrelang eventuelle Mängel in der spielerischen Qualität hervorragend kompensieren konnte, wiederfindet. Die rationale Journalistin in mir glaubt auch, dass das möglich sein kann, aber dass es wesentlich wahrscheinlicher ist, diese Saison irgendwo im Mittelfeld dieser Liga zu beenden – nicht schlecht, aber eben auch nicht gut genug für die erste Liga. Ich denke rational betrachtet wird der angekündigte Umbruch noch eine Weile länger dauern. Es wäre auch vermessen, so zu tun als wäre Werder in einer solchen Liga automatisch ein Favorit. Da sind Mannschaften, die uns definitiv das Wasser reichen können. Um den Klassenerhalt wird Werder sich aber nicht sorgen müssen.

Danke für deine Einschätzung, Solveig!

Bis nächsten Dienstag, also bis zum Ende der Transfer-Deadline, wird sich bei Werder Bremen vermutlich noch einiges am Kader verändern. Besonders in der Offensive scheint es nach nur einem Tor aus den letzten drei Spielen Bedarf zu geben. Der gehandelte Linton Maina wird aber nicht kommen. Dieser Wechsel scheint wahrlich auf den letzten Metern geplatzt zu sein. Klar ist bei der Spielersuche aber auch, dass Werder Bremen bei den Verhandlungen nicht mit sonderlich gut dotierten Verträgen punkten kann, wie Sportchef Baumnann der „Deichstube“ verriet. Laut verschiedenen Medienberichten von gestern Abend wird Marvin Ducksch zum SVW wechseln. Ob das die erhoffte Verstärkung ist, wird sich dann noch zeigen. Als Ersatz für Ducksch in Hannover wird übrigens ein gewisser Omar Marmoush gehandelt.

In Düsseldorf müsste die Sonne scheinen

Mit der Qualität, die wir im Kader haben, müssten wir eigentlich mehr Punkte habensagte F95-Offensivspieler Kristoffer Peterson nach dem 2:2 gegen Holstein Kiel am letzten Spieltag. Das Team von Neu-Trainer Christian Preußer ist mit vier Punkten aus vier Spielen in die Saison gestartet. Das ist, gemessen an den xG-Werten eher weniger als zu erwarten war:

xG-Tabelle nach vier Saisonspielen.
(Werte von Wyscout)

In Düsseldorf wurden vor der Saison verbal etwas kleinere Brötchen gebacken. Vor der letzten Saison wurde das klare Ziel Wiederaufstieg formuliert. Das ist vor dieser Saison nicht der Fall gewesen, wenngleich sich die Verantwortlichen sicher auch in dieser Saison mit einem qualitativ hochwertigen Kader etwas ausrechnen. Der unterdurchschnittliche Saisonstart ist beim Erreichen der internen Ziele sicher nicht hilfreich.

Der Aufwand, den die Fortuna in den Spielen betreibt ist enorm und es sind nicht nur die xG-Werte, die aufzeigen, dass da mehr möglich wäre. Fortuna Düsseldorf hat die fünftmeisten Torschüsse abgefeuert, mit einigem Abstand die meisten Ballkontakte im gegnerischen Strafraum, spielt die meisten Bälle ins letzte Drittel (mit der zweitbesten Erfolgsquote hinter Darmstadt). Offensiv sind es vor allem Flanken, die Erfolg bringen sollen. Unglaubliche 110x flog der Ball bereits in den gegnerischen Strafraum. Um in Flankenposition zu kommen sucht gerade Kristoffer Peterson immer wieder das Dribbling und ist mit über zehn Dribblings pro 90 Minuten führend in der Liga. Der HSV auf dem zweiten Platz hat weniger als 80 Flanken geschlagen. Die Erfolgsquote der Flanken zählt mit über 40% zu den Top3. Statistisch macht die Fortuna also einen guten Eindruck.
Zudem scheint das Spiel gegen den Ball ebenfalls zu klappen: Fortuna verliert von allen Teams am seltensten die Bälle im eigenen und mittleren Drittel, gewinnt dafür aber die meisten Bälle im gegnerischen Drittel. Wenn das Defensivspiel im fließenden Spiel passt (fünfwenigste gegnerische Torschüsse), dann sind die Probleme fast automatisch anderweitig zu suchen. Vier der sieben Gegentore fing sich die Fortuna nach ruhendem Ball (zwei Elfmeter). Es scheint also kein generelles Problem in Düsseldorf zu geben.

Ausblick

Nagelt mich nicht drauf fest, aber die Fortuna dürfte in den nächsten Spielen ein paar Punkte mehr sammeln. Das Spiel am kommenden Wochenende gegen Schalke 04 wird richtungsweisend sein, ob es diese Saison auch um den Aufstieg geht. Und zwar für beide Teams, da nicht nur Werder Bremen sondern auch Schalke 04 nicht so richtig gut in die Saison gestartet ist. Die haben sogar das Problem, dass sie sowohl spielerisch, aber auch kämpferisch diese Saison noch nicht überzeugen konnten.
Es ist also das typische Bild, welches die 2.Liga auch in der Saison 21/22 abgibt: Viele Teams haben qualitativ vermeintlich hochwertige Kader, aber auch einen massiven Umbruch im Sommer hinter sich. Genau diese Teams bringen die Qualität aber nicht auf den Rasen. Vielmehr scheint es beim Blick auf die Tabelle die Kontinuität im Kader zu sein, die Erfolg bringt. Das sollte nach den Aufstiegen von Bielefeld, Union, Fürth und Bochum eigentlich allen klar sein. So verwundert es auch nur jene, die die 2.Liga nicht bereits in den Vorjahren verfolgt haben, dass der KSC und Jahn Regensburg vorne in der Tabelle zu finden sind. Ich bin gespannt, ob eines dieser beiden Teams auch am Saisonende oben dabei sein wird.

// Tim

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